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Schogette
Hallo alle zusammen,

VORWEG WARNUNG: Das hier ist keine einfache Sache. Ich bin noch nicht einmal sicher ob das hier überhaupt das richtige Unterforum ist.
Also bitte wegklicken, falls hier jemand gerade nicht so gut drauf ist oder deprimierende Dinge wie Tod gerade nicht hören (lesen) kann.


Ich habe eine derzeit sehr sehr schwierige Situation und brauche eventuell mal einen Ratschlag oder einfach mal Hilfe oder was auch
immer... Ich habe zwar eine Therapie aber leider derzeit auch nur 1x pro Monat und bis jetzt war eigentlich auch alles einigermaßen
ok. Ich hab mich halt so durchgeschlagen wie man so schön sagt, trotz meiner Angststörung.

Zu mir selber ich bin Männlich 33 Jahre alt und habe wohl schon so einiges an übelen Erfahrungen durch in meinem Leben, leide seit etwa 10
Jahren unter einer Angststörung mit Agoraphobie.

Es geht um mich und meine jetzige Freundin und das Thema Kinder.
Leider habe ich dort bis jetzt kaum positive Erfahrungen gemacht. Ich habe bereits Kinder mit einer anderen Frau gehabt...Allerdings
ist da richtig viel schiefgelaufen, eigentlich soviel das es kaum jemand überhaupt nachvollziehen oder glauben kann.

Meine erstes Kind ist bei der Geburt gestorben und die drauffolgende 2. Geburt 12 Monate später hat mich zusätzlich nochmal wahnsinnig
aus der Bahn geworfen. Dadurch habe ich eine heftige Panikstörung entwickelt und mein komplettes Weltbild wurde geradezu
umgekrempelt. Sozuagen war das mein persönlicher 11. September in meinem Leben (um das mal bildlich darzustellen). Dadurch bin ich
auch ein ganz anderer Mensch geworden, reagiere oft völlig anders wie andere, habe teilweise auch mehr Verständnis für viele Dinge, manchmal auch weniger.
Eigentlich hat es teilweise sogar einen besseren Menschen aus mir gemacht, muss ich auch zugeben, aber gleichzeitig ist mir
persönlich auch wesentlich mehr genommen worden wie z.B. Unbeschwertheit, Sorglosigkeit, in den Tag reinleben und locker drauf sein.
Das ist bei mir kaum noch vorhanden. Mein Sicherheitsgefühl ist seitdem massiv angestiegen. Ich mache kaum noch etwas ohne darüber nachzudenken, kann kaum abschalten, ausser bei meinen Hobbys.

Begreifen kann ich das bis heute kaum. Teilweise denke ich sogar das war ein langer böser Traum und irgendwann bin ich dann aufgewacht...

Meine 2. Tochter war sozusagen ein Unfallkind...jedenfalls für mich. Warum ich überhaupt teilweise nicht richtig aufgepasst habe,
weis ich bis heute nicht so richtig. Vermutlich weil ich einfach doof war. Heute weis ich das es für mich persönlich ein Fehler war.

Zu meiner 2. lebenden Tochter habe ich kaum / wenig Kontakt. Wenn ich sie denn mal sehe komme ich mit ihr ganz gut zurecht, aber so
richtig viele positive Gefühle habe ich nicht. Manchmal ist da wie eine Blockade in mir...sehr seltsam zu beschreiben.Ich hab dann halt immer dieses Pflichtgefühl. Zu meiner Ex-Partnerin habe ich seit der ganzen Situation absolut keinen guten Draht
mehr und viele Hoffnung auf Besserung mach ich mir da eh nicht mehr...Sie hat auch jemand neuen gefunden und auch ein 2. bzw. dann 3. Kind bekommen. Meine Ex-Partnerin ist da wohl irgendwie durch meine lebende Tochter klargekommen mit dieser ganzen Misere und eben auch durch das neue Kind mit dem neuen Partner.

Diese Erlebnisse haben mich mehr oder weniger Traumatisiert. Sprich durch den Tod und die darauffolgende 2. Schwangerschaft habe ich
eine völlig andere und auch negative Sicht der Dinge bezüglich Kinder entwickelt. Seitdem gehts mir auch nicht mehr gut und bin
schnell überfordert. Ich arbeite auch seitdem keine Vollzeitstelle mehr sondern nur noch 30 Stunden. Sämtliche Tätigkeiten generell
sind für mich seitdem wesentlich anstrengender als für gesunde Menschen, weil ich immer abwäge ob dass was ich tue nun richtig ist
oder nicht. Das hat sich bei mir regelrecht entwickelt...und ich bin sehr pessimistisch eingestellt seitdem. Optimismus ist nur wenig
vorhanden bei mir.
Trotzdem konnte ich mich bis heute relativ gut durchschlagen und bin auch wieder etwas fitter als damals. Eigentlich sogar wesentlich fitter...

