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Capricorn
Ängste in der Schwangerschaft


oder:
Die Angst mit in die Wiege gelegt


Eine wahre Geschichte


Es war einmal in Deutschland vor langer Zeit, da lebte eine Familie mit Vater, Mutter und vier Kindern. Die ersten drei hießen Anna, Georg und Betty. Sie waren alle kurz hintereinander geboren worden und wuchsen gemeinsam auf. Neun Jahre nach Betty, der bis dahin Jüngsten, wurde noch ein Mädchen geboren und es wurde Rosi genannt.

Es fehlte der Familie an nichts Wichtigem, obwohl sie in einer bescheidenen Siedlung von Steinbrucharbeitern wohnten, die weit ab von der nächsten größeren Stadt lag. Der Vater hatte eine herausgehoben Position als Sprengmeister und verdiente deshalb viel mehr Geld, als die anderen Arbeiter. Auch ihre Wohnsituation war deshalb bevorzugt. Während die einfachen Arbeiterfamilien nur 1 oder 2 Zimmer zur Verfügung hatten, lebten sie in einer geräumigen 4-Zimmer-Wohung.

Es ging ihnen allen gut, obwohl es keine besonderen Annehmlichkeiten oder Unterhaltungen gab, die das Leben in der nächst gelegenen Kreisstadt auch damals schon in bescheidenem Maße bot. Die idyllische Landschaft, das einfache aber friedliche Leben mit den anderen Arbeiterfamilien wurde nur ab und zu durch eine Warnsirene und einen kurz darauf folgenden, ohrenbetäubenden Knall unterbrochen, wenn wieder einmal eine Sprengung im nahe gelegenen Steinbruch durchgeführt wurde.

Eines Tages gab es wieder einen Knall. Nichts Besonderes für die Menschen in der Siedlung, sie waren es gewohnt. Und doch, für bestimmte Menschen sollte es ein Urknall sein. Ein Urknall, der alles was vorher war explodieren ließ. Ein Knall, der zerstörerische Folgen für Menschenseelen hatte, sogar für Seelen von Menschen, die noch gar nicht geboren waren.

Ein Untergebener des Vaters hatte eine Sprengladung in der Granitwand deponiert und ging, wie alle anderen Arbeiter, in gehörigem Abstand in Deckung. Da standen sie nun. Der Vater und die anderen Arbeiter und warteten auf den Knall. Doch der kam nicht. Sie warteten über die gewöhnliche Zeit hinaus, aber es knallte immer noch nicht.

Nun war es die Aufgabe des Vaters, der ja der Sprengmeister war, dem misslungenen Vorhaben auf den Grund zu gehen. Er ging zur Stelle in der Steinwand, wo die Sprengladung deponiert war und … kam nie mehr zurück. Der Knall hatte gewartet, bis der Vater in seiner Nähe war.

Rosi war zu diesem Zeitpunkt gerade vier Jahre alt und mit ihrer Mutter alleine. Ihre Geschwister waren ja viel älter als sie und gingen schon arbeiten in der nächstgelegenen Stadt. Das war damals so. Spätestens mit 14 Jahren mussten die Kinder anfangen zu arbeiten. Eine tägliche Rückkehr zu ihrer Mutter war ihnen nicht möglich, eine Zugfahrt hätte zu lange gedauert und wäre auch zu teuer gewesen. Und Autos besaßen nur die allerreichsten Bürger der Stadt. Rosis Geschwister lebten in kleinen Untermieterzimmerchen und waren sechs Tage die Woche und 10 Stunden am Tag fleißige aber schlecht bezahlte Lehrlinge ihrer Lehrherren. Das war damals üblich, sie nahmen es als das normale Leben an.

Rosis Mutter stand unter Schock. Der grauenvolle Tod ihres Mannes hatte ihre Seele gefrieren lassen und doch versuchte sie, Rosi zuliebe, noch zu funktionieren. Für Rosi, ihr Nesthäkchen, das sie innig liebte. Doch für sich selbst konnte sie kaum noch sorgen, ihr Leben stand still.

Das Leben der anderen ging aber weiter. Die Arbeiter gingen wieder in den Steinbruch, es wurde ein neuer Sprengmeister eingestellt und in gewissen Abständen erschütterte für Sekunden ein Knall die Arbeitersiedlung. Jeder Knall eine Erinnerung an das, was sie sowieso nicht vergessen konnte. Jeder Knall ein wenig mehr Frost in ihrer Seele, um den Schmerz zu betäuben und doch wurde er dadurch nur noch mehr konserviert.

Vier Jahre vergingen und die Leute in der Siedlung raunten sich schon lange zu, dass Rosis Mutter offensichtlich schwermütig geworden war. Das nannte man damals so, das Wort Depression war noch nicht geläufig. Aber nicht nur Rosis Mutter ging es schlechter, auch die politische Lage in Deutschland wurde immer schlechter. Zu Rosis Mutter kam ein Arzt und nach Berlin kam ein neuer Herrscher. Einer, der Deutschland in den schlimmster aller bisher da gewesenen Kriege führen sollte und ein ganz spezielles Programm entwickelte.

Der Arzt wies die Mutter in eine Nervenheilanstalt in der Bezirkshauptstadt ein und Rosi kam, 90 km entfernt, in ein katholisches Waisenhaus in der Kreisstadt. Rosis Geschwister waren wohl auch durch die Kälte der Zeit verhärtet, sie konnten oder wollten nicht erkennen, was Rosi angetan wurde. Anna und Georg hatten zwischenzeitlich geheiratet und teilten die elterliche 4-Zimmer-Wohnung in zwei 2-Zimmer-Wohnungen und zogen dort ein. Rosi ließen sie im Waisenhaus und unter der Vormundschaft eines weitläufigen Verwandten, den sie selber kaum und Rosi überhaupt nicht kannte.

Das Leben für Rosi im Waisenhaus war grauenvoll. Niemand störte sich damals daran, dass Prügelstrafe und Arbeitsdienst zum Erziehungsmodell der Nonnen gehörte und dass Rosi quasi elternlos war, war nicht der Rede wert. Es war schließlich ein Waisenhaus, also nichts Besonderes. Rosi war ein folgsames Kind, ängstigte sich zwar oft, aber ihre Fügsamkeit ließ sie allzu schlimmen Strafen entgehen.

Und im Lauf der Zeit hatte sie sogar eine kleine Freundin gefunden. Magda, die im Waisenhaus gelandet war, weil sie ein uneheliches Kind war und ihre Mutter arbeiten musste. Sie hatte keine so tragische Vergangenheit, und ihren Vater, den sie nicht kannte, vermisste sie offenbar nicht.

