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Hallo erstmal an alle.
Ich hoffe, einige Erfahrene von euch können mir hier weiterhelfen.

Zu meinem Fall:
Ich bin 17 Jahre alt, bin mit meiner Mutter in recht sozial schwachen Verhältnissen groß geworden. Mein Vater hab ich erst vor 7 Jahren kennengelernt, nachdem meine Mutter an Krebs verstorben war.
Seitdem wohne ich mit Tante, Onkel, 2 Cousins und Oma in ziemlich guten Verhältnissen unter einem Dach - bis 2006 war auch noch mein heißgeliebter Opa hier, der aber auch verstorben ist. Mit meiner Familie versteh ich mich eigentlich ganz gut, obwohl ich mich auch ein wenig als der Buhmann für alles fühle.
Mit meinem Vater blieb ich auch in engem Kontakt. Er hat neu geheiratet und eine wunderbare Frau, die meiner Mutter zum Verwechseln ähnlich sieht.
Seit 2007 liegt mein Vater auch in einer Art Wachkoma - er ist wach, bekommt auch alles mit aber vegetiert eigentlich nur vor sich hin.

Als 2006 mein Opa verstarb begann es bei mir damit, dass ich ständig auf Klo musste. Somit wurden lange Auto-, Bus- oder Zugfahrten sowie auch Schulstunden (vorallem Klausuren) für mich zum Horrortrip - die Angst, kein Klo in der Nähe zu haben war grausam.
War beim Urologen, kein Befund.
Mit meiner Blase ist alles topfit.
Also hab ich meinen langjährigen und vertrauten Hausarzt um Hilfe gebeten. Er hat es mit Homöopathie versucht und danach mit einer Kinder- Jugendpsychologin (da mir alles eh zu viel wurde).
Nachdem alles nicht geklappt hat, hab ich mich selber in eine Jugendpsychiatrie einweisen lassen. Dort wurd ich dann mit Antidepressiva ruhiggestellt.

Nun ja, wie auch immer - mittlerweile ist es echt heftig.
Ich kann Klausuren nicht mehr ohne mindesten 2-3 Panikattacken schreiben, dadurch lässt die Konzentration auch stark nach und die Klausuren sind im Eimer, was für mich als Abiturientin echt mies ist.
Bus fahren, Auto fahren usw ist für mich total unmöglich geworden.
Ich brauch nur einmal an einer roten Ampel oder im Stau stehen und ich werde bekloppt, fange an zu zittern, zu weinen, zu schreien.
Manchmal hyperventiliere ich wirklich. Auch im Unterricht habe ich immer die Panik, dass ich ohne Meldung drangenommen werde. Dann kommt in mir das Gefühl hoch ich müsste plötzlich ganz dringend auf Klo und würde mir fast in die Hose machen. So doof das auch klingt :/

Mit meinen Freunden kann ich darüber kaum reden.
Ich habs einmal versucht und seitdem bin ich auch nur noch ein Außenseiter - sogar manch Lehrer hat mich nur belächelt.
Ich mein, hey, ich bin sonst ein ganz normales Mädchen, mache das, was sonst jede so in meinem Alter macht - aber dadurch bin ich so stark eingeschränkt, dass es kaum noch möglich ist, ein normales Leben zu führen.

Weiß jemand, was man dagegen machen kann?
Ich wäre euch sooo dankbar für eure Hilfe.

Tinkerbell

02.11.2009 14:54 • 03.11.2009 #1


2 Antworten ↓


P
Ich war in einer sehr ähnlichen Situation wie du.

Mein Papa fiel letztes Jahr kurz vor Weihnachten ganz plötzlich und völlig unvorhersehbar ins Koma, starb dann 3 Tage darauf, und danach ging es bei mir mit den Panikattacken los -4 Monate vor Beginn der schriftlichen Abiturprüfungen.
Das traf mich unvorbereitet und knüppelhart, eben, weil es so plötzlich war, und wohl auch, weil kurz vorher erst mein Opa gestorben war.
(Und ich litt auch 15 Jahre an einer Krankheit, also war ich wohl eh schon grüblerisch vorbelastet.)

Ich kann dir nur raten: Geh das Problem an, mach eine Psychotherapie, und zwar speziell eine Verhaltenstherapie!

