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Hallöchen,

ich habe diesen Beitrag zwar schon in anderen Unterforen gepostet, aber drauf gepfiffen - Hauptsache ihr schafft es! Und doppelt hält ja besser

Ich habe mich heute hier angemeldet, obwohl oder gerade weil ich meine Panikattacken besiegt habe! Bevor ich aber anfing, groß herumzutönen, dass die Panik weg ist, wollte ich erst einmal ein paar Jahre warten, ob der Kampf wirklich gewonnen ist - und ja, ich habe es geschafft. Deswegen möchte ich euch heute erzählen, wie ich es (ohne Medizin und ohne Ärzte) geschafft habe. Mediziner haben sich zwar auch um mich bemüht und der ein oder andere Krankenwagen durfte für mich eine sinnlose Blaulichtfahrt hinnehmen, aber im Endeffekt liegt der Schlüssel in einem selbst. Ja ich weiß, das steht in jedem zweitklassigen Psychobuch, aber ich möchte kurz ausführen, was ich meine.
Kurz zu meiner Vorgeschichte, damit ihr seht, dass ich nicht wie ein Blinder von der Farbe rede
- Krankenwageneinsatz im Kino
- Flucht aus Bahn (mehrfach)
- Flucht vor Vorträgen
- Hochgeschwindigkeitsfahrt durch eine Stadt, in der Hoffnung, die Polizei möge mich anhalten und schnellstmöglichst ins Krankenhaus bringen
- großer Auftritt auf einer Beerdigung!
- große Panik auf einer Hochzeit
- panische Anrufe bei der Polizei, Feuerwehr und dem Rettungsdienst
- panische Ausbrüche mit Panikheulkrämpfen
- stürmisches Verlassen von Vorlesungen
- bitte hier ein Panikszenario einfügen - ist garantiert auch passiert

Ein Außenstehender würde den Kopf schütteln und denken: Gott, was ein Spinner. Warum? Weil Nichtbetroffene das Gefühl des nahenden Todes (rein subjektiv natürlich) nicht nachvollziehen können. Freunde, ihr kennt das- in diesen Momenten sehen wir in allen Umstehenden den Friedhofsgärtner, der nur auf uns wartet.
So, lange Rede kurzer Sinn...
Irgendwann habe ich beschlossen, etwas zu ändern. Die Ärzte konnten nicht helfen, die Psychologen auch nicht wirklich und die Tabletten erst recht nicht. Also, erster Schritt: abchecken, dass körperlich alles ok ist! Das ist das Erste, was man tun sollte - und dann kann es losgehen.
Ich hatte mich etwas in Fachliteratur eingelesen und folgende Prämissen immer im Kopf.
1.) Wenn mein Körper ausrastet, sterbe ich nicht an einem Herzinfarkt, denn dann hätte ich gar eine Gelegenheit, mir meiner Panik bewusst zu werden. Nein, mein Körper verarbeitet damit meine Psyche. Das Angestaute muss raus - der Körper schüttet alles aus -wie einen überfüllten Mülleimer
2.) Körper und Psyche sind in Disharmonie - der Körper muss wieder darauf trainiert werden, Gefahr und Pseudogefahr auseinanderzuhalten
3.) Wenn ich Panik habe und glaube, sterben zu müssen, dann macht das keinen Sinn, denn wenn ich aus körperlichen Gründen sterbe, dann werde ich ruhig, mein Kreislauf geht in den Keller und ich habe keine Zeit, mich mit WAS-WÄRE-WENN-Szenarien zu beschäftigen.
3.) PANIK IMMER DURCHLEBEN! NICHT ABHAUEN! (Wir reden von unnatürlicher Panik. Wenn euch einer eine Waffe an den Kopf hält, solltet ihr natürlich möglichst abhauen )
4.) Analysiere dein Umfeld: Gibt es wirklich externe Gefahrenfaktoren, die eine Panik rechtfertigen?

Folgendes habe ich mit diesem Vorwissen getan, denn ich hatte nichts mehr zu verlieren (entweder kaputt gehen oder kämpfen!)
Aufwärmübungen
- In einen öffentlichen Vortrag in die MITTE! setzen und die Panik erwarten (dauerte nicht lange) -- 5 Minuten Panik aushalten, rumhampeln, schwitzen -- durchziehen
- 1 Tag Pause
- erneut in einen überfüllten Bus gegangen, mindestens 5 Stationen darin aushalten! schei. drauf - wenn du umkippst, gibt es mindestens 50 Leute, die helfen können

Vertiefungsübungen:
- an einen öffentlichen Ort gehen und die Panik bewusst erzeugen! Macht euch die schlimmsten Gedanken! Macht euch Panik! Und bleibt da! (wenigstens 5-10 Minuten); diese Übung mehrfach machen

Mein wertvollster Tipp:
- dem Körper wieder zeigen, wer der Boss ist! Das heißt - Panikattacke - ruhigen Ort suchen - runter auf den Boden und Liegestütze (alternativ Kniebeugen, Joggen, egal) - ihr würdet euch wundern, wie schnell der Körper die Paniksymptome mit Sport verknüpft. Irgendwann verbindet ihr mit der Enge in der Brust, mit der Atemnot, mit der Isolation, mit dem Schweiß den Faktor Sport. Der Körper lernt, körperliche Ausraster neu einzuloten. Der Körper versteht wieder, wann es berechtigt ist, Stress zu produzieren. Und vor allem lernt der Körper - ich sterbe nicht!

