App im Playstore
Pfeil rechts

Hallo, ich hab mich schon kurz im Vorstellforum vorgestellt. Aber nochmal kurz zu mir: Ich heiße Dorothea, bin auf den Rollstuhl angewiesen und lebe deshalb in einer betreuten WG mit anderen Rollstuhlfahrerinnen. Mein Problem ist, dass ich faktisch einsam bin. Ich würde mir eigentlich eine eigene Familie wünschen, aber dazu fehlt mir einfach der passende Mensch *lach*.
In der WG spürt man die Einsamkeit auch nicht so sehr, alle sind beschäftigt, eine Art Ersatzfamilie sozusagen. Und dann gehen die Tage ins Land und spätestens zu den Feiertagen ist das Problem dann offensichtlich...
Ich bin jetzt auch schon länger alleine, meine letzte Beziehung liegt schon knapp 4 Jahre zurück. Häufig habe ich mich in den letzten Beziehungen auch nicht wirklich wohl gefühlt, sondern eher ausgenutzt. Aber Kopf, Herz und Körper sind halt dennoch da und melden einem ja auch Bedürfnisse und ich merke, dass mir zum Einen sehr viel fehlt und dass ich beginne mir Ersatz zu suchen und ich merke, dass das eigentlich nicht der richtige Weg ist. Es ist so, dass ich mich wohl in meine Hauptpflegerin verliebt habe. Ich weiß, das ist das typische Abhängigkeitsverhältnis. Es ist nicht gut, weil nicht erfüllbar und auch nicht realistisch. Aber sie ist eben der Mensch, der mir momentan emotional und körperlich am nähesten kommt. Normalerweise ist man bei fremden Menschen, medizinischem Personal in intimen Situationen eher gehemmt, aber sie ist so ein lieber und fürsorglicher Mensch, mit so tollen Augen, dass ich mich tatsächlich in sie verliebt habe. Und ich genieße inzwischen die Nähe und das Vertrauen, die zwischen uns ist. Ich weiß wohl, dass das von ihrer Seite her absolut professionell geschieht und ich mir keine Hoffnungen machen darf. Aber für mich ist es eben momentan der einzige körperliche Kontakt und ich habe gemerkt, dass sich das bei mir auch körperlich, sprich auf der ero. Ebene bemerkbar macht. Sie würde diese Grenze natürlich nie überschreiten, auch wenn dass Thema Surrogatpartnerschaft momentan stärker ins Bewußtsein rückt. Ist bestimmt für viele hier schwer vorstellbar, aber wenn das Schamgefühl, das man in intimen Situationen ganz normal hat, mit der Zeit schwächer wird und eine Vertrauensbasis da ist, dann ist da irgendwann Platz für Gefühle. Ich mag es bspw. inzwischen, *beep* vor ihr zu sein und bin nicht mehr gehemmt. Aber insgesamt spüre ich eben, dass das keine Entwicklung ist die Zukunft hat und ich erschrecke hinterher auch häufiger, warum mir dies und das gut getan oder gefallen hat, warum es mich nicht loslässt und ich am Ende dennoch einfach nur einsam bin...

Danke fürs Zuhören.

Viele liebe Grüße
Doro

06.06.2014 11:38 • 23.06.2014 #1


14 Antworten ↓


Hallo Doro,

erstmal Willkommen. Darf ich fragen, wieso du auf den Rollstuhl angewiesen bist und wie weit du alleine klar kommen würdest? Ich glaube das man sich irgendwann veruscht Ersatz zu suchen ,das machen alle Menschen, der einer Im Internet der andere auf anderen Wegen.

Aber vielleicht machst du dir keine Hoffnungen und versuchst dich von der Pflegerin zu lösen, bzw lenkst dein Interesse eher auf Menschen bei denen du eine Chance hast.

A


Behinderung und Einsamkeit und Beziehung

x 3


Hallo,

Danke für Dein Verständnis und Deine Ratschläge. Ich habe Muskelschwäche und bin deshalb schon länger auf den Rollstuhl angewiesen. Mir fehlt einfach die Kraft und ich bin froh, dass ich in der WG leben kann.

Ich sehe es im Kern wie Du, es ist ja nicht das was ich wirklich anstrebe, eigentlich wünsche ich mir eine normale Familie. Mir ist klar, dass es eine Art Ersatz ist, für das was ich gerade nicht haben kann. Aber mir macht es Gedanken, dass ich mich in genau diese Richtung gerade bewege. Ich weiß, dass ich mich lösen müsste, aber es ist emotional und körperlich eben dennoch anziehend und momentan der einzige so nahe Kontakt. Das ist denke ich schon die Ursache.

