Ich wohne in München und studiere Deutsch und Biologie auf Lehramt.
Mein Leben läuft schon seit 2 1/2 Jahren völlig aus dem Ruder.
Ich kann einfach nicht mehr...
Es wäre viel zu zeitaufwändig, wenn ich hier jedes kleinste Detail aus meiner Vergangenheit erörtern würde, weswegen ich mich selbstverständlich auf das Nötigste beschränken werde.
Da ich schüchtern und alles andere als selbstsicher bin, wurde ich während meiner ganzen Schulzeit gemobbt. Mal mehr, mal weniger. Auch das hat seelische Wunden hinterlassen.
Hatte nie mehr als 1-2 Freundinnen, dafür aber ehrliche, darauf kam es mir an.
Jetzt aber zu dem eigentlichen Problem.
Vor gut 2 1/2 Jahren gab es bei mir zu Hause teils richtig heftigen Streit, welcher lange andauerte.
Hintergrund: Meine Eltern kommen aus der Türkei und es gab einfach einige Unstimmigheiten, was meinen Freiraum angeht.
Wir sind Aleviten, also liberale Muslime (Viele Aleviten sehen sich nicht mal als solche und wollen auch nicht als Muslime bezeichnet werden, mal so ganz nebenbei.), wobei meine Eltern eigentlich nie wirklich gläubig in Bezug auf die Ausübung der Religion waren.
Die Verbote bezogen sich auf das Übliche, sprich: Kein Freund, wenn doch, dann kurz kennenlernen und dann heiraten, bla bla, die übliche Leier halt.
Viel Liebe habe ich leider nie von meinen Eltern erfahren, meine Mutter sprach meist nur mit mir, wenn ich sie anredete, und falls ich es denn tat, war sie meist von den Themen genervt...
Immer redest du dasselbe, du nervst einfach nur noch – Und schon ging sie aus dem Raum und verschloss die Tür genervt hinter sich.
Mein Vater ist ebenfalls depressiv, doch was er hat, das weiß ich nicht. Ich habe nur mal gehört, wie meine Oma mit meiner Mutter über seine Kindheit sprach, als sie mich in meinem Zimmer vermutete, ich stand jedoch versteckt an einer Seite der Wohnzimmertür, jedoch knarrte der Boden bei einem Schritt, sodass meine Oma sofort ihr Wort unterbrach und meiner Mutter ein leisesssshhhh zuwarf. Ich habe leider nicht wirklich etwas mitbekommen, weiß nur, dass es anscheinend um seine Kindheit ging, für mehr reichen meine übrigen Brocken türkisch nicht aus. Er sitzt jedenfalls die meiste Zeit völlig demotiviert und traurig im Wohnzimmer herum, am Fernseher oder Laptop, sofern er nicht arbeiten ist. Falls er arbeiten muss, kommt er anschließend total kaputt nach Hause und legt sich sofort schlafen. Das nehme ich ihm nicht übel, da seine Arbeit wirklich ein Knochenjob ist, aber mich macht es einfach fertig, dass ich nie seine Liebe erfahren durfte.
Das zu den allgemeinen Hintergründen.
Der Wunsch nach mehr Freiheit, besser gesagt einfach nur einer Beziehung ohne unbedingte Garantie (Wann gibt es die schon?), sprich einer baldigen Heirat, wurde von ihnen ständig komplett missverstanden und als sich durch die Weltgeschichte vö... wollen verstanden.
Dabei wollte ich einfach nur einen Partner haben und abends ausgehen dürfen.
Während der Streitereien blieb es nicht nur bei dem Thema, da wir in diesen Situationen immer extrem wütend aufeinander waren, wurde natürlich den jeweils anderen alles an den Kopf geworfen, was einen an der Person stört, teilweise auch völlig veraltete Tatsachen und Geschehennisse, die aber trotzdem emotional belastend waren, wenn man daran erinnert wurde.
Irgendwann, nach knapp zwei Jahren Streit, sah mein Vater ein, wie kaputt er mich eigentlich gemacht hatte. Seine Erkenntnis kam hauptsächlich dadurch, dass ich eine stationäre Therapie in Anspruch nehmen musste und ich merkte wirklich sehr, wie traurig er es anscheinend fand, mich dorthin quasi befördert zu haben. Er versprach, sich zu ändern.