Ein Satz hat mir besonders geholfen! (sinngemäß): Eine Panikattacke ist wie eine Feuerwehrübung. Der Körper testet seine Reaktion auf einen Ernstfall -- Panikattacken sind ein Test des Körpers, weil er glaubt, sich für irgendetwas wappnen zu müssen.
In diesem Zeitraum habe ich mir immer wieder bei einer Panikattacke gesagt: Super... mein Körper hilft mir, indem er in Übung bleibt! Er rüstet sich!
Ihr glaubt gar nicht, wie widerstandsfähig euer Körper in dem Moment ist! Ihr seid aufmerksam, extrem durchblutet und bereit für Flucht oder Kampf. Seht es als Geschenk! Ihr trainiert euch. Und sobald euer Gehirn verstanden hat, dass ihr das positiv bewertet und als Gewinn seht, fährt der Körper (nach einigen Wochen) seine Motoren runter.
Es funktioniert wie das Spiegelprinzip: Stellt man sich morgens (selbst mit schlechter Laune) vor einen Spiegel und grinst (muss nicht ernst gemeint sein), interpretiert das Gehirn dies als positiv, da es nicht unterscheiden kann, ob das Lächeln/Grinsen ernst gemeint ist. Genauso funktioniert es mit der oben genannten Floskel. Wenn ich mir sage, dass die Panikattacke ein positiver Test ist (natürlich empfindet man dies in dem Moment ganz und gar nicht so), verknüpft euer Gehirn dies mit positiven Pfaden.

Heute schaffe ich es nicht einmal mehr, eine Panik bewusst herbeizuführen, selbst wenn ich in mitten in einer Sitzung in der Mitte des Raumes sitze.
Ich hoffe, ihr könnt einige der Tipps gebrauchen und wünsche euch alles Gute.
Tommy

02.07.2015 21:32 • 05.09.2016 x 7 #1


10 Antworten ↓


wie lang hattest du die Angst?

A


Tipps für alle, die es schaffen wollen

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Vielen Dank für deinen Beitrag. Es ist immer wieder schön zu lesen, wenn es Jemand geschafft hat und v.a. wenn Jemand die Erkenntnis gewonnen hat, dass man selbst der Schlüssel ist.

Einziges Manko: Dein Rat, sich bewusst in Gefahrensituationen zu begeben ist zwar super, aber wahrscheinlich eher für Leute, die Agoraphobie haben. Ich hatte Orts- und Situations-unabhängige Angstzustände. Da hätte ich mich auch nicht bewusst rein bringen können.

Vielen lieben Dank aber für deine Geschichte!

Toller Beitrag, ich musste sogar paar male lachen, obwohl einem bei so Erfahrungen ja gar nicht zum lachen zu mute ist, aber ich werde einige Tips mal wirklich beherzigen.

Ja, super Beitrag und auch wirklich mit Humor beschrieben.
Ich werde auch versuchen, einiges anzunehmen und anzuwenden.
LG

Danke für die Rückmeldungen.
@Bride: Hatte etwa 5 Jahre Panikattacken

Wirklich ein sehr guter Beitrag, Panik-ade. Herzlichen Glückwünsch!

Dass man sich Angstsituationen bewusst stellen muss, weil man ja eh nicht dabei sterben wird, ist mir bewusst. Besonders in dem Beispiel mit der Menschenmege bei der Vorlesung finde ich mich wieder. Nur wie man sich dazu überwindet ist mir ein Rätsel.

Klasse, Dein Beitrag.
Mit einer Brise Humor, und aus der Feder eines Betroffenen.
Es freut mich immer zu lesen
dass es Hilfe und / oder Besserung gibt.
Manchmal habe ich keinerlei Einfluss auf meine Attacken.
Ich muss sie aushalten, durchleben, habe sie aber seit nun 22 Jahren alle überlebt.
Wenn es auch während so einer Attacke nicht nach Überleben aussah.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, Sport/ Bewegung helfen tatsächlich.
Nur kann ich mich nicht immer dazu aufraffen. Aber Sport / Bewegung helfen.
Danke und herzlichen Glückwunsch, Tommy

Zitat von Leen:
Wirklich ein sehr guter Beitrag, Panik-ade. Herzlichen Glückwünsch!

Dass man sich Angstsituationen bewusst stellen muss, weil man ja eh nicht dabei sterben wird, ist mir bewusst. Besonders in dem Beispiel mit der Menschenmege bei der Vorlesung finde ich mich wieder. Nur wie man sich dazu überwindet ist mir ein Rätsel.

Ich kann aus Erfahrung sagen: Das funktioniert am Besten mit Belohnungssystem. Die Situation die dich in Panik versetzt muss einen positiven Nutzen haben. Wenn der Gedanke dass man dadurch seine Panik loswerden könnte nicht ausreicht als Ansporn, muss man sich nach einem offensichtlichen Nutzen umsehen. Z.B. 100km Zug fahren um den besten Freund zu besuchen.

das funktioniert, wenn man nicht unter Druck gesetzt wird

In meinen ganz dunklen Stunden,
lese ich mir Deinen Beitrag hier durch,
er gibt mir immer etwas Mut.

A


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