Ich hatte erst Angst, dass ich was am Herzen hab, aber ich bin sehr schnell dahinter gekommen, dass das Problem in der Psyche lag und dass ich da angreifen muss. Also bin ich auch sehr bald schon zum Therapeuten gegangen -und muss sagen, das war bis heute die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können.
Im Mai diesen Jahres hab ich mein Abitur geschrieben, und ich hatte die Panikattacken teilweise stundenlang, besonders während der Prüfungen.
Aber die Angst kann dich genau so wenig von etwas abhalten wie mich.
Das Abitur war wichtiger als die Angst, und trotz Panikattacken hab ich's mit 2,2 bestanden
Das war im Mai diesen Jahres.

Heute, im November, bin ich völlig Angstfrei.
Manchmal, wenn mich etwas sehr belastet, fängt mein Herz nochmal kurz an zu rasen -aber ich weiß, dass es die Angst ist, steigere mich nicht hinein wie früher, und schon ist es wieder weg.
Mein Körper hat sich die Reaktion wohl angewöhnt, meinte eine Therapeutin zu mir, das dauert, bis das komplett weg geht.
Aber ich hab die Angst im Griff, nicht mehr sie mich, wie früher
Die paar Herzstolperer, die ich in den letzten Monaten hatte, kann ich echt an einer Hand abzählen.

Am Meisten hat es mir geholfen, beim Therapeuten die ganzen Ängste zu diskutieren, sie überhaupt erst mal zu benennen und zu erkennen.
Denn bevor du was angehen kannst, musst du ja den Feind erst mal kennen
Dann hab ich gemeinsam mit ihm meine Ängste unter die Lupe genommen, also geschaut, ob sie Sinn machen -machten sie meistens nicht. Diese logische Rangehensweise hat mir sehr geholfen.
Er hat mir auch die Panikattacken erklärt, wie sie zu Stande kommen und wie man damit umgeht.
Ein Schlüsselerlebnis hatte ich, als ich nachts aufwachte, schweißgebadet,mit rasendem Herzen -Panikattacke. Aber ich war in der festen Gewissheit, dass ich sterben würde.
Anstatt den Norarzt zu rufen, wie ich es gewollt hatte, hab ich den Rat des Therapeuten befolgt und die Panikattacke ausgehalten. Mich hingelegt und sie einfach toben lassen. Ich hab geschwitzt, gezittert, mein Puls war rasend schnell. Wie bei einer Hetzjagd -obwohl ich still im Bett lag. Ich hab auch geweint vor Angst.
Aber es ging weg, nach gut 35 Minuten.
Und dieses Erlebnis hat mir gezeigt: Egal, wie schlimm es mir vorkommt -es ist nicht shclimm, ich übersteh die Attacke.
Seit dem hatte ich NIE mehr eine so schlimme Attacke, die Intensität ließ danach Schritt für Schritt nach.

Was mir auch geholfen hat war eine völlige Umstellung meiner Lebensgewohnheiten.
Denn man muss schon an sich selbst arbeiten, sich mit seinen Ängsten auseinander setzen -aber wenn man sich nur darauf versteift, wird man die Gedanken an die Ängste nie mehr los.
Ich hab mir also Glück verordnet.

Ich hab mir etwas gekauft, was ich mir immer gewünscht hab: Eine teure Kamera. Und bin dann wirklich jeden Tag raus und hab Fotos gemacht.
(Hab übrigens mittlerweile schon zwei Wettbewerbe gewonnen Ist ein klasse Hobby!)
Ich hab wieder mit dem Bogensport begonnen, mich im Verein angemeldet. Ich bin mit dem Hund der Nachbarin raus.
Ich hab gelernt, durch Meditation bewusst abzuschalten, mal zur Ruhe zu kommen. (Gerade so kurz vorm Abi war das sehr wichtig für mich!)
Ich hab auf der alten Gitarre von meinem Papa Spielen gelernt; zu Weihnachten wünsch ich mir aber meine eigene.
Ich hab begonnen, jeden Tag 30 Minuten Sport zu machen.
Ich bin morgens mit lauter Musik aus dem Bett gesprungen und ins Badezimmer getanzt. Lauter so verrückte Sachen.
Aber es hat geholfen.
Ich hab meine freie Zeit mit Aktivitäten förmlich vollgestopft.
Hauptsache raus, Hauptsache weg aus den vier Wänden, raus an die frische Luft und unter Leute und aktiv sein.