Magda war auch eine andere Natur, ein robusteres Wesen, war für damalige Verhältnisse manchmal ziemlich frech und ließ sich nicht alles gefallen. Drohte den Schwestern auch schon mal, dass sie ihrer Mutter alles erzählen würde, wenn man ihr übel mitspielen würde. Ihre Mutter kam sie auch ab und zu besuchen, oder nahm sie für einen Sonntag mit nach Hause. Sie war also etwas stabiler und Rosi fühlte sich ein wenig beschützt bei ihr, Magdas Stärke war ein wenig Halt für sie.

Wieder vergingen die Jahre und ab und zu durfte Rosi ihre Mutter im Irrenhaus, wie das damals auch genannt wurde, besuchen. In Begleitung dieses fremden Mannes, ihres Vormunds, fuhr sie mit dem Zug dann in die Bezirkshauptstadt. Doch ihre Mutter hatte sich immer mehr verändert, wurde von mal zu mal immer farbloser, fast durchsichtig und der Blick ihrer Augen wurde immer leerer. Der liebevolle Blick, den sie von ihr kannte schien immer mehr in einem Nebel zu verschwinden, in dem ihre Mutter sich scheinbar befand. Das lag wie ein dicker Stein auf Rosis Kinderherz und doch, was konnte sie tun? Sie war doch nur ein Kind und ihre Ohnmacht ließ nur zu, mit ihrer Mutter zu leiden.

Spürte sie bei den ersten Besuchen noch die Liebe ihrer Mutter, die Freude, die diese trotz der widrigen Umstände und der ärztlich verordneten Medikamente immer noch ein wenig ausdrücken konnte, so musste sie bei einem ihrer letzten Besuche feststellen, dass ihre Mutter sie nicht mehr erkannte, „Das ist nicht mein Röschen“ sagte die Mutter, als man Rosi zu ihr brachte. Es sollten die letzten Worte sein, die sie von ihrer Mutter hörte.

Rosi war nun schon über 13 Jahre alt und deshalb vorgesehen für ein damaliges Ritual. Es wurde „Jungfrauen-Weihe“ genannt und war eine kleine Zeremonie mit Gottesdienst und kleiner Feier. Es wurde gesagt, dass jedes Mädchen, wenn sie die Weihe erhalten hat, im Gottesdienst heimlich drei Wünsche an den lieben Gott richten dürfe.

Und Rosi bat aus ganzem Herzen den lieben Gott als Erstes darum, dass er ihre Mutter wieder gesund machen soll, und wenn das nicht möglich ist, dass er sie zu sich nehmen soll. Als zweites wünschte sie sich, dass sie einmal einen anständigen, treuen und zuverlässigen Mann bekommen soll, weil sie eine Familie mit vielen Kindern haben möchte. Nur für den dritten Wunsch kam ihr keine Idee mehr in den Kopf. So beließ sie es bei den zwei Wünschen und hoffte, dass sie in Erfüllung gehen werden.

Nur einige Tage nach dem Start des ersten Euthanasie-Programms der deutschen Nationalsozialisten bekam Rosi über den Umweg von Vormund und Waisenhaus-Nonnen einen bereits geöffneten Brief. Einen Brief von den Ärzten der Nervenheilanstalt. Ihre Mutter sei aus nicht erklärlichen Gründen verstorben. Rosi war 14 Jahre alt.

Und wieder ging das Leben weiter. Es musste weitergehen, die Nonnen hatten keine Zeit für Trost und Beistand, ihre Geschwister waren ihr fast fremd geworden, so selten besuchten diese sie und so war Magda, dieses trotz allem muntere, starke Mädchen ihr einziger Halt, auch wenn Rosi sie manchmal beneidete, hatte diese doch wenigstens noch eine Mutter.

Die Jahre vergingen und der Krieg tobte zwischenzeitlich nicht nur in Ländern, in die die deutschen Soldaten ihn getragen hatten, sondern auch in Deutschland. Die angegriffenen Länder setzten zu Gegenschlägen an. Rosi, die ihre Lehre als kaufmännische Angestellte noch abschließen konnte wurde in den Kriegsdienst eingezogen – in eine fremde deutsche Großstadt, als Stenotypistin um am Krankenbett von kriegsverletzten Soldaten, die Diagnosen und Behandlungsvorgaben der Ärzte zu mitzuschreiben.

Oft konnte sie kaum noch den Bleistift halten, im Angesicht von abgerissenen Gliedmaßen und zerfetzten Gesichtern und sie versuchte deshalb ihren Blick immer auf ihren Stenoblock zu heften. Doch nicht immer funktionierte das, und so passierte es auch einmal, dass sie bei der Visite neben Ärzten und Schwestern ohnmächtig wurde und zusammenklappte.

Aber nicht alles war grauenvoll, trotz Fliegerbomardements und Luftschutzkeller. Sie lernte neue Freundinnen im Lazarett kennen, Krankenschwestern und Verwaltungsangestellte. Irgendwie fühlten sich alle ein wenig verbunden, denn alle waren versprengte Seelen, aus ihrem vertrauten Umfeld gerissene junge Menschen und es gab auch ein wenig Freizeit und sogar Zeiten voll Lachen, Gackern, Scherzen und Flirten mit Soldaten, die, wieder einigermaßen genesen - oft nur um ein Haar dem Tod entronnen – sich an ihrem Überleben freuten und munter den Mädels ihre Komplimente und Avancen machten.

Die Zeit und die ausländischen Mächte führten zum Ende dieser heillosen deutschen Episode und Rosi landete wieder in ihrer ursprünglichen Heimat. Doch wo sollte sie hin? Sie hatte ja keine Eltern mehr. So ging sie zu ihren Geschwistern. Auch diesen hatte der Krieg übel mitgespielt. Georg, ihr Bruder war im Krieg gefallen und hatte Frau und Tochter hinterlassen. Anna, ihre älteste Schwester war Witwe, auch ihr Mann war gefallen, durch einen Granatensplitter hatte sie einen ihrer Zeigefinger verloren und sie hatte zwei kleine Söhne zu versorgen. Betty war in der Schweiz gelandet, als Haushaltskraft von reichen Leuten, was für die damaligen Umstände „am anderen Ende der Welt“ war, wegen der kaum überwindbaren Entfernung.

Anna und Georgs Witwe wohnten nahe zusammen, immer noch in der alten Arbeitersiedlung, hatten aber keinen Platz für Rosi. Sagten sie. Rosi litt sehr unter dieser Ablehnung, dieser offenkundigen Distanz seit vielen Jahren, darunter, dass es offensichtlich für sie keine Familie gibt und ihre Geschwister sie nicht als Familienmitglied anerkennen. Und trotzdem war sie ihnen nicht böse und versuchte auch später, lebenslang, eine geschwisterliche Beziehung zu ihnen zu bekommen. Es sollte nie wirklich gelingen.

