Es stimmt, dass es eine gewisse Ähnlichkeit zwischen sekundärem Krankheitsgewinn und Zielkonflikt gibt, da beide Konzepte mit inneren Widersprüchen und der Frage zu tun haben, wie eine Person durch ihre Krankheit unbewusste Vorteile ziehen kann. Aber sie unterscheiden sich in ihrer zugrunde liegenden Dynamik und ihrem Fokus.
Der sekundäre Krankheitsgewinn konzentriert sich stärker auf die Vorteile, die eine Person durch das Kranksein erhält. Es geht darum, dass die Krankheit eine Art Belohnung für bestimmte Verhaltensweisen oder Rollen mit sich bringt, etwa Aufmerksamkeit oder das Entkommen aus stressigen Verpflichtungen. Der Fokus liegt hier auf der Gewinnseite der Krankheit.
Das meiste läuft hier völlig unterbewusst ab...der Patient merkt es also oft gar nicht richtig.
Der Zielkonflikt beschreibt die inneren Widersprüche zwischen verschiedenen Zielen oder Bedürfnissen, die eine Person gleichzeitig verfolgt. Das ist zB., wenn der Patient gleichzeitig gesunde und krankheitsbedingte Ziele verfolgt, die sich widersprechen. Z.B. möchte jemand einerseits gesund werden, andererseits aber nicht die Vorteile aufgeben, die mit der Krankheit verbunden sind (z.B. weniger Verantwortung).
Der Unterschied ist also, dass der sekundäre Krankheitsgewinn primär den (unterbewussten) Nutzen der Krankheit für den Patient beschreibt, während der Zielkonflikt die unterschiedlichen, oft widersprüchlichen Ziele und Wünsche beschreibt, die ein Patient in Bezug auf seine Krankheit hat. Beide Konzepte können sich gegenseitig verstärken, aber der Zielkonflikt umfasst mehr die inneren Spannungen zwischen den Zielen, während der sekundäre Krankheitsgewinn eher auf den äußeren Nutzen der Erkrankung fokussiert.
Oft dauert es sehr lange (Jahre), bis die Elemente des sekundären Krankheitsgewinns herausgefunden werden bei Patienten. Das ist auch kein Wunder, denn der Patient spricht diese selbst oft nicht an. Erst der Therapeut bringt sie (hoffentlich) ans Licht. Einigen Patienten gefällt dies dann nicht, denn es ist eine Art Offenlegung, dass sie wie gesagt zum Teil selbst verantwortlich sind für ihre Lage. Nicht selten wird der Therapeut dann aggressiv angegangen, als zu hart oder vorwurfsvoll betrachtet und man sucht sich einen anderen, der einem dann möglichst nur gut zuredet und Mitleid hat / nichts sagt, was man nicht hören will.
28.11.2024 14:39 •
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