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M
Hi!
Ich habe seitdem ich etwa 14 Jahre alt war (heute bin ich 25) Probleme mit Angst.
Mit 14 Jahren fing das an, als ich in der Kirche einen langen Text vor vielen Menschen vorlesen musste. Ich habe bis dahin immer sehr gerne vorgelesen und ich glaube, ich habe so einen langen Text bekommen, weil aufgefallen ist wie gut ich vorlesen kann. Aber in dem Moment habe ich Panik bekommen und beim Vorlesen habe ich am ganzen Körper gezittert und meine Stimme war unmöglich überhörbar am schwanken.
Ich habe nicht so viel Glück mit meinem familiären Hintergrund. Zwar habe ich tolle Brüder, die immer für mich da sind, aber meine Eltern sind nicht sehr hilfreich. Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass mein Vater eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat und meine Mutter war immer sehr piepsig und kleinlaut ihm gegenüber.
Nach dem Vorfall in der Kirche hat mir meine Mutter gesagt, dass sie sich für mich schämt. Seitdem habe ich in der Schule das Vorlesen vermieden und hatte panische Angst dranzukommen. Keine Ahnung wie ich dennoch mein Abitur geschafft habe.
Wahrscheinlich bin ich kein so schwacher Mensch.
Durch das Vermeiden hat sich meine Angst vergrößert. Zum Beispiel habe ich irgendwann Angst davor bekommen Ubahn zu fahren, weil ich dort einmal eine Panikattacke hatte. Das war vor etwa fünf Jahren. Ich bin recht stolz darauf, dass ich das überwunden habe. Ich habe mich damals in die Ubahn gesetzt bis mir langweilig wurde, obwohl ich anfangs panische Angst hatte. Und heute ist das mein geringstes Problem. So ist das auch mit anderen Ängsten. Ich habe sie gut angepackt und in den Griff gekriegt.
Mittlerweile bin ich wieder durch die Ausbildung in eine absolute Schulsituation gekommen und damit quasi wieder an die Wurzel meiner Angst gekommen. Ich habe Angst vor etwa 40 Leuten, wenn ich dran komme in Panik auszubrechen und alle könnten sehen wie schwach ich bin.
Manchmal kommt es mir so vor, als wäre ich nur deshalb, weil ich schon so viele Jahre mit der Angst kämpfe darauf gekommen, dass ich keine Lust mehr habe zu kämpfen. Mir ist aufgefallen, dass Alk. gegen Angst hilft. Es ist zum Kotzen, dass mir das aufgefallen ist. Ich wünschte das wäre nicht so.
Ich weiß, meine Angst habe ich in der Vergangenheit so oft so heftig bekämpft wie ich nur kann und ich habe sicherlich Erfolge gehabt, indem ich zum Beispiel nicht so weit gekommen bin, das Haus nicht mehr verlassen zu können. Das hätte auch anders laufen können. Und ich sollte stolz auf mich sein.
Vielleicht sollte ich meine Ausbildung abbrechen und einen Beruf im Büro anstreben, sodass ich möglichst angstfrei leben kann. Ich habe nur die Sorge, dass sich dann die Angst wieder ausbreitet. Das ist nämlich so mit Angst. Wenn man sie nicht angeht, sondern vermeidet, dann sucht sie sich anderweitig einen Ort, um anzugreifen.
Ich bin schon auf der Suche nach einem Therapieplatz, aber so schnell bekomme ich wohl keinen.
Geht es jemanden ähnlich oder weiß jemand was ich tun könnte?
Bin für jede Nachricht dankbar.

19.09.2016 14:35 • 21.09.2016 #1


3 Antworten ↓


Icefalki
Das was du beschreibst ist keine Schwäche, sondern Stärke, die aber noch nicht therapeutisch für dich ersichtlich aufgearbeitet wurde.

Der Auslöser war deine Mutter, die sich geschämt hat. Nun, das kann passieren, ist aber ihre Sache.

Dass das damals für dich eine schreckliche Situation war, ist verständlich. Aber so etwas passiert eben mal. Erwachsene üben solche Auftritte.

Verzeih es dir. Verzeih deiner Mutter, und steh dazu, dass du nicht perfekt sein musst. Ist niemand.

Und deine Angst zeigt dir, dass du dich mit Schwäche noch nicht auseinandergesetzt hast.

Lass dich fallen, nimm dich auch mal als unperfekt wahr, dann ist die Angst, nicht zu genügen, nicht mehr da.

Hihi, ist doch ganz einfach. Natürlich nicht, aber dazu geht man in Therapie. Ich wollte dir nur was zum denken geben.

19.09.2016 22:40 • #2


A


Wie bekomme ich meine soziale Angst in den Griff? Ideen?

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Hi,
vielen dank für deine Antwort. Das hat mir schon sehr zu denken gegeben und ich hatte sogar zuletzt in einer eigentlich schwierigen Situation in der Arbeit das Gefühl, dass mir dein Schreiben sehr geholfen hat.
Ich habe mir immer wieder gedacht, ich bin halt nicht perfekt, na und?
Geglaubt habe ich es mir nur so halb. Die Situation war dennoch weniger unerträglich als sonst.
Also vielen dank!

21.09.2016 13:35 • #3


Icefalki
Das freut mich jetzt wirklich. Vielen Dank für deine Rückmeldung. Das gibt mir Motivation, dass der Austausch hier im Forum helfen kann.

Ich musste das auch lernen, diesen Drang alles gut und toll machen zu müssen, abzulegen.

Hinter Perfektionismus steckt nunmal die Angst, (da haben wir sie), nicht zu genügen, zu versagen, sich zu blamieren. Drück sich auch meistens im Gefühl der eigenen Angst aus.

Wenn du das mal weißt, dann ist es genauso wie du es jetzt mal erfühlen konntest. Es wird immer besser, wenn man sich Schwächen erlauben kann.

Und ja, dann macht man eben mal einen Fehler, oder ist unsicher, gehemmt, mal ganz klein.

Das sind die sympathischen Menschen, die unperfekt sind, und sich dessen bewusst sind.

Gestern hab ich mal wieder ein Programm bei der Arbeit abstürzen lassen, bin echt berühmt darin. Das ist zum davonlaufen, alles selbst gebastelt, und vor mir irgendwie nicht sicher. Ich kapier noch nicht mal, was ich falsch mache.

Mein Chef hat ewig rumgebastelt, und auf meine zerknirschte Entschuldigung nur gelacht und gesagt, dass ich eben berühmt dafür bin, Sachen zum Abstürzen zu bringen, wie sonst keiner.

Grins, damit muss ich leben und die auch. Oder sie lassen mich gehen, oder erklären mir mal richtig, was ich falsch mache.

Take ist easy, früher wäre ich gestorben, heute ärgere ich mich zwar noch ein bisschen über mich, bin aber der Meinung, dass ich auf anderen Gebieten absolute genial bin.

Du siehst, man kann durchaus seine weniger kompetenten Seiten akzeptieren, und dazu stehen.

Also, erlaub dir weiterhin diese - bin halt nicht perfekt- Haltung und alles wird gelassener.

In eine - leck mich am Poppo - Einstellung rutschen wir eh nicht rein. Die wäre bei der Arbeit auch nicht gut.

Nee, eine gewisse Gelassenheit und Nachsicht für uns selbst, und dann funktioniert das auch.

21.09.2016 14:19 • #4





Dr. Reinhard Pichler