Liebe Wozew, Danke für deine Antwort die eine Fülle von Gefühlen und auch die Fragen an mich. Ich mußte für eine Antwort erstmal eine Nacht darüber schlafen und in mich hineinhören.
Dabei wurde mir unser Altersunterschied bewußt, weil ich in jüngeren Jahren anders auf Krankheit reagierte, wie in meinem jetzigen Alter.
Zitat: Ja, du hast recht dieser Schmerz in einem zerreißt einen völlig und man ist wütend und hilflos und denkt Warum wir, warum er, warum jetzt?!
Und einen Menschen zu verlieren ist schon schlimm genug , aber auch den Verfall täglich zu erleben, puh Hölle.
Dieses schmerzvolle Zerreißen, den Boden unter den Füßen verlieren, verbunden mit Hilflosigkeit...ja das kenne ich gut. Die Wut oder die Frage nach dem warum? erlebte ich damals als Dreißigjähriger bei der lebensbedrohlichen Krebserkrankung meiner damaligen Lebensgefährtin. Weil dadurch mein ganzer Lebensinhalt zerbröselt wurde und ich mich ganz und gar dieser neuen Gegenwart zuwendete. Meine Berufsarbeit dann auf ein Minimum reduzierte, weil eine geliebte, aber hilflose Kranke mit der Diagnose 4b !, die ganze Zeit der Aufmerksamkeit benötigte. Auch waren die damaligen Krankenzimmer mit 9 Betten in der Onkologie ein Horror, weil rechts und links gestorben wurde. So habe ich sie während der Chemo mit nach Hause genommen, sie bettelte bei meinen täglichen Besuchen...nimm mich mit, ich halte es hier nicht aus ! und wußte dann nicht, ob sie zuahause die Nacht überleben würde. Da gibt es stets den Satz Flüchten oder standhalten, ich denke daß du in dieser Phase drinsteckst.
Dafür hat uns das Leben keinen Leitfaden für eine solche Orientierung mitgegeben.
Ja, die Verlustangst ist mir wohlbekannt, damals und auch bei der jahrelangen Demenz meiner zweiten Frau. ..und nein, den Verfall habe ich nicht täglich erlebt weil mir bei meinen pflegerischen und fürsorglichen Tätigkeiten dafür keine Zeit für eine solche Wahrnehmung blieb. Manchmal wurde ich allerdings von außen darauf hingewiesen, dieser Blickwinkel fehlte mir.
Hilfe von Profis hatte ich dringend nötig, als rund um die Uhr pflegender Angehöriger, bei der vollinkontinenten Demenz meiner zweiten Frau. In meinem Wohnort gab es von der Uni Angebote, wo sie Pflegende Angehörige für Studien suchten, begleitet wurde dies auch mit therapeutischen Gesprächen...aber auch leider von häufig stundenlangem ausfüllen von Fragebögen.
Anschließend vermittelden sie mir dort noch eine Psychotherapie am Psychologischen Institut, wo angehende Psychotherapeuten ihre Ausbildung abschlossen, alle Therapien wurden gefilmt und von einer Supervisionfür den angehenden psychologischen Psychotherapeuten begleitet. Der noch junge Therapeut gab sich alle Mühe, dennoch wäre ich gerne von einem mehr Lebenserfahrenen therapiert worden. Die Zeit einen passenden dafür zu finden hatte ich nicht.
Nach dreijähriger Hauspflege war ich dann am Ende angelangt, (ich bin ja auch selbst seit über Dreißig Jahren schwerstbehindert)... wegen Corona waren die Pflegeheime geschlossen. Nach längerer Suche wurde ein Platz frei...zum Glück auch noch in unmittelbarer Nähe, so daß ich täglich mit ihr zusammen, auch zum spazieren sein konnte.
Für mich war dies ein Geschenk des Lebens an mich, weil mir diese Liebe für diesen wunderbaren Menschen sehr wertvoll war.
Du siehst, liebe Wozlew, wie unterschiedlich wir Menschen im Leben stehen und handeln
und was diese Geschehnisse aus uns machen.
Zitat:
Kommst du gut alleine zurecht?
Das ist eine Frage, der ich mich jeden Tag neu stellen muß, ich funktioniere..sehr minimalistisch reduziert...seelisch und auch praktisch. Durch die jahrelange Pflege habe ich fast all meine vielfältigen kreativen Anlagen verloren, weil die nicht ohne tägliches Üben gelingen können. Für einen Neuanfang bin ich zu erschöpft. Ich sitze gerne in meinem wohnlichen Schneckenhaus, das ich täglich für meine körperliche Bedürfnisse und auch für nicht sehr häufige Besuche verlasse.
Jeder hat so seine Kräfte die sich nicht von außen oder auf andere übertragen lassen.
Für dich wünsche ich, daß du für dich Hilfe von außen findest, weil alleine ist dieser unbekannte und schwere Weg nicht zu schaffen. Gibt es an deinem Wohnort Anlaufstellen. ?
Hier gibt es Selbsthilfegruppen für Pflegende Angehörige, auch speziell für Angehörige mit Krebs. Das gab es damals vor über 40 Jahre leider nicht für mich. Solche wertvolle von ausgebildete Ehrenamtlichen Einrichtungen ist sehr wertvoll und hilfreich !
Das kann eine große Hilfe sein, über das eigene Nöte zu sprechen, oder zu hören, wie andere damit umgehen.
Ich wünsche dir viel Kraft und den Mut, für deinen schweren Weg.