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Spaceman
Vielen lieben Dank an Euch alle, da sind viele interessante Einsichten und tolle Tipps bei. Ich kann heute nicht alles beantworten, den Rest mache ich später.

Zunächst mal die Präzisierung:
Zitat von kritisches_Auge:

Bevor ich etwas falsch verstehe möchte ich lieber nachfragen, du wirst nicht nur gedanklich feindselig und fies sondern läßt deinen Unmut an anderen aus?

Am besten lässt sich das wohl so beschreiben: Aus irgendwelchen Gründen, werde ich wenn das passiert gedanklich und emotional feindselig, aggressiv, zynisch, herablassend, etc. Ich sehe die Welt dann irgendwie aus einer Aggro-Perspektive.

In einem Gespräch (egal ob verbal oder schriftlich) kann ich dann auch mal die Kontrolle verlieren und völlig überreagieren. Es ist nicht so, dass ich meine Gesprächspartner dann wild beleidige oder ihnen so richtig gemeine, boshafte Sachen an den Kopf werfe, aber es reicht schon, um Menschen zu verletzen und Streit zu verursachen.

Dadurch habe ich schon zwei, drei mal Bekanntschaften/Freunde verprellt und ein paar Mal für Unmut in der Familie gesorgt. Wichtig ist auch: Mit körperlicher Aggressivität oder gar Gewalttätigkeit hat das nichts zu tun. Das bin ich glücklicherweise überhaupt nicht. Auch (grenzwertig) psychotisch erscheint mir das nicht. Es ist weniger eine Wesensveränderung als eine Stimmungsschwankung.

Zitat von kritisches_Auge:
Wer sind diese anderen, sind sie enge Bezugspersonen oder weitläufige Umwelt?

Wer halt gerade da ist. Meistens Familie und früher auch mal Freunde/Bekannte. Und kürzlich auch im Forum. Es ist aber auch schon mal vorgekommen, dass ich aus heiterem Himmel einen Radfahrer wütend beschimpft habe, weil der mir auf der falschen Seite entgegen kam (ich fahre auch manchmal auf der falschen Seite! )

Meistens weil das wie gesagt, mittlerweile stark nachgelassen hat, passiert aber eben manchmal immer noch.

Zitat von PQhope:
Sie zeigt, dass du aufbegehrst und dich nicht unterkriegen lassen willst. Wir müssen nur lernen, unsere Aggression vernünftiger auszudrücken.

Zitat von Cbrastreifen:
Aggression ist ein normaler Teil unserer Grundausstattung, das wird im Westen gerne mal verdrängt, da macht man daraus einen grundsätzlichen Charakterfehler.

Ja, das sehe ich auch so. Was ich als meinen Charakterfehler betrachte, ist nicht die Aggression selbst, sondern das ich sie manchmal an anderen auslasse - und das ist etwas, was ich absolut nicht ausstehen kann!

Zitat von PQhope:
Also die erste Übung wäre: Bewusster pöbeln!

Bewusster pöbeln! war der Satz der Woche! Der Gedanke ist mir nie gekommen, klingt aber sinnvoll!

Zitat von PQhope:
Nachtrag: Bewusster pöbeln macht man besser so, dass der Andere es nicht hört! Also z.B. hinterm Lenkrad im Auto rumbrüllen und hemmungslos ausfallend werden. Gute Übung!

Da hätte ich nur Radfahren (Heimtrainer und richtiges Rad) und ja, das hilft aber nicht immer. Vielleicht doch 'nen Boxsack kaufen? Auto hab ich nicht, in den Wald gehen und Bäume anschreien kann ich nicht, hier in der Wohnung ausrasten kann ich auch nicht weil viel zu hellhörig. Fitnessstudio oder Kampfsport kann und will ich nicht. Als ich jünger war, halfen noch Ballerspiele.

Zitat von Moelli80:
Meine Frau beruhigt mich meistens und erinnert mich, du steigerst dich wieder zu sehr rein usw., meist komme ich den wieder runter.

