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Ich habe hier gerade rumgelesen und stieß mal wieder auf die (richtige!) Erklärung, dass Panik uns eigentlich auf Kampf oder Flucht vorbereiten soll, wenn es einen wirklichen Grund zur Angst gibt. Bei einer Angststörung ist das aus dem Ruder gelaufen, aber biologisch ist ja klar, dass es Sinn macht, wenn dann Puls, Blutdruck, Adrenalin etc. hochschnellen.

Nur: Bei einer Panikattacke geht es einem doch mies. Viele schwitzen, haben heftigen Schwindel, Übelkeit, sind fahrig und unkonzentriert - also eher Symptome, die in einer echten Gefahrensituation komplett kontraproduktiv wären?

Bei mir ist der Schwindel eines der größten Probleme und ich denke mir immer wieder: Ich habe Angst vor dem Umfallen, ich habe das Bedürfnis mich hinzusetzen oder festzuhalten - wenn wirklich was passieren würde und DAS die Angstreaktion meines Körpers ist, wäre ich ja aufgeschmissen und könnte nichtmal wegrennen
In Wirklichkeit war ich aber in kritischen Situationen bisher immer so abgelenkt und voll da, dass es zu Panikschwindel nicht kam. Wieso also dann Angstschwindel bei irrationaler Angst ohne wirklichen äußeren Anlass? Der Körper scheint ja durchaus unterscheiden zu können zwischen Wirklicher Grund zur Angst und Angst aus psychischen Gründen

07.01.2024 00:59 • 07.01.2024 x 2 #1


12 Antworten ↓


M
Moin moin

Deine Gedanken da sind völlig verständlich und dass es eigentlich irrational ist. Das ist Angst auch. Allerdings machen die Symptome, ggf sogar der Schwindel durchaus einen gewissen Sinn.
Prinzipiell sind das alles Symptomatiken, die wir als Mensch schon seit der Menschaheit haben und wie du schon sagst: das sind Fluch- und Defensivverhalten
Um esin Kürze zu erklären: Übelkeit und andere sanitäre bedürfnisse kommen daher, dass der Körper im wahrsten Sinne erleichtern will (also weniger Gewicht mit sich rumschleppen muss) und dadurch schneller rennen kann. Schwitzen (und ggf Schwinde) kommen daher, dass der Blutkreislauf mit dem Adrenalin ansteigt und so eben zum Schwitzen kommt (und ggf auch einem Druck im Kopf durch hohen Blutdrück, der als Schwindel und Kopfschmerzen wahrbgekommen werden kann).
Die Fahrigkeit kann mitunder daher kommen, dass dein Körper und Verstand nach möglichen Fluchtrouten sucht und auf die schnellste Art eben die Umgebung nach möglichen Routen oder Verstecken sucht. Also kanns dir dann vorkommen, dass du dich fahrig und hektisch fühlst, da in Gefahren jede Millisekunde zählt und dein Körper und Verstand dann wirklich auf Hochtouren läuft.
Wenn du das so nimmst ist das rein biologisch irgendwo doch sinnvoll (korregier mich bitte wenn ich da falsch liege oder was vergessen habe).

Wenn du allerdings durch eine Erfahrung aus einer früheren Situation etwas übersensibilisiert bist, dann ünterscheidet dein Verstand nichtmehr zwischen rewaler oder eingebildeter Gefahr, ruft dieses Ereignis in der selben oder ähnlichen Situation/Umgebung immer wieder ab und sendet dann eben wieder die gleichen Signale an deinen Körper.

Ich hoffe, das war in meiner Müdigkeit einigermaßen verstndlich, ansoinsten frag gerne nochmal nach wenn was offen ist

07.01.2024 01:37 • x 2 #2


A


Warum fühlt man sich bei Panikattacken schlecht und hilflos?

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F
Zum Angstschwindel kommt es häufig aufgrund einer psychischen Belastungssitution,aber auch aufgrund der klassischen Angst vor der Angst,dem Teufelskreis,also der Angst vor der nächsten Ereignis.
In deinem Fall reicht also schon die Angst vor dem Umfallen aus um die nächste Attacke zu provozieren.
Die Angst umzufallen ist ja schon irrational.Wer fällt denn bitte einfach so um?
Einen äußeren Anlass braucht man dazu oft gar nicht,denn die Angst vor der Angst reicht schon völlig aus.
Bei mir war es am Ende sogar so,dass ich gar nicht mehr wusste warum ich Angst hatte.
Das war wie ein Gewitter an Ängsten die mich fast in den Wahnsinn getrieben haben.
Ich denke letztendlich sind es die oft kurzen Zeitabstände zwischen den Attacken die alles so gefährlich machen.
Wenn jemand mit einem Messer hinter dir her ist verschwindet du im nächsten Hausflur oder rennst nach Hause.Die Gefahr ist erstmal nicht mehr da.
Bei der Angst vor der Angst steht dein Gehirn unter einem ständigen Adrenalinschub und kann sich oft gar nicht mehr erholen.
Das ist es letztendlich auch was nicht wenige in den Wahnsinn treibt und alles so gefährlich macht.

