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Liebe Mitforisten,

ich habe eine Frage, die wahrscheinlich erst einmal ein bisschen doof klingt, aber mich wirklich verunsichert: kommt das häufiger vor, dass man keine eindeutige Diagnose bekommt?

Zu meinem Hintergrund: ich hatte nach einer extrem stressigen Phasen während eines Auslandsaufenthaltes Anfang des Jahres einen Zusammenbruch und bin immernoch arbeitsunfähig. Nach längeren bürokratischen Problemen mit Krankenversicherung usw. hatte ich letzen Monat endlich das lang ersehnte Erstgespräch bei der psychosomatischen Ambulanz der Uniklinik in meiner Stadt. Nun hat mich das Ganze ziemlich verunsichert zurück gelassen.

Die Psychologin hat zu mir nach einem circa 40-minütigen Gespräch gesagt: Sie passen diagnostisch in keine Schublade. Ich muss einmal schauen, ob ich Ihnen im Bericht dann eine Anpassungsstörung, eine Angststörung und Depression gemischt oder eine Panikstörung aufschreibe. Als Therapie-Maßnahme sollte ich dann selbst entscheiden, ob ich eine Tagesklinik oder ambulante Therapie für besser halte und hierbei eine tiefenpsychologische Therapie oder eine Verhaltenstherapie machen möchte. Auf die Frage, ob sie denkt, dass ich eine medikamentöse Behandlung brauche, sagte sie: Sie sind ein Grenzfall, was wären denn Ihre Präferenzen?

Ich bin dann erstmal nach Hause gegangen und habe die Begriffe gegoogelt. Es stimmt auch, was sie gesagt hat, meine Symptome passen nicht genau zu einer bestimmten Erkrankung. Es fehlen eigentlich immer bestimmte Schlüsselkriterien, die für die Diagnose eigentlich vorhanden sein sollten, z.B. wenn es um die Diagnose Panikstörung geht, ich habe keine Panikattacken, aber durchaus Angstzustände. Es ist eher eine Mischung aus Symptomen verschiedener Erkrankungen. Ich bin nun extrem verunsichert und frage mich, ob das häufiger vorkommt?

Vielen Menschen ist es wahrscheinlich egal, wie die Diagnose genau lautet, aber mir macht das ziemliche Sorgen, dass ich auf nichts so richtig passe. Es lässt mich befürchten, dass ich doch irgendetwas anderes habe, was nicht erkannt wurde. Ich habe das auch im Gespräch mehrfach geäußert, dass mich diese Ungewissheit sehr belastet, darauf wurde nicht weiter eingegangen. Auf Nachfragen meinerseits habe ich einen Folgetermin in einem Monat erhalten, ansonsten versuche ich momentan, einen Platz für eine ambulante Psychotherapie zu finden.

Ich würde daher gern wissen, ob es auch Anderen so geht/ ging? Wie ist das mit einer Psychotherapie, ist das hinderlich, wenn man keine genaue Diagnose hat?

Viele Grüße an alle

06.07.2025 20:11 • 07.07.2025 #1


12 Antworten ↓


Hi. Erst einmal kann ich deine Frustration über die Diagnosenmisere gut verstehen. Es gibt hier einige, die in kein richtiges Muster passen. Mich eingeschlossen. Ich kann dir nur sagen, dass es keine Diagnose braucht um eine ambulante Therapie zu starten. Ich habe erst mit der Therapeutin zusammen herausgefunden was meine Ängste eigentlich verursacht hat und wie es dann zu meiner Krise/Zusammenbruch ebenfalls gekommen ist. Am besten soll sie Anpassungsstörung in den Bericht schreiben, dann hat die Krankenkasse etwas, was eine Therapie rechtfertigt und dann findest du während der Therapie sicher einige Baustellen heraus, die sich in diese Situation gebracht haben. Jeder Mensch trägt seine Päckchen und es ist nicht immer nur eine einzige Sache, die einen zum Zusammenbruch bringt. Meist ist es ein Bündel aus vielen verschieden und teils schon lange zurückliegenden Vorkommnissen. Also Therapie auf jeden Fall aber Medikamente würde ich erst einmal versuchen zu vermeiden, solange es dein Zustand zulässt. Sie stützen eh nur und die Arbeit der Heilung übernimmst du dann selbst. Alles Gute für dich

A


Keine eindeutige Diagnose

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@Molly1605 Vielen Dank! Das beruhigt mich einfach schon sehr, zu wissen, dass es auch anderen so geht und ich keine komische Ausnahme bin.

