Hallo!
Zitat:
In Deutschland wird in der zwischenzeit jede ZWEITE Ehe geschieden !
Was da los ?
Nun, die Ansprüche an die Qualität des ehelichen Verhältnisses sind wohl gestiegen, weil die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit nicht mehr schicksalhaft zu einer Ehe dazugehört. Früher hielten die meisten Ehen, weil mehr Frauen bereit waren, sich mit einem prügelnden Ehemann abzufinden, und weil auch sonst mehr Menschen bereit waren, ihr persönliches Wohlbefinden der wirtschaftlichen oder gesellschaftlich erwarteten Gemeinschaft zu opfern. War das besser? Hatten die Menschen deshalb weniger Ängste, oder nur anders gelagerte?
Für mich ist es schwer vorstellbar, dass Menschen durch Kriege, Hungersnöte und soziale Unterdrückung, von denen unsere Geschichte so reichlich zu bieten hat, vergnügt hindurchgetollt sein sollen und sich gesagt haben: Juppie, genau das Leben, mit dem ich nicht gegen meine eigentliche Natur lebe! Oder dass Kinder, die gar keine Gelegenheit hatten, zur Schule zu gehen, weil sie helfen mussten, die Familie zu ernähren, nicht unter Leistungsdruck standen. Dass U-Bahn Fahren meinen Nerven mehr zusetzt als stundenlang bei Wind und Wetter durch von Wölfen bevölkerte Wälder zu laufen.
Dass eine Gesellschaft mit dem Hang, Menschen auf Grund von Andersartigkeiten zu verbrennen, zu erschießen oder zu vergasen, weniger Angst auslösend gewesen sein soll als die, in der wir heute leben.
Allenfalls vorstellbar als technologischen Auslöser für wachsende Ängste finde ich: Fernsehen. Der Teller, auf dem wir lebten und über dessen Rand wir nicht hinaussehen konnten, war früher sehr viel kleiner. Das Ausmaß an Horror und Elend (sowohl real als auch herbeiphantasiert), das wir vor Augen hatten, beschränkte sich auf den eigenen Umkreis. Das Grauen der ganzen Welt, das nun täglich visuell auf uns einstürmt, geht vielleicht über das Verkraftbare hinaus und resultiert in tiefer Verunsicherung?
Ansonsten habe ich noch eine andere These: All die Ängste und psychischen Krankheiten hat es schon immer gegeben, nur die Begrifflichkeiten dafür haben sich verfeinert und die verschiedenen psychischen Befindlichkeiten damit aussprechbar, analysierbar und diskutierbar gemacht. Wenn ich mich in der letzten und vorletzten Generation meiner Familie so umsehe, hätte ein Psychotherapeut da reiches Futter gefunden und es mit viel buntem Fachvokabular diskutieren und therapieren können. Da dies aber noch nicht üblich war, wurden die psychischen Befindlichkeiten lediglich als charakterliche Eigenheiten gehandelt und somit auch nicht offiziell registriert und statistisch als Krankheiten verbucht.
Grüße, cbra
07.02.2012 11:07 •
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