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Hallo,
ich schreibe hier in der Hoffnung ein paar Leute zu finden, die nachvollziehen können wie es mir geht und eventuell auch auf ein paar Erfahrungen (wobei ich niemandem wünsche, so etwas zu durchleben).
Mittlerweile bin ich altbekannter Angstpatient, in meinem Leben hat sich vieles verändert, doch, und das werden wahrscheinlich viele kennen, die Angst ist stets geblieben.
Das Schlimme daran ist, dass sich die Angst ständig weiterentwickelt und wächst, den Bereich wechselt und mittlerweile sogar die Kontrolle über mein Leben hat.
Angefangen hat alles vor ca. 5 Jahren, die Gründe sind mir bekannt, der unglaubliche Stress der letzten Jahre hat mich zu dem Wrack gemacht, welches ich momentan bin.
Am Anfang hat sich die Angst noch in Grenzen gehalten und ich habe sie nicht als solches wahrgenommen. Ich war bei einem Freund zu Besuch und mir wurde ganz komisch, schwindelig, benebelt, was aber nach 5 Minuten wieder vorbei war.
Kann man mal haben, habe ich auch nicht weiter beachtet.
Aber von dem Zeitpunkt aus verschlimmerte sich die Angst fortwährend.
Ca. 1 Jahr später war mir dauernd schlecht und ich entwickelte eine regelrechte Emetophobie, besonders stark ausgeprägt war das beim arbeiten und beim feiern gehen mit Freunden.
Der erste Schritt der sozialen Isolierung war das ich Alk. mied, obwohl ich welchen trinken wollte.
Ich dachte mir Ausreden aus, redete mich um Trinkspiele oder Anstoßen herum und lungerte auf Partys irgendwo abseits.
Der zweite Schritt war der Schwindel der zusätzlich in diesen Situationen anfing, mir wurde an einem Abend auf der Tanzfläche extrem komisch.
Ich hatte keinen Alk. getrunken, nur Wasser (eigenes) und war eigentlich ganz gelassen am tanzen (zumindest hatte ich mich bewegt mich mit meiner Angst unter Alk. Leute zu begeben).
Ich ging etwas an die frische Luft, setze mich auf eine Sitzgelegenheit und versuchte das Gefühl in den Griff zu kriegen, aber es wurde immer schlimmer.
Das Ganze steigerte sich zu einer Derealisation die ohne gleichen war, und dann beging ich den größten Fehler den man als Angstpatient machen kann: Ich bin abgehauen, geflüchtet, nach Hause gefahren.
Zuhause war natürlich alles wieder in bester Ordnung, mir ging's gut, mir war nicht schwummrig nichts.
Da das so nicht weitergehen konnte, fuhr ich in den nächsten Tagen zu meinem Hausarzt, um einige Tests durchführen zu lassen, für mich die Absicherung hoch 10.
Natürlich hat der nichts gefunden. Mein Herz schlägt optimal ohne Rhythmusstörungen, mein Lungenvolumen ist 100% und mein normaler, durchschnittlicher Puls ist 120/80.
Meine Schilddrüse ist nicht vergrößert, die Magenspiegelung war gut und mein großes Blutbild ohne jeden Befund...
Geholfen hat mir das nur ein paar Tage. Danach war ich aus irgendeinem Grund fest davon überzeugt Opfer eines Asthma-Anfalls zu werden. Ich mied also jegliche staubige Umgebung, Freunde die rauchten und alles was sonst irgendwie meine Lunge malträtiert hätte.
Demnach ging ich nun nicht mehr unter Leute die rauchten, ich mied Leute die Alk. tranken und ich ging nicht mehr aus, geschweige denn zum Sport, weil ich Angst hatte Ohnmächtig zu werden.
Ich verbarrikadierte mich zu Hause vor meinem Computer aber selbst das ging gewaltig nach hinten los.
Nicht nur das meine Freunde irgendwann kein Bock mehr darauf hatten mich zu fragen, weil meine Antwort generell nein war, entwickelte ich auch noch aus einem mir unerfindlichen Grund die Angst an einer Allergie zu leiden.
Ich begann also nur noch in Gesellschaft zu essen. Entweder bei meiner Mutter oder, und ja so verzweifelt war ich, ich packte mir mein Essen ein und aß vorm Krankenhaus...
Da meine Mutter selbstständig und demnach sehr berufstätig eingespannt ist, mündete es im Unausweichlichen.
Ich aß morgens nichts mehr, mied Gemüse und frische Sachen (weil sie häufiger Allergien auslösen), aß meistens ungesunden Kram, trank sehr wenig (Aus Angst ich könnte mich verschlucken/ersticken) und fühlte mich demnach kaputt, schwach und ausgelaugt.
Die Angst lies mich nicht einmal mehr schlafen, morgens unter völliger Erschöpfung schlief ich dann meistens ein.
So zwischen 08:00 und 10:00 Uhr morgens.
Schlafe ich vorher ein, wache ich alle halbe Stunde auf, schweißgebadet, mit Schwindel.
Ich war 2 Jahre lang in einer Gesprächstherapie die sogut wie gar nichts gebracht hat.
Zeitweise habe ich Escitalopram genommen, das hat aber nichts geändert (ja, ich habe es länger als 6 Wochen genommen), bis ich das mit meinem Arzt wieder abgesetzt habe.
Er hatte mir Alprazolam für Notfälle aufgeschrieben, 0,5mg und 1,0mg konnten die Angst nicht kontrollieren, mit 2,0mg wurde es leicht besser, allerdings war ich dann nicht mehr alltagsfähig.
Ich habe viele Freunde durch die Angst verloren, meine Freundin, die Freude am Leben und meine Hobbies.
Mehr als oft höre ich die Aussage Halte das einfach aus, danach wird es besser, begib dich immer wieder in diese Situationen.
Im Endeffekt hat das mehr kaputt gemacht als das es genützt hat. Egal wie oft ich beim Sport, feiern oder irgendwo anders war.
Ich war in dieser Situation, aber die Gefühle wurden nicht besser.
Ich weiß das ich Hilfe brauche, stationäre Therapie, auch das habe ich schon in die Wege geleitet.
Allerdings warte ich seit fast geschlagenen 6 Monaten darauf, dass sich die Frau von der Klinik meldet.
Überbelegt hat sie gesagt.