Ja, das wünsche ich mir auch. Das ich jemanden habe, der/die sich davon nicht anstecken lässt, sondern cool - und vielleicht etwas freundlich-süffisant - sagt, Junge, komm runter, du flippst gerade aus. Schön, dass Du so jemanden hast!

Zitat von Moelli80:
Es gibt Tage da wache ich auf und habe sofort ein schlechtes Gewissen und überlege, hab ich gestern wieder was falsches gesagt (gemacht).

Ja, genau, das passiert mir auch manchmal.

Zitat von Moelli80:
Hattet Ihr auch eine sehr schlechte Kindheit mit Schlägen, gefühlskälte usw. ?

Nicht in diesem Sinne schlecht (nur zwei, drei Ohrfeigen und eher wenig aufopferungsvolle Eltern; aber andere schwere Kindheitsprobleme). Aber wenn ich mal tiefer wühle, denke ich auch, dass das was mit Überkompensation von Hilflosigkeit, Enttäuschungen, früheren Beschämungen, etc. zu tun haben kann.

Zitat von Lina60:
dass ich nur noch ein Wort, das mir in den Sinn kommt, beifügen möchte : DISZIPLIN

Tja, Disziplin. Kenne ich aus dem Kreuzworträtsel. Disziplin ist etwas, was mir nie beigebracht wurde. Ich lerne sie zwar seit Jahren durch die Arbeit, aber so richtig kann ich das immer noch nicht.

Zitat von moo:
Zuviel kompensierende Wirkung hat es ja als Sedativum im Geist etabliert. Wenn die D roge (Unheilsames) durchschaut wird, kann es übergangsweise sehr ungemütlich werden.

Ja, als Erklärung für die Ursache, verstehe ich da auch so. Übergangsweise erscheint mir das aber nicht, sondern eher als Teil von mir, der sich langsam nach und nach abbaut aber nicht verschwindet. Deshalb finde ich es sinnvoll zu lernen, diesen Teil - oder meinetwegen auch: den Aspekt - meiner Persönlichkeit besser zu akzeptieren und bewusster mit ihm umzugehen.

Denn Rest beantworte ich morgen oder übermorgen, da gibt es Fragen, über die ich nochmal nachdenken muss.

30.10.2022 20:05 • x 1 #21


kritisches_Auge
Ich kann es mir jetzt vorstellen und warte ab, was du morgen schreibst.

Würdest du dich als sehr zurückhaltenden Menschen sehen, sehr introvertiert?

30.10.2022 21:23 • x 1 #22


A


Der schlechte, böse Teil in mir - wie soll ich damit umgehen

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kritisches_Auge
Es hat mich sehr betroffen gemacht, in deinem TB zu lesen und ich kann das kleine Teufelchen in dir sehr gut verstehen.

Disziplin wäre für meine Begriffe der falsche Weg, das Teufelchen wird seine Gründe haben und die sollten gefunden werden.

30.10.2022 22:15 • x 1 #23


Flame
Es gibt da eine alte Geschichte von dem guten und dem bösen Wolf und jeder Mensch hat beides in sich:
https://www.homoeopathiewolf.de/die-zwe...und-boese/

30.10.2022 22:24 • #24


Flame
Ich möchte noch schreiben,dass auch ich lange Jahre unter der Angst gelitten habe,ich könnte im Kern böse sein.

Das war sehr belastend aber ich weiss heute,dass ich kein böser Mensch bin.
Ich bin ein Mensch wie alle anderen,die eben auch mal wütend werden aber das sind Gefühle,die früher (in der Kindheit) verboten waren.

Entsprechend staut sich das an.
Und dann auch kein Wunder,dass es sich entlädt.

30.10.2022 22:45 • x 1 #25


Flame
Als Kurzanleitung wie man damit umgeht:

Man beobachtet es in sich in Form von negativen Gedanken/und oder Gefühlen.
Solange man es beobachten kann,kann man es beeinflussen.
Setzt halt voraus,dass man immer mal wieder eine Art Innenschau vollzieht.

Die meisten merken es erst,wenn der Faden reisst und dann kommt die Aggressivität.
Meist dann aber auch durch eine länger andauernde Stressituation heraus.