07.01.2024 01:38 • x 3 #3


weyoun
Bei einer Panikattacke kann man gar nicht umfallen, hat mir mal eine fähige Therapeutin versichert. Blutdruck, Puls etc. sind derart hoch, daß es gar nicht möglich ist, bewusstlos (=zu niedriger Blutdruck usw.) zu werden.

Wir sind in diesen Paniksituationen völlig auf Kampf oder Flucht eingestellt, das hat Du ganz richtig erkannt. Unser Körper stellt alles dafür Benötigte in Form von erhöhter Aufmerksamkeit, Ausschüttung von Stresshormonen, erhöhter Muskelspannung, mehr Herzaktivität usw. bereit.

Jetzt kommt das große ABER: dieses Gesamtpaket - ich nenne es jetzt mal einfach 'Energie' - rufen wir dann nicht ab. So, als würde der Gang im Auto auf Leerlauf stehen, während wir voll aufs Gas treten. Der Körper muss die Energie aber irgendwohin ableiten, die kann nicht einfach so 'da sein'. Also kommt es zu überschießenden körperlichen Symptomen, wie Zittern, Herzrasen, Schwitzen, usw.

Mein Kardio sagte mir mal, eigentlich müsste man auf dem Peak der Panikattacke eine Runde Joggen. Und wenn es mitten im Supermarkt ist. Macht natürlich keiner.

Ich hab auch viel mit diesem dämlichen Schwindel zu tun. Ich muss mir immer wieder klarmachen, daß der Schwindel nicht die Ursache für die Panik ist, sondern andersrum.

07.01.2024 01:52 • x 2 #4


Schlaflose
Zitat von weyoun:
Mein Kardio sagte mir mal, eigentlich müsste man auf dem Peak der Panikattacke eine Runde Joggen. Und wenn es mitten im Supermarkt ist. Macht natürlich keiner.

Meine erste PA (mit Hauptsymptom Schwindel und das Gefühl umzukippen oder gleich tot umzufallen, daraufhin Herzrasen und Schweißausbruch) hatte ich in in einem Buchladen. Ich bin intuitiv rausgestürzt und mehrmals hintereinander die Straße rauf und runtergerannt (nicht gelaufen, nur sehr schnell gegangen) und traute mich nicht stehenzubleiben, weil ich dachte, wenn ich das tue kommt das Ohnmachtsgefühl wieder. Nach ca. 10 Minuten versuchte ich es mit langsamer machen und dann auch stehenzubleiben und da war nichts mehr.

07.01.2024 09:17 • x 1 #5


A
Ich danke euch allen für die Erklärungen. Ich verstehe es jetzt besser.
Sanitäre Bedürfnisse (schöne Formulierung ) habe ich komischerweise nie. Das mit der Fahrigkeit hast du super beschrieben @Marc_Sky, klingt so total logisch!

Zitat von Faultier:
Die Angst umzufallen ist ja schon irrational.Wer fällt denn bitte einfach so um?

Das stimmt. Selbst wenn mir wirklich mal der Kreislauf abrauscht ist immer noch genug Zeit sich hinzuhocken, wenn nichts zum Hinsetzen da ist (komischerweise bekomme ich da seltenst Panik).
Bei mir ist eher der Gedanke Schwindel - Könnte stärker werden - könnte mich nicht mehr halten können - könnte stürzen
Und dann geht das innere Abwägen los Kann ich einfach weitergehen/stehen/warten? oder Ist jetzt der Punkt erreicht, wo ich mich irgendwo festhalten oder hinsetzen muss?.

Zitat von Faultier:
Bei mir war es am Ende sogar so,dass ich gar nicht mehr wusste warum ich Angst hatte.

Kenne ich. Es war (bzw. ist momentan wieder) einfach nur Angst vor Schwindel, Angst vor Angstschwindel und Angst vor lauter Schwindel nicht mehr allein fertig zu bringen, was ich dann gerade tu. Also zum Beispiel bei langen Spaziergängen Wenn der Schwindel jetzt heftig ist und ich nicht weitergehen kann, dann sitz ich hier auf dem Feldweg fest. Total bescheuert. Wenn ich aus so einer Phase raus bin, kann ich diesen Gedankengang selbst nicht mehr so recht verstehen. Aber wenn ich noch drin bin, ist der allgegenwärtig.
Rational sage ich mir dann: Dann setz ich mich auf den Boden und wenn es Stunden dauert, irgendwann gehts weg und ich gehe nach Hause! oder Dann ruf ich meinen Freund an und der würde mich natürlich sofort abholen (machen musste ich beides noch nie). Aber mir gut zureden, dass selbst wenn mein Horrorgedanke eintritt, mir schnell geholfen werden kann, hilft mir nicht, dass ich entspannt bin.

Zitat von weyoun:
Mein Kardio sagte mir mal, eigentlich müsste man auf dem Peak der Panikattacke eine Runde Joggen. Und wenn es mitten im Supermarkt ist. Macht natürlich keiner.

