Selbsthilfestrategien gegen die EinsamkeitEs ist verständlich, sich Sorgen über Einsamkeit zu machen, besonders wenn sie lange andauert und emotional sehr belastend ist. Es gibt Schritte und hilfreiche Strategien, die du anwenden kannst, um deine Situation zu verbessern und die Einsamkeit zu verringern.
Hier sind einige davon:
Anerkennen: Um deine Einsamkeit zu überwinden, ist der erste Schritt, die eigene Einsamkeit anzuerkennen. Dir bewusst einzugestehen, „Ich fühle mich einsam“, mag dir vielleicht wie ein persönliches Versagen erscheinen, ist es aber nicht, Einsamkeit kann jeden von uns treffen – kein Grund sich zu schämen. Scham konserviert die Einsamkeit – sie ist nicht hilfreich und nicht angemessen.
Selbstreflexion: Überlege ob tiefere Ursachen, die in dir selbst liegen, deine Einsamkeit aufrechterhalten. Ich erinnere mich an eine Zeit in der ich nach einer tiefen zwischenmenschlichen Enttäuschung das Band zwischen mir und anderen durchtrennt habe und mich in meiner Trauer in eine selbstgewählte Einsamkeit zurückzog. Es dauerte, bis ich begriff, dass dies eine alte Überlebensstrategie aus meiner Kindheit war. Überlege also, was genau zu deiner Einsamkeit geführt hat. Finder heraus, was die inneren und/oder äußeren Auslöser waren? Reflektierte dein Denken und dein Verhalten in Bezug auf deine Mitmenschen. Überlege was in deinem Leben fehlt, welche Bedürfnisse brach liegen und was du dir wirklich wünscht. All das kann helfen, gezielt nach Wegen der Veränderung zu suchen.
In der Einsamkeit liegt immer die Chance, dich selbst besser kennenzulernen, mit dir selbst Freundschaft zu schließen, Selbstmitgefühl zu entwickeln und dich wieder zu öffnen.
Achtsamkeit und Selbstfürsorge: Kümmere dich gut um dich selbst. Achte auf eine gesunde Ernährung, achte darauf, welche Nahrung du zu dir nimmst, iss bewusst und nicht nebenbei, im Stehen oder Gehen, sorge für deine Körperpflege und ausreichend Bewegung, am Besten in der Natur. Nähre deinen Geist und deine Seele mit schönen Dingen. Auch Achtsamkeitspraktiken wie z.B. Meditation, Yoga oder Qi Gong, können dein Wohlbefinden steigern und dir helfen, besser mit Einsamkeit umzugehen.
Tagesstruktur: Struktur ist hilfreich um einen Rahmen im Alltag zu schaffen. Struktur führt zu mehr Halt, reduziert Stress und führt zu einem Gefühl von Sicherheit und Orientierung. Eine Tagesstruktur gibt dir das Gefühl dein Leben besser im Griff zu haben und hilft gegen das Gefühl von Kontrollverlust. Überlege dir feste Ankerpunkte. Das kann ein täglicher Spaziergang sein, Mahlzeiten zu einer bestimmten Zeit oder ein Telefonat mit einem vertrauten Menschen am Abend. Wenn du spürst, was dir guttut, mach es zu einem festen Bestanteil deines Tages.
Hobbies und Interessen: Finde Dinge und Tätigkeiten, die dir Freude machen und dich wirklich interessieren. Was hast du als Kind am Liebsten gespielt, wenn du alleine warst? Erinnere dich daran, wenn du nicht weißt, was dir Freude macht. Wenn du tust, was du liebst, fühlst du dich mit dem, was du tust, verbunden, du gehst in Resonanz, das reduziert das Gefühl von Einsamkeit.
Für Selbstliebe und Selbstachtung können wir selbst sorgen, indem wir uns selbst, durch unser Tun, Gutes tun. Und manchmal empfinden wir dabei sogar Augenblicksglück. Die schönste Schwester der Einsamkeit ist die Freiheit und die beginnt damit, dass wir frei entscheiden können, was wir tun wollen.
Journaling: Schreib es dir von der Seele. Schreiben hat eine entlastende Wirkung. Du wendest dich bewusst dir selbst zu und lernst dich nach und nach besser kennen. Du lernst die Verbindung zwischen deinen Verhaltensmustern und deinen Gefühlen nachzuvollziehen und zu verstehen. Du wirst dir deiner Bedürfnisse bewusst.
Journaling hat für mich nicht nur eine klärende, sondern auch eine kathartische Wirkung. Alles was mich belastet, schreibe ich raus. Wie die Schriftstellerin Elfriede Jelinek einmal über das Schreiben sagte: Es ist, als ob man ständig kotzen müsste. Man will gar nicht, aber man muss.“ Krass ausgedrückt, aber für mich trifft es zu. Das Beste am Tagebuchschreiben ist, dass du deine Gefühle und Gedanken, indem du sie aufschreibst, aus der Beobachterperspektive betrachten und so neu ordnen kannst. Journaling ist zudem hilfreich um zu erkennen, was nicht gut für dich ist - und dich auf das zu fokussieren, was gut und heilsam ist und dich wachsen lässt. Und letztlich hilft es, sich selbst besser aushalten zu können.
