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A
Hallo in die Runde,

ich bin Borderlinerin und lebe damit relativ gut seit 16 Jahren. (Außer in den letzten Wochen)
Allerdings weiss ich auch, dass ich in bestimmten Dingen etwas seltsam bin.
Ich habe nicht viele Freunde und meine Freundschaften sind auch eher oberflächlich; also nicht so, dass ich über Probleme spreche. Die mache ich lieber selbst mit mir aus.
Meine Familie hat das schon oft kritisiert, dass ich nicht mit ihnen spreche. Es verletzt sie. Aber ich bin nunmal gern alleine.
Damit komme ich so eigentlich klar.
Ich habe allerdings auch ein paar Sachen beobachtet, die mir zu Denken geben und die immer schlimmer werden.
Wenn mein Handy klingelt, weil jemand anruft bekomme ich erstmal Panik. Dasselbe gilt, wenn es an meiner Tür klingelt. Ich mach auch nie auf. Meine Mama ruft mich dann immer an, wenn sie vor der Tür steht. Wenn ich Müll rausbringen muss oder zum Briefkasten oder so, dann mache ich das, wenn es dunkel ist oder Nacht, damit ich niemandem begegne und ich laufe auch über den Hintereingang um das ganze Haus herum, damit ich nicht durch den Innenhof muss.
Ich mag es nicht, wenn Leute mich fragen, ob alles ok mit mir ist. Ich mag nicht reden. Ich mag es auch nicht Geburtstag zu haben, wenn mir alle gratulieren und so.
Mir ist aufgefallen, dass ich seit Jahren, wenn ich auf ein gesellschaftliches Ereignis gehen muss, zuvor Alk. trinke, weil ich dann lockerer bin. Ansonsten könnte ich mit den Leuten gar nicht reden.
Ich kann keinen Smalltalk führen.
Nun ist es vorgestern passiert, dass ich nach der Arbeit noch kurz ein paar Dinge im Supermarkt besorgen musste. Als ich da reinging beeilte ich mich, dass ich schnell in der Warteschlange an der Kasse stehe und dann schnell nach hause komme. Als ich in der Schlange stand bekam ich Herzrasen, mir wurde und kaum Luft, mir wurde übel und ich bemerkte, dass ich zitterte und ganz nervös mit dem Bein zuckte bzw. wackelte. Ich wollte ganz schnell nach hause und hätte fast geheult vor Panik.

Ich habe im Internet über soziale Phobie gelesen, aber ich finde nicht, dass diese Diagnose so richtig zutrifft.
Da steht immer eher, dass die Leute mit sozialer Phobie erröten und in der Öffentlichkeit nicht gerne essen etc. Von der Beschreibung eher wie eine extreme Schüchternheit.
Schüchtern bin ich aber eigentlich nicht. Und ich denke auch nicht, dass Leute mich komisch ansehen können oder ich nicht gut genug bin oder so.
Ich habe eigentlich kein Problem mit mir selbst, denke ich.

Kennt das jemand?

Viele liebe Grüße

16.03.2018 15:01 • 17.03.2018 #1


2 Antworten ↓


A
Hey,

die Supermarktsituation klingt für mich eher wie eine Angst- und/ oder Paniksituation, nicht nach Sozialphobie. Gerade deine körperlichen Symptome sprechen dafür. Atemnot, Herzrasen, Zittern, zuckende Körperteile, das sind die 'Panik-Klassiker', kenn ich alles von mir. Hattest du so was vorher schon mal? Und war an deinem Tag irgendwas besonders stressig oder hat dich emotional aufgewühlt?

Hatte auch mal im Supermarkt eine Attacke, vorher habe ich ein sehr anstrengendes Gespräch mit einem guten Freund geführt, dem es echt mies ging. Das war bisschen viel für mich und als ich in der Obstabteilung stand war fertig. Ich musste mich da erstmal 15 Minuten auf der Toilette einschließen, bis meine Panikpille gewirkt hat. In Supermärkten ist es ja auch irgendwie stressig und laut und die ganzen Menschen, das kann eine Attacke auslösen, wenn man vorher schon unter Druck war.

16.03.2018 19:27 • x 1 #2


Jan_
Bei der Supermarktsituation kann ich Adenophora zustimmen, das hört sich nach Panikattacke an.