Denn ein Wunsch brannte in ihr, solange sie denken konnte: Sie wollte einmal eine echte, gute, schöne und liebevolle Familie haben. Mit einem zuverlässigen und treuen Mann und mit Kindern, die nicht in Waisenhäusern landen oder als Geschwister auseinander gerissen und verfremdet werden. Familie! – das war ihr Lebenstraum, ihr Lebensglück.

Vorerst aber hieß es: Wieder arbeiten. Ihr früherer Arbeitgeber stellte sie auch wieder ein und sie konnte in einem kleinen Zimmerchen in dessen Haus auch wohnen. Auch Magda, ihre Freundin vom Waisenhaus fand sie wieder in dieser Stadt und so hatte sie in ihrer knappen Freizeit ein wenig Spaß mit dieser Frohnatur, die scheinbar nichts aus der Bahn werfen konnte. Einige Zeit später lernte Magda einen Soldaten kennen, verliebte sich in ihn, heiratete und zog mit ihm in seine Heimat, die rund 600 km entfernt lag. Der Kontakt zu Magda brach aber lebenslang nicht ab. Sie schrieben sich jahrzehntelang Briefe und als die Zeiten besser wurden, kam Magda immer wieder mal zu Besuch.

Nach der harten Nachkriegszeit, in der es kaum noch zu essen gab und auch Rosi Hunger litt, kam die Währungsumstellung und die deutsche Mark. Von da ab waren die Geschäfte von einem Tag auf den anderen mit Waren gefüllt und von dem wenigen, was Rosi verdiente, konnte sie zumindest zu Essen kaufen. Die Stadt füllte sich nicht nur mit Waren, sondern auch mit den Soldaten, die langsam aus den unterschiedlichen Kriegsgefangenschaften zurückkehrten.

Auch Anton kam zurück. Zurück in die Steinbruch-Siedlung, in der er aufgewachsen war. Zurück zu seiner verwitweten Mutter, die dort noch lebte. Und Rosi kam eines Tages auch wieder hierher, um Anna und ihre Schwägerin und deren Kinder zu besuchen. Bei einem abendlichen Plausch unter Nachbarn auf Bänken vor den Häusern sah sie Anton zum ersten mal. Richtig kannte sie ihn ja nicht, obwohl sie beide dort geboren waren, war sie doch als 8jährige ins Waisenhaus der Kreisstadt verbracht worden.

Anton war ganz nett, aber Rosi nahm ihn nicht ernst. „So ein angeberischer Sprücheklopfer“ dachte sie sich, „mit so was könnte ich nichts anfangen“, als er einige Episoden aus seiner Kriegsgefangenschaft in Frankreich zum Besten gab. Scheinbar war das gar nicht so schlimm, wenn der Lackaffe dort in Paris, mit den Französinnen herumschäkern konnte. Tatsächlich war – wie sie später hörte - die französische Kriegsgefangenschaft vergleichsweise „angenehm“.

Immerhin war Anton eigentlich gar nicht so. Er hatte wohl nur ein wenig aufgetrumpft um in der Runde nicht unterzugehen. Denn, so stellte Rosi später fest, als sie Anton noch öfter begegnete, dass er eine sehr treue Seele und alles andere als ein Schürzenjäger war. Auch waren sie sich irgendwie vertraut, weil sie aus dem gleichen Umfeld stammten und sich an vieles erinnern konnten, was für jeden ein Stück Heimat und Kindheit war. Und so verliebten sie sich.

Sie heirateten, Anton ging im Steinbruch arbeiten und Rosi versorgte Hauhalt und Schwiegermutter. Sie kochte für alle und konnte stolz auf ihre Geschicklichkeit sein. Das Waisenhaus hatte tatsächlich auch gute Folgen, denn unter den strengen Augen und Rohrstock umklammernden Händen der Nonnen hatte sie tadellos kochen und haushalten gelernt.

Und doch trübte die Härte und Kälte ihrer Schwiegermutter ihre Zufriedenheit. Rosis Hoffnung endlich wieder so etwas wie eine Mutter zu bekommen, wurde durch diese Frau schnell im Keim erstickt. Ein Glück, dass sie sich Antons unverbrüchlichen Beistands sicher sein konnte, das machte die Art ihrer Schwiegermutter wieder wett.

Rosi liebte ihren Anton und hielt fest an ihrem Ziel von der schönen Familie, das sie erreichen wollte. Nach knapp zwei Jahren starb Antons Mutter und auch wenn jeder Tod traurig ist, war es für Rosi doch auch eine Erleichterung. Diese Frau hatte Rosi nie wirklich angenommen und diese Zeit der Ablehnung unter einem Dach war nun vorbei.

Und eines Tages war ihr Glück perfekt. Sie stellte fest, dass sie schwanger war. Sie freute sich, Anton freute sich und das bescheidene Leben bekam einen strahlenden Glanz, der sich unübersehbar auf Rosis Gesicht zeigte. Alle Arbeiten machten ihr nun viel mehr Freude als vorher schon. Der Tag der Geburt rückte immer näher, sie kam in die nächstgelegene Geburtsklinik und wurde von einem Töchterchen entbunden. Die Geburt war ein wahrer Horror, die Wehen zogen sich über unzählige Stunden und Ärzte und Schwestern wurden auch schon alle ganz nervös, unsicher und fahrig.

Aber nun war es vorbei und Rosi nahm Lieschen, so wurde das Mädchen genannt, liebevoll in ihre Arme. Leider durfte sie das Neugeborene immer nur kurze Zeit in den Armen halten. Lieschen hatte durch die schwere Geburt sehr gelitten und musste die meiste Zeit von Ärzten und Schwestern versorgt werden. Und nach einer Woche wurde Rosi mitgeteilt, dass Lieschen gestorben ist.

Lieschen lag nun in einem Kindergrab, im Friedhof der nächsten Ortschaft mit Kirche. So oft wie möglich ging Rosi zu ihrem Kind, betete an ihrem Grab, weinte und brachte immer frisch gepflückte Blumen mit. Wäre Anton nicht gewesen, sie wäre wohl nicht mehr so schnell auf die Beine gekommen. Anton kannte wie viele Männer dieser Zeit den Tod aus Erfahrung, er hatte seine Gefühle beherrschen gelernt und so sorgte er dafür, dass Rosi nicht in Trauer versank. Er ging mit ihr in der idyllischen Umgebung spazieren, in den nahe gelegenen Wald und an den kleinen, aber mächtig wirkenden Steinbruchsee, der von hohen Felswänden umgeben war. Die Natur und Antons Zuwendung ließen Rosis Wunden langsam heilen.

