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H
Hallo, ich habe die letzten Jahre sehr sehr viel an mir selbst gearbeitet und ein Coach bescheinigte mir auch mal, dass ich sehr gut in der Lage bin, mich und meine Situation selbst zu analysieren. Aber das warum zu wissen bedeutet leider nicht immer, auch eine Lösung parat zu haben. Viele Probleme habe ich durch Selbsthilfe und Arbeit an mir schon verbessern oder sogar lösen können, aber das ist wohl jetzt des Pudels Kern, den ich knacken muss.
Meine ganze Kindheit hindurch hat mein Vater mich verbal erniedrigt, mich beschimpft (teils mit Fäkalsprache, ich war zB das blöde Stück Sch***), mich zusammengestaucht, angebrüllt, eingeschüchtert. Einfach um seinen Frust an mir auszulassen, denn ich hab ihm nie einen Anlass gegeben bzw habe versucht, immer unter seinem Radar durchzufliegen.
Meine Mutter hat mich zwar hin und wieder halbherzig in Schutz genommen, hat aber leider nie die Konsequenz gezogen, hat sich nie scheiden lassen und ist nicht mit mir weggegangen. Die Behandlung durch meinen Vater war schlimm, ich hab immer in dem Gefühl gelebt, so, wie ich bin, falsch und unerwünscht zu sein, zumal meine Mutter das noch pushte, in dem sie mir sagte, dass ich ungeplant und als Baby ja so wahnsinnig anstrengend war, sie lieber mit ihren Freundinnen ausgegangen wäre, sie mich aber noch nicht mal für 1 Abend allein lassen konnte, da ich ihr dann nachweinte.
Aber immerhin waren beide da. Man denkt ja als Kind: Lieber ein schreiender Vater als kein Vater. Tja, als ich 10 war, kam mein Vater auf die glorreiche Idee, mit einer neuen Frau nach Hause zu kommen und meiner Mutter allen Ernstes eine Ehe zu dritt vorzuschlagen. Vor mich kam das wie aus dem Nichts. Und für mich hörte sich das so an: Diese Frau ist so toll, für die haue ich deine Mutter UND dich in den Sack. Das war ein Schlag für mich, der mir heute noch nachhängt, auch, wenn meine Eltern sich nach einigen Monaten und einer Fast-Scheidung wieder versöhnt haben.
Das hat mich damals sehr verändert, ich habe aufgehört, an Aufführungen in der Schule (Theater oder Musik) teilzunehmen, hatte Angst, neue Leute kennenzulernen, wollte in keinen Verein mehr, bin zB vor meinem ersten Schulpraktikum innerlich fast gestorben vor Angst. Seitdem hatte ich auch jahrelang mit Magenschmerzen zu kämpfen. Später begannen dann die Depressionen und Angstzustände.
Wie gesagt habe ich sehr viel an mir selbst gearbeitet, versucht, mein fehlendes Selbstwertgefühl aufzubauen, mein inneres Kind zu heilen etc.
Aber ich leide heute noch unter der diffusen Angst, dass jeder, mit dem ich heute noch ein gutes Verhältnis habe, morgen ohne für mich vorher erkennbare Anzeichen ankommen könnte und mich verlässt.
Ich leide auch heute, mit 37, noch unter dem Gefühl: Dein Vater hat dich nicht geliebt. Er fand dich die ganze Zeit schon sch***, dann hat er aufgegeben und ist gegangen.
Ich weiß zwar, dass das damals eigentlich nur die Ehe meiner Eltern betraf, aber andererseits mußte er damit rechnen, dass ich mit meiner Mutter gehen würde, da das Verhältnis zu ihr immer noch viel besser war als zu ihm. Er war sich also bewusst, dass wenn meine Mutter sich auf seinen aberwitzigen Vorschlag nicht einlässt, er sie und mich verliert.
Ich weiß ferner, dass meine Eltern beide eine schlechte Kindheit hatten. Mein Vater hat deswegen meiner nicht professionellen Meinung nach eine narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickelt, er ist also in seiner Welt per se der Tollste und sich selbst der Nächste, danach kommt nicht nur lange nichts, sondern gar nichts mehr.
Ja, ich weiß, meine Eltern haben selber beide psychische Probleme. Ja, ich weiß, das hat nichts mit mir zu tun. Wie sie mich behandelt haben, sagt nur was über sie aus, nicht aber über mich (als Kind denkt man ja: Die behandeln mich mies, werde ich wohl verdient haben.) In meinem Kopf ist das alles drin, aber ich leide trotzdem unter dem Gefühl, dass ich wohl allem meinem Vater nichts wert war, nicht wichtig genug, nicht interessant genug war. Ich kann da nicht drüber hinwegkommen, so sehr ich es auch möchte.

