ich brauche einen Realitätscheck und mangels Leuten in meiner Umgebung in einer ähnlichen Situation, habt ihr das nun am Bein. Vorab danke für eure Geduld und auch eure Tips.
Die Situation: Ich lebe in einer Partnerschaft seit 2003, verheiratet seit 2009 aber mit getrennten Räumlichkeiten (3 km auseinander) seit 2014. Die Trennung der Räumllichkeiten war darin begründet, dass mit zunehmendem Alter ihrer 2 Söhne (jetzt 20 und 23) mein Büro immer kleiner wurde und ein Umzug aufgrund der sozialen Bindungen der Kids nicht sinnig erschien. Ich bezog also eine kleine Wohnung und unsere gemeinsame Zeit war irgendwie besser und intensiver - auch nach Jahren fühlten sich unsere gegenseitigen Besuche an wie schöne Dates, der eine bekocht und betüttelt den anderen. Kein Streit über die Zahnpasta, alles doch sehr harmonisch. Gemeinsame Ideen, Reisen (natürlich auch mit den Kids) - immer gerne, abweichende Interessen? Jeder hat Raum für sich.
Vor einem Jahr verletzte ich mich bei einem Unfall an meiner Hand so schwer, dass die OP zwar den eigentlichen Schaden einigermaßen reparierte, mich aber mit einem CRPS zurückließ. Seitdem teils deutliche Einschränkungen, Therapie, Ärzte, teilweise heftige Medikation und Job oben 'drauf. Ich habe gelernt, damit bestmöglich umzugehen, obgleich ich bewegungstechnisch eingeschränkt bin und für diverse Dinge einfach Hilfe brauche.
Der große Sohn zieht nun mit Freundin nach München, um dort zu studieren. Wohnung nun zu groß und sie hätte auch gerne was im EG mit Balkon und so, also Umzug. Ich helfe natürlich, nehme Urlaub und kümmere mich wochenlang mit ihr um den Umzug, Aufbau der Küche, Einrichtung. Alles war jetzt eingespielt und bis auf ein paar immer noch herumstehende Kartons o.k.
Corona wird aktiv. Ich bin kein Prepper, weiss aber diverse Dinge aus dem Bauch heraus und einschlägiger Erfahrung zu deuten und fühle mich in der Verantwortung so weit vorzusorgen, dass ich in meiner Wohnung eine sichere, autarke Umgebung für uns (55 und 60-jährige) schaffe. Ich schlage vor, dem 20-jährigen und seiner Freundin die Wohnung zu überlassen (temporär bis sich die Lage halbwegs normalisiert hat) - sie kann bis auf weiteres zu mir in eine Umgebung, wo die Gefahren einer Infektion - auch insbesondere für mich mit hoher medizinischer Vorbelastung - minimiert sind.
Die Anwort: Nein, das geht nicht - wer soll Markus denn die Brote für die Arbeit schmieren und seine Arbeitssachen waschen?
Ich halte das erst einmal für einen Scherz und blicke verwundert. Nö - ist ihr Ernst.
Auch Markus stimmt mir zu und befürwortet den Schritt - schon deshalb, weil in einer anderen Abteilung seiner Firma jemand positiv getestet wurde und diese Nachbarabteilung schon unter Quarantäne steht.
Unis sind zu, Cafes auch. Jetzt kommen noch der ältere Sohn (mit Freundin) inmitten der Infektionswarnungen via mehrstündigem Zugaufenthalt nach Hause weil ihnen in Berlin die Decke auf den Kopf fällt. Zuhause angekommen sind nun die Söhne gerne auch mit Kumpels unterwegs und auf Nachfrage hält meine Frau natürlich den notwendigen Abstand zu ihnen - 4-5 Leute auf 80 qm, 2 Schlafzimmern und einer Toilette (?).
Um es hier auch jetzt abzukürzen:
Wir können uns nicht mehr gegenseitig besuchen, denn das Infektionsrisiko ist zu hoch - es kann mich wirklich tödlich treffen. Ihr Vorschlag ist mit mir alle paar Tage mit Mundschutz und auf Distanz Gassi zu gehen und Lebensmittel / Medikation für mich einzukaufen. Ganz im Ernst, dass können mein Nachbar und mein lokales Netzwerk auch. Ich brauche keinen Pfleger, ich brauche heute meinen Partner.
Habe ich da in Sachen Partnerschaft oder Prioritäten etwas falsch verstanden? Die Kids sind in keiner unmittelbaren Gefahr. Ich fühle mich unsagbar traurig und allein gelassen. Meine Medikation verstärkt diese Gefühle noch.
Ich habe meine Familie, Eltern, Brüder, Schwestern seit 2010 ausnahmslos verloren. Sie hat eine große Familie, mit Schwester, Bruder, Vater und entsprechendem Anhang.
Ich habe auch Kinder, die teils verheiratet im Ausland leben. Ich bin mit ihnen natürlich im täglichen Kontakt und für Sie in einer bedrohlichen Situation sofort da, aber meine kranke Partnerin hätte hier absoluten und uneingeschränkten Vorrang.
Kann es sein, dass jemand, der noch nie allein genug war um einen Partner und dessen Liebe zu akzeptieren und zu erwidern, nicht in der Lage ist, das nachzuvollziehen?
Ticken Mütter und Väter da anders?
Oder muss ich einfach nach über 15 Jahren akzeptieren, dass Blut einfach dicker als Wasser ist?
Realitätscheck, bitte.
Vielen Dank vorab und bleibt sicher,
Bryan
21.03.2020 17:27 • • 26.03.2020 #1