30.10.2022 22:55 • x 1 #26


R
Zitat von Spaceman:
Vielen lieben Dank an Euch alle, da sind viele interessante Einsichten und tolle Tipps bei. Ich kann heute nicht alles beantworten, den Rest ...


Vielleicht schreibst du noch etwas genauer zu den Situationen in denen du wütend wirst, was ist da zB der Anlass, was macht deine Familie bevor du wütend wirst? Oder bist du schon den ganzen Tag wütend und lässt es sozusagen ohne Anlass an deinen Mitmenschen aus? Kann mir das noch nicht so richtig vorstellen...

Gut, die Situation mit dem Fahrradfahrer kommt mir bekannt vor. Wenn ich mit meinen Hund spazieren gehe dann werde ich häufig von Fahrradfahrern angeschriehen (dabei ist es ein Fußgänger UND Fahrradweg). Letztens hat sogar irgendein Vollidiot versucht meinen Hund zu treten. Es scheinen also viele Leute ihre Aggressionen nicht im Griff zu haben Aber das ist dann immer eine tolle Gelegenheit die eigenen angestauten Aggressionen so richtig loszulassen .

31.10.2022 00:33 • #27


silverleaf
Hallo Spaceman,

ich denke auch, dass der Schlüssel sein wird, sich mit diesem Anteil genauer auseinanderzusetzen.

Ich schätze mal, dass Du das Konzept von primären und sekundären Emotionen kennst?
(Also dass sich manchmal eine Emotion unter einen anderen Emotion verbirgt, dass sich also z.B. ein Gefühl von Traurigkeit hinter einem Gefühl von Wut versteckt.)
Das kann verschiedene Gründe haben, nicht selten geht es dabei um Emotionen, die einem früher verboten wurden (Du darfst nicht wütend sein oder Du darfst nicht traurig sein) oder die man sich aus anderen Gründen auch selber nicht erlaubt.

Der durch die Emotion angestaute Druck entlädt sich dann über eine andere Emotion.
(Häufige Kombinationen: Ich darf nicht wütend sein (oder erlaube es mir nicht), also reagiere ich z.B. mit Traurigkeit.
Oder: Ich darf nicht traurig sein (oder erlaube es mi nicht), also reagiere ich z.B. mit Wut)

Emotionen sind ja Hinweisgeber auf unerfüllte Bedürfnisse (z.B. Ich habe Angst: Ich benötige Schutz; Ich bin wütend: Etwas soll sich verändern/ etwas stimmt nicht und sollte anders sein; Ich bin traurig: Ich benötige Trost usw. usw.)

Das Problem mit den primären und sekundären Emotionen ist dann oft, dass wir den Hinweis, den die Emotion uns eigentlich geben soll, auf die falsche Art und Weise lösen wollen, weil der Hinweis der sekundären Emotion das Problem/das Bedürfnis der drunterliegenden, primären Emotion nicht erfüllt.

Und langfristig unerfüllte Bedürfnisse führen zu einem chronisch erhöhten generellem Anspannungsniveau, welches gerade Emotionen wie Wut sehr heftig verstärken kann.

Ein Weg kann also sein, das Anspannungsniveau möglichst zu senken, und der Weg kann sein, die tatsächlichen Bedürfnisse, die dieser Anteil hat, besser zu erfüllen. Dafür ist es natürlich notwendig, zu lernen, mit diesem Anteil in den Dialog zu gehen und sich anzuhören, was dieser denn braucht, um sich besser zu fühlen. Nicht selten geht es dabei um Dinge, die man im Alltag nicht ausreichend berücksichtigt. Das kann alles mögliche sein, und es ist auch gut möglich, dass Dein Dämon-Anteil ganz andere Dinge benötigt als Dein Alltags-Anteil (ich nutze jetzt mal diese Formulierungen, die passen vielleicht nicht richtig gut, aber ich hoffe mal, dass Du trotzdem verstehst, was ich meine).