Und Rosi fasste wieder Mut. Anton und sie gingen sogar ab und zu tanzen und sie hatten schöne Stunden mit Musik und vielen fröhlichen Menschen. Und so kam es, dass Rosi wieder schwanger wurde. Nur diesmal hielt das nicht lange an. Nach einigen Wochen hatte Rosi einen Abgang, das Kind hatte sich in ihrem Leib nicht gehalten. Das war schlimm für Rosi, aber sie wusste, wie schlimm es war, als sie Lieschen geboren, in den Armen gehalten und nach nur ein eineinhalb Wochen beerdigt hatte. So ein Abgang ist traurig, besonders für sie, aber kein Vergleich. Also blieb sie weiter tapfer.

Aber es sollte nicht bei diesem einen Abgang bleiben. Dasselbe passierte Rosi noch 2mal. Jedes mal freute sie sich und dachte, „diesmal klappt es. Es kann doch nicht immer schief gehen!“ So verging die Zeit und inzwischen waren Rosi und Anton schon sieben Jahre verheiratet und ihr brennender Kinderwunsch war immer noch nicht erfüllt.

Doch Rosi wurde wieder schwanger. Und diesmal – kein Abgang! Das Kind hielt sich und wieder wurde sie, als es an der Zeit war, in die Geburtsklinik gebracht. Wieder war es eine sehr schwere und schmerzhafte Geburt und nach vielen Stunden wurde ein Junge entbunden.

Dieser hatte auch so sehr unter der Geburt gelitten, dass Rosi ihn nicht einmal in den Arm gelegt bekam. Er wurde sofort in ärztliche Versorgung gebracht und starb drei Tage nach seiner Geburt. Rosi konnte ihn noch nicht einmal taufen lassen und man fragte sie am Wochenbett, welchen Namen sie ihm geben möchte. Man brauche das für die Unterlagen, weil der Kleine – das sei so üblich – im Sarg eines fremden Mannes, der auch kurz zuvor verstorben war, beerdigt werde. Rosi sagte: „Johannes“.

Im Waisenhaus hatte man in ihr den katholischen Glauben sehr vertieft und irgendwie war dieser ihr immer auch ein gewisser Halt und Trost gewesen. Anton hielt nicht viel davon, und noch weniger vom so genannten ’Bodenpersonal’ dieser Glaubensgemeinschaft. Aber er war tolerant genug, um Rosi keine Vorschriften zu machen und ließ sie, wenn ihr danach war, zur Kirche oder auch zur Beichte gehen.

Völlig aufgelöst kam Rosi eines Tages von der Beichte zurück. Sie wurde im Beichtstuhl kniend, durch das dunkle Gitter vom Priester gefragt, wie lange sie denn schon verheiratet wäre und wie viele Kinder sie habe. Sie antwortete wahrheitsgetreu „7 Jahre verheiratet, Kinder – keine“. Worauf der Priester sie beschimpfte, dass das nicht im Sinne Gottes sei und was ihr einfalle, so lange verheiratet zu sein ohne Kinder in die Welt zu setzen.

Rosi war vor Schock wie gelähmt und konnte kein Wort erwidern. Aber Anton erzählte sie alles. Er tröstete sie, zog wieder einmal übelst über das Pfaffenvolk her und bewahrte sich lebenslang die Freude, bei jeder nur denkbaren Gelegenheit, mit Priestern ein Hühnchen zu rupfen, sobald sie ihm in die Finger kamen. Mit klaren Argumenten gegen allbekannte, widersinnige christliche Dogmen, trieb er jeden Kleriker regelmäßig in die Flucht – sie sahen offenbar keine andere Möglichkeit, als vor ihm davonzulaufen. Den triftigen Argumenten dieses einfachen Steinmetzes waren sie nicht gewachsen.

Anton hatte sich damit abgefunden, dass ihre Ehe wohl kinderlos bleiben würde. Für ihn war das kein Weltuntergang, er wäre mit Rosi alleine auch glücklich gewesen und geblieben. Nur Rosi konnte sich nicht abfinden. Kinder gehörten zu ihrem Familienbild, das sie, seit sie denken konnte, in sich trug. Und so fürsorglich, freundlich und nachgiebig sie sonst auch war, in diesem Fall wollte sie nicht nachgeben. Und dieser Wille wollte stärker als das Schicksal sein.

So kam es, dass Rosi wieder schwanger wurde. Die Jahre waren vergangen und auch die Geburtsmedizin hatte Fortschritte gemacht. Rosi war ja schon bekannt, bei Hebammen, Ärzten und Schwestern der Geburtsklinik. Das Fachpersonal wusste, dass ein Geburtsvorgang bei Rosi kein Sonntagsausflug war und hatten diesmal einen Kaiserschnitt schon fest eingeplant. Damals allerdings nicht als kleiner, quer verlaufender Schnitt über dem Schambein der Frau, sondern senkrecht, mittig, den ganzen Bauch hinab, ca. 35 cm.

Als es an der Zeit war, kam eine der damals neuesten Errungenschaften zum Einsatz: die Lumbalanästhesie. Eine Betäubungsspritze ins Rückenmark, die den ganzen Unterleib gefühllos macht. Und so wurde bei Rosi ein Kaiserschnitt durchgeführt. Leider wirkte die Spritze nur auf einer Körperhälfte Rosis, was bedeutete, dass sie rechtsseitig die Schmerzen spüren und erleiden musste. Wie jemand so etwas überleben kann, ohne nahezu verrückt zu werden, ist mir schleierhaft. Sie selbst hat mir davon nur einmal in ihrem Leben erzählt.

Aber das Kind war gesund! Und das war das wichtigste für Rosi. Es war ein Mädchen und Rosi wollte, dass es „Lieschen“ heißen sollte. Ein zweites Lieschen, nachdem das erste nicht überleben durfte. Manche Leute sagten ihr, das dürfe sie nicht machen. Der Volksglaube sagt, dass man ein Kind nicht nach einem davor verstorbenen nennen darf, das würde Unglück bringen. Aber Rosi ließ sich davon nicht beeindrucken. Ihre Entscheidung war stärker als jeder Aberglaube. Sie war überglücklich mit Lieschen, das ab sofort der Augenstern von Rosi und Anton war.