Ich habe mich nun die lezten Jahre mit dem Thema auseinandergesetzt und mit mir gerungen ob ich mit meiner jetzigen Partnerin einen
2. Versuch (Neustart) wagen soll. Ich war mir sehr unsicher, mal ja, mal nein, wieder ja, wieder nein, Dinge wie im Alter nicht
alleine sterben, eine gute Beziehung zu einem Kind, jemand liebhaben usw... Aber jedesmal wenn ich ein kleines Kind sehe, krieg ich
irgendwie ein merkwürdiges Gefühl und eine regelrechte Abneigung. Irgendwie mag ich seitdem keine kleinen Kinder mehr und schreiende
Kinder mag ich auch nicht. Aber Kinder ab Grundschulalter sind dagegen kein Problem für mich, sprich wenn ich mit einem Kind reden
kann, ists alles nicht so schlimm. Als hätte ich dann mehr Kontrolle...oder mehr Sicherheit und nicht mehr diese
Hilflosigkeit...wirklich schwer zu beschreiben.Aber sobald ich ein kleines Kind sehe und es auch noch schreit, werde ich bald irre.

Das ist für mich so nervig ich kann das nicht beschreiben, das ist richtig übel für mich, da muss ich direkt mehr oder weniger
flüchten. Mein Nachbar hat derzeit ein Schreikind...was ich da schon Tage mitgemacht habe, da hab ichs teilweise mit der Angst zu tun
bekommen. Teilweise is das für mich grauenvoller als für die Nachbarn selbst...der absolute Worst-Case und Alptraumszenario wenn mir das passieren würde...

Jetzt habe ich den Verdacht das meine neue Partnerin schwanger ist. Sie ist seit Tagen überfällig und hat auch schon einen Test rumliegen. Ich hab richtig böses Herzrasen bekommen als ich den ungeöffnete Test gesehen habe...

Dadurch ist heute folgendes passiert: Meine Panik ist voll da, mir ist total übel, ich habe Angst ohne Ende und reagiere überhaupt
nicht wie erwartet (von wegen 2. Versuch, sich der Angst stellen usw...Alles ist wie weggeblasen und hab eigentlich gar kein Bock mehr) und spiele das ganze alte Programm
mehr oder weniger ab. Ich bin im absoluten Alarmzustand. Die Sorgen sind wieder da, alles genauso wie damals bei der 1. und 2. Schwangerschaft.

Naja zugegeben...die Vorraussetzungen sind wesentlich besser als damals. Besserer Job, mehr Sicherheit, weniger Geldsorgen, ein
halbwegs sicheres Auto, besseres und sicheres Auftreten gegenüber Menschen nur eben keine Selbstsicherheit beim Thema Kinder.
Ich fühl mich auch gar nicht so richtig als könnte ich ein guter Familienmensch sein, sondern eher wie aus so einem Survival Film der
eine schreckliche Situation überlebt hat die kaum jemand überhaupt nachvollziehen kann und nur froh ist das er eigentlich mit sich
selbst zurrecht kommt und auch einfach seine Ruhe hat und sich zurückziehen kann wenns alles zuviel wird...

Ich mag meine Freundin sehr, bin auch schon 5 Jahre mit ihr zusammen und versuche derzeit auch ruhig zu bleiben. Aber ich bin der
festen Überzeugung, genau heute, dass ich einen schweren Fehler gemacht habe, falls meine Freundin wirklich schwanger ist. Es ist
überhaupt keine Freude da...nur die *beep* Angst. Ich habe gar nicht erwartet, dass ich so drastisch reagiere. Ich hätte es wissen
sollen...das ist wie bei einem Suchtgedächtnis...

Diesen ganze Vaterkäse, keine Zeit mehr, 9 Monate dann bin ich fällig, Geld ranschaffen, Kinderwagen ranschaffen, möglichst zukünftig viel Schlaf ranschaffen, wie ein Zombie zur Arbeit gehen, habe ich zusätzlich sowieso noch obendrauf. Also das Programm läuft sozusagen jetzt zusätzlich in mir ab...Klingt lustig ist aber irgendwie...blöd und in gewisserweise auch makaber irgendwie für mich....

Meine Freundin würde jetzt wahrscheinlich total gelassen reagieren, wenn es denn tatsächlich so wäre und würde sagen: Das wird schon und alles 0-Problemo...Ach alles halb so Wild...