@Miray du bist zu 100% nicht allein damit und auch ganz sicher nicht komisch. Es ist manchmal sogar sehr hilfreich, dass Diagnosen nicht sofort gestellt werden. Oft ist es übereilt und trifft auch gar nicht zu. Ein Mensch, der dich 40 min gesprochen hat, kennt dich nicht mal zu einem Bruchteil und soll dann über deinen Zustand urteilen können ohne deine ganze Geschichte zu kennen. Das ist schlicht unmöglich. Ich habe meine Therapie jetzt schon ein paar Monate und wir kommen immer noch auf Themen zu sprechen, die meine Therapeutin noch nicht von mir gehört hat. Das fließt alles in die Diagnosefindung mit ein. Und um ganz ehrlich zu sein… Diagnosen sind doch nur für die Abrechnung wichtig. Für dich selbst, braucht es keinen Stempel, sondern nur Hilfestellung um mit deiner Situation gut umgehen zu können.

@Molly1605 Das ist auch wieder wahr, so habe ich das noch nicht betrachtet. Aber es macht Sinn, dass eine übereilte Diagnose auch nicht gut ist. Wahrscheinlich liegt das an meiner großen Versicherung aufgrund des Zusammenbruchs, dass ich im Moment am liebsten alles ganz eindeutig und sicher hätte. Mit dieser Unsicherheit muss ich jetzt wohl auch erstmal umgehen lernen.

@Miray meine Therapeutin hat auf meine Frage hin, welche Diagnose sie für mich wählen würde und meiner Angst, dass ich jetzt immer die Erkrankung haben werde geantwortet, dass ich eine große Krise hatte, die meinen Körper hat zusammenbrechen lassen. Da hat sich einiges unverarbeitetes angesammelt und dann hat es geknallt. Warum also sollte ich jetzt immer in dieser Krise stecken bleiben?! Damit hat sie mich vollkommen von meinem Wunsch nach einer Diagnose abgebracht, denn sie hat recht! Ich muss nicht wissen was das für eine Krise war, ich muss nur lernen zu erkennen, was sie ausgelöst hat.

Ich bin praktisch durch fast alle Diagnosen durch, von Anpassungsstörung, Burn Out zu Depresion über Panick ... und ein paar anderen Diagnosen. Durch das halbe ABC So what? Egal wie es heist es behindert dich, also mach was du kanst dagegen. Ich habe etwas über ein Jahr gebraucht um wieder Land zu sehen. Jetzt stehe ich wieder darauf!
Nim was du kannst bis du dein Lächeln wieder gefunden hast.
Sehr liebe Grüße
Kara

Zitat von Miray:
kommt das häufiger vor, dass man keine eindeutige Diagnose bekommt?

Ja, das kommt sehr oft vor. Nur selten kann man eine vorübergehende psychische Störung
unter einer bestimmten Diagnose zusammenfassen.

Zitat von Miray:
Ich bin nun extrem verunsichert und frage mich, ob das häufiger vorkommt?

Ich denke, für eine Verunsicherung gibt es hier keinen Grund.

Zitat von Miray:
mir macht das ziemliche Sorgen, dass ich auf nichts so richtig passe. Es lässt mich befürchten, dass ich doch irgendetwas anderes habe, was nicht erkannt wurde.

Ich glaube eher nicht, dass bei Dir etwas nicht erkannt wurde. Scheinbar hast Du teilweise so
Deine eigenen Vorstellungen, wie das in der Psychologie zusammen hängen sollte.