Es gab nur einen kleinen Wermutstropfen. Die Ärzte, die Rosi entbunden hatten und die ihre Leidensgeschichte kannten, warnten sie aufs Eindringlichste: Sollte sie noch einmal schwanger werden, könnte niemand eine Garantie übernehmen. Weder für das Kind noch für Rosi selbst. Noch so eine Geburt und Rosi würde es selbst nicht überleben. In Zeiten, in denen es noch keine verlässliche Empfängnisverhütung gab, keine sehr beruhigende Auskunft.

Aber Anton war ein schlauer Kopf. Er war an vielem interessiert und hatte sich immer schon auch in Bereichen kundig gemacht, die weiß Gott nichts mit Granit und Steinbruch zu tun hatten. So arbeitete er sich in die natürliche Methode der Empfängnisverhütung ein, von der er oberflächlich wusste, das Zählen der Tage bis zum Eisprung, von den fruchtbaren und unfruchtbaren Tagen einer Frau. Er erklärte es Rosi und ab sofort lag ein Din-A4-Kalenderblatt in der Küchentisch-Schublade, in dem Rosi gewissenhaft ihre Aufzeichnungen machte. „Dumm darf man sein“ meinte Anton, „man muss sich nur zu helfen wissen!“ Einen Spruch den er lebenslang beibehielt.

Und so kam es, dass die drei wohl die schönsten Jahre ihres Lebens verbrachten. Rosi, weil sie endlich ihr Ziel erreicht hatte, Anton, weil er mit Lieschen endlich kindlich und spielerisch sein durfte, ohne in seiner Männlichkeit in Frage gestellt zu werden und Lieschen, weil es wohl für jedes Kind paradiesisch ist, wenn es durchgängig spürt, dass es das behütete und umsorgte Zentrum der Welt ist.

Anton ging weiter im Steinbruch arbeiten, Rosi versorgte Lieschen, kochte zu Mittag, wenn Anton Halbzeit hatte, putzte und spülte, wusch und bügelte, brachte das Abendessen auf den Tisch, buk auch öfter einen Kuchen und natürlich zu Weihnachten leckere Plätzchen. Anton war sehr stolz auf Rosi, denn das Geld, das er nach Haue brachte war nicht sehr viel und nur die hervorragende Haushaltung von Rosi machte es möglich, dass mit dermaßen bescheidenen Mitteln ein so gemütliches und wohliges Familienleben möglich war. Und Rosi war stolz auf Anton, weil er ihr jeden verdienten Pfennig auf den Tisch legte und nicht, wie die anderen Männer, schon einen Teil ihres Wochenlohn's im Wirtshaus vertranken oder gar beim Kartenspielen verloren, bevor sie zu Frau in Kind nach Hause wankten.

Wobei Anton zwar nicht trank, aber sehr wohl und sehr gerne Karten spielte. Auch um Geld. Aber er war eben schlau. Und er wusste, wenn er nicht besser Karten spielt, als die anderen, dann würde er sein sauer Verdientes verlieren. Seinen Kopf hatte er immer schon trainiert und so war er also auch fit in allen, damals üblichen Kartenspielen und verlor so gut wie nie. Unterm Strich war er immer der Gewinner und brachte Rosi bisweilen ein paar Kröten zusätzlich nach Hause.

Sie planten einen Umzug. Sie wollten weg von dieser Siedlung in die Kreisstadt ziehen. Antons Schwester Vroni wohnte schon seit vielen Jahren dort mit Mann und Kindern. Dort würde Anton, geistig flink und handwerklich geschickt wie er war, ohne Weiteres Arbeit finden und etwas mehr verdienen. Das Leben würde etwas leichter, weil die Wege viel kürzer waren, zum Einkaufen, zum Arzt, wenn Lieschen die Kinderkrankheiten quälten, zum Zahnarzt, usw. Und sie hörten sich bei Bekannten und Verwandten um, wer von einer freien Wohnung in der Stadt wüsste.

Und siehe da, Vroni hatte erfahren, dass am Stadtrand zwei Zimmer zur Miete frei stehen. Ein Haus, das eine Bauernfamilie bewohnte, die im Dachgeschoss zwei Zimmer anboten. Kein Bad, keine Heizung und als Toilette ein Plumpsklo eine Etage tiefer. Das klingt in heutigen Ohren schauerlich, aber damals war das in dieser Region keine so große Seltenheit. Bad und Toilette waren noch kein Standard in Wohnungen und Zentralheizung war ein Fremdwort. Es wurde also umgezogen!

Nur hat das Schicksal manchmal seinen eigenen Sinn. Rosi war vermutlich schon beim Umzug wieder schwanger, das stellte sich heraus, als sie eingezogen waren. Damit nicht genug, fühlte Anton sich nicht mehr wohl, er hustete immer häufiger und das Atmen fiel ihm immer schwerer. Anton wurde ärztlich untersucht, geröntgt und man stellte verdächtige Schatten auf seiner Lunge fest. Eine Staublunge, wegen der Arbeit im Steinbruch schloss man aus, der ärztliche Verdacht: Tuberkulose! Damals noch eine so bedrohliche Diagnose wie heute Krebs.

Anton konnte also nicht arbeiten, sondern wurde in eine Lungenheilanstalt eingeliefert. Er durfte nicht mehr nach Hause und Rosi durfte ihn nicht besuchen. Er galt als hochinfektiös und musste in Quarantäne bleiben. So saß Rosi alleine zu Hause, das Geld wurde immer weniger, das Arbeitslosengeld reichte kaum zum Überleben, keine Freunde, keine Verwandten. Auch Vroni, Antons Schwester, ließ sich nicht sehen, als ob Rosi es wäre, die infektiös sei. Nichts und niemand war ihr geblieben in dieser neuen Umgebung, in dieser noch fremden Wohnung, nur das kleine zweijährige Lieschen, das sie in ihrer Not immer öfter an sich drückte und weinte.

Und auch ihre Vergangenheit baute sich wieder vor ihr auf, als grauenvolles Szenario. Sie erinnerte sich, dass sie als 4jähriges Mädchen ihren Vater verlor. Anton vielleicht auch nicht überleben würde und Lieschen somit auch den Vater verlieren würde. Erinnerte sich, dass ihre Mutter alleine war mit ihr, so wie sie jetzt mit Lieschen. Erinnerte sich, wie ihre Mutter an dem Leid zerbrach und auch ihr Leben lassen musste. Und sie selbst jetzt, das Damoklesschwert über sich, durch ihre Schwangerschaft, von der ihr die Ärzte sagten, sie würde eine weitere Geburt nicht überleben.

