Ich hatte auch immer wieder Schwierigkeiten mit Alk., ich habe es früher gegen die soziale Phobie eingesetzt.
Gleichzeitig aber wiederum machte der
Stress mir manchmal auch zu schaffen. Manchmal soff ich mich in
Kneipen um, bis ich nicht mehr konnte. Ich fragte mich zuweilen, ob ich
durch die Workoholic-Arbeit und die ständige Sauferei nicht vielleicht
auch etwas unterdrückte, etwas wegdrängte? Die Angst trieb sich immer
noch munter in mir herum und suchte einen Ausweg, sie versuchte
auszubrechen. Die Selbstzweifel, die traurigen Momente, die
Selbstunsicherheit, sie zermarterten mich immer noch. Ich war zwar im
Wesentlichen stabil und es ging mir so weit gut, aber eben auch nicht
immer. Durch die Sauferei machte ich mich manchmal ganz schön zum
Kasper. Ich wurde zwar in der Regel nicht aggressiv, aber zwei Mal war
ich so breit, dass ich ins Krankenhaus eingeliefert wurde, und einmal in
eine Ausnüchterungszelle, weil ich Blumen ausgerissen und Fahrräder
umgeworfen hatte. Ich fand manchmal einfach kein Ende. Das B.
schmeckte so gut, machte mich glücklich, frei, löste meine Stimmung
und Zunge. War ich ein Alk.? Ich ging zu einer Beratungsstelle:
Die sagten ganz klar: „Ja, Sie sind einer!“ Ich machte einen Kurs:
„Kontrolliertes Trinken“. Das half mir für ein halbes Jahr, dann soff ich
wieder bis ich mich zum Oberidioten gemacht hatte. Alleine, zu Hause,
trank ich so gut wie nie. In Gesellschaft immer. Gegen den Stress. Gegen
die Unsicherheit, gegen die Einsamkeit auch in Gesellschaft, gegen die
Angst, gegen die soziale Phobie. Ich habe versucht, die soziale
Unsicherheit durch Alk. zu beruhigen und machte sie dadurch erst
wieder groß und mächtig, das dumme Viech. Ich fütterte und mästete sie
mit B., Wein, Schnap., allem was ich kriegen konnte - was für ein
Fehler! Es war nicht so, dass ich ständig soff, aber viel zu viel,
mindestens alle zwei Monate hatte ich einen Filmriss, zweifelsfrei. Es
war aber auch so schön, stürze den Becher runter, die soziale Phobie
säuft sich voll und schläft ein und ich habe freie Bahn. Ich konnte mich
dann nett unterhalten, ohne zu zweifeln, ohne Traurigkeit, ohne
Blockaden - einfach gut. Ganz schlimm war regelmäßig der Tag danach,
wenn ich Kumpels anrufen musste, um zu fragen wie ich nach Hause
gekommen bin. Wenn ich fragen musste ob ich etwas angestellt oder
dummes Zeug gelabert hatte. Und am Tag danach hatte ich Depressionen
bis zum „geht nicht mehr“. Ich weinte dann oft, zog mir eine Decke über
den Kopf und stellte das Telefon aus. Dadurch, dass ich nur eine halbe
Stelle hatte ging das ja irgendwie, das bekam kaum jemand so richtig
mit. Ich lebte in meiner kleinen „Siff-und-Saufbude“ (12 Quadratmeter
für 150 Euro warm). Warm, ein Dach über dem Kopf, trocken, Strom,
ein Computer, Licht, ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Kühlschrank, das
WC und die Dusche auf dem Flur. Mehr brauchte ich nicht. Ich hockte
nach ganz schlimmen Nächten dann kotzend über dem Klo und mir
wurde mehr und mehr bewusst, dass ich nicht nur Depressionen und eine
soziale Angststörung, sondern auch noch ein heftiges Alk.
hatte. Ein Alk., welches durch meine Vermeidungstaktik und
das Alk. Ertränken der sozialen Phobie ausgelöst wurde. Nun,
eine soziale Phobie lässt sich nicht ertränken, die kann nicht absaufen.
Eine soziale Phobie hat überall noch Sauerstoff oder braucht vielleicht
gar keinen. Nach dem Suff war sie jedenfalls immer wieder präsent,
hellwach mit einem griesgrämigen: „Guten Morgen, Du Loser. Kennst
Du mich noch? Wir beide machen uns heute mal einen schönen Tag“,
und dann lachte sie laut und hämisch. Ich hatte alle Stadien durch, die
einen als Alki abstempeln. Ich wurde mehrfach darauf angesprochen,
dass ich zu viel trinke. Ich bekam latenten Ärger mit dem Gesetz. Ich
hatte Filmrisse, ging manchmal einfach nicht zur Arbeit, Signale voll auf
Rot.
Am allerschlimmsten war das schlechte Gewissen nach dem Suff, das
„Nicht-Wissen“ wie ich nach Hause gekommen war. „Oh Nein, nicht
schon wieder“ dachte ich oft beim Wachwerden. Der erste Blick nach
Portemonnaie und Handy. Der Blick nach den Nachrichten, welche ich
im Suff geschrieben hatte. Manches Mal war es arg peinlich, oft für mich
nicht akzeptabel, ein langsamer Abstieg, dem ich bei mehr oder minder
vollem Verstand beiwohnte.
09.02.2015 08:36 •
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