Hallo Forumsteilnehmer, auch ich leide an einer immer Mal wieder aufkommenden Herzphobie.
Angefangen hat es mit Herz- bzw. ähnlichen Phobien bei mir schon in Kindheitstagen. Neulich fand ich eine während eines Schullandheimaufenthaltes von mir an meine Eltern geschriebene Postkarte, datiert Anfang der 80er Jahre. Darin beklagte ich mich darüber, gelegentlich schlecht Luft zu bekommen, obwohl dies sicher nicht der Fall war.
Auch erinnere ich mich, nach einer harmlosen, medikamentös auskurierten Magen-/Darmerkrankung im Alter von zehn oder elf Jahren, dass ich noch einige Zeit danach glaubte, irgendwelche Parasiten im Körper zu haben, worüber ich besorgt und auch weinerlich war. Eine Disposition für Phobien scheint also bei mir vorhanden zu sein.
Mediziner, so las ich, sehen den Auslöser für Herzphobien oft in Kindheitserlebnissen. Tatsächlich bin ich (Scheidungskind) mit viel „Hickhack“ und unangenehmen Erlebnissen aufgewachsen. Das ist vermutlich nichts Ungewöhnliches und ich will hier auch gar nicht in Selbstmitleid zerfließen. Wer kann schon ehrlich von sich behaupten, eine schöne, sorgenfreie Kindheit Jugend verbracht zu haben. Vielleicht gab es für mich als Heranwachsender gewisse Schlüsselerlebnisse für das spätere Ausbrechen einer Herzphobie. Ich kann mich erinnern, dass mein leiblicher Vater, den ich damals nur einige Male im Jahr sah, vermutlich auch darunter litt. Als er mich Mal, bei einem meiner Besuche, vom Bahnhof abholte und wir zu ihm fuhren, beobachtete ich, dass er sich, möglichst unauffällig und ohne jeglichen Kommentar, mit der Faust gegen die Brust schlug. Vermutlich hatte er durch die Aufregung, mich zu sehen, einen kleinen phobischen Anfall, bzw. kurzzeitig einen, medizinisch unbedeutenden, funktionell bedingten, unregelmäßigen Herzschlag. Ein anderes Mal, als ich ihn besuchte, beklagte er gegenüber anderen Bekannten, einen starken Druck in der Herzgegend zu spüren. Mein Alter Herr erfreut sich jedoch seit jeher bester Gesundheit und wird bestimmt noch Hundert.
Mit Anfang 20 kam es bei mir erstmalig zu einer Herzphobie. Ich befand mich in einer Ausbildung, die mir nicht sonderlich gefiel, spürte evtl. auch unbewusst, dass mit meiner Kindheit doch nicht alles so toll war. Jedenfalls kamen für 1-2 Wochen diese Aussetzer für einen Schlag, das Herz übersprang einfach einen „beat“. Wenn man sich dann dafür sensibilisiert und es beobachtet, kann man diese Aussetzer nach Belieben geradezu selbst evozieren.
„Warten sie auf die Aussetzer?“, fragte mich mein Chef damals. Ich fand das unhöflich, heute weiß ich, dass er Recht hatte. Nachdem ich mir eine Zeit lang Sorgen gemacht und die Angelegenheit mit meinem Hausarzt besprochen hatte, vergaß ich die Sache schnell wieder und damit verschwand dieses Symptom auch sofort. Etwa zwei Jahre später gab es dann so etwas wie den ersten „Sturm“ in meinem Leben. Mit der geliebten Arbeitskollegin und Freundin in spe wurde es doch nichts, bzw. nur für eine Nacht, die Ausbildung war vorüber und ich erst mal arbeits- und perspektivlos. Ich nahm damals Dro. und eines Nachts eine halbe Ecstasy-Tablette, die um ein vielfaches stärker war, als die vormals konsumierten. Mein Herz begann zu rasen, 180, 190, 200 und mehr Schläge pro Minute waren es locker. Ich überlegte, den Notarzt anzurufen, dachte aber, dass ich wohl sowieso vor seinem Eintreffen tot bin.
Danach war nichts mehr wie vorher. Es war, als hätte sich eine im Unterbewusstsein lange vorhandene Angst nun ins Bewusstsein „gebohrt“. Ich bekam fast täglich Panikattacken mit Herzrasen und Todesangst, bekam Angst vor der Angst usw.
Selbst beim hören einer Textzeile innerhalb eines Technoliedes („…we are black arrows of death..“), konnte ich nur mühsam eine Panikattacke unterdrücken, so randvoll Angst war ich.
Es wurde ein Belastungs- und 24h-EKG gemacht, natürlich ohne jeglichen Befund. Im Zenit der Angst in jenen Wochen und Monaten konnte ich nicht mal mehr U-Bahn fahren, aus Angst, dort in Panik zu geraten. Man empfahl mir, eine stationäre Therapie zu machen. Das wollte ich nicht. Es erschien mir unheimlich und ich wollte vor mir selbst nicht als „verrückt“ gelten. Ich brach den Kontakt zu meinen Eltern ab, zog weg und versuchte selbst gegen die Panikattacken mit Herzrasen und Todesangst anzugehen. Dinge wie „Stopp! Mein Körper gehört mir!“ oder „Na, machste wieder Psycho-Zirkus? Haha, du Spinner“, sprach ich mir selbst vor, wenn es „loszugehen“ drohte. Irgendwann verschwand der Spuck tatsächlich. Ich hatte wieder Vertrauen in meinen Körper, war viel mit dem Rennrad unterwegs oder Joggen. Trotzdem war das Problem noch da, tief vergraben in eine Art unterirdischem Endlager für ungelöste psychische Schwierigkeiten. Und kürzlich, zig Jahre später, bin ich wieder in die Falle getappt. Nach einem dunklen, allein und arbeitslos verbrachten Winter plötzlich unregelmäßiger Herzschlag, niedriger Blutdruck. Verängstigt ging ich zum Arzt, EKG, großes Blutbild, alles ok. Ich lieferte dem Arzt beim nächsten Besuch gleich selbst meine Diagnose, funktionelle Herz-/Kreislaufbeschwerden. Er stimmte zu und führte ein längeres Gespräch bezüglich meiner Lebensumstände. Seine Lebenserfahrung war dabei hilfreich.
26.03.2011 23:16 •
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