Ich durfte mit Freundinnen ausgehen, bis in die Morgenstunden des nächsten Tages, er beschwerte sich nicht mehr über solche Dinge. Einen Freund erlaubte er mir auch, obwohl er weiterhin nicht gerade begeistert klang, wenn ich ihm beispielsweise erzählte, dass ich mich mit einem netten Mann in der Bar unterhalten habe. Oft hatte ich das Gefühl, dass der Vaterinstinkt bei ihm wirklich übermäßig ausgeprägt war, ich war immer das kleine Mädchen, das vor allem beschützt werden musste und er gestand sogar mal, dass ihn der Gedanke irgendwie verrückt machen würde, sich seine kleine Tochter mit einem Mann vorzustellen.
Seitdem ging es kurze Zeit bergauf.
Doch dann der große Schock.
Eines Tages fuhr ich von der Schule zurück nach Hause.
Mir wurde plötzlich und ungelogen aus heiterem Himmel schwindelig, meine Arme und Beine begannen zu zittern und ich merkte, wie sie begannen einzuschlafen, ich begann zu hyperventilieren, zu schwitzen, mein Herz schlug fast ununterbrochen, mein Blick wurde immer eingeschränkter.
Gott sei Dank befand ich mich gerade auf der Durchfahrt in einem Dorf, hatte die Bushaltestelle kurz vor mir und hielt dann auf dieser Spur.
Ich dachte ungelogen in dem Moment, ich würde sterben.
Seitdem ging es eingentlich nur noch bergab.
Ich traute mich nicht mehr ans Steuer, bildete mir krankhaft lauter Krankheiten ein, schon beim kleinsten Ziepen vermutete ich etwas Tödliches, traute mich gar nicht mehr alleine aus dem Haus, aus Angst, plötzlich in Ohnmacht zu fallen oder sogar zu sterben.
Ich lernte einen Arzt kennen, mit dem ich super reden konnte. Er hatte die Fähigkeit, mir unglaublichen Mut zu machen. Ich begann, wieder kurze Wege von zu Hause aus zu laufen.
Die Angst schien im ersten Moment wie besiegt.
Nach dem Abitur beschloss ich mich, meine damaligen Lieblingsfächer in der Schule auf Lehramt zu studieren. Ich zog dafür nach München, meine Eltern legten überhaupt keinen Einspruch gegen den Auszug von zu Hause ein, sondern betonten, stolz auf mich zu sein, da ich so viel Wert auf Bildung und damit eine geregelte Zukunft legen würde.
Am Anfang war ich voller Lebensfreude und habe mich richtig gut gefühlt, habe es als eine Art Neuanfang gesehen. Doch das war auch bald schon vorbei.
Als ich mal in der U-Bahn saß, wurde mir plötzlich schwindelig, ich glaube ich entging nur knapp einer erneuten Attacke. Seitdem bin ich wieder in meiner alten Situation und lebe jeden Tag mit der Angst vor dem Umfallen, vor Krankheiten etc.
Zu allem Überfluss wurde mein Vertrauen gänzlich missbraucht.
Ich vertraute mich einigen ebenfalls türkischstämmigen jungen Frauen an, welche ich in München kennengelernt hatte. Anfangs machten sie einen sehr hilfsbereiten Eindruck und schienen mich erstzunehmen, jedoch merkte ich schon bald, wie sie meine psychische Labilität ausnutzten und mich davon überzeugen wollten, das ungläubige Alevitentum zu verlassen und zu dem richtigen Islam zu finden.
Sie erzählten mir immer mehr religiöse Geschichten, vor allem aber von Strafen, die einen für dieses und jene Vergehen erwarten, dass man schon als ungläubig gelte, wenn man nicht regelmäßig bete und keine guten Taten angenommen würden, dass der jüngste Tag angeblich gar nicht mehr so weit weg ist, etc
Seitdem habe ich eine enorme Angst vor Gott, mein ursprüngliches Gottesbild des liebenden Gottes ist seitdem wie zerschlagen, ich stehe schon morgens verängstigt auf und habe Angst vor dem, was mir eingeflößt worden ist. Gerade seitdem ist meine Angst vor Panikattacken und dem Sterben noch allgegenwärtiger geworden als sie es jemals war, ich kann einfach nicht mehr, bin mit den Nerven total am Ende...
Was würdet ihr mir raten?
Termine beim Psychologen haben mir leider bisher nicht helfen können und in die Psychiatrie möchte ich ehrlich gesagt nicht.
Könnt ihr mich aufmuntern oder ging es vielleicht jemandem ähnlich?
Sorry, dass es so viel geworden ist.
Liebe Grüße und einen schönen Abend @:)
22.02.2014 22:14 • • 25.02.2014 #1