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M
Hallo Zusammen,
ich bin zum ersten Mal hier und es ist ein langer Text geworden. Ich freue mich, wenn sich jemand Zeit nimmt und es liest. Danke.

Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, es erscheint mir alles wichtig und es belastet mich dermaßen. Ich versuche meine Situation zu umschreiben:
Ich bin 43 und bin vor 4 Jahren nach Berlin gezogen. Ich wollte schon immer mal in einer Großstadt wohnen und habe mich nach vielen Jahren final dazu entschieden, nach Berlin zu ziehen und ich bin superfroh, dass ich es getan habe. auch wenn es mir immer wieder, leider viel zu oft!, richtig schlecht geht. Ich habe verschiedene Themen (Baustellen), die sich gegenseitig bedingen, teilweise auch erschweren. Ich kann nicht genau sagen, was mein Hauptproblem ist, außer vielleicht, dass ich einfach nicht weiß, was gut für mich ist, was ich brauche, wie es weitergehen kann.

[b]Zur Wohnsituation:[/b]
Mein damaliger Freund und ich sind damals zusammen nach Berlin in eine Wohnung gezogen, haben aber von Anfang an eine Wochenend-Fern-Beziehung geführt, dass heißt er hatte seine Wohnung und Job in der alten Stadt behalten und kam jedes Wochenende zu mir nach Berlin. Nach einem Jahr haben wir uns dann getrennt, weil wir zu oft Streit hatten. ABER ich wohne immer noch in der Wohnung, die er zu 2/3 bezahlt, auch wenn wir getrennt sind. Er kommt immer wieder an den Wochenenden nach Berlin, mal alle 3 Wochen, mal alle 8 Wochen, ganz unterschiedlich. Unser Verhältnis ist eigentlich geklärt, wir haben keine Sexualität, aber wir hängen emotional sehr aneinander. Ich hätte schon längst ausziehen sollen, mich wieder autonomisieren sollen, hätte hätte hätte

Zur Jobsituation:
Seit zwei Jahren habe ich einen Tinnitus und habe deswegen letztes Jahr eine psychosomatische Reha gemacht, die leider nicht wirklich effektiv war. Kurzum, ich bin seit März 2020, mittlerweile einem Jahr - aus meinem Job draußen und war bis Januar krankgeschrieben und seitdem in Freistellung. Meine berufsbegleitende Fortbildung habe ich unterbrochen. Mit meinem alten Arbeitsgeber konnte ich einen fairen Aufhebungsvertrag aushandeln und werde ab April 2021 ALG I beziehen. Ende des Monats beginne ich ein Jobcoaching, dass die Arbeitsagentur finanziert. Ich habe große Lust auf das Coaching, auf einen neuen Job und mich neu auszurichten. Komischerweise habe ich mich im letzten Jahr nicht gelangweilt, sondern die Auszeit genossen, auch wenn ich immer wieder ein schlechtes Gewissen habe und mich oft minderwertig fühle, dass ich es nicht geschafft habe

Zu Freundschaften:
Die Freundschaften aus der Heimat haben sich verändert, es hat sich vieles relativiert. Ich habe schon Freundschaften, vieles läuft über das Telefon, da viele meiner Freunde/Bekannten überall verteilt wohnen. Meine beste Freundin wohnt in der alten Stadt und wir hören uns jeden Tag. Aber hier in Berlin habe ich keine richtigen Frauenfreundschaften. Ich habe viele gute Kumpels hier, also männliche Freunde, die mich sehr mögen (teilweise auch an mehr interessiert sind, als nur Freundschaft). Ich habe schon viele Frauen in Berlin kennengelernt, aber von festen und verlässlichen Freundschaften kann nicht die Rede sein, zurzeit habe ich zum Beispiel keine Frau in Berlin, die ich einfach mal anrufen kann, um sich zu treffen. Ich fühle mich oft sehr alleine und einsam und mir fehlt der tiefe Austausch mit Frauen, face to face. Ich bin eigentlich eine echt offene Person, gehe alleine auf Konzerte und kulturellen Veranstaltungen oder sonstwo hin, gehe auf Leute zu, spreche sie an ohne diesen Charakterzug ist es auch schwer, sich in einer neuen Stadt was aufzubauen. Durch Corona wird das ganze noch schwerer und mir fehlt zurzeit die Kraft, mich auf Foren für Freundschaften wie Meetup, Neu in der Stadt, Freundin gesucht anzumelden.