Ein schönes Umfeld: Unsere eigene Umgebung hat einen großen Einfluss auf uns. Eine behagliche Wohnung kann zum selbstgebauten Käfig werden, wenn wir uns nur noch in sie zurückziehen, aber sie kann auch das Gefühl der Einsamkeit etwas lindern. Eine ansprechende Umgebung ist dein Rückzugsort, den du dir schön machst und liebevoll pflegst. Das kann dein Wohlbefinden steigern und ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln, was besonders in schwierigen Momenten hilfreich sein kann. Die persönliche Umgebung schön machen heißt auch – Kreativer Selbstausdruck und Wertschätzung deiner selbst. Ich finde Schönheit tröstlich. Ich liebe es schöne Dinge um mich herum zu haben, z.B. immer einen frischen Blumenstrauß auf dem Schreibtisch. Oft sind es die keinen Dinge, die uns trösten und erfreuen können – unterschätze das nicht. Eine schöne Umgebung hilft um die Einsamkeit nicht immer an die Gefühlswand zu malen.
Get connectet: Und dazu musst du nach draußen gehen. Besser ist es rauszugehen, als dich selbst zu isolieren, denn je länger du das tust, desto schwerer wird es, das wieder zu ändern. Wer sich selbst isoliert landet irgendwann in einem selbstbetonierten Verlies. Rausgehen ist immer gesünder als sich einzuigeln, auch wenn nichts Besonderes dabei rauskommt. Suche aktiv nach Möglichkeiten mit Menschen in Kontakt zu gehen. Das können Cafébesuche, Ausstellungen, Kino- und Theaterbesuche, Konzerte, Kurse oder Gemeinschaftsveranstaltungen in deiner Stadt sein. Manchmal reicht schon ein kleines Gespräch, eine kurze Begegnung, um wieder ein Gefühl von Verbindung zu spüren.
Wenn du trotzdem keine Kontakte machst – es ist okay! Du warst proaktiv, du hast dich überwunden und das ist ein Grund, dich selbst zu loben. Mach einfach weiter damit.
Slow and steady wins the race!
Social Media: Die sozialen Medien geben uns das illusionistische Gefühl miteinander verbunden zu sein. Herzchen und Likes geben uns das Gefühl gesehen und wertgeschätzt zu werden, aber sobald wir den Rechner runterfahren fühlen wir: Irrtum, wir sind allein. Die Einsamkeit hat uns wieder. Die digitale Welt ist Trostfutter für den Hunger nach Verbundenheit, satt macht sie nicht. Zu häufiges und zu langes Herumscrollen verstärkt sogar die Einsamkeit. Wir sehen lauter scheinbar glückliche Menschen in ihrem scheinbar glücklichen Leben und fühlen uns wie der letzte Mensch, der das alles nicht hat und zu allem Übel denken wir vielleicht: „Mit mir stimmt was nicht, ich muss doch was grundlegend falsch machen.“ Solche Gedanken verstärken das Gefühl nicht dazuzugehören und lediglich eine Randfigur zu sein, die das bunte Treiben nur beobachtet und ausgeschlossen ist. Das verstärkt das Gefühl verlassen und verloren zu sein, dabei sind wir nur verloren in den illusionistischen Welten von Social Media, die mit der Realität der meisten Menschen, nicht viel zu tun hat. Öfter mal den Rechner und das Handy ausschalten und dafür ein gutes Buch lesen, ist heilsamer als das angeschlagene Selbstwertgefühl mit sinnlosem Kram nähren.
Lesen: Lesen hilft gegen die Einsamkeit. Das ist meine Erfahrung. Man ist allein und doch nicht. Man darf beim Lesen sogar allein sein, um das Gelesene wirklich zu erfassen und zu verinnerlichen. Bücher helfen gegen die Einsamkeit, weil sie uns mit den Geschichten der Figuren, den Gedanken des Autors , den Worten und der Sprache verbinden. Wir gleiten in andere Welten, in fremde oder in vertraute, wir erfahren dabei - wir sind nicht allein mit unseren Geschichten, Gedanken und Gefühlen oder unserem Kummer. Es ist tröstlich, dieses Gefühl – du bist nicht allein mit deinen Ängsten, deiner Sehnsucht und deiner Einsamkeit. Zudem ist es motivierend zu erfahren wie andere Menschen mit dem umgehen, was das Leben ihnen an Herausforderungen vor die Füße wirft. Besonders Biografien können unterstützend wirken und uns Impulse geben, um unser Leben anders zu sehen und neu zu gestalten.
Vermeidung von negativen Einflüssen: Halte dich von Menschen und Situationen fern, die deine Einsamkeitsgfühle verstärken. Das schließt toxische Beziehungen und selbstschädigene Gewohnheiten ein.
Ehrenamt: Engagiere dich ehrenamtlich. Das hilft nicht nur anderen, sondern kann erfüllend sein und dazu führen, dass du Menschen findest, die ähnlich ticken wie du. Es tut gut anderen zu helfen, denen es nicht gut geht. Es ist ein sinnvolles Tun, bei dem wir noch dazu unsere eigenen Sorgen und Probleme relaltivieren können.
