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Angst vor der Angst
Hallo zusammen,
ich bin ganz neu hier und möchte anfangs ein paar Worte über mich verlieren. Mein Name ist Mirko, ich bin 29 Jahre alt und leide seit etwa 7 Jahren an Panikattacken und Angststörungen. Dies ist keine ärztliche Diagnose sondern eher so eine Art Selbsterkenntnis. Ich beschäftige mich schon sehr lange mit dem Thema Angststörungen und Panikattacken und habe auch dementsprechend viel darüber gelesen. Da ich mich in den meisten Symptomen einer Panikat-tacke/Angststörung wieder erkenne, gehe ich davon aus, dass meine Störung eben in diesen Bereich fällt.
Wie kam es dazu? Diese Frage stelle ich mir, seitdem ich an diesen Anfällen leide. Der Zeitraum, als ich die ersten Panikattacken hatte war so mit negativen Ereignissen belastet, dass viele Dinge der Auslöser sein könnten; oder alle zusammen. Meine Eltern haben sich damals überraschend scheiden lassen und das war mehr als eine Schlammschlacht. Für mich war es die schlimmste Zeit in meinem Leben. Ich stand völlig zwischen den Stühlen und habe mich auch total in diesen Rosenkrieg einbinden lassen. Ich habe heute ein tolles Verhältnis zu meinen Eltern, aber die Zeit damals war die Hölle.
Die Trennung meiner Eltern hat mich so mitgenommen, dass ich mich in die wunderbare Welt der Dro. geflüchtet habe. Ich habe zwar vorher auch schon hin und wieder einen *beep* geraucht, aber ab diesem Zeitpunkt hab ich nichts anderes mehr gemacht. Ich habe mich von morgens bis spät abends nur zugeknallt. Ich bin aufgestanden und habe als aller Erstes eine Wasserpfeife geraucht, um gescheit in den Tag zu starten. Dann schnell die Morgentoilette hinter mich gebracht und auf dem Weg zur Arbeit einen *beep* geraucht. Ich arbeite im Büro (auch damals schon) und da ist es niemandem aufgefallen, wenn ich platt wie ein Pfannku-chen vor meinem PC gesessen habe. Nach der Arbeit direkt auf dem nach Hause Weg eine Tüte geraucht und zu Hause angekommen nichts mehr anderes gemacht. In der Bude rumge-hongen, gek. wie bekloppt und mit Kumpels getroffen. Klar, die kamen alle zu mir, weil da gab es ja immer Stoff. Irgendwann (nach über einem Jahr) ist das ganze dann aufgeflo-gen. Meine Mutter hat Wind davon bekommen und mich zur Rede gestellt. Natürlich gibt man da nicht nach, sondern ist im Recht. Was auch sonst. Aber irgendwie hat es wohl doch in mir gearbeitet, was alle zu mir gesagt haben. Auf jeden Fall habe ich kurze Zeit später, von heute auf morgen, mit dem *beep* aufgehört. Der Entzug (den es ja nach Meinung vieler Möchtegern-Experten beim *beep* überhaupt nicht gibt) war die nächste Hölle, durch die ich gewandelt bin. Aber ich habe es geschafft und bin für immer und ewig von diesem Zeug los.
Kurz nach meinem Entzug habe ich eine Beziehung mit einer ehemaligen Schulfreundin von mir angefangen. Das Problem zu diesem Zeitpunkt war, dass sie sich gerade von meinem besten und damals einzigen Freund getrennt hatte. Er hing zum damaligen Zeitpunkt noch sehr an ihr und ich war zu jung und unsensibel, um mir über die Konsequenzen meines Han-delns bewusst zu sein. Auf jeden Fall hat er mir die Freundschaft gekündigt, von jetzt auf so-fort. Wir waren vorher wie Brüder. Wir haben uns jeden Tag gesehen und irgendwas zusam-men unternommen. Und dann gar nichts mehr. Mich hat das damals ziemlich fertig gemacht, zumal das noch zu dem Stress, den ich durch die Scheidung meiner Eltern hatte, noch dazu kam. Irgendwie war das, als hätte ich gar niemanden mehr. Meine Eltern nicht, meinen besten Freund nicht, niemanden. Niemanden außer dem Mädel, mit dem ich die Beziehung angefan-gen habe. Ich habe mich also völlig an sie geklammert. Ob das eine natürliche Reaktion ist oder ob ich einfach nur aus meiner persönlichen Situation heraus so gehandelt habe, weiß ich nicht. Auf jeden Fall habe ich mich völlig auf sie fokussiert. Heute würde ich sagen, es war der größte Fehler meines Lebens. Nicht mal unbedingt die Tatsache, dass ich einfach jemand gesucht habe, der mir Geborgenheit gibt sondern der Punkt, dass ich diese Geborgenheit bei IHR gesucht habe. Ich habe in meinem Leben noch keinen zweiten Menschen kennen gelernt, der so egoistisch ist wie sie. Sie hat meine Situation ausgenutzt, weil sie genau wusste, ich würde eh nicht gehen.