Ich glaub ich bin irgendwie seitdem nicht mehr normal und habe tatsächlich einen dauerhaften Schaden davongetragen, das weis ich
jetzt und heute. Ich glaub ich hätte es lassen sollen, die Idee es nochmal zu versuchen, mir eine 2. Chance zu geben, eventuell eine
heile Familie zu haben, war völlig irrsinnig und hochgradig fahrlässig.

Jetzt steh ich da und weis nicht was ich machen soll und würde am liebsten einfach gehen...nicht weil ich egoistisch bin sondern weil
ich Angst habe das ich wieder richtig böse abstürze...Es gibt für mich kaum was schlimmeres, als den Gedanken wieder so abzustürzen
wie vor 10 Jahren. Der Tod meiner ersten Tochter und auch die erneute Schwangerschaft dannach waren wirklich sehr schlimm für mich.

Da brauch nur irgendwas passieren... Schreikind, Zwillinge, Kind nicht Gesund oder irgendwelche sonstigen Zwischenfälle oder schlimmer wieder Tot.

Jetzt stehe ich wieder vor dem selben Ding wie damals: Die Freundin im Stich lassen oder Gefahr laufen richtig böse
abzurauschen...und weis nicht was ich machen soll. Wieder diese Hilflosigkeit und dieses Ohnmachtsgefühl...Ich fühle mich als hätte ich die totale Blockade in mir...

21.02.2015 00:30 • 21.02.2015 #1


2 Antworten ↓


Hotin
Hallo Schogette,

das die von Dir beschriebene Situation Ängste bei Dir auslöst, kann ich
ein wenig verstehen. Schließlich aber solltest Du Verantwortung übernehmen,
wenn Deine Freundin schwanger ist.
Also Deine Freundin im Stich lassen wäre da ganz schön mies.
Das Du mit Deiner Angst abstürzt, muss doch gar nicht sein. Dies entscheidest Du
sehr stark mit.
Du schreibst doch, Deine Voraussetzungen sind jetzt besser, als früher.
Und rede Dir nicht ein, das Du das nicht schaffst, sondern sage Dir, ich will und werde dies schaffen.
Ich denke, Deine Freundin unterstützt Dich im Alltag. Du kannst ihr auch ruhig mal sagen, das Du
Dir Gedanken machst, wieder Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Offenheit hilft meistens.
Versuche darüber zu reden und nicht vor Deinen Ängsten weg zu laufen.
Außerdem, Du kannst laufen, wohin Du willst, Deine Ängste folgen Dir wie ein Schatten überall hin,
bis an das Ende Deines Lebens.
Es sei denn, Du lernst mit Deinen Ängsten anders um zu gehen und akzeptierst
es, das die Ängste manchmal auftauchen. Meistens verschwinden sie aber auch wieder.

Wünsche Dir alles Gute und die richtige Entscheidung.
Du schaffst das schon

Hotin

21.02.2015 01:19 • #2


Black-Sheep
Hi Schogette

Was du beschreibst, zeigt das du eigentlich schon alles verstanden hast, der Tod deines ersten Kindes hat deine Ängste ausgelöst, bei deinem zweiten Kind hast du es vermieden dich deinen Ängsten zu stellen, hast vermieden dich emotional zu sehr darauf einzulassen, aus der Angst heraus du könntest durch einen erneuten Verlust wieder verletzt werden, wenn du jetzt mit kleinen Kindern zu tun hast öffnet sich jedes mal die Tür zu deinen Ängsten, und du reagierst mit Panik und Angst darauf.

Zum moralischen Aspekt der jetzigen Situation möchte ich gar nichts sagen, ich bin sicher das du weißt was richtig und falsch ist.

Das es dir seit damals nicht mehr richtig gut geht, kommt meiner Meinung nach davon das du deine Ängste einfach in einen dunklen Keller gesperrt hast, und dich ihnen nie gestellt hast, und das ist das positive an deiner jetzigen Situation, du bekommst jetzt die Möglichkeit dich deiner Angst vor Verlust, und dem damit verbundenen Schmerz zu stellen.

Du hast zwei Möglichkeiten, stell dich der Angst, und sie wird mit der Zeit vergehen, oder nimm die Beine in die Hand und renn weg, du wirst dich ein wenig besser fühlen, aber die Angst wird bleiben.

Ich glaube das ich dir nichts neues erzählt habe, das alles weißt du, was mich interessiert ist was du gerne gehört hättest, klar du bist auf der Suche nach Sicherheit, das alles gut werden wird, das du gut mit der Situation umgehen wirst, aber diese Sicherheit wirst du nicht finden, auf jeden Fall nicht hier, diese Sicherheit ist in dir, du musst überzeugt davon sein das du mit jeder Situation, die auf dich zukommen wird klar kommen wirst.......such nach deinem Selbstvertrauen, und du wirst alles schaffen.

21.02.2015 09:14 • #3





Dr. Reinhard Pichler