Ich war davor eher ein Stubenhocker.
Gemütlich, viel Daheim, Sport fand ich eh blöd.

Aber dieser Lebenswandel hat mir extrem gut getan.
Heute fehlt mir mein Sport, wenn ich mal aus Zeitgründen nicht dazu komme. Ich bin viel ausgeglichener, seit ich regelmäßig Sport mache und mehr unter Leute und an die frische Luft gehe als früher.

Ich hab damals auch mit meinen Lehrern gesprochen.
Hab gesagt, dass ich Probleme hab und in Behandlung bin, aber dass ich erst mal Zeit brauche. Sie haben mich dann ein paar wochen lang weitestgehend in Ruhe gelassen, aber manche haben auch keine Rücksicht genommen und mich trotzdem abgefragt etc.
War Beides gut.
Je besser ich mit der Panik klar kam, desto aktiver nahm ich auch wieder am Unterricht teil. Am ende, vor dem Abi, da war ich sogar wieder so aktiv wie vor dem Tod meines Papas und hab auch richtig gute Noten kassiert. Aber diese Auszeit dazwischen in manchen Fächern, die hat mir auch gut getan.
Probier es doch noch mal mit Reden?
Die Lehrer sollten, zumindest teilweise, Verständnis für deine Situation haben.

Also, zusammenfassend:
Steck den Kopf nicht in den Sand!
Du bist nicht alleine, es gibt Menschen, die haben die gleichen Probleme wie du. Es gibt tolle Therapeuten, bei denen du lernen kannst, mit den Attacken umzugehen.
Aber die Hauotarbeit liegt bei dir.
Du musst dich deinen Ängsten stellen.
Es gibt so nen schönen Spruch: Der Weg aus der Angst führt durch die Angst.
Und so ist es auch

Es gibt für jedes Problem eine Lösung.
Du musst deine Lösung nur finden.
Jeder besiegt seine Ängste anders.
Ich hab damals Alles ausprobiert, was ich hier finden konnte.
Vieles hat geholfen, Vieles auch gar nicht.
Aber ich hab immer weiter probiert, die ganze Zeit, immer neue Sachen gemacht, ständig irgendwas versucht.
Man darf nur nie still stehen bleiben, sondern man muss immer in Bewegung bleiben. Dann erreicht man auch eine Veränderung.
Und Veränderung bringt einen immer nach Vorn.

Alles Gute!

02.11.2009 18:04 • #2


T
Wow.
Ich bin echt erstaunt über das, was du geschafft hast.
Meinen Respekt hast du - ich hoffe, ich werde bald auch so weit sein.

Bist ja gar nicht viel älter als ich, denke ich mal, wenn du dieses Jahr dein Abi gemacht hast.

Aber ganz ehrlich?
Als ich deinen Text gelesen habe, musste ich wirklich weinen.
Einfach, weil :

a) ich mich irgendwie echt gut mit dir identifizieren kann und
b) weil ich es einfach auch schaffen will.

Nun ja - ich saß gestern 4 Stunden beim Heilpraktiker - war echt klasse.
Hab mich danach schon ein wenig besser gefühlt.

Ich kam völlig aufgelöst in die Praxis (lange Fahrt, Pinkelei - Attacke garantiert) und hab erstmal eine wunderbare Mass. zum Entspannen bekommen.
Danach wurde direkt einen VEGA Check durchgeführt um alles einmal zu überprüfen.
Was ich wirklich klasse fand, war die Kirlian-Methode, bei der Abdrücke der Zehen-und Fingerkuppen gemacht wurden.
Allein daraus konnte mein Heilpraktiker schließen, was mir fehlte ujnd was in mir vorging - echt wow.

Mit einer Art Wünschelrute hat er dann bestimmt, welche homöopathischen Mittelchen meine Psyche aufbauen würden.
Dazu sollte ich verschiedene Präparate in die Hand nehmen.
Meine energetischen Schwingungen verrieten der Wünschelrute dann, ob diese geeignet für mich wäre.

Später hab ich auch noch einen Akupunkturstecker ins Ohr bekommen.
Soll gegen die innere Unruhe helfen - klappt bis jetzt auch ganz gut.
Werde dann auf jeden Fall berichten, wenn ich nächste Woche wieder da bin.

Aber das kann ich echt nur jedem empfehlen.
Ganz liebe Grüße

03.11.2009 18:59 • #3





Mira Weyer