Online-Communities: Suche nach Menschen in sozialen Netzwerken oder Foren, die sich mit deinen Interessen und Leidenschaften beschäftigen. Das kann eine Möglichkeit sein, Gleichgesinnte zu finden.
Therapie und/oder Selbsthilfegruppen: Es ist immer hilfreich über deine Gefühle zu sprechen, mit einem Coach, einem
Therapeuten oder in einer Selbsthilfegruppe. Dort findest du Menschen, denen es ähnlich geht wie dir. Das schafft Verbundenheit.
Veränderungen im Umfeld: Wenn du dich in deinem Umfeld nicht wohl fühlst und es dir leisten kannst, könnest du überlegen, ob ein Umzug in eine andere Stadt oder ein Jobwechsel einen neuen sozialen Kreis ermöglichen könnte, der besser zu dir passt als zum Beispiel die spießige Stadt, in der du gerade lebst oder der ungeliebte Job, der dich ausbrennt.
Kleine Ziele setzen: Anstatt zu versuchen, dein gesamtes soziales Leben auf einmal zu ändern, setze dir kleine, erreichbare Ziele. Zum Beispiel könntest du dir vornehmen, einmal pro Woche einen neuen Ort aufzusuchen oder einen Menschen anzusprechen, den du vom Sehen kennst.
Vertrautheit schaffen: Manchmal kann es helfen, regelmäßig zu denselben Orten zu gehen, um eine vertraute Umgebung aufzubauen. Ob in einem Café, einer Bibliothek oder einem Park - durch wiederholte Besuche erkennen und gewöhnen sich Menschen aneinander und überwinden leichter die Barriere um sich einander zuzuwenden.
Einsamkeit ist eine Herausforderung, die immer mehr Menschen betrifft. Es gibt Möglichkeiten sie zu überwinden, wenn wir dazu bereit sind. Es lohnt sich proaktiv zu werden und gezielt nach Möglichkeiten zur Veränderung zu suchen.
Und was, wenn das alles nicht funktioniert?
Es kann frustrierend sein, wenn alle Strategien der Einsamkeit zu entkommen keinen Erfolg bringen. Wenn du das Gefühl hast, dass nichts hilft, such dir professionelle Hilfe. Wenn du es noch nicht getan hast, erwäge die Unterstützung eines Therapeuten oder eines Beraters. Diese Menschen können dir helfen, die tieferen Ursachen für deine Einsamkeit herauszufinden und individuelle Strategien zur Bewältigung zu entwickeln.
Manchmal kann Einsamkeit auch mit unbewältigter Trauer, einer tiefen Kränkung, einer unverarbeiteten Trennung, einem schweren Schicksalschag, einer Posttraumatischen Belastungsstörung, einer Depression, mit Ängsten, Zwängen oder einer Behinderung zusammenhängen. Achte auf diese Symptome und sprich offen darüber mit einem Arzt deines Vertrauens oder einem Therapeuten.
Notfallkontakte: Wenn du dich in manchen Momenten sehr einsam, isoliert oder verzweifelt fühlst, schäme dich nicht, einen Krisendienst oder eine Hotline zu kontaktieren. Dort sind Menschen, die geschult sind, um in schwierigen emotionalen Situationen zu helfen.
Es ist wichtig, geduldig mit dir selbst zu sein.
Veränderungen brauchen Zeit, und manchmal sind kleine Schritte entscheidend um Fortschritte zu machen. Mach dir bewusst, dass du nicht allein bist und dass es viele Unterstützungsressourcen gibt, wenn du sie suchst.
Sei mitfühlend und freundlich zu dir selbst in dieser schwierigen Phase. Es ist okay, sich einsam und verloren oder hilflos zu fühlen.
Vergiss niemals Selbstmitgefühl zu üben.
Sei freundlich zu dir selbst in dieser schwierigen Phase.
Akzeptiere, dass es Zeit und Geduld braucht, um Veränderungen herbeizuführen.
Es ist wichtig deine Gefühle ernst zu nehmen. Wenn es dir schwerfällt, alleine damit umzugehen, ist es ein Zeichen von Mut und Stärke, dir Hilfe zu suchen. Du verdienst es, gehört zu werden und Unterstützung zu erhalten.
Und, last but not least: Akzeptanz üben.
Manchmal ist es hilfreich, die Einsamkeit zu akzeptieren und anzuerkennen, dass sie Teil des Lebens ist und uns allen phasenweise immer wieder begegnet. Einsamkeit kann eine Zeit der Selbstentdeckung und es inneren Wachstums sein, in der du lernst, mit dir selbst in Einklang zu kommen. Und vielleicht lernst du sogar Einsamkeitsfähigkeit – die hohe Kunst mit der Einsamkeit Freundschaft zu schließen.
Zur besseren Lesbarkeit habe ich das generische Maskulinum verwendet. Die verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter.
Angelika Wende
www.wende-praxis.de