Resumee meiner Angst:
Ich mache kein Sport mehr aus Angst ohnmächtig zu werden.
Ich trinke keinen Alk. mehr, aus Angst ich würde umkippen oder ähnliches.
Ich gehe nicht mehr aus oder fahre in den Urlaub, ich besuche nicht mal Freunde, aus Angst umzukippen.
Ich esse kaum noch, aus Angst an einer Allergie zu sterben/einen anaphylaktischen Schock zu bekommen.
Angst jegliche Substanzen zu mir zu nehmen, (Koffein, Dro., einfach alles was den Zustand verändert), aus Angst mir passiert was.

Alles was desozialisiert, beherrscht momentan mein Leben, jeden Tag wache ich auf und merke Life is Pain.
Meine Lebensfreude ist weg, ich bin ausgebrannt, kaputt, unverstanden von Freunden und Familie und ein Wrack.
Blass, kaputt, gebrochen.
Egal wie oft ich mir einrede, dass alles psychisch ist, das ist in den Situationen nicht mehr relevant.
Ich komme dagegen nicht mehr an und ich hasse mein Leben in diesem Moment.
So sehr ich auch mit meinen Freunden mitziehen will, ausgelassen feiern, glücklich sein, es funktioniert nicht mehr.
Natürlich habe ich mich bewusst in diese Situationen begeben, aber das Gefühl völlig abzudrehen ging nicht weg.
Nicht mal mit Medikamenten.
mist my Life.

Ich wünsche niemandem, jemals so etwas im Leben zu erleben.

Danke für's Lesen...

11.04.2016 15:07 • 11.04.2016 #1


8 Antworten ↓


Icefalki
Hallo lieber innere Verzweiflung, willkommen bei uns.