Ich habe seit einigen Jahren den Kontakt zu den beiden abgebrochen, weil ich mich so nicht mehr behandeln lassen wollte. Meiner Mutter habe ich die Gründe dafür gesagt, sie weinte die ganze Zeit und meinte nur ich weiß. Das bringt mir ja auch nix. Ein Gespräch mit meinem Vater würde nichts bringen, da er grundsätzlich immer alles richtig gemacht hat seiner Meinung nach und ich einfach nur bockig bin oder spinne. Irgendwas mit den beiden aufzuarbeiten fällt also flach.

Was kann ich tun, um über den tiefsitzenden Schmerz, den mein Vater mir zugefügt hat, hinwegzukommen? Ich möchte das endlich abhaken und sagen können das ist lange her, ich kanns nicht mehr ändern, ich seh nur noch nach vorn, ich hake es ab.

06.12.2014 21:21 • 08.12.2014 #1


10 Antworten ↓


Celestine
Hallo Häschen,

Deine Geschichte hat mich sehr berührt. Ich bewundere Dich dafür, wie Du darüber reklektierst, wie Du sie vom Kopf her einschätzen kannst. Aber Du hast das ja auch schon selbst festgestellt: der kopf hats kapiert, aber die Wunden in Dir werden dadurch nicht geheilt. Ich glaube, dieses Gefühl des Falsch seins, des Nichtgeliebt werdens, sind für ein Kind der Super-Gau und richten Schäden an, die einen das ganze Leben begleiten.

Ich habe Ähnliches erlebt, allerdings mit einem anderen Hintergrund: Mutter früh gestorben, Vater wurde zum Alk., böse Stiefmutter im Haus.
Ich kann Dir nur von meiner eigenen Erfahrung berichten und die sieht so aus, dass erst eine Therapie mir geholfen hat, diese Dinge aufzuarbeiten, dem verletzten Inneren Kind zu helfen, oder wenn Du es so nennen willst, die falschen Programmierungen aufzuheben.

Ist teilweise heftig und schmerzhaft aber auch heilend, und so langsam sehe ich Licht am Horizont...Du schreibst von einem Coach, war das eine Art Therapie

06.12.2014 22:15 • #2


A


Wie 27 Jahre alte Enttäuschung durch Vater überwinden?

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H
Hallo Celestine, danke für Deine Antwort
Ich hatte von der Geschichte auch eine posttraumatische Belastungsstörung, die der Coach endlich heilen konnte.
Ich war schon bei vielen Therapeuten, auch teilstationär, ich muß sagen, dass mich die Gesprächstherapien oder auch eine Hypnosetherapie nicht weitergebracht haben....
Es ist genauso, wie Du sagst: Ich weiß, wo's hakt, aber es rutscht vom Kopf nicht ins Fühlen.

Hast Du eine innere Kind Therapie gemacht?

07.12.2014 00:04 • #3


Celestine
Ja. Nachdem ich verschiedene Verhaltenstherapien und Gesprächstherapien absolviert hatte...bin dann ganz bewusst auf die Suche gegangen nach einer Therapeutin, die mit dem inneren Kind arbeitet und auch körperorientiert-damit der Fokus von meinem Kopf in Fühlen geht. Die beste Entscheidung meines Lebens!

07.12.2014 00:07 • #4


H
Hört sich gut an! Ich hab das bislang alleine versucht....
Wie lange hat das gedauert, bis Du gemerkt hast, es bessert sich was? (Nur so aus Neugier. Also, das soll nicht so klingen, als würde ich dem Ganzen keine Zeit geben wollen oder so)

07.12.2014 00:09 • #5


Celestine
Mein AHA-Erlebnis hatte ich, als ich merkte, dass da wirklich ein Teil von mir in der Kindheit, in dem sich ständig wiederholenden Trauma stecken geblieben ist. Das dieser Teil immer noch meint, es hängt in der Situation von damals drin. Das habe ich in einer Trance erlebt. Wobei ich erstmal enttäuscht war. Ich dachte, dass man in Hypnose ganz weg wäre, nichts real mitbekäme. Aber das Gegenteil war der Fall! ich war vollkommen klar und trotzdem machte sich da parallel dieser kindliche Anteil von mir bemerkbar.
Das war vor anderthalb Jahren. Seitdem arbeite ich mich Stückchen für Stückchen weiter, mal gibt es Rückschläge, mal ein Stopp-aber in meinem alltäglichen Leben merke ich immer mehr, wie sich Dinge verändern. Nicht spektakulär und mit Paukenschlag, nein sehr fein,manchmal kaum spürbar