„Lieschen! Soll Lieschen dasselbe Schicksal erleiden, wie ich selbst?“ dachte es Tag für Tag in Rosis Kopf. Wochen, ja Monate voll von Tränen, Trauer und Schmerz waren Rosis Los. Unterbrochen nur von der Fürsorge für Lieschen und dem Versuch sich bei dem kleinen Wurm ein wenig zu trösten. Niemand war da, niemand, der ihr beistand. Wenn sie die Wohnung verließ war sie tapfer, aber richtig reden konnte sie auch da mit niemandem. Sie blieb dann freundlich distanziert, weil sie nicht wollte, dass irgendjemand ihren tiefen Schmerz sah und achtete darauf, dass man ihr die durchweinten Tage und Nächte nicht ansah. Wer hätte ihr schon geholfen, wenn nicht einmal die eigenen Geschwister einem beistehen in so einer Lage und es keine Eltern mehr gibt.

Dreimal kam Anton trotz ärztlichem Verbot zu ihr. Wie ein Verbrecher stahl er sich nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Sanatorium, stieg über Zäune, lief kilometerweit über Straßen und Felder, nur um nach ein paar Stunden wieder den gleichen Weg zurück zu nehmen in der Hoffnung, dass niemand in der Zwischenzeit seinen Ausbruch bemerkt hat. Auch ein Geschenk brachte er Rosi mit: einen Kohlkopf, oder anderes Gemüse, das er bei seiner Flucht auf einem Feld geklaut hatte, damit Rosi und Lieschen ein wenig mehr zu essen hatten.

Die Angst, die Rosi während dieser Zeit durchlebte, war das Schlimmste, was ihr in ihrem Leben widerfahren war, obwohl ihre Vergangenheit schon alles andere als angenehm ist. Das sagte sie später öfter über diese Zeit. Monatelang in ärztlich prognostizierter Todesbedrohung, monatelang ohne den Mann, der der einzige Halt im eigenen Leben war, und der vielleicht auch dem Tod entgegensah, monatelang allein mit Lieschen, die sie jedes Mal, wenn Rosi sie ansah daran erinnerte, dass ihr dasselbe Schicksal bevorsteht, wie es schon ihr eigenes war. Monatelang Höllenqualen der Angst in der Seele und ein neues Menschenleben im Leib, das auch nicht überleben wird.

Irgendwann hat Rosi wohl resigniert oder die menschliche Natur hat ihr die Gnade einer Betäubung geschenkt. Die Zeit dieser seelischen Qual war wohl zu lange, so dass Rosi innerlich ruhiger wurde. Irgendwann gibt es keine Tränen mehr, irgendwann nimmt man das Schicksal an, irgendwann verabschiedet man sich von seinen eigenen Träumen, vom eigenen Glück und lässt geschehen was geschieht.

Nach vielen Monaten kam immerhin Anton aus der Klinik zurück, ohne erfahren zu haben, ob er nun wirklich Tuberkulose hatte oder nicht. Die Ärzte konnten ihm das nicht sagen, aber sie meinten, er wäre wieder gesund. Angeschlagen, müde, matt, kraftlos und erschöpft, aber gesund.

Die Zeit des Geburtstermins rückte näher, er wurde in die Weihnachtszeit berechnet. Die Klinkärzte wollten, dass Rosi schon vor Weihnachten in die Klinik kommt, weil die Geburt vermutlich an den Weihnachtstagen stattfinden würde. Rosi sagte „Nein“. Sie wollte das Weihnachtsfest, das vielleicht ihr letztes war, mit Anton und Lieschen zusammen sein. Wollte ein letztes mal ein bescheidenes, aber schönes und glückliches Weihnachten mit ihrer Familie verbringen. Die Ärzte fügten sich, sie kannten Rosis Situation und sahen es wohl ähnlich.

Und Rosi verbrachte mit Anton und Lieschen das Weihnachtsfest mit allem, was für sie dazugehört. Mit gut gekochtem Essen, mit geschmücktem Christbaum, Kerzen und einem Geschenk für Lieschen. Geschenke gegenseitig machten Anton und Rosi sich nicht, das Geld hätte dafür nicht gereicht. Und am 27.12. traf sie mit ihrem einfachen Köfferchen in der Klink ein.

Sie gebar, wieder mit Kaiserschnitt, dieses Mal mit voll funktionierender Lumbalanästhesie ihr, eigentlich siebtes Kind. Rosi überlebte. Das Kind überlebte.

Das Kind, das in seinen ersten 9 Monaten im Leib seiner Mutter die Hölle ihrer Angst erfuhr, wurde am 28.12. geboren, dem christlichen Gedenktag „Tag der unschuldigen Kinder“. Der Tag, an dem den Kindern gedacht wird, die massenhaft und landesweit im Auftrag von König Herodes ermordet wurden. Herodes, der glaubte, damit seinen neugeborenen, und vermeintlichen Konkurrenten, den neuen König der Menschen, von dem die drei Weisen aus dem Morgenland ihm erzählten, Jesus von Nazareth, töten zu können.

Als Rosi ihrem Kind ihre Geschichte erzählte war es gerade mal 5 Jahre alt. Einige Jahre später fragte das Kind: „Hast du dich denn auch ein wenig auf mich gefreut?“ und Rosi antwortete: „Naja, als die Schwester dich mir in den Arm gelegt hat, da hab ich mich dann schon gefreut.“


- . - . - . -


Rosi wurde ihr Kind in den Arm gelegt.
Ihrem Kind, mir, wurde die Angst meiner Mutter mit in die Wiege gelegt.

Sie begleitete mein ganzes Leben, obwohl sie nicht zu mir gehörte.
Sie behinderte mein Leben in allen erdenklichen Bereichen.
Nie konnte ich mein ganzes Potential entfalten und heute,
nach einigen Jahrzehnten,
bin ich in den Augen der Gesellschaft
eine erfolglose, gescheiterte Existenz.

In den Augen einer Gesellschaft,
die ihre Augen verschließt vor Geschehnissen,
wie sie Rosi widerfahren sind.

Schau wenigstens DU nicht weg,
wenn Kindern Leid geschieht.
Misch dich ein!
Warte nicht, dass jemand anderes es macht!

Schieb es nicht auf Gott,
und frage nicht, warum er so etwas zulassen kann!

Denn Gott hat keine anderen Hände als die deinen!

27.07.2011 00:34 • 05.08.2011 #1


20 Antworten ↓


Capricorn
Nachtrag zur Info:

Die Geschichte entspricht, wie gesagt, den Tatsachen.
Aber alle Namen, die darin vorkommen sind - aus Rücksicht auf meine Familie - frei erfunden.

