Denkweise zu den Waffenlieferungen von Winkelsdorf.
Da die Diskussion zu Waffenlieferungen an die Ukraine noch immer hier hitzig geführt wird, mal etwas ausführlicher meine Gedanken zu Mardern, Leoparden und Co.
Vorab:
Der Gedanke, dass die Ukraine dringender Waffenhilfe der NATO bedarf, steht ausser jeder Diskussion, ich befürworte diese Lieferungen ausdrücklich. Nehmen wir den Schützenpanzer Marder als Beispiel:
Die Ausbildung von Kommandanten und Richtschützen – ohne weitere Qualifikationen – dauert bereits ca 15 Wochen.
Also knapp 4 Monate, um die Grundfertigkeiten zu erlenen.
Dies ist jedoch kein stresssicheres Beherrschen unter Gefechtsbedingungen, dies bedarf gesonderter Übung, etwa die Beseitigung von Störungen an Bordwaffen, während man selbst unter Beschuss ist.
Dies brauch zusätzliche intensive Übung, das Sammeln von Erfahrungen und dabei auch das Beseitigen von handwerklichen Fehlern. Wohlgemerkt: Nur für die Besatzung von EINEM Marder.
DAS ist auch der Grund, warum die Bundeswehr so viel üben MUSS
Nun aber kommt ein ZUSÄTZLICHES Problem zum Tragen: Die Logistik.
Die Ukraine fertigt keine Ersatzteile und keine Munition für dieses Fahrzeug, die muss aus dem Ausland bezogen werden und das dann unter Gefechtsbedingungen deutlich weniger verfügbar als bisheriges Zeug.
Zudem muss Instandsetzungspersonal diesen Panzer kennen, auch die brauchen intensive Ausbildung und Erfahrung und auch hier dauert es lange Zeit, um eine solche Instandsetzungseinheit überhaupt einsatzfähig zu haben.
Einfach mal ADAC geht halt nicht im Krieg.
Schlimmstenfalls also bedeutet der Einsatz des Marders, dass die Mechaniker den Panzer nicht wirklich kennen, Fehler bei der Wartung machen, Teile nicht verfügbar sind, etc, etc. oder dass Munition genau dann fehlt, wenn sie gebraucht wird Die Infrastruktur in der Ukraine ist nicht dafür ausgelegt, in einem laufenden Krieg einfach mal 50 oder 100 Marder einzubeziehen und auf 100% Leistungsfähigkeit zu bringen – das schafft die Bundeswehr kaum.
Und DA muss man dann ehrlich fragen, wovon die Ukraine mehr hätte:
10% Einsatzfähigkeit des Marder oder vielleicht 20 oder 30% eines sowjetischen BMP1 Schützenpanzers, der seit Jahrzehnten aus dem "FF" beherrscht wird. Zudem ist die Doktrin eine ganz andere:
Der Marder wurde entwickelt, um direkt "vorne" bei den Kampfpanzern mitzufahren, ist ein robustes Kampffahrzeug und nimmt quasi unmittelbar am Gefecht teil. Ganz anders der BMP1, der eher recht "leicht" gepanzert ist und nicht dafür gedacht ist, "vorne" im Gefecht mitzufahren, die sowjetische Doktrin sah vor, dass die Kampfpanzer von Infanterie begleitet werden und der BMP1 folgt diesen dann, um eben die Risiken zu vermeiden.
Für die Bedingungen im Ukraine-Krieg hiesse das dann, dass man quasi beides machen müsste, um die Fahrzeuge halbwegs sinnvoll einsetzen zu können.
Was sogar unter Umständen theoretisch noch ginge aber fallen dann Fahrzeuge aus und es werden BMP1 zugeführt, um die entstandenen Lücken zu schliessen, hat man plötzlich "halb und halb", dann müssten BMP1 als "Kanonenfutter" vorne mitfahren oder die Marder würden hinten die BMP1 begleiten, könnten dann aber ihre Vorteile gar nicht mehr ausspielen – und dafür brauchts dann auch keine Marder mehr.
So oder so macht das also nur wenig Sinn. Was deutlich MEHR Sinn macht:
Die NATO hat MASSEN von sowjetischer Technik, alleine Polen hat geschätzt um die 1.200 BMP1 noch im aktiven Bestand oder bei der Reserve, gut gewartet und sofort einsatzbereit. Alle Bedürfnisse der Ukraine würden mit diesen Fahrzeugen erfüllt, man müsste nicht umschulen, es gäbe weniger Probleme bei Logistik und Instandsetzung und auch beim Einsatz stünde man sehr sicher bei der Bedienung da.
ALLES passt dabei ZUSAMMEN, wie beim Lego. Hier müssen wir fragen, was wir DABEI also tatsächlich wollen:
Natürlich gibt es UNS ein gutes Gefühl, technisch hochwertiges Material zu liefern. Keine Frage, nur sind WIR dabei KEIN Maßstab.
Entscheidend ist, was der Ukraine WIRKLICH helfen kann. Derzeit kann niemand sagen, ob die Ukraine überhaupt 1 Jahr Zeit hätte, Besatzungen und Personal auszubilden und zu beüben.
Darum wäre mein Vorschlag: Der Ukraine in MASSE geben, was man dort kennt und beherrscht und den Wechsel auf neue Generationen schwerer Waffen dann NACH diesem Krieg strukturiert und mit umfassender Hilfe vornehmen, damit die da dann schnellstmöglich das Optimum rausholen können. Das Europäische Haus brennt, wir reden hier über die seit 2014 unterlassene Hilfeleistung und UNSERE Fehler.
Machen wir uns da nichts vor, die kriegen wir in 6 Wochen nicht gelöst. Und nicht wir müssen ein gutes Gefühl haben, die Ukraine muss überleben!
11.04.2022 19:24 •
x 5 #7518