Nochmal Hallo, das kann ich verstehen, das du dann froh bist in der Wg zu sein. Was heißt du wünschst dir eigentlich eine normale Familie?

Naja, eben eigene Kinder, einen Partner, ein normaleres Leben als jetzt.

Hallo Dorothea,

ich denke, du befindest dich in einem Kreislauf - auf der einen Seite genießt du deine Verliebtheit als Flucht aus deiner Realität, auf der anderen Seite erlebst du in den Momenten, in denen dir bewusst wird, dass du dich aus der Realität wegträumst, ein Gefühl der Einsamkeit, weil dir nur umso deutlicher wird, das du allein bist.

So wie ich das sehe, kannst du das nur durchbrechen, wenn du selbst aktiv wirst und offen auf andere Menschen zugehst, neue Bekanntschaften schließt und so vielleicht jemanden kennenlernst, der zu dir passt.

Hallo Doro,

willkommen im Forum. Wenn Du mit der gleichen offenen Art auf Männer zu gehst wie Du hier schreibst, dann wirst Du dich wundern wie viele Chancen du bekommst. Dies meine ich nicht nur auf ero. ebene sondern natürlich auch langfristig. Die Basis für eine liebevolle Beziehung ist immer gegeben.

Gerade im heutigen Zeitalter mit Internet kannst online aktiv werden. Bist Du denn im diversen Portalen angemeldet?

So wie die Sache im Moment aussieht, kannst Du nur enttäuscht werden. Ich verstehe, dass die Frau es geschafft hat, dass Du dich voll akzeptierst aber das muss bei einem mann oder einer anderen Frau nicht anders sein.

Ich würde dir auhc raten mehr Kontakt zu anderen Menschen zu suchen ( ich weiß das ist jenachdem schwer) und vielleicht triffst du dann ja den richtigen.

Ja, vielleicht ist der erste Schritt, das Bewußtwerden dessen was da seit einiger Zeit mit mir und in mir passiert. Der Begriff Flucht beschreibt es schon ziemlich gut und es bildet natürlich dann einen Kreislauf. Ich genieße einerseits die Nähe und spüre dann aber auch umso stärker die Einsamkeit. Im Netz habe ich mich natürlich schon versucht, aber ich finde da geht es noch konkreter zu als im echten Leben. Und ob es im echten Leben klappen kann - wie gesagt, Millionen Menschen suchen das gleiche wie ich und schaffen es auch ohne Einschränkungen nicht...daher empfinde ich meine Flucht schon auch als naheliegend. Ich hab mich ja selbst gefragt, warum meine Antennen sich so ausrichten, aber wenn ich es auf mich wirken lasse, dann wird es mir klar warum das so sein muss.

Zitat von DorotheaF:
Und ob es im echten Leben klappen kann - wie gesagt, Millionen Menschen suchen das gleiche wie ich und schaffen es auch ohne Einschränkungen nicht...


Kein Mensch ist ohne Einschränkung, trotzdem findet sich oft ein Deckelchen für den Topf. Ich weiß, es ist schwer, trotzdem denke ich, dass man den Blick für das Positive nicht aus den Augen verlieren darf.

Jetzt, wo dir bewusster ist, warum du so reagierst und warum du dich emotional verrannt hast, kannst du leichter dagegen steuern und deine Gedanken und Aktivitäten mehr in Richtung Welt da draussen lenken.

Ich sehe das nicht ganz so radikal wie meine Vorschreiber.
Verliebtheit ist erstmal per se nur ein körpereigener Dro.rausch und vergeht von selbst wieder. Die Frage ist, wie man damit umgeht und wie man das bewertet. Verliebtheit kann negativ bewertet werden, wenn man mit dem Anspruch daran geht, dass man auch unbedingt auf die selbe Weise zurückgeliebt werden will und genau dieses nicht bekommt, aber sie kann auch wunderbarer Selbstzweck werden, indem man einfach nur den Rausch an sich genießt und keine Ansprüche an das Gegenüber stellt. Dazu muss man allerdings bereit sein, Verliebtheit kritisch zu hinterfragen und da wird sich im Allgemeinen gerne gegen gesträubt, weil es so völlig der Emotion zu widersprechen scheint. Tut man das aber, stellt man fest, dass man in einer Verliebtheit massiv idealisiert und vor allem projiziert. Daher könntest du dir die Frage stellen: Wie viel von dieser ganzen Projektion ist also tatsächlich auf die andere Person anwendbar und was davon sind lediglich deine Wunschvorstellungen und Sehnsüchte?