Psychische Verfassung
Zurzeit mache ich die vierte Psychotherapie. Drei Therapeuten hatte ich in der alten Stadt und konnte davon mehr oder weniger profitieren. Seit 2019 habe ich eine neue Therapeutin in Berlin, eine Verhaltenstherapeutin. Ich habe nach einem Therapeuten gesucht, weil ich spürte, dass ich Unterstützung benötige. der Liebeskummer, Konflikte mit der Chefin auf meiner Arbeit, Lebensfragen, Stimmungsschwankungen, Tinnitus ich war letztes Jahr total fertig und überfordert und wollte eigentlich nicht mehr auf der Welt sein. Meine gewohnte Kraft und Energie waren weg, ich habe nur noch geweint. mir kamen in der U-Bahn die Tränen oder plötzlich in Gesprächen. Was ein Glück jedoch nie auf der Arbeit! Nur auf der Toilette.
Das Verhältnis zur meiner Therapeutin ist sehr schwer. Es ist die erste Therapeutin mit der ich Schwierigkeiten habe. Ich empfinde sie oft als genervt und habe den Eindruck, dass sie nicht ganz versteht, worum es bei mir geht. Wir haben schon oft darüber gesprochen, Erwartungen geklärt und neu angefangen. Sie teilte mir mit, dass sie überlegte, die Therapie mit mir abzubrechen, da ich eine schwierige Patientin sei und sie sich mit mir viel zugemutet habe. Ich gehe immer noch zu ihr, weil sie schon eine Art Entlastung für mich darstellt und sie stellenweise, wirklich gute Ansätze hat und ich Einsichten und Erkenntnisse über mich bekomme. Dann spüre ich fast eine Abhängigkeit. Aber oft spüre ich einen Widerstand zu ihr zu gehen. Es gab schon sehr oft irritierende Sitzungen, in welchen von ihr komische Aussagen kommen, irgendwie demotivierend und wenig aufbauend. Ich habe noch 20 Sitzungen bei ihr.
Ich nehme seit vielen Jahren Sertalin, ein Anti-Depressivum. Ich versuche es auszuschleichen, aber ständig kommen neue Überraschungen, die mich emotional umhauen und dann nehme ich es doch weiter.

Ich beschäftige mich viel mit Selbsthilfe, ich meditiere, führe ein Dankbarkeitstagebuch, mache Sport, gehe raus, packe die Dinge an, versuche mich selbst zu motivieren, schaue was mir Kraft gibt, rede mir selbst gut zu. aber viel zu oft, bin ich traurig und frage mich, wie das alles weitergehen soll. Ich fühle mich verloren und zerrissen. Ich habe den Eindruck, dass ich oft nicht weiß, was ich eigentlich brauche, um zufrieden zu sein. Am meisten fehlen mir zurzeit gute und verlässliche Kontakte vor Ort. Ich habe Angst vor der Zukunft. Ich weiß einfach nicht weiter. Manchmal wünsche ich mir einen Hund, der mich tröstet. Zurzeit baue ich darauf, dass ich durch einen neuen Job, wieder eine Aufgabe habe, mein Selbstwert sich wieder aufbaut und ich dadurch wieder in Veränderungsprozesse komme.

Was macht ihr gegen diese Ängste, Verlorenheitsgefühle, Einsamkeit, Stimmungsschwankungen?

Ich weiß, dass war jetzt sehr viel, was ich geschrieben habe und ich hoffe, man kann die Quintessenz aus alldem herauslesen. Ich würde mich sehr über Rückmeldungen freuen. Danke! Liebe Grüße Mascha77

20.03.2021 14:38 • 20.03.2021 x 1 #1


5 Antworten ↓


S
Zitat von Mascha77:
Sie teilte mir mit, dass sie überlegte, die Therapie mit mir abzubrechen, da ich eine schwierige Patientin sei


Alleine das wäre schon für mich ein Grund, sich von ihr zu trennen. Mein Vertrauen wäre weg. Ich bezahle in U.K. meine privat, ich würde sofort wechseln.