Ich habe in meinem engeren Umfeld einen Menschen, der, ähnlich wie Du mit einem sehr wütenden und explosiven Dämon zu kämpfen hat.
Seitdem er gelernt hat, sich diesem Dämon zuzuwenden, diesem zuzuhören, ihn besser zu verstehen und ihm auch entgegenzukommen, sich mit ihm zu arrangieren, ihn nicht als feindlich oder unerwünscht zu betrachten, ist es mit den Wutausbrüchen sehr viel besser geworden.
Dieser Mensch, von dem ich spreche, hat gelernt, die Bedürfnisse dieses Dämon-Anteils zu berücksichtigen und zu erfüllen, sei es durch Sportarten, die er sonst eher nicht machen würde, sei es durch Musik, sei es durch Schachspielen, ...
Und man merkt ihm auch an, ob er es konsequent im Alltag umsetzt. In stressigen Phasen, in denen er die Bedürfnissen dieses Anteils nicht ausreichend erfüllt, geht das Aggressions- und Anspannungsniveau sofort nach oben. Wenn er sich die notwendige Zeit nimmt, wird es sofort besser.
Und dieser Mensch hat inzwischen ganz gut gelernt, zu erspüren, wann es mal wieder dringend Zeit wird, dessen Bedürfnisse zu erfüllen und das konsequent in seinen Alltag zu integrieren.

Auf diese Art und Weise ist es mit den Aggressionen sehr viel besser geworden.

Und ich sehe es auch so, dass fast jeder Mensch solche Anteile hat, nur der Grad der Ausprägung variiert.

Darum halte ich es für einen hilfreichen Weg, sich genauer mir diesem Anteil von Dir zu befassen, sich ihm zuzuwenden und zu erfahren, was er Dir eigentlich mitteilen möchte. Sich anzusehen, welche Verletzung ggf. unter der Aggression liegt, und wie Du es schaffen kannst, primäre von sekundären Emotionen zu unterscheiden und so langfristig Dein zugrundeliegendes Anspannungniveau so weit senken kannst, dass es weniger oft zu diesen Emotionsdurchbrüchen kommt.

LG Silver

31.10.2022 06:12 • x 4 #28


Islandfan
Zitat von Spaceman:
es gibt einen kleinen Teil in mir, der ist immer noch zutiefst verbittert, zynisch, gehässig und voller Wut auf die Welt, die Menschen und mein völlig verunglücktes Leben.

Darin erkenne ich mich wieder. Ich habe diese Gedanken auch ab und zu. Ich habe mich lange damit auseinander gesetzt und bin zu dem Entschluss gekommen, dass sie die gleiche Daseinsberechtigung haben wie die guten Gedanken. Guten bewusst in Anführungszeichen gesetzt, da es im Grunde genommen immer subjektiv ist, was gut und böse ist. Ich würde sogar behaupten, dass dunkle Gedanken manchmal notwendig sind um die Seele ins Gleichgewicht zu bringen. Nichts ist mir suspekter als Menschen, die stets gut gelaunt sind und die Welt rosa sehen. Denn das ist eigentlich nicht möglich.
Die Moral, besonders durch die Religion, ist geprägt von Aussagen wie, du musst ein guter Mensch sein, liebe deinen nächsten wie dich selbst, etc.
Nein, du musst gar nichts. Sei du selbst mit all deinen Emotionen.

Zitat von Spaceman:
erde gedanklich und sprachlich feindselig, boshaft, fies, verliere die Kontrolle über meine Sprache und fange an zu pöbeln.

Das passiert mir auch, aber hey, das bin auch ich und das unterdrücke ich nicht.
Hass und Liebe sind beides die Endstufe von Gefühlen, die jeder in sich trägt. Leider ist nur die Liebe gesellschaftlich akzeptiert.

Zitat von Spaceman:
irgendwer dieses Problem? Weiß jemand einen Rat, wie ich diesen Teil endgültig loswerden oder zumindest noch weiter abschwächen oder besser kontrollieren kann?

Akzeptiere dich so wie du bist.

