Ich habe mir zwar schon einige Beiträge durchgelesen, würde auch gerne antworten, bin aber wie in mir selbst gefangen. Daher schreibe ich selbst, versuche mich vorzustellen.
Ich bin 49 Jahre alt und man sollte meinen, ich müsste schon lange voll und ganz im Leben stehen.
Mein Leben begann quasi schon ziemlich mies und zwar in einem Jugendwerkhof der ehemaligen DDR, wo ich als Säugling hinkam, weil meine leiblichen Eltern die Republik verlassen wollten. Mit 11 Jahren wurde ich dann von meiner tatsächlichen Familie in die BRD geholt. Dort wurde ich aber abgelehnt, was keine Einbildung war. Man konnte einfach nicht mit einem missbrauchten Kind umgehen. Und einfach war ich mit Sicherheit auch nicht. Die Narben auf meinem Körper sind weniger schlimm, als die Narben, die noch heute auf meiner Seele lasten.
Ich wurde von wirklich lieben Menschen adoptiert.
Es gab in meinem Leben auch tatsächlich Beziehungen, die aber immer von einem großen Maß an Misstrauen meinerseits begleitet waren. Es gab nette Männer (Menschen), die ich mit meiner Urangst verdrängte und es gab einfach die typischen Fehlgriffe, die jeder Mensch in seinem Leben macht. Einen Sohn bekam ich, der dann leider im Alter von 2 Jahren von mir gehen musste (Unfall - zumindest hieß es so vor Gericht; dass es durch einen Angestellten des Jugendwerkhofes geschah - einem der damals Schlimmsten -, den ich zufällig in Hamburg an meinem damaligen Arbeitsplatz traf; der mich vom Reden abhalten wurde - das wurde nicht berücksichtigt; es wurde als Unfall tituliert und er hätte den Brand nur aus Versehen gelegt).
Ich entwickelte eine schwere Agoraphobie, kämpfte mich aber mit Hilfe meiner Eltern ins Leben zurück. Ich studierte, hatte einen guten Job - aber die inneren Wunden heilten trotz zig Therapien niemals.
Wenn ich von meinen Eltern schreibe, dann sind das meine Adoptiveltern. Für mich macht es keinen Unterschied. Denn diese Menschen gaben mir Halt.
Mein Vater starb vor einiger Zeit und so lebten meine Mutter und ich - zusammen mit einer Menge Tiere (Pferde, Hunde, Katzen) - auf einem alten Resthof. Das war meine Zuflucht. Ein Mensch, dem ich absolut vertraute - trotz Meinungsverschiedenheiten - ein guter Job.... Und immer war die Angst da, was ist, wenn dieser Mensch eines Tages nicht mehr ist. Bekannte habe ich mit Sicherheit viele - aber wirkliche Freunde/Vertraute, wenn ich länger darüber nachdenke, gibt es in meinem Leben nicht.
Vor ein paar Wochen erlitt meine Mutter einen Schlaganfall. Erst war es ein leichter, aber eine Komplikation folgte der nächsten - und nun erkennt sie mich nicht einmal mehr. Eine Hirnhälfte ist komplett zerstört - sie ist nicht mehr rehafähig, sie ist quasi nur noch eine Hülle, die aber andauernd meinen Namen ruft.
Letzte Woche verlor ich dann auch noch meinen Job. Vermutlich funktionierte ich sowieso nur noch in den letzten Wochen. Aber der Juniorchef, dessen Vater zur Zeit ebenfalls krankheitsbedingt nicht anwesend ist, gießt nun auch noch regelrecht Dreck über meinen Kopf aus. Meine Kollegen - vor allem einer - zu denen ich guten Kontakt pflegte, meiden mich mittlerweile auch wie der Teufel das Weihwasser. Ich vermute mal, dass sie entweder Angst haben, die nächsten zu sein, die gehen müssen, oder vielleicht waren es einfach nur Kollegen und man war nur freundlich zu mir, weil ich eine Vorgesetztenfunktion inne hatte. Den einen Kollegen mochte ich aber wirklich - ich glaube umgekehrt genauso - als Menschen eben. Mir wurde zugetragen, dass er derjenige wäre, der an meinem Stuhl sägte. Daraufhin bekam er volle Breitseite von mir verpasst. Eben typisch Jugendwerkhöfler. Erstmal zubeißen.... Mittlerweile tut es mir aber leid, weil ich befürchte, dieser komische Juniorchef hatte da seine Finger im Spiel. Nur an diesen Menschen komme ich nun auch nicht mehr ran, um mich zu entschuldigen. Er macht dicht - zu Recht; ich habe ihm wirklich verdammt dolle weh getan.
Den kleinen Hof werde ich ebenfalls nicht behalten können. Mit Krankengeld lässt es sich nicht finanzieren, aber auch wenn, es ist eher alles bedrückend.
Ich habe mir sogar schon Hilfe vom APP geholt, um nicht komplett zu versinken. Aber meine Ängste (Existenzängste, Einsamkeit etc.), die kann mir auch der APP nicht nehmen.
Mir macht es allergrößte Probleme zu meiner Mutter in die Klinik zu fahren, in die leeren Augen zu schauen und zu hören, wie sie meinen Namen ruft. Nun habe ich 14 Tage Zeit, eine Lösung zu finden. Man braucht das Bett für Patienten, bei denen noch Hoffnung besteht.... Mit Realismus betrachtet, kann ich das sogar nachvollziehen. Aber es ist meine Mama, die dort liegt.
Eigentlich sollte man meinen, dass ich in meinem Leben schon viel Sch.... erlebt und überlebt hätte, aber diesmal - so komplett entwurzelt - komme ich überhaupt nicht klar.
Kann mir irgendjemand von Euch einen Tip geben? Ein Gespräch mit dem Krankenhausseelsorger gab es ebenfalls schon. Ich weiß nicht, was mir nun mehr den Rest gegeben hat: Meine Mutter/der Verlust der Arbeit - alles zusammen.
Ich würde mich sehr freuen, von jemanden von Euch zu hören!
Liebe Grüße
Annie
29.06.2018 09:57 • • 21.10.2018 #1