Das Verhältnis zu Deiner Therapeutin sollte auf Vertrauen basieren und sich verstanden fühlen. Natürlich müssen wir an uns arbeiten und brauchen ab und zu einen Tritt in den Hintern aber eine Therapeutin sollte nicht genervt wirken: sie wird schließlich dafür bezahlt!

20.03.2021 15:29 • x 1 #2


A


Ich weiß nicht, was ich brauche, um zufrieden zu sein

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S
Zu Freunden:

Schätze Berlin ist wie London eine Nomadenstadt.

Eine Freundschaft braucht eben Jahre um Vertrauen und gemeinsam Gelebtes zu vertiefen. Man geht durch Höhen und Tiefen ....

Viele meiner Freunde und Bekannten leiden, da sie ihre Freunde nicht sehen oder auch kein Sport im Verein machen Können. Das wird wohl erst wieder besser, wenn es bergauf geht.

20.03.2021 15:37 • x 1 #3


M
Danke für deine Antwort!

Ja, dass mit der Therapeutin ist schon wahr und ich hatte schon oft überlegt, mir eine andere zu suchen, es dann aber wieder gelassen. Es ist, wie du bestimmt weißt, nicht so easy einen guten Therapeuten zu finden, ob in einer Metrolpole oder einer winzigen Kleinstadt. Und dann muss es ja auch wieder zwischenmenschlich passen. Dementsprechend habe ich sie behalten und versuche, dass für mich mitzunehmen, was für mich möglich ist. Vielleicht ist es sogar gut, gar nicht erst nach was neuem zu suchen, am Ende helfe ich mir wahrscheinlich eh am meisten durch mich selbst, ehe ich mich auf den Rückhalt eines Therapeuten verlasse...

Und mit den Freunden stimmt auch. Gute Freundschaften brauchen ihre Zeit. Es kommen wieder andere Zeiten - und wenn ich nicht gerade in einem dunklen Loch stecke, sehe ich auch, dass es mir gar nicht sooo schlecht geht. Aber es ist schon eine herausfordernde Zeit gerade und das berühmte immer weitermachen und nicht aufgeben ist oft anstrengend...
ich hoffe, dir geht es gut in London und dass du positiv nach vorne schaust!

20.03.2021 16:59 • x 1 #4


S
Danke der Nachfrage xx

Ja mir geht es sehr gut und ich habe einen tollen Partner, ich weiß, dass es mir da viel besser geht als manchen, der alleine ist.

Es ist doch toll, dass Du mit Deinem Ex noch so eng bist, ich habe das auch mit einem Ex, unsere Beziehung besteht seit 17 Jahren und wir beide haben seit langem neue Partner und im Nachhinein haben wir festgestellt, dass wir als Freunde viel besser zusammen passen.

Du kannst ihn wenigstens anrufen, wenn es Dir schlecht geht, das ist schon was wert.

20.03.2021 17:07 • x 1 #5


moo
Willkommen Mascha!

Deine Beitragsstruktur gefällt mir sehr - ist ja gar nicht so einfach, in wenigen Sätzen die individuelle Situation darzustellen. Spricht wohl für Deine Therapieerfahrung

Zitat von Mascha77:
oft nicht weiß, was ich eigentlich brauche, um zufrieden zu sein.

Zitat von Mascha77:
Ich kann nicht genau sagen, was mein Hauptproblem ist, außer vielleicht, dass ich einfach nicht weiß, was gut für mich ist, was ich brauche, wie es weitergehen kann.


Nach eingehender Lektüre Deines Textes (inklusive des Hintergrundes der zwischen den Zeilen durchschimmert) drängt sich mir ein Begriff auf: Lebenssinn.