31.10.2022 07:39 • x 3 #29


C
Zitat von Islandfan:
Die Moral, besonders durch die Religion, ist geprägt von Aussagen wie, du musst ein guter Mensch sein, liebe deinen nächsten wie dich selbst, etc.
Nein, du musst gar nichts. Sei du selbst mit all deinen Emotionen.

Moral ist ja nicht nur den Religionen vorbehalten. Gut wäre es auch Moral und Ethik zu unterscheiden und beide sind auch eher Handlungs- als Gefühlsanweisungen.
Es geht weniger darum irgend etwas nicht zu fühlen, sondern mehr, die Handlungen die aus die Gefühlen/Affekten erwachsen, zu kontrollieren.
Ein Sadist oder Schläger könnte ganz eins mit seinen Gefühlen sein, gut wäre das aber nicht.
Gut und böse sind allerdings, wenn man sie bis zum Ende betrachtet, recht relative Größen.
Nur, ist der Verweis darauf, dass Handlung x in Asien und alten Ägypten erlaubt war auch kein Argument für Deutschland 2022.
Aus all dem muss man dann irgendwas basteln, was gesellschaftliche trägt, das ist gar nicht so leicht.

31.10.2022 08:06 • x 2 #30


Islandfan
Mit dem Ausleben seiner negativen Gefühle meine ich nicht, dass man dem nächstbesten, der einen aggressiv macht, eins in die Schnauze haut. Ich meine eher, dass man akzeptieren sollte, dass man den Gedanken daran hat, dass man sich nicht für die Gewalt im Kopfkino schämen muss.
Und es gibt nun mal Gewalt auf der Welt. Der Mensch wünscht sich den Frieden auf Erden, aber den wird es niemals geben, weil alles zu komplex ist.
Die Menschen sind so verschieden, haben unterschiedliche Ansichten, Systemvorstellungen, etc, dass man gar nicht auf einen Nenner kommen kann.
Die Menschen sind nicht gleich und das führt zwangsläufig zu Konflikten. Alles andere wäre eine Illusion.

31.10.2022 08:18 • x 1 #31


C
Zitat von Islandfan:
Mit dem Ausleben seiner negativen Gefühle meine ich nicht, dass man dem nächstbesten, der einen aggressiv macht, eins in die Schnauze haut. Ich meine eher, dass man akzeptieren sollte, dass man den Gedanken daran hat, dass man sich nicht für die Gewalt im Kopfkino schämen muss.

Ja, das ist auch meine Auffassung.

Zitat von Islandfan:
Die Menschen sind so verschieden, haben unterschiedliche Ansichten, Systemvorstellungen, etc, dass man gar nicht auf einen Nenner kommen kann.
Die Menschen sind nicht gleich und das führt zwangsläufig zu Konflikten. Alles andere wäre eine Illusion.

Ja, wir sind nicht gleich und doch müssen wir Regeln für ein gelingendes Miteinander finden. In der Vergangenheit wurden einige Gruppen marginalisiert, inzwischen haben wir gelernt, dass das nicht so prickelnd ist. Doch wir sind gerade in der etwas seltsamen Situation, dass auf nahezu jede Randgruppe gehört wird und man sich ihr fast unterwirft und es seltsam zu sein scheint, wenn man einfach nur das ist, was früher normal geheißen hätte.
Also irgendwie muss sich das noch einruckeln und die Aufforderung zur Impulskontrolle und zu dem was Freud Triebaufschub nannte (es gibt die Belohnung nicht sofort, aber gleich) ist nicht die schlechteste Idee.
Dass in einem gewissen zeitlichen, regionalen und gesellschaftlichen Rahmen bestimmte Spielregeln gelten finde ich auch ganz vertretbar. Bringt ja auch ein gewisses Maß an Verlässlichkeit in die Welt.
Heute wollen viele ihre eigenen Spielregeln durchdrücken, das ist ja auch nicht immer apetitlich.

31.10.2022 08:29 • x 7 #32


Islandfan
Zitat von Cbrastreifen:
ch wir sind gerade in der etwas seltsamen Situation, dass auf nahezu jede Randgruppe gehört wird und man sich ihr fast unterwirft und es seltsam zu sein scheint, wenn man einfach nur das ist, was früher normal geheißen hätte.