Bist hier vollkommen richtig und somit schon mal nicht mehr allein und verstehen können das sehr viele.

Weißt du, letztendlich, wenn man das Leben fürchtet, wäre ein Gedanken, welches Leben man vorher gelebt hat, damit es zu einer Angsterkrankung kam.

Und deine Angst vor dem Umkippen, was wäre daran wirklich so schlimm?

Und damit zum Thema Kontrolle, bzw. kontrollverlust, warum meinst du, alles kontrollieren zu müssen?

11.04.2016 15:56 • x 1 #2


A


Endstation Angst - Sie hat ihr volles Ausmaß erreicht

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I
Hallo Icefalki,
danke für deine Antwort!

Zitat von Icefalki:
Und deine Angst vor dem Umkippen, was wäre daran wirklich so schlimm?


Differenziert betrachtet,ist weder die Ohnmacht noch gar das Sterben schlimm für mich. Primär geht es mir um den Todeskampf den man führt, wenn man erstickt oder ähnliches.
Und genau diesem Gefühl möchte ich nicht ausgesetzt sein.
Meine Angst fokussiert sich nicht auf die Sache per se, sondern auf den Zustand der vorherrscht ehe die Ohnmacht oder im extremfall eben der Tod, eintritt.


Zitat von Icefalki:
Und damit zum Thema Kontrolle, bzw. kontrollverlust, warum meinst du, alles kontrollieren zu müssen?


Da geht es mir primär nicht um mein wohlergehen, sondern um das meiner Mitmenschen.
Ich könnte mir das nie verzeihen wenn mir mal die Sicherungen durchbrennen und ich psychotisch oder wahnsinnig werde und jemanden in diesem blinden Rausch verletzen würde.

11.04.2016 16:09 • #3


Icefalki
Aber diese Angst erlebst du doch schon. Du hast doch schon Todesangst. Du lebt sie doch schon.

Ich schreib dir das nur, weil ich selbst auch viel gelitten habe und 1000mal mein letztes Stündlein quasi erleben durfte. Was zwar nie eintrat, aber so empfunden wurde.

Und das mit dem verrückt werden, kenn ich auch. Ist aber nie passiert. Und ich bin nicht ohnmächtig geworden, und mein Herz hat auch nicht aufgehört zu schlagen.

Ich weiß, dass dir das jetzt nicht hilft, in meiner Hochphase war ich auch denkunfähig.

Letzendlich hatte ich Glück, dass ein AD mich gerettet hat.

Klinik ist auf jeden Fall das richtige für dich. Da ich mich damit nicht auskenne, kann ich dir keinen Rat dazu geben.

Wie sieht es damit aus, dass du deine Angsterkrankung annehmen kannst? Sie als Krankheit akzeptierst?

11.04.2016 16:37 • x 1 #4


I
Naja, was heißt ich erlebe sie schon.
Es steigert sich klar, aber der Extremfall ist bis jetzt eben noch nicht passiert.
Was ich meine ist, ich habe z.b das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen, aber ich habe noch nie wirklich keine Luft mehr bekommen.
Und das Gefühl von dem ich rede, ist das Gefühl was ich hätte wenn ich wirklich keine Luft mehr kriegen würde.
Mich treibt also quasi die Angst vor der Angst.

Als Krankheit akzeptiert habe ich das schon längst und ich mache auch keinen Hehl daraus.
Also wenn mich ein (neuer) Arzt oder jemand im Krankenhaus darauf anspricht, dann beantworte ich das auch damit, dass ich Angstpatient bin.
Ich habe mich auch von mir aus in der Klinik damals gemeldet und um Hilfe gebeten, weil ich mit meiner generalisierten Anststörung nicht mehr zurechtkomme.
Natürlich habe ich auch ab und zu mal Hochs wo das nicht ganz so schlimm ist und ich denke das sich was geändert hat, aber ich komme immer wieder in diesen Kreislauf.
Der Hauptgrund, warum ich mich in der Klinik gemeldet habe.

11.04.2016 16:46 • #5


D
Hallo lieber Leidensgenosse.