LG
Capri

01.08.2011 15:58 • #2


A


Die Angst mit in die Wiege gelegt

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O
Eine sehr berührende Geschichte.

Willkommen im Club -Heimkind Ich war auch . In Burgdorf bei Hannover im Sthepanstift. Auch katolisch .

Hut ab vor Rosi um nicht aufzugeben . Ich weiss aus eigener Erfahrung wie schwer Schiksalschläge zu bewältigen sind. Vor allem wenn niemand da ist der einem zuhört oder wenigstens Trost spendet.

Klasse Leistung

Meine Geschichte kennst Du ja auch, denk ich mal . Doch bin ich ganz anders geworden als mein Vater ,der Schläger und Tyrann war. Abgesehen von seinem Alk..

Vieleicht ist die Angst zwar mit in die Wiege gelegt worden, doch kann man anders damit ungehen.

So wie ich es mit dem Vermächtnis meines Vaters auch getan habe . Es freut mich das Du Deinen Glauben an Gott nie verloren hast, trotz der vielen schmerzhaften Erfahrungen die Du gemacht hast .

So hast Du seine Prüfungen die er Dir auferlegt hat wohl bestanden

Schließlich kann er ja nichts dafür wie man eine Religion hier auf der Erde auslegt und auslebt . (Siehe Absatz über Nonnen ) .

Das Beten für die geschundene Seele Deiner Mutter fand ich sehr erwachsen

Was anderes als Kind hättest Du auch machen können ? Nix

Es gibt grausame Situationen. Meine Mutter hatte mal das Delirium und ich war noch ein kleiner Bub. Sie sagte ich stünde bei Ihr auf dem Dachboden und würde sie mit dem Messer bedrohen und alle Autos auf der Strasse wären hinter ihr her. Dabei stand ich völlig neben der Spur unten an der Leiter zum Dachboden und bat meine Mutter wieder da runter zu kommen und das ich hier unten stehe und sie überhaupt nicht bedrohe. Mutter kam dann weg. Wochenlang. Und dann ich alleine mit meinem Vater ,und tagsüber alleine weil er arbeitete .

Kenne also das Gefühl wie man sich als Kind fühlt wenn man hilflos und ohnmächtig Dingen gegenübergestellt wird die man eigentlich überhaupt nicht versteht.

Rosi hat eine sehr schlimme Zeit durchgemacht,jedoch nie aufgegeben. Das macht sie mir so symphatisch

Ich finde Rosi Klasse,stark, durchsetzungsfähig und leidensfähig ! Auch was die Wohnsituation angeht kann ich sie gut verstehen

Übrigens ist Rosi ja an einem 27.12 ind die Klinik zur Enbindung gegangen. Das war das Todesdatum meines Sohnes .

Wenn man eine Zeit lang auf der Strasse lebt kommt einem das auch wie Krieg vor ...Überlebenskampf...Messerstecherein...usw... immer auf der Hut sein.

Will damit sagen das ich Rosi sehr gut verstehen und vieles nachempfinden kann, weil ich es auch durchleben musste .

Ich mag Rosi sehr

02.08.2011 12:30 • #3


O
Nur mit dem Kinder kriegen hab ich es als Mann nicht so

Hoffe das Rosi endlich glücklich wird und innerlich zufrieden . Denke nämlich ,das Rosi schon weit über Gebühren Ihren Obulus erbracht hat und bewiesen hat das sie stark ist und eine wunderbare Frau

02.08.2011 12:38 • #4


O

02.08.2011 12:43 • #5


Capricorn
Hallo Ozzi,

erst mal danke für dein umfangreiches Feedback. Die Geschichte hat ja offenbar Einiges in dir ausgelöst.

Nur:
Du hast da offenbar etwas komplett mißverstanden!
Vielleicht liest du dir nochmal den Nachspann der Geschichte ganz genau durch! Dann solltest du eigentlich d'rauf kommen, wie es sich wirklich verhält.


LG
Capri

P.S:
Auch mit dem Glauben an den prüfenden Gott bist du bei mir im Irrtum. Tut mir leid für dich, aber an sowas glaube ich nicht.

02.08.2011 13:59 • #6


Z
Gescheiterte Existenz... das sagte einmal meine Mutter zu mir. Seitdem frage ich mich immer wieder, was es heißt, gescheitert zu sein?! In welchem Rahmen findet ein Scheitern statt....

02.08.2011 14:16 • #7


O


Meistens ist man dann gescheitert wenn man nicht so ist wie andere einen haben wollen

Dann haben die anderen eben Pech gehabt

02.08.2011 16:00 • #8


O


@Capri. Ich habe es so verstanden Das Du nicht an Gott glaubst ist Deine Interpretation.

Schade eigentlich. Glaubst Du an die Liebe ? Glaubst Du an Dich ?

Vieleicht fällt einem einiges leichter wenn man mit sich und Gott im reinen ist und die Angst weicht langsam

Denn wer kann mit sich im Reinen sein der nicht mit Gott im Reinen ist ?

Brauchst Du nicht verstehen zu wollen. Ich bin halt Christ

Auch nach vielen schmerzhaften Erfahrungen ! Erst Recht

Doch das ist eine Glaubensfrage . Da Du ja nicht glaubst (Schade ich habe es anders gelesen in Deinen Zeilen) . Warum eigentlich ??

Vieleicht so geschrieben ? Unbewußt ? upps

Zitat :

Schieb es nicht auf Gott,
und frage nicht, warum er so etwas zulassen kann!


Ergo gibt es doch wohl einen wie Du in diesem Satz einräumst

Und er ist in jedem von uns. Wir dürfen unsere Hände benutzen zu was wir wollen. Ob zu beten oder zu töten.

Nur die Qittung bekommen wir später dafür von ihm

Auf die eine oder andere Art

02.08.2011 16:11 • #9


O


http://www.seelsorgenet.de/naturkatastrophen.htm

Kann man drann glauben oder nicht

02.08.2011 16:24 • #10


O


Wer das Gegenteil beweisen kann soll es tun

02.08.2011 16:29 • #11


Capricorn
Zitat von Ozonik7:
Wer das Gegenteil beweisen kann soll es tun

Irrtum!

Und wenn jemand behauptet, es gäbe einen prüfenden oder gar strafenden Gott, dann ist DERjenige beweispflichtig, nicht ich!

Und solche Texte wie in vorigen Link, sind erstens keine Beweise und zweitens möchte ich dich bitten, diesen Thread damit zu verschonen. O.K.?

02.08.2011 17:42 • #12


Z
Jeder soll woran auch immer glauben... mein Gott heißt Schokolade

02.08.2011 19:05 • #13


O


Warum so verbittert ?