Da ist das beste Beispiel die Genderdiversität. Von mir aus kann jeder sich so fühlen, wie er will, kann seine Identität und Sexualität völlig individuell ausleben. Es entspricht aber nicht der Mehrheit, so hart das klingt. Die Sprachforscher entwickeln nun aber eine Sprache, die nun jeder am besten nutzen sollte, obwohl man damit nur einen Bruchteil anspricht. Es gibt ja schon Vorschläge, die Pronomen sein und ihr um ein drittes zu ergänzen, was doch absurd ist.
Wäre ich les bisch, trans, pan oder was auch immer es da gibt, würde ich darum gar keinen Wind machen. Ich schreibe mir ja auch nicht auf die Stirn, dass ich hetero bin.
Manche brauchen diese Aufmerksamkeit aber und das nervt.

31.10.2022 08:37 • x 5 #33


Holger-
@Spaceman
Es gibt ja die Theorie des Täter-Introjektes. Dass man einen Teil des Täters in sich aufnimmt, um seine Aggression besser einschätzen zu können. Dieser Teil isoliert und verselbstständigt sich dann im späteren Leben und befremdet einen selbst. Es ist aber gut zu wissen, dass er gekommen ist, um zu helfen. Jochen Peichl hat hierzu gute Bücher geschrieben, davon konnte ich viel lernen.

31.10.2022 09:30 • #34


giesewickl
@Spaceman : So einen Jähzorn habe ich auch. Hab ich wohl von meinem Vater übernommen.
Gerade wenn ich mich angegriffen fühle (die Frau kritisiert etwas und hat Recht), neige ich dazu, verbal zurückzuschlagen.
Oder eines meiner Kinder benimmt sich daneben (sie schlagen sich gegenseitig, kennen keine Grenzen, etc.), dann kanns passieren, dass ich als Bestrafung zur Ultima Ratio greife. Das heißt, es gibt kein Abendfernsehen oder keine Gute-Nacht-Geschichte (Gute-Nacht-Lied und Bettkuscheln ist natürlich immer dran und nicht weg verhandelbar bei zwei Kindergartenkindern).
Meist reflektiere ich aber nach einer kurzen Beruhigungsphase mit dem betroffenen Kind danach und kann dann, wenn die Bestrafung zu hart wäre, diese mildern oder ganz weg lassen.
Bei der Hausarbeit streite ich im Kopf mit meiner Frau und sage da alles, was mich stört. Wenn ich dann alles im Kopf durchgegangen bin, habe ich meist am Ende den richtigen Ton, um das, was mich stört, ruhig anzusprechen.
Musik hilft mir auch. Wenn ich mal Zeit habe, etwas Musik zu hören und mich etwas/jemand gestresst hat, dann nehme ich die passende Musik auf die Ohren und Tagträume meine Rache. Da kann ich echt fies werden. Aber eben nur in Gedanken.

Also: Es steckt, denke ich, in jedem. Es kommt mal zum Vorschein, ja. Aber man sollte dann die Größe haben, sich zu entschuldigen,. wenn man überreagiert hat.
Wie die anderen schon geschrieben haben: Wir sind nur Menschen. Das gehört dazu. Der Umgang damit macht dich zu einem lieben Menschen oder zu einem A..loch.