07.12.2014 00:16 • #6


H
Witzig, etwas Ähnliches sagte ich gestern zu meinem Freund: Es ist, als würde ich einen Film zum 100. x sehen in der Erwartung, dass die Handlung sich ändert. Ich kann die Kassette nicht rausnehmen, nicht akzeptieren, dass die Handlung nun mal so ist, wie sie ist - unveränderbar.
Das ist tatsächlich ein Kennzeichen eines Traumas: Man erlebt es immer und immer wieder, man ist sich nicht bewußt, dass das Vergangenheit ist, man fühlt sich, als sei es jetzt.

Manchmal sind einem seine eigenen Fortschritte erstmal gar nicht so bewußt, bis plötzlich eine Situation kommt, wo man merkt: Ich reagiere / fühle ja plötzlich anders

07.12.2014 23:37 • #7


Hotin
Hallo Häschen31,

Zitat:
Ein Gespräch mit meinem Vater würde nichts bringen, da er grundsätzlich immer alles richtig gemacht hat seiner Meinung nach und ich einfach nur bockig bin oder spinne. Irgendwas mit den beiden aufzuarbeiten fällt also flach.

Was würdest Du denn Deinem Vater gerne sagen ? Hast Du das Gefühl ein Gespräch könnte Dich erleichtern? Wenn ja, hast Du schon mal versucht einen Brief an Deinen Vater zu schreiben, worin Du erklärst wie sein Verhalten Dir geschadet hat? Diesen Brief musst Du nicht unbedingt abschicken. Er würde das ja bestimmt auch nicht verstehen wollen oder können. Genau so wenig wie Du Dir auch nicht mal eben sagen kannst. Ach das hat er doch nicht so gemeint, ich verzeihe ihm.
Es könnte aber Deine innere Verkrampfung lösen, wenn Du Deinen ganzen Ärger, Deine Enttäuschung und Deine Wut über sein schlechtes Verhalten mal aufschreibst.
Zitat:
Mein Vater mich verbal erniedrigt, mich beschimpft, mich zusammengestaucht, angebrüllt, eingeschüchtert. Einfach um seinen Frust an mir auszulassen, denn ich hab ihm nie einen Anlass gegeben

Der Mensch besteht aus seiner Persönlichkeit und seinem Verhalten, so auch Dein Vater.
Vielleicht hätte er Dir gern auch mal gesagt, das er Dich sehr gemocht hat. Nur mit so einer starken
Persönlichkeitsstörung kann er nie und nimmer gewusst haben, wie so etwas geht.
Alles was ich bisher über Deinen Vater hier lese ist, sein Verhalten war nicht akzeptabel. Über seine Persönlichkeit
meine ich nichts gelesen zu haben.
Deine Schlussfolgerung:
Ständiges Schimpfen und Erniedrigen ist gleich - er hat mich nicht geliebt - sehe ich nicht unbedingt so.
Oder hast Du ständig mit angesehen, wie er mit anderen liebevoll umgegangen ist, nur nicht mit Dir?

Bitte versuche es mir besser zu erklären, wenn ich daneben liege.

Viele Grüße

Hotin

08.12.2014 00:47 • x 1 #8


H
Hallo Hotin,

vielen Dank für Deine sehr interessanten Gedanken!

Ob ich meinem Vater wirklich was sagen wollen würde - das muss ich ehrlich gesagt mal auf mich wirken lassen....ich hab das jetzt so lange schon verknüpft mit bringt doch eh nix , dass ich momentan gar nicht erspüren kann, ob da überhaupt noch ein echtes Bedürfnis dahinter ist, ihm was zu sagen.
Manchmal, wenn ich wegen einer Erinnerung wirklich noch mal richtig sauer auf ihn war, hab ich ihm gedanklich Vorwürfe gemacht - das wurde aber immer ziemlich schnell unterbrochen von Mitgefühl für ihn - witzigerweise ^^ Denn da spürte ich wirklich, dass in ihm auch nur ein trauriger kleiner Junge steckt, der als Kind mies behandelt wurde und der nur geliebt werden wollte - so wie ich. Und er wurde noch viel mieser behandelt als ich. Kann ich ihm dann wirklich Vorwürfe machen?