Ich sage das deswegen, weil Du auf meine Texte in der Zeit als Du hier ins Forum gekommen bist
fast nie geantwortet hast.
Damit ist es dann eher schwierig, in helfende Gespräche einzusteigen.

Zitat von Miray:
Die Psychologin hat zu mir nach einem circa 40-minütigen Gespräch gesagt: Sie passen diagnostisch in keine Schublade. Ich muss einmal schauen, ob ich Ihnen im Bericht dann eine Anpassungsstörung, eine Angststörung und Depression gemischt oder eine Panikstörung aufschreibe.

Sieh mal, sogar die Fachfrau kann bisher schwer eindeutig etwas erkennen.
Damit sie besser einschätzen kann, was Dich eventuell belasten kann, solltest Du offen etwas erzählen.
Sonst kann sie nur versuchen zu erraten, was Dich belastet.

@Miray
Hi Miray!
Mir hat man erklärt, gerade wenn man psychisch mit irgendwelchen Buchstaben und Zahlen einer Diagnose versehen wird, ist es ganz schwer bis kaum möglich, jemals diese Schublade wieder zu verlassen. Die Therapeutin ist vorsichtig, umsichtig und sehr auf Dich und Deine Zukunft bedacht -- sei ihr dankbar!
Krankenkassen und Versicherungen beispielsweise springen auf so Diagnosen extrem übervorsichtig an. Es ist zu DEINEM Schutz. Gerade wenn es nur ein Burnout gepaart mit irgendwas-aus-der-Kimdheit ist, kann man Dir nachhaltig helfen, Dich hoffentlich gut da raus holen -- und gut is. Ein Diagnosestempel a la einen-an-der-Klatsche-haben (liebevoll gemeint, ich hoffe, Du verstehst wie ich das meine) ist angeblich nicht ganz ohne bzw gefahrenlos.
Vertraue, genieße (ich vermute nämlich, sie denkt, dass man Dir helfen kann!) und warte ab.
Alles Liebe und Gute

@Miray

Oh wow, willkommen im Club der „Schubladenverweigerer“. Ernsthaft – du glaubst gar nicht, wie viele Menschen nach solchen Gesprächen genau so verwirrt rauslaufen wie du. Und das liegt nicht an dir. Sondern an einem System, das am liebsten klare Stempel vergibt, obwohl echte Menschen halt nicht nach ICD-10 ticken.

Natürlich ist das frustrierend. Du gehst da hin, erwartest endlich Orientierung, und dann sagt dir jemand sinngemäß: „Naja, so richtig passen Sie nirgends rein. Ich schreib da mal irgendwas rein, was halbwegs passt – schauen Sie selbst, was Sie brauchen.“ Ganz ehrlich: Das ist keine professionelle Begleitung, das ist symptomatisches Jonglieren. Und es ist auch kein Wunder, dass du jetzt Angst hast, „dass es was anderes sein könnte, was keiner merkt“. Wenn du in einem Zustand bist, wo du dich eh nicht mehr sortieren kannst, und dir dann jemand genau diese Unsicherheit zurückspiegelt, brennt’s innerlich natürlich komplett durch.

Aber hier kommt der Realitätsschlag, den du vielleicht brauchst: Diagnosen sind oft Krücken. Konstrukte, um abrechnen, einordnen, verwalten zu können. Keine heiligen Wahrheiten. Du bist kein „Grenzfall“, weil du komisch bist – sondern weil das, was du gerade durchmachst, komplex ist. Und das ist menschlich. Gerade nach einem totalen Zusammenbruch plus Systemstress (Versicherung, Ausland, Isolation), reagiert das Nervensystem halt nicht nach Lehrbuch.

Und dass du keine Panikattacken hast, aber Angst – ja, welcome to the grey zone. Vielleicht ist es keine Panikstörung, sondern eben Angst als Symptom einer Überforderung, die noch gar keinen Namen braucht. Oder vielleicht was ganz anderes. Weiß man nach 40 Minuten eben nicht. Und das ist der Punkt, den du dir klarmachen musst: Es ist völlig normal, dass die erste Diagnose nicht der Endgegner ist.