Könnte ich gar nicht. Der Schwindel ist bei mir viel zu dominant, da habe ich schon Gangunsicherheit und an Joggen ist nicht zu denken. Ich kann es mir schon eher vorstellen wenn die PA langsam abklingt oder wenn man rechtzeitig merkt, dass sich was anstaut.

Zitat von weyoun:
Ich muss mir immer wieder klarmachen, daß der Schwindel nicht die Ursache für die Panik ist, sondern andersrum.

Geht mir auch so. Fällt mir aber schwer, wenn ich den Schwindel als erstes wahrnehme. Eigentlich weiß ich ja, dass da dann schon unterbewusst irgendeine Anspannung dagewesen sein muss. Aber es schleicht sich dann doch der Gedanke ein Es war doch alles gut und dann kam der Schwindel, nur deshalb folgte dann Panik!

07.01.2024 17:45 • #6


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Zitat von Alligato:
Geht mir auch so. Fällt mir aber schwer, wenn ich den Schwindel als erstes wahrnehme. Eigentlich weiß ich ja, dass da dann schon unterbewusst irgendeine Anspannung dagewesen sein muss. Aber es schleicht sich dann doch der Gedanke ein Es war doch alles gut und dann kam der Schwindel, nur deshalb folgte dann Panik!

Nehm dir Zeit, das zu üben und zu verinnerlichen. Musste und muss ich aucn (immernoch, aber auch bei anderer Symptomatik). Und hetz dich vorallem nicht damit schnell gesund zu sein zu müssen oder es für jemand anderes sewin zu müssen bzw deren Erwartungen zu erfüllen. An erster Stelle kommst du selber und du setzt dir die Zeit die DU dafür brauchst.
Selbst wenn es eine Zeit brauch alkleine nur das zu verinnerlichen, nehm dir die ruhig. Wie gesagt: Muss ich auch und jeder andere genauso

07.01.2024 17:54 • #7


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Zitat von Marc_Sky:
Nehm dir Zeit, das zu üben und zu verinnerlichen. Musste und muss ich aucn (immernoch, aber auch bei anderer Symptomatik). Und hetz dich vorallem nicht damit schnell gesund zu sein zu müssen oder es für jemand anderes sewin zu müssen bzw deren Erwartungen zu erfüllen. An erster Stelle kommst du selber ...

Danke sehr, das tut richtig gut zu lesen.
Ich ärger mich momentan ein bisschen, weil ich zwischendurch schon einige Jahre frei von dem Mist war und alles gemacht habe. Juni 2023 ging es wieder los und momentan sind viele Aktivitäten für mich unvorstellbar und eine richtige Überwindung, worauf ich mich vorher gefreut habe und keine negativen Gedanken hatte

Wir waren z.B. öfter in den Harz gefahren und sind dort gewandert. Mir war nur einmal an einem steilen Wanderweg ohne Begrenzung seeehr unwohl beim Runtersehen. Ich habe mich da an meiner Begleitung festgeklammert, obwohl da etliche Menschen normal langliefen, aber mir war das zu hoch. Das war aber fast lustig, weil es eben eindeutig die Höhe war und auf dem Rückweg ging es mir direkt wieder pudelwohl. Und ich hatte auch keine Angst vor der nächsten Tour.

Heute: Zwinge ich mich um den Block zu spazieren...

07.01.2024 18:11 • #8


M
@Alligato Kenn ich gut, ging mir zwischendurch auch so. Rückfälle gibts halt, aber das zeigt da nur, dass irgendeine Baustelle noch offen ist, die du vorher vielleicht nicht gekannt hast. Ist eigentlich kein Grund dich zu ärgern, aber versteh deinen Frust da zu gut

07.01.2024 18:12 • x 1 #9


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Zitat von Marc_Sky:
@Alligato Kenn ich gut, ging mir zwischendurch auch so. Rückfälle gibts halt, aber das zeigt da nur, dass irgendeine Baustelle noch offen ist, die du vorher vielleicht nicht gekannt hast. Ist eigentlich kein Grund dich zu ärgern, aber versteh deinen Frust da zu gut

Hast du deine Rückfälle dann schneller wieder in den Griff bekommen, weil man ja schon mehr weiß und versteht?

07.01.2024 18:15 • #10


M
@Alligato Einige ja, an anderen arbeite ich momentan. In beiden Fällen war/ist es doch jedsmal ein (neuer) Kampf, aber etwas Hintergrundwissen hilft da idR um das ganze zu verstehen und dem zumin dest en wenig die Angst zu nehmen

07.01.2024 18:41 • #11


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Zitat von Marc_Sky:
@Alligato Einige ja, an anderen arbeite ich momentan. In beiden Fällen war/ist es doch jedsmal ein (neuer) Kampf, aber etwas Hintergrundwissen hilft da idR um das ganze zu verstehen und dem zumin dest en wenig die Angst zu nehmen

Das klingt doch sehr gut! Man merkt ja auch sofort, dass du schon ziemlich gut weißt, wovon du sprichst.
Ich wünsche dir alles Gute, dass du bald komplett angstfrei bist!

07.01.2024 18:45 • #12


M
@Alligato Danke ebenso Wenn du Hilfe brauchst schrei einfach bescheid

07.01.2024 18:46 • x 1 #13


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