31.10.2022 10:05 • x 2 #35


marialola
Ich kenne dieses Problem allzugut und bin überrascht, dass es so vielen ähnlich geht.
Ich finde mich eigentlich absolut ok, denn schlimmer finde ich es, wenn Menschen Unrecht schlucken.
Allerdings kann es sein, dass ich Menschen, die ich kenne damit verstöre, denn jeder findet mich auf Anhieb zuerst total toll. Freundlich, offen, einfühlsam. Ich selbst ahne aber schon, dass es bei einer Grenzüberschreitung des Gegenübers zu einem knallharten Angriff von mir kommt, verbal natürlich, den man nie erwartet hätte und der schockiert. Und früher war es dann so, dass ich noch erst recht draufschlug, verbal natürlich, wenn ich die Schreckreaktion und Angst meines Gegenübers spürte. Mir machte es dann sogar Spaß, diese Angriffe zu führen. Im Anschluss bin ich dann meistens sehr, sehr traurig und würde am liebsten eine Aussprache suchen.
Nun muss ich dazu sagen, dass ich aus einem Elternhaus stamme, in dem brachiale Gewaltexesse an der Tagesordnung waren. Ich wurde physisch und psychisch schwerst misshandelt, von beiden Elternteilen und mein Vater hat vor meinen Augen meine Mutter öfter halbtot geschlagen. Ich habe mich immer stark gezeigt und wollte nie Mitleid. Dafür liebte ich es, mich in der Schule heftigst zu prügeln, auch Lehrer blieben nicht verschont.
Dabei war ich immer ein sehr liebevolles Wesen, voller Hingabe und Romantik und verabscheue Gewalt.
Als Jugendliche habe ich mich auch noch physisch zur Wehr gesetzt, wenn meine Grenzen überschritten wurden und fühlte mich da im Recht.
Zum Glück ist physische Gewalt absolut aus meinem Repertoire verschwunden, es gelingt mir sogar völlig passiv zu bleiben, wenn jemand Hand an mich legt.
Nur die verbalen Rundumschläge sind geblieben und teilweise finde ich die auch berechtigt.
Wenn jemand mich respektlos behandelt, verletzt oder Ähnliches, möchte ich mich auch klar zur Wehr setzen. Allerdings möchte ich weniger laut werden, sondern mit ruhigen und ehrt ironischen Worten agieren.
Es ist mir auch gelungen, mehr und mehr ruhig zu bleiben, wenn ich mich auf einen Konflikt vorbereite, was im Alltag nicht immer ausbleibt. Ich bereite mich mental vor, präge mir ein sehr kühl und gelassen zu bleiben. Dabei zittere ich leider oft noch innerlich, es gelingt mir aber immer öfter.
Ich sage mir immer, wer laut und emotional wird hat schon verloren, selbst wenn er im Recht ist.
Das ist aber alles nicht leicht umzusetzen.
Der Hauptpunkt ist für mich auch noch zu differenzieren, wo ich wirklich angegriffen werde und es angebracht ist, Klartext zu reden und die Situation, wo es eigentlich jemanden trifft, mit dem ich grundsätzlich ein sehr gutes Verhältnis habe.
Sorry, wenn ich deinen Thread missbraucht habe um mir das von der Seele zu schreiben

31.10.2022 10:53 • x 4 #36


giesewickl
Zitat von marialola:
Ich sage mir immer, wer laut und emotional wird hat schon verloren, selbst wenn er im Recht ist.

Das sage ich mir und meinen Kindern auch immer, wenn einer von uns mal laut geworden ist:
Wer schreit, hat Unrecht.
Blöd, wenn der Papa gerade die Kinder anschreit, weil die Kleine den Großen mit einem Holzschwert verprügelt, weil er in ihrem Zimmer war...
Ich bin normalerweise ein gelassener ruhiger Mensch. Aber die Kinder bringen mich an die Grenzen.
Da hilft es nur, aus der Situation zu gehen, durchzuatmen (in meinem Fall eher auf der Terrasse eine zu rauchen) und dann die Kinder ruhig anzusprechen und die Situation zu klären.
Und versuchen, das nächste Mal gleich ruhig die Situation aufzulösen.

31.10.2022 11:03 • x 1 #37

Sponsor-Mitgliedschaft

C
@Islandfan

Vermutlich ist eine gewisse Übertreibung notwendig, um Gehör zu finden. Das würde ich dann noch zugestehen, auch wenn es nervt. Aber in vielen Bewegungen gibt es einfach eklatante Selbstwidersprüche oder wirklich groben Unfug und das tut einfach weh.