Seid wann hat es Gott nötig sich zu beweisen ? Wir sind höchstens in der Pflicht ihm zu beweisen das wir nunmal auch anders können als die Erde zu ruiniren -gegenseitig zu töten und unsere Feelings wie Wut Eifersucht Hass Entäuschung und vieles mehr vernünftig in den Griff zu bekommen.

Wenn es ihn tatsächlich gibt stehen wir nämlich sonst saudumm da am jüngsten Tag

So. Nun verschone ich Dich mit diesem Thema

Weil nicht sein kann was nicht sein darf. Aber bitte. Deine Meinung. Respektiere ich. Du meine aber auch.

Dachte das ich Dich vieleicht zum nachdenken anregen könnte . Deine Verbitterung ist verständlich, doch für alles ihn verantwortlich machen geht ja dann auch nicht wenn es ihn nicht gibt.

Habe es nur gut gemeint. Doch bitte schön. Dann eben nicht. Wie Du möchtest.

Deine Entscheidung

02.08.2011 19:06 • #14


Capricorn
Zitat von Ozonik7:
Aber bitte. Deine Meinung. Respektiere ich. Du meine aber auch.

Ich habe deine Meinung respektiert. DU hast MEINE nicht respektiert, als ich geschrieben habe, dass ich an deinen Gott nicht glaube. (merkst du das nicht?



Zitat von Ozonik7:
Dachte das ich Dich vieleicht zum nachdenken anregen könnte ...
Zitat von Zitronenfalter:
Habe es nur gut gemeint.

Mach dir mal um mich keine Sorgen. Ich finde selbst genug Anregungen um nachzudenken, daran hat's in meinem Leben noch nie gemangelt, weil - wie ich behaupte - ich schon immer SEHR (!) aufmerksam durch die Welt gehe.

Gut gemeint ist das GEGENTEIL von gut!
- vielleicht regt das DICH an, darüber nachzudenken. Eine harte Nuss, dieser Satz. Also lass dir ruhig Zeit damit.



Zitat von Ozonik7:
:D

Warum so verbittert ?

Zitat von Ozonik7:
Deine Verbitterung ist verständlich, doch für alles ihn verantwortlich machen geht ja dann auch nicht wenn es ihn nicht gibt.

also

1.: bin ich nicht verbittert (da hat dir deine Phantasie wohl ein Schnippchen geschlagen),

2.: wenn ich verbittert wäre, dann sicher nicht aus DEN Gründen, die du meinst hier erkannt zu haben und

3.: wer sagt, dass ich (deinen) Gott dafür verantwortlich mache? Woraus liest du DAS denn? - wieder: Da ist wohl wieder deine Phantasie mit dir durchgegangen, was?!


Bitte lass das doch sein, hier zu versuchen mich (pseudo-)psychologisch analysieren zu wollen. Das hat dich sowas von auf den Holzweg geführt und du scheinst das immer noch nicht bemerkt zu haben. Im Gegensatz zu jeder/-m aufmerksamen Leser/-in, denn es wird beim Verfolgen der Beiträge hier ganz klar.

Ich will hier aber nicht mit dir in eine Diskussion einsteigen. Also begraben wir doch diese Neben-Thematik hier. Wenn du darüber weiterdiskutieren möchtest, kannst mir ja per PN schreiben.

LG,
Capri

03.08.2011 19:21 • #15


Capricorn
Zitat von Zitronenfalter:
Jeder soll woran auch immer glauben...

BINGO! - So seh ich das auch. Und KEINE/-R hat das Recht, sich mit seinem Glauben über andere zu stellen. Und noch weniger, von anderen zu verlangen, dass sie widernatürliche Sachen glauben sollen, nur weil er/sie sich dem eigenen, widernatürlichen, religiösen Dogma unterwirft.
Wer das machen will, soll das tun, aber eben nicht von anderen verlangen, es auch so zu machen.


Zitat von Zitronenfalter:
... mein Gott heißt Schokolade

Sssüüüüüüsssss!

03.08.2011 19:25 • #16


Z
Auf den hör ich immer und er gibt mir ein gutes Gefühl.

04.08.2011 08:12 • #17

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Blümlein
Hallo Capri,

was für eine schicksalhafte traurige,zum teil beklemmende, schöne geschichte.
Und auch so toll geschrieben....
Ich mußte zwischen den zeilen luft holen ,durchatmen und dachte nur was für eine
wundervolle starke Rosi....

Ich wünsche Rosi und ihrer Familie jeden Tag alles Glück der Welt!!

Liebe Grüße Blümlein

04.08.2011 11:52 • #18


Capricorn
Zitat von Blümlein:
Hallo Capri,

was für eine schicksalhafte traurige,zum teil beklemmende, schöne geschichte.
Und auch so toll geschrieben....

Danke. Ich nehm's als Kompliment.


Zitat von Blümlein:
Ich wünsche Rosi und ihrer Familie jeden Tag alles Glück der Welt!!

Ich würde es ihr ausrichten, aber Rosi ist schon 15 Jahre tot (Anton schon seit über 30 Jahren).
Ihr Leben war auch danach nicht einfach, oder gar bequem, aber sie hat immer das Beste d'raus gemacht. Ihre Familie war ihr Lebensinhalt und dafür hat sie gelebt.
Aus der Perspektive ihrer Kinder (meiner Schwester u. mir), die in Rosis Projekt eingebunden waren, hat das allerdings auch eine ganz andere Qualität, die oft alles andere als positiv ist.
Aber in der Geschichte geht's mir primär darum, aufzuzeigen, welche Entwicklung es nehmen kann, wenn man Kinder (wie damals Rosi) in solchen Situationen nicht effektiv hilft. Der Schmerz und das Leid wird unbewusst weitergetragen, manchmal über Generationen.

Danke für dein Feedback. Hab mich d'rüber gefreut.

LG
Capri

04.08.2011 18:43 • #19


Blümlein
Hallo Capri,

.....wenn man Kinder (wie damals Rosi) in solchen Situationen nicht effektiv hilft. Der Schmerz und das Leid wird unbewusst weitergetragen, manchmal über Generationen.

Das hast du sehr schön gesagt und sind die selben worte meiner Therapeutin.
Ich kann / konnte vieles nicht verstehen was in meiner Kindheit / Familie passiert ist.

Die tatsache ist das es tatsächlich rückwirkend darauf zurückzuführen ist.Habe ich nach vielen Th.std. festgestellt.

Und was soll ich sagen ,ich muß es heute irgendwie ertragen...Wahrheit tut weh...

Lg Blümlein

05.08.2011 13:19 • #20


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