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dasomen
Mein Vater ist 86 Jahre alt und psychisch krank und meine Mutter ist 80 Jahre alt und Herzkrank und hat viele orthopädische Probleme, die zu einigen heftigen Schmerzen führen...

Beide wohnen im gleichen Haus, nur in einer anderen Wohnung. Ihr Schlafzimmer ist über meinem Schlafzimmer.

Bei jedem Geräusch zucke ich zusammen, vor einigen Tagen ist meine Mutter nachts gestürzt und ich habe es poltern gehört, bin nachts aufgesprungen und rüber gerannt, weil ich es ahnte.

Mein Vater läuft den ganzen Tag nur durch das Haus und sagt, daß er sterben möchte. Und wiederholt immer wieder Sätze wie: Warum kann ich nicht sterben? oder Hätte ich nie gedacht, dass ich mal so verrecken muss... Von morgens bis abends.

Er war mehrfach in der Psychiatrie, gilt dort als austherapiert und wird dort nicht mehr weiter behandelt. Dem Neurologen ist er ziemlich egal, er hat keine Zeit für ihn, er verschreibt immer dasselbe, mein Vater versteckt dann die Tabletten irgendwo, wo wir sie nicht finden sollen, weil er sie für unwirksam hält und sich selbst für körperlich krank und nicht psychisch, was aber nicht der Fall ist...

Am Wochenende gehe ich mittags immer bei meinen Eltern essen, meine Mutter kocht dann und ich bekomme mit, wie beide so frustriert von ihrem Leben sind, dass sie sich den ganzen Tag in die Wolle bekommen wegen jeder Kleinigkeit.

Warum erzähle ich Euch das alles? Nun, die Situation hält mir täglich vor Augen, wie zwei selbstbestimmte taffe Leben langsam und traurig auf die Zielgerade gehen und mich macht das völlig fertig.

Und wenn ich mir dann noch überlege, dass dies wohl noch der Idealfall ist, weil die meisten Menschen gar nicht so alt werden, wie es z.B. mein Vater wurde,...und die meisten Menschen wohl noch viel früher viel kränker werden, als dies bei meinen Eltern der Fall ist, dann läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken.

Ich kam nie besonders gut klar mit meinem Vater, aber das wünsche ich niemandem. Es ist, wie wenn sich seine eigene Psyche gegen ihn gewendet hat und ihm jeden Tag zur Qual macht.

Und als ich meine Mutter gebrechlich nachts auf dem Toilettenstuhl habe sitzen sehen nach ihrem (zum Glück glimpflich ausgegangenen) Sturz hat mich das unfassbar traurig gemacht.

Ist es wirklich das, worauf man sich in seiner Zukunft freuen soll, wenn man überhaupt so alt wird, was ich bei mir mittlerweile nicht mal glaube...?!

Ich weiß nicht, ob dieser Text deutlich macht, was ich empfinde und wieso, aber ich musste das jetzt einfach mal loswerden...und ich kann sonst mit niemandem sprechen...ich habe sonst niemanden...

22.08.2016 21:43 • 22.08.2016 #1


5 Antworten ↓


Perle
Hallo,

es gibt den Ausspruch Alt werden ist nichts für Feiglinge. Und genau so sehe ich das auch; es gehört eine Menge Mut dazu sich dem Leben und somit auch dem körperlichen Verfall bis zum eigentlichen Sterben hin zu stellen.

Mehr kann und möchte ich im Moment dazu nicht schreiben. Aber ich möchte Dir sagen, dass ich Deine Gedanken absolut nachvollziehen kann und auch den Schmerz, der damit verbunden ist.

LG, Martina

22.08.2016 21:51 • #2


A


Ich sehe jeden Tag, wie es endet

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L
Ich sehe sowas seit 13 Jahren jeden Tag...nicht bei der eigenen Familie, aber ich kann es mir bildhaft vorstellen. Wieviele haben mich schon angefleht, das sie endlich gehen dürfen. Das ist hart. Ich bin da mitlerweile recht abgestumpft. Wie ich es bei meiner Mutter ertragen würde...ich weiß es nicht.

22.08.2016 21:52 • #3


dasomen
Ich frage mich immer öfter, was meine Depression eigentlich zur Depression macht. Wäre es denn nicht viel kränker, wenn einem das alles...und noch viel mehr an täglichen Eindrücken NICHT fertig machen würde, spätestens wenn es die eigene Familie betrifft?

Wird man nicht zwangsläufig depressiv, wenn man mit offenen Ohren und Augen und empathisch durchs Leben geht?

22.08.2016 22:14 • x 1 #4


K
Der letzte Satz macht mich gerade sehr nachdenklich.

Wenn man zuviel Emphatie in sich trägt, kann das eine große seelische Belastung sein.

Zumindest sehe ich das für mich so.

Wenn ich ein Lebewesen leiden sehe, werde ich krank. Sowas bekomme ich ewig nicht mehr aus dem Kopf. Und das ist belastend.

LG

22.08.2016 22:24 • #5


dasomen
Das würde zumindest erklären, warum die meisten Ärzte, die ich bisher getroffen habe zu den eiskaltesten Menschen gehören, denen ich je begegnet bin...ich nehme an, das ist eine Art Selbstschutz...um nicht selbst in den Strudel zu geraten...

22.08.2016 22:32 • #6





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