So begab es sich dann, dass wir nach einem Betriebsfest (wir arbeiten beide für die gleiche Firma) von einem Kollegen mit nach Hause genommen wurden. Ich hatte die Promillegrenze nämlich schon weit hinter mir gelassen und sie konnte auch nicht mehr fahren. Im Auto führ-ten wir dann die Diskussionen, die bereits auf dem Betriebsfest begonnen hatten, weiter. Ich war sehr eifersüchtig. Vielleicht, weil sie mein einziger Bezugspunkt war, aber ich möchte die Eifersucht damit auch nicht entschuldigen. Egal, ich war auf jeden Fall sehr eifersüchtig. Sie hingegen hat es genossen, mit anderen Männern zu flirten. Wohl wissend, dass mich das an die Grenzen meiner guten Kinderstube gebracht hat. Sie hat also auf dem Betriebsfest schon mit Kollegen geflirtet und auf dem nach Hause weg hat sie sich dann überlegt, noch zu irgend einem Bekannten auf den Geburtstag zu gehen. Es war zu dem Zeitpunkt etwa 12 Uhr nachts. Ich wollte das natürlich nicht. Ich wollte, dass sie bei mir schläft. Aber sie musste ja nach Hause, sich frisch machen und dann auf diesen Geburtstag. Also habe ich mich zu Hause absetzen lassen und sie ist weiter gefahren. Natürlich hat mich der Gedanke, dass sie jetzt ALLEINE auf diesen Geburtstag geht, nicht in Ruhe gelassen und der ganze Alk. war für die Situation natürlich nicht förderlich. Ich bin also in die Garage, habe mich völlig betrunken auf mein Motorrad gesetzt und wollte so schnell wie möglich zu ihr fahren. Ich wollte sie nicht alleine gehen lassen und sie bitten, bei mir zu Hause zu bleiben. Leider habe ich das Ziel nicht mehr erreicht. Ich bin irgendwo auf halber Strecke von der Straße abgekommen und habe das Bike völlig zerlegt. Mir ist zum Glück nichts passiert. Das Ende vom Lied war, dass ich 13 Monate laufen durfte und 3500 DM Strafe zahlen musste. Und ohne Führerschein war ich natürlich noch abhängiger von ihr, was sie noch mehr ausnutzte. Und irgendwann in die-ser Zeit bekam ich meine ersten Panikattacken.
Damals wusste ich natürlich nicht, was mit mir passiert. Ich hatte das Gefühl, ich müsse ster-ben. Ich bekam keine Luft mehr, meine Brustkorb hat sich angefühlt, als würde ein Auto dar-auf parken. Mein Körper hat sich angefühlt, als wäre er völlig taub. Ich habe angefangen, mich zurück zu ziehen und bekam Depressionen. Heute bin ich mir zwar nicht mehr ganz sicher, ob es definitiv Depressionen waren. Vielleicht waren es auch Angststörungen und ich konnte es nicht unterscheiden. Es ging nichts mehr. Ich konnte nicht mehr arbeiten gehen und habe immer öfters gefehlt. Unter Leute gehen war auch nicht möglich. Allein der Gedanke daran hat mich wahnsinnig gemacht. Meine Freundin hat das reichlich wenig interessiert. Anstatt den Versuch zu unternehmen mir zu helfen, hat sich mich immer mehr unter Druck gesetzt. Ich solle mich nicht so anstellen und ein wenig zusammen reißen. Sie könne es nicht ertragen, mich den ganzen Tag mit einem so leidenden Gesichtsausdruck zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir schon zusammen gewohnt und nach genau 4 Wochen bin ich dann aus-gezogen. Ich konnte einfach nicht mehr. Und das war wohl die beste Entscheidung in meinem bisherigen Leben. Eine Woche später hat sich dann rausgestellt, dass sie eh etwas mit einem anderen Typ hatte. Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, war es natürlich ein gemein-samer Bekannter.