Die anderen Dinge die du schilderst, also vor allem das Vermeiden von anderen Personen, ist zwar einerseits die Frage was deine bewussten oder unterbewussten Befürchtungen sind, aber hört sich für mich schon nach sozialer Phobie an. Du versuchst ja Personen und Kontakte/Kommunikation zu anderen Personen zu vermeiden.

Dabei müssen die Ängste auch nicht wirklich bewusst sein.
Ich habe auch Ängste die mir nicht so zugänglich und bewusst sind. Ich bemerke eigentlich nur die psychosomatischen Auswirkungen. Da gibt es als auch Diagnose/Betitelung auch die Alexithymie, die Gefühlsblindheit.

Weißt du denn was dir Angst macht? Was sind deine Befürchtungen? Was sind deine erlernten Grundannahmen (Weltanschauung, Grundüberzeugungen)?
Wenn dir das nicht zugänglich ist gibt es Wege dies zugänglicher zu machen.
Machst du denn eine Psychotherapie?

Bei einer Angstörung wie der sozialen Phobie müssen auch nicht alle Diagnoseindikatoren zutreffen. Wenn du dich in einigen typischen Symptomen nicht wiedererkennst kann es trotzdem aufgrund anderer Indikationen eine passende Diagnose sein.

Bei Angststörungen generell ist das Problem das Vermeidung die Ängste noch verschlimmert.
Das Vermeidungsverhalten tut man weil man negative Befürchtungen hat. Durch das Vermeiden ist die Schlussfolgerung, man hat etwas gefährliches vermieden - man konnte gar keine dem widersprechende positive Erfahrung machen.

Umgehen kann man damit sich immer wieder herauszufordern. Die Angst und Befürchtungen wahr zu nehmen und zu akzeptieren, und die Situationen aber trotzdem nicht zu meiden. Und die Angstsituationen so lange auszuhalten, bis die Angst nachlässt. Das ist natürlich nicht einfach, und sehr anstrengend, also auch ein Ausgleich/Erholung wichtig dass man sich nicht überfordert und überbelastet, und damit anfälliger für Probleme macht.

Das Vermeidungsverhalten kann ich sehr gut nachvollziehen. Versuchen nicht aufzufallen und keinem zu begegnen.

Du schilderst ja schon gehörige Einschränkungen. Wäre schön wenn die nicht da wären, oder?
Den Müll rauszubringen ist ja eine gute Übung, eben keinen Umweg zu gehen. Wenn du jemanden triffst, dann musst du ja auch nicht groß mit denen sprechen.
Und wenn dich jemand fragt wie es dir geht, kannst du immer sagen dass du nicht darüber sprechen möchtest. Da gilt es sich selbst ernst zu nehmen, und das auch mitzuteilen.
Und unter Nachbarn die man nicht gut kennt gibt es ja meist eh nicht viel zu sprechen.

Wenn das Handy klingelt oder es an der Tür klingelt, dann kann man sich natürlich überlegen ob man hin geht oder nicht, weil man vielleicht gerade nicht in Stimmung dafür ist und/oder etwas anderes macht. Das aber kategorisch nicht zu tun und/oder aus der Angst heraus, ist nicht gut.
Was befürchtest du denn? Vielleicht auch ein gutes Übungsfeld, bei dem du vielleicht erst einmal jedes dritte Mal dran/hin gehen kannst?

/e:
https://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Phobie
Zitat:
Um all das zu vermeiden, gehen Menschen mit sozialen Ängsten Situationen, in denen sie der Bewertung durch andere ausgesetzt sind, oft von vornherein aus dem Weg. Dies kann ein berufliches und privates Weiterkommen sehr erschweren und mitunter zu vollkommener sozialer Isolation führen.

Zitat:
Soziale Phobien beginnen meist in Kindheit und Pubertät. In bestimmtem Rahmen gelten Schüchternheit und soziale Gehemmtheit noch als normal. Die Diagnose sollte erst gestellt werden, wenn ungewöhnlich starke Ängste zu einem verhängnisvollen Vermeidungsverhalten in entsprechenden Situationen führen.


Ich finde das passt schon ganz gut, mindestens die Vermeidung. Bleibt noch die Frage nach dem Grund. Aber warum vermeidet man Personen wenn nicht aus Bewertungsängsten (im breiteren Sinne) heraus?

Und hier auch https://de.wikipedia.org/wiki/Alexithymie

17.03.2018 01:31 • x 1 #3





Dr. Reinhard Pichler