So wie ich das sehe hast Du in deiner generalisierten Angststörung die Angst vor der Angst absolut ausgeprägt - und diese quält Dich jetzt mit sämtlichen Symptomen. Viele hier werden nachempfinden können wie es Dir geht und wie Du dich damit fühlst.
Darf ich fragen bei welcher Klink Du angefragt hast wegen dem stationären Aufenthalt und welche Therapieform dort angeboten wird?
Kennst Du selber bereits Ursachen und Auslöser für diese Angst die Dir zu schaffen macht?
Und bist Du jemand der gerne über alles in seinem Leben die Kontrolle hatte?
Das mit dem alles unter Kontrolle haben zu wollen war zum Beispiel bei mir ein ganz entscheidender Punkt auf dem Weg zu meiner Angsterkrankung.

Ich wünsche Dir alles erdenklich gute und ganz viel Kraft zum durchhalten, ganz egal wie schwer alles erscheinen mag.

Gruß, Dr. Gonzo

11.04.2016 19:17 • x 1 #6


I
Zitat von Dr Med Gonzo:
Darf ich fragen bei welcher Klink Du angefragt hast wegen dem stationären Aufenthalt und welche Therapieform dort angeboten wird?

PN ist raus.

Zitat von Dr Med Gonzo:
Kennst Du selber bereits Ursachen und Auslöser für diese Angst die Dir zu schaffen macht?

Im Groben und Ganzen würde ich sagen ja, Auslöser ist denke ich mal der Dauerstress der letzten 5 - 6 Jahre, der wirklich konstant vorherrschend war.
Familie, Freunde, im Nachhinein dann eben die soziale Desolation, Arbeit, Psyche etc.

Zitat von Dr Med Gonzo:
Und bist Du jemand der gerne über alles in seinem Leben die Kontrolle hatte?

Das kommt ganz auf die Art der Kontrolle an.
Angst für Kontrollverlust bedeutet für mich ja nichts anderes als komplett Auszurasten oder Durchzudrehen.
Die Angst spezifisch bezieht sich wie oben schon erwähnt darauf, dass ich anderen etwas antun könnte weil ich nicht Herr meiner Sinne bin.


Zitat von Dr Med Gonzo:
Das mit dem alles unter Kontrolle haben zu wollen war zum Beispiel bei mir ein ganz entscheidender Punkt auf dem Weg zu meiner Angsterkrankung.

Wenn ich da mal hinterfragen darf, wie genau ist das denn gemeint?

Zitat von Dr Med Gonzo:
Ich wünsche Dir alles erdenklich gute und ganz viel Kraft zum durchhalten, ganz egal wie schwer alles erscheinen mag.

DANKE!

11.04.2016 20:19 • #7


D
Naja ich (dachte) mein ganzes Leben unter Kontrolle zu haben. Das es nichts gäbe worauf ich keinen Einfluss hätte. Wahrscheinlich deshalb auch meine Flugangst, weil im Flugzeug bin ich ja nur passiv und könnte nicht eingreifen.
Im Endeffekt habe ich jahrelang die Illusion gelebt mein Leben vollständig kontrollieren zu können.
Daß ist seit dem die Angst in mein Leben getreten ist natürlich vorbei.

11.04.2016 20:27 • x 1 #8


I
Mich fasziniert dieser Kontrast und die vielen Facetten der Angst die in vielen Menschen waltet.
Es gibt nicht DIE Angst.
Jeder Mensch reagiert anders, ich zum Beispiel habe keine Angst vor Transportmitteln, sondern eher die Angst im Flugzeug einen Asthma-Anfall zu erleiden oder ähnliches.
Während du wiederum (da gehe ich jedenfalls von aus, wenn falsch korrigier mich bitte) nach Lust und Laune essen kannst.

Im Grunde genommen sehe ich Angst nicht als Feind.
(Unbegründete) Angst ist für mich der Ausdruck der Seele das etwas (momentan!) nicht stimmt, nur habe ich aktuell eben das Gefühl, dass ich unter dieser Angst zusammenbreche.

11.04.2016 20:43 • #9





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