Aber wenn du jetzt nur noch rumgrübelst, ob „etwas übersehen wurde“, dann hängst du fest in der Illusion, dass eine eindeutige Diagnose dir Sicherheit gibt. Tut sie nicht. Und die Frage ist eher: Was machst du, solange du noch keine hast? Richtig: du fängst trotzdem an. Therapie ist nicht nur für Leute mit sauberer Etikettierung. Und manchmal zeigt sich die Klarheit auch erst in der Beziehung zur Therapeutin, nicht im Diagnosekatalog.

Also ja – es geht vielen so wie dir. Und nein – es ist kein Hindernis für Therapie. Es ist nur ein Hindernis, wenn du meinst, du dürftest erst losgehen, wenn jemand dir genau sagt, was du hast. Du hast was. Du brauchst Hilfe. Das reicht. Alles andere klärt sich unterwegs – nicht vorher.

und am Ende geht es ja auch nicht da drum, eine Diagnose zu bekämpfen, sondern deine Symptome.
wie deine Symptome am Ende nach ICD Code heißen, ist unterm Strich ja eigentlich vollkommen irrelevant.

als Beispiel:
Du klagst öfters über Bauchschmerzen und dir hilft es eine Banane zu essen. Dann gehst du zu einem Arzt, der sagt dir das ist ICD Code 123, dagegen hilft Apfel.
Jetzt fängst du an Apfel zu essen, der macht es aber wirklich überhaupt gar kein Stück besser.

Also, was macht jetzt mehr Sinn? Weiterhin deine Banane zu essen auch wenn das nicht das ist, was Standard bei Bauchschmerzen ist, oder Apfel fressen, weil es auf dem Papier steht?

Vielen Dank für eure Antworten!
Sie helfen mir sehr weiter, das alles etwas besser einzuordnen. Daran, dass eine zu enge Diagnose auch schaden kann, hatte ich z.B. gar nicht gedacht. Für mich ist alles, was mit Psychotherapie zu tun hat, vollkommenes Neuland. Und da es bei körperlichen Erkrankungen ja eher so ist, dass man nach 5 Minuten Symptom-Abfragen beim Arzt mit einer Diagnose raus kommt, und es meist ein schlechtes Zeichen ist, wenn z.B. ein Neurologe sagt Ich weiß nicht genau, was Sie haben, hatte ich irgendwie angenommen, dass es in der Psychologie auch so ist. Dieses ständige Sich-Sorgen-Machen und Hinterfragen ist definitiv auch ein Teil des Problems. Ich würde die ganze Situation auch wirklich gerne mit mehr Ruhe und gesundem Menschenverstand angehen, aber das kriege ich leider im Moment noch nicht hin. Daher bin ich sehr dankbar für dieses Forum, wo man auch die dummen Fragen stellen kann.

Vielen Dank und einen schönen Tag euch!

@Miray hi!
Ich hatte ein ähnliches Problem. Allerdings dahingehend, dass meine Psychiaterin aus heiterem Himmel eine Diagnose gestellt hat, die völlig aus der Luft gegriffen schien.
Ich bin derzeit in der Tagesklinik und hier haben sie diverse Tests mit mir gemacht. Ich hatte Gespräche mit Therapeuten und Psychiatern. Am Mittwoch werde ich entlassen mit einem 6 seitigen Bericht und einer Diagnose, mit der ich mich auch identifizieren kann.
Vielleicht ist die Tagesklinik auch was für dich um die Chance zu bekommen alles richtig abzuklopfen.
Mir war es nämlich auch wichtig eine sauberer Diagnose zu erhalten.
Vg
Tina

@TiWa Danke für die Anregung! Daran hatte ich auch noch nicht gedacht, dass dafür eine Tagesklinik vielleicht auch nochmal besser geeignet ist.

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