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E
Hallo zusammen!

Ich versuche heute erstmalig, durch schreiben in einem Forum meine Situation mit anderen Auszutauschen.
Ich bin 39, m, schlank, eigentlich ganz adrett. Ich hab was im Köpfchen, gehe fleissig arbeiten etc. Nach aussen also ziemlich normal.

Aber ich führe ein Doppelleben. Praktisch niemand weis, wie es mir wirklich geht.
Das Leben ist für mich ein Witz. Leider kein guter. Ich sehe - ganz allgemein - keinen Sinn. Menschen werden ungefragt geboren (Bitte keine Kommentare zu Reinkarnations-Theorien! Damit hab` ich nach 15 jahren irreführung in der Esoterik genug!) Menschen sterben. Dazwischen leiden Sie in der Mehrheit.

Ich habe ein Leben hinter mir, das ein normaler gar nicht glauben würde. 40 Arbeitsstellen, 40 verschiedene Wohngelegenheiten, 5 abgebrochene Lehren, Obdachlosigkeit, Messie-Wohnung, Gefängniss, Alk./Dro., Missbrauch etc. etc. Aber auch gute Freunde, war Weltverbesserer, 6 jahre trocken, Gruppenleiter einer SHG, erfolgreiche Ausbildung nachgeholt, belesen (x-hunderte Bücher gelesen).
Und das ist eine recht abgespeckte auflistung.

Seit meine -erfolgreiche- Arbeit in einem Suchthilfeverein wg. Neid und Missgunst unfreiwillig beendet wurde, hänge ich in einem totalen Loch. Wobei das leider nur der auslöser, nicht der Grund für meinen derzeitigen Zustand ist. Sonst könnte ich besser daran arbeiten.
Ich schaffe nix mehr. habe mich von allen Bekannten und Freunden total isoliert. Gehe nicht mehr ans Telefon. Nur in die Arbeit und zurück.
Und das ganze möglichst heimlich.
Hier kommen meine Ängste ins Spiel. ich bin immer noch (oder periodisch?) arg Messie-gefährdet, wohne seit 5 Monaten in meiner jetzigen Wohnung, und hatte noch nie Besuch. Ich traue mich nicht, eine Mülltüte raus zu bringen! Oder den Briefkasten zu leeren. Man könnte mich ja sehen! Ich wohne in einer Dachwohnung direkt über der Vermieterfamilie. Eigentlich kein Problem. Aber ich laufe hier auf Zehenspitzen rum, weil die unten ja hören könnten, wo ich gehe, was ich mache. Wenn jemand im Treppenhaus ist, kann ich die Wohnung nicht verlassen. Licht mache ich nur an, wenn der Vorhang vorgezogen ist. Die Waschmaschine habe ich schon ewig nicht mehr angeschaltet. Fernseher u. Computer nur auf minimal-Lautstärke. Selbst den Wasserhahn bediene ich nur nach teilweise stundenlangem Überlegen und bangen. (Das Wasserrauschen hört man tatsächlich im ganzen Haus). Aufräumen oder kochen geht fast schon nicht, weil mir jedes Geklapper von Geschirr zu laut ist. Wenn ein Löffel runterfliegt, zieht`s mir gleich alles zusammen.
Es ist mit nichts zu begründen, ich habe meine Miete bezahlt (wenn auch mit Schwierigkeiten, aber immerhin) also von daher kein Grund für so ein schlechtes gewissen.

Zuhause bin ich völlig isoliert. Ich kann nichts mit mir anfangen, lese aus Langeweile Bücher, versuche Computer zu spielen (leider interessiert mich kein Spiel wirklich), die Satelitenschüssel für meine Wohnung ist noch analog, ich empfange also nur arte und Phönix (macht nicht wirklich Spaß, glaubt mir) aber meinem Vermieter bitten, das er sich darum kümmern soll, schaff ich auch nicht.
Ich schlage also nur die Zeit tot. Wortwörtlich.
Warum? weis ich nicht.
Freunde? Hätte ich, wenn ich mich drum kümmern würde. Aber das fällt mir unendlich schwer. Sobald etwas in Richtung Verpflichtung geht, stecke ich den Kopf in den Sand. und um Freunde MUSS man sich ja kümmern.
Genau dieses MUSS macht es mir unmöglich.

Wie mit dem Essen. Ich (eigentlich mein Körper) MUSS essen. Und das JEDEN TAG! Warum? Ich esse ja gerne, wenn es fertig ist, und gut schmeckt. Aber doch nicht jeden Tag! Dieser Zwang, der mir keinerlei Befriedigung verleiht ist mir auch seit Jahren eine Last. Ich bin alles andere als Magersüchtig, ich mag überhaupt nicht so schlank sein (1,79m, ca. 65 kg). Aber ich will nicht immer essen müssen. Auch wenn ich vor