An den meisten Tagen überwiegt bei mir aber das Gefühl von sie wußten doch, wie schlimm es ist, von seinen Eltern so behandelt zu werden....wieso haben sie sich nicht besser mir gegenüber verhalten? Das hab ich nicht verdient, so behandelt zu werden.


Sehr sehr interessant fand ich Deine Anregung, hinzuschauen, ob er andere Menschen liebevoll oder gut behandelt hat und nur mich nicht.
Meine Mutter und seine Mutter hat er immer sehr mies behandelt. An meiner Mutter hat er genauso seinen Frust ausgelassen wie an mir, sie auch betrogen. Und wann immer er meine Oma (seine Mutter) am Telefon hatte, hat er sie minutenlang angeschnauzt und zusammengefaltet, da fiel nie ein liebevolles oder mitfühlendes Wort, er zeigte nie Interesse für sie und ihr Leben, er war immer sehr aggressiv zu ihr.
Bemerkenswerterweise konnte er gegenüber Leuten, denen er nicht so nahe stand, ganz ganz anders sein!
Beispiel 1: Meine K usine. Wir hatten zu dem Mädchen nie engen Kontakt, sahen sie und ihre Eltern meist nur zu den üblichen Familienfesten. Aber einmal, als wir beide noch im Grundschulalter waren, übernachtete sie mal einige Nächte bei uns. Da hat mein Vater voll einen auf lieber Onkel gemacht, ihr abends noch Kakao gekocht etc. Etwas, was er für mich nie getan hätte. (Dafür war er es aber, der mir schwimmen und Fahrrad fahren beigebracht hat, mit mir draußen Fußball spielte, Drachen steigen ließ und auch meine Mutter mehr oder weniger dazu verdonnerte, mit mir zum Beispiel zum Weltspartag zu fahren. Sie war für sowas ehrlich gesagt zu bequem)
Beispiel 2: Wenn meine Mutter und ich ihn von der Arbeit abholten, was selten vorkam, sagten die Angestellten meines Vaters oft zu ihr, wie charmant er doch sei und wie witzig, sie sei doch bestimmt total glücklich in ihrer Ehe. Meine Mutter stand dann nur da: Charmant und witzig wären so ziemlich die letzten Worte gewesen, mit denen wir ihn beschrieben hätten, eher als cholerisch, aggressiv, despotisch, rechthaberisch, laut, kleinlich und egoistisch.

Trotz allem habe ich heute rückblickend (je nach Stimmung mal mehr mal weniger, manchmal auch gar nicht) das Gefühl, dass er mich geliebt hat. Er war es auch, der noch ein 2. Kind wollte, was meine Mutter rundheraus ablehnte. Er hat auch heute noch gerne Kinder um sich und kann es nicht verstehen, wenn jemand sagt, dass Kinder nerven.
Eine seiner Schwestern sagte auch mal zu mir, er würde so sehr an mir hängen. Er war es auch, der total bedröppelt war, als ich von Zuhause auszog, während meine Mutter es nicht erwarten konnte, mein Zimmer mit ihrem Kram in Beschlag zu nehmen.
Vor einigen Jahre haben meine Mutter und er sich getrennt. Er war dann mit einer jüngeren Frau zusammen, die ein Kind aus ihrer letzten Beziehung hatte. Die zwei waren ganz süß und innig miteinander. Und eines Tages trudelte dann eine sms von meinem Vater bei mir ein: Ich hab dich lieb! Als ob er bei den beiden erst gesehen hat, wie man miteinander umgehen kann....Oder ist das Wunschdenken von mir?

08.12.2014 21:51 • #9


Celestine
Zitat von Häschen31:
Manchmal sind einem seine eigenen Fortschritte erstmal gar nicht so bewußt, bis plötzlich eine Situation kommt, wo man merkt: Ich reagiere / fühle ja plötzlich anders


Genau das war der Grund, warum ich mich entschieden habe, doch nochmal eine Therapie zu machen, damit dieser ganze Sch... von früher endlich aufhört, mein derzeitiges Leben zu beeinflussen

08.12.2014 21:53 • #10


H
Ich werde das mal als Option im Hinterkopf behalten, im Moment fehlt mir noch die Motivation und vor allem das Vertrauen zu einem neuen Therapeuten.

08.12.2014 21:56 • #11


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