Ich bin dann in therapeutische Behandlung gegangen, weil meine Depressionen, sofern es welche waren, immer schlimmer wurden. Mein Therapeut hat mich auch dahingehend behan-delt. Nach etwa einem Jahr Therapie ging es mir wieder gut. Ich hatte die Depris zumindest gut im Griff.
Zwischendurch hatte ich allerdings immer wieder so komische Anfälle. Ich habe mich total schlecht gefühlt, wollte am liebsten ganz alleine zu Hause sein und ich hatte immer das Ge-fühl, ich müsse weinen. Das Weinen hat auch oft geholfen. Es hat mich für einen Moment befreit.
Diese Panikattacken kamen dann immer häufiger in immer unterschiedlicheren Situationen. Und heute sind es unzählige Situationen. Diese Angststörung kontrolliert mein ganzes Leben. wenn ich meinem GEWOHNTEN Tagesablauf nachgehe und mein vertrautes Umfeld nicht verlasse, dann ist es ok. Aber sobald nur die kleinste Veränderung eintritt und sei es nur, dass Freund zu Besuch kommen, ist es vorbei. Ich kann die Panikattacken überhaupt nicht mehr aufhalten. Es kreisen immer wieder die gleichen Gedanken in meinem Kopf. Was ist, wenn sie da sind und Dir geht es auf einmal schlecht? Was, wenn jemand etwas merkt? Was, wenn ich einfach zusammen breche? Und immer das Gefühl, ich kann der Situation nicht entkommen. Ich habe keine Kontrolle über das, was passiert. Oder mit ganz anderen Worten: ICH HABE ANGST VOR DER ANGST! Diese Panikzustände sind dann so schlimm, dass sie mit körperlichen Symptomen einhergehen. Ich bekomme Magenschmerzen, Schwin-del, Ohnmachtsgefühle, mein Brustkorb verkrampft sich, etc. Das ganze ist wie ein ewiger Kreislauf. Denn mittlerweile ist es soweit, dass nicht nur die Panikattacken die körperlichen Symptome hervorrufen, sondern die körperlichen Symptome die Panikattacken auslösen. Es kann ein ganz normaler Tag sein an dem es mir gut geht und aus welchen Gründen auch im-mer bekomme ich Magenschmerzen. Dann ist das Gefühl sofort da: OH nein, eine Panikatta-cke und schon ist sie da.
So geht das jetzt schon seit Jahren und ich habe noch keinen Weg gefunden, diesen Kreislauf zu verlassen. Allerdings sträube ich mich innerlich auch immer noch, eine erneute Therapie zu machen.
Irgendwo hier im Forum habe ich die Frage gelesen, ob man solche Ängste komplett wieder loswerden kann und ohne diese Leben. Angst wird man nie los. Sie ist ein wichtiger Schutz-mechanismus des Körpers. Allerdings sollte man seine Ängste unter Kontrolle haben, was bei Menschen wie mir nicht mehr wirklich der Fall ist. Bei uns beherrschen die Ängste uns.
Anfangs dachte ich daran zu verzweifeln, weil diese Krankheit nicht mehr weggehen woll-te. Heute weiß ich, dass es eigentlich in meinen eigenen Händen liegt. Ich habe gelernt damit zu leben, um überhaupt meinen Alltag zu bewältigen. Und ich kämpfe weiter, um irgendwann wieder völlig normal zu ticken.
Ich weiß, dass der Text jetzt Ellen lang ist, aber ich muss sagen, mir hat es einfach gut getan, es zu schreiben und mich einfach Menschen mitzuteilen, die vielleicht ein ähnliches Päckchen zu tragen haben. Und vielleicht liest der Ein oder Andere meine Geschichte ja doch bis zum Ende und hat dann eventuell noch genug Elan, um seine eigenen Erfahrungen zu schildern. Das würde mich sehr freuen.
Denn der wichtigste Punkt um nicht zu verzweifeln ist zu wissen, dass man nicht mit die-sem Problem alleine ist, sondern das es da draußen noch andere mit dem gleichen Schicksal gibt.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen ein schönes, sonniges Wochenende. Und nicht den Kopf hängen lassen, sonst wird bei dem sonnigen Wetter das Gesicht nicht braun...
Gruß
Mirko
27.04.2007 10:48 •
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