31.10.2022 21:58 • #38


Hoffnungsblick
Zitat von Spaceman:
Übergangsweise erscheint mir das aber nicht, sondern eher als Teil von mir, der sich langsam nach und nach abbaut aber nicht verschwindet. Deshalb finde ich es sinnvoll zu lernen, diesen Teil - oder meinetwegen auch: den Aspekt - meiner Persönlichkeit besser zu akzeptieren und bewusster mit ihm umzugehen.

Das ist die Lösung.
Den weniger guten Anteil in uns zu akzeptieren ist nicht immer einfach. Mir fällt das auch nicht leicht. Aber es gelingt mir öfter, auch meine negativen Anteile zu akzeptieren bzw. mich als fehlbaren Menschen anzuerkennen.

Die Tatsache, dass du dein Problem so differnziert beschreiben kannst und dich selbst beobachtest, auch dass du dich verbessern willst, das zeigt doch, dass du bereits gut bist! Es ist menschlich, sich weiterentwickeln zu wollen. Perfektionismus und der Wunsch, perfekt zu sein, das funktioniert leider nicht. Daher bleibt uns nur, unsere negativen Anteile zu integrieren. Die negative Seite ist unsere Lernaufgabe und es kann Spaß machen, wenn es mal wieder gelungen ist, sie ein Stück weit zu verwandeln.
Mir hilft es, wenn ich mir bewusst vornehme, in der nächsten Situation ruhig zu bleiben. Außerdem habe ich mir angewöhnt, schon im Vorfeld meine Bedürfnisse zu äußern oder auch, aufkeimenden Unmut möglichst gleich mitzuteilen und ungute Gefühle nicht aufzustauen.

Zitat von life74:
Kein Mensch hat nur gute Anteile, man sollte einfach nicht zu streng mit sich sein.

Ja, man darf mit seinen hohen Ansprüchen an sich selbst nicht über das Ziel hinausschießen. Besser ist kleinschrittiges, beständiges Vorgehen. Hauptsache, die Richtung stimmt.

Zitat von Flame:
Solange man es beobachten kann,kann man es beeinflussen.
Setzt halt voraus,dass man immer mal wieder eine Art Innenschau vollzieht.

Ja, diese Innenschau hilft mir auch, ebenso, mich zu beobachten. Auf diese Weise behalte ich besser die Kontrolle über mich.

Zitat von giesewickl:
Aber man sollte dann die Größe haben, sich zu entschuldigen,. wenn man überreagiert hat.

Diese Größe dient einem selbst am meisten.

Zitat von Moelli80:
Es gibt Tage da wache ich auf und habe sofort ein schlechtes Gewissen und überlege, hab ich gestern wieder was falsches gesagt (gemacht).

Die Waldorfpädagogik bezieht sich aus Gründen der Übersicht auf die vier Tempramente: Sanguiniker, Melancholiker, Choleriker, Phlegmatiker (In Wirklichkeit gibt es unzählige Mischtypen bzw. verschiedene Charakteranteile).
Der aktive Choleriker bekommt hin und wieder Wutanfälle. Er ist ein feuriger Typ und will Probleme tatkräftig lösen und angehen. Dabei überschreitet er manchmal die Grenzen. Kinder sind nach einem Wutanfall erst am nächsten Tag einem vernüftigen Gespräch zugänglich. Erst mit Abstand setzt der Verstand ein und man erkennt, dass man zu heftig reagiert hat.
Vielleicht ist was dran an der Temperamentsvorstellung. Manche sagen, dass man eben nicht aus seiner Haut herauskann. Man darf das mit einem Quäntchen Humor sehen. Jedes Temperament hat ja auch seine Vorteile.

31.10.2022 22:39 • x 2 #39


R
Zitat von Islandfan:
Da ist das beste Beispiel die Genderdiversität. Von mir aus kann jeder sich so fühlen, wie er will, kann seine Identität und Sexualität völlig ...

Sorry ein bisschen offtopic aber zu deinem Thema: ich hab das letzte Mal zB gelesen, dass man nicht mehr übergewichtig sondern mehrgewichtig schreiben soll. Aber Übergewicht ist doch einfach ein medizinischer Fakt. Das geht wirklich zu weit

31.10.2022 23:59 • x 2 #40


A


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