Ehrlich gesagt bin ich etwas verwundert, dass jemand, der meditiert, sich diese Fragen stellt. Darf ich fragen, welche Art von Meditation Du betreibst? Vielleicht kann man in diesem Bereich etwas verändern. Berlin hat ein großes Angebot an Meditationsgruppen. Inwieweit deren Sitzungen in Corona-Zeiten ins Netz verlagert sind, ist mir allerdings nicht bekannt. Aber eine Kontaktaufnahme wäre vielleicht eine Überlegung wert. Ich habe seinerzeit in München wertvolle Menschen dadurch kennengelernt. Insbesondere, wenn auch achtsames Sprechen Teil dieser Gruppenabende sind. Da es viele unterschiedlich ausgerichtete Leute gibt, empfiehlt es sich, ein wenig im Zuge des Erstkontaktes das Niveau zu ergründen - also ob Du Dich da zuhause fühlen kannst. Inzwischen brauche ich keine Gruppe mehr, ziehe vielmehr die einsame Praxis vor. Aber zu Beginn war dies - neben der einschlägigen Literatur - sehr hilfreich für mich. Man sollte aber idealerweise langfristig schon seinen eigenen Weg finden.

Der Vorteil von Medigruppen oder auch z. B. Selbsthilfegruppen ist, dass man sehr zügig auf einer tieferen und offeneren Ebene Kontakte zu Menschen bekommt, als das idR in anderen Formaten der Fall ist. Solcherlei Kontakte würde ich persönlich jeder überforderten Therapeutin vorziehen

Zitat von Mascha77:
Ich beschäftige mich viel mit Selbsthilfe, ich meditiere, führe ein Dankbarkeitstagebuch, mache Sport, gehe raus, packe die Dinge an, versuche mich selbst zu motivieren, schaue was mir Kraft gibt, rede mir selbst gut zu. aber viel zu oft, bin ich traurig und frage mich, wie das alles weitergehen soll.


Du bist ja offensichtlich kein freiwilliges Opfer, sondern gehst - zumindest sieht das von außen so aus - die Sache sehr aktiv an. Und trotzdem diese häufige Traurigkeit... Hast Du die schon mal näher betrachtet und kennst ihre Ursache? Wann hat das mit dieser Traurigkeit angefangen? Gab es Zeiten, in denen du weniger traurig warst? Und wenn ja, weshalb?

Ich rede nicht von der Anwesenheit von Glücklichsein, sondern lediglich von der Abwesenheit von Traurigkeit. Das eine und muss nicht zwingend durch das andere ersetzt werden. Der Versuch, die Traurigkeit zu besiegen durch Erzeugung von Glück ist m. E. ein großer Fehler. Das heißt nicht, dass man nicht auch mal glücklich sein sollte - Gott bewahre. Aber die Traurigkeit HAT einen Auslöser, eine Ursache - ein Fundament. Und dieses Fundament besteht irgendwann nach jahrelanger Chronifizierung aus der Traurigkeit selbst. Die Ursache, welche eigentlich (z.T. oft auch angemessen) die Traurigkeit ausgelöst hat, wird im Laufe der Zeit verdeckt, wie die Stille durch den Lärm.

In der Meditation gilt es, das Feuer einzustellen, wie Kodo Sawaki gerne sagte. Damit ist gemeint, kein Öl mehr ins Feuer zu gießen. Dem Gedankenstrom die Spannung abzudrehen und dann zu erleben, was übrigbleibt. Es bleibt nichts übrig. Dieses unbenennbare Nichts ist der freie Geist. Worte, Gedanken, Gefühle erhalten ihren angemessenen Wert - sie sind nur dies (Ajahn Chah).

Probiere das einfach mal im Zuge Deiner nächsten Meditationseinheit - suche die Stille, die ständig verdeckt wird. Sie als Teil dessen zu erkennen, was wir unser Ich oder Selbst nennen, kann die Äußerlichkeiten um unser herum - Job, Ort, Freunde etc. ins rechte Licht rücken.

Sorry, es überkam mich grad- hoffe, das war jetzt nicht zu spacy . Schönen Abend!

20.03.2021 18:53 • x 1 #6





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