Leute, die in dem Punkt wirklich gnadenlos ehrlich sich selbst gegenüber sind, stellen dann meist fest, dass im Grunde fast alles hormonverklärte Idealisierung ist und die Person selber nur die Projektionsfläche für Wünsche und Sehnsüchte. Und wenn man dies erstmal annimmt für sich, dann verschwindet auch der Schmerz, da zweifellos die Erkenntnis durchsickert, dass die Projektionsperson im Grunde in Wirklichkeit gar nicht das ist, was man sich unter ihr zusammenträumt.

Wahrscheinlich werde ich gleich für diese Aussage gelyncht, da die Menschen an ihre Liebe nichts drankommen lassen wollen und diese Art und Weise der Sicht auf die Dinge als Entwertung ihrer Gefühle verstehen, was natürlich in keinster Weise von mir so gemeint ist, aber im Grunde ist diese Sicht auf die Dinge keine Abwertung oder tatsächliche Bedrohung, sondern eben nur eine andere Perspektive auf das Thema mit einer anderen Bewertung - und ebenfalls eine, die vieles erleichtern kann.

Guter Gedanke mit der Verliebtheit! Aber es ist ja nicht nur eine merkwürdige Art von Verliebtheit, die ich empfinde, es ist dieser Wunsch nach Nähe und diese Pseudo-Nähe, die ich durch ihre Betreuung und Pflege erfahre und das ist mitunter auch durchaus körperlich und eigentlich eher Ich-bezogen als auf sie als Mensch. Schwer zu erklären was da in mir vorgeht...

Fast jeder der hier ist hat eine Einschränkung ( und die meisten wohl sogar psyschische) und davon haben auch viele jemanden kennen gelernt.

Dorothea, es spricht doch überhaupt nichts dagegen, dass du diese Form von Nähe, die du von ihr bekommst, genießt. Das Einzige, was dir da nen Strich durch die Rechnung macht, ist die Interpretation, dass sie deine Pflegerin ist demnach nicht sein kann, was nicht sein darf und die ganze Geschichte somit für dich den Stempel Ersatz bekommt. Du vergleichst deinen Zustand mit einer undefinierbaren Norm dort draussen, die allerdings nur auf den ersten Blick normal anmutet, bei näherem Betrachten des Individuums jedoch in sich zusammenfallen würde, und stellst fest, dass deine Beziehung gerade (oberflächlich) nicht der Norm da draussen entspricht. Daher kategorisierst du sie als falsch, nicht wünschenswert und minderwertiger.

Im Grunde aber, liebe Dorothea, ist jeder Mensch ein Individuum und keiner ist einfach nur normal und sonst nichts weiter. Das Streben, eine vollkommene Normalität zu erreichen, ist nichts anderes als das Jagen einer Fatamorgana. Frage dich mal: Hast du je jemanden gemocht, weil er so schrecklich normal war? - Oder war es nicht viel eher die individuelle Persönlichkeit, die man gemocht hat? Nimm die Normalität von ihrem Sockel runter - sie ist ein Trugbild, dem so viele Menschen entsprechen wollen, aber es niemals jemand annähernd schafft, auch tatsächlich im grünen Bereich anzukommen.
Sieh die Welt als eine Art Warenhaus an, in dem du ohne zu bezahlen einkaufen gehen kannst. Du nimmst dir nur das heraus, was dir auch wirklich gefällt - nicht, weil es in die Norm passen würde.

Deshalb schrieb ich oben, dass du die Medaille mal umdrehen sollst. Die Nähe zu deiner Pflegerin kann sowohl negativ bewertet werden, als auch positiv. Es spricht rein gar nichts dagegen, diese Nähe zu genießen. Die Momente zu genießen, in denen ihr beisammen seid. Nichts spricht dagegen - ausser dein eigener Kopf, der dir nen Strich durch die Rechnung machen will

Hmm, ich weiß jetzt nicht so recht, was ich mit den Gedanken anfangen soll. Die Diskussion, was normal ist und was nicht, ist ja schon sehr alt...dennoch sehe ich mich eher am Rand der Gesellschaft.

Das Andere, das Zulassen von Gefühlen...ich weiß nicht, wo mich das hinführt. Wie gesagt, es übt auf mich eine seelisch-emotionale und auch auch körperlich-anziehende Wirkung aus. Ich halte das schon jetzt für grenzwertig und auch nicht zielführend. Einfach weil ich weiß, dass es nur eine Art Ersatz darstellt. Andererseits ist es eben die einzige Nähe, die ich zur Zeit erlebe. Schwierig...

A


x 4





Dr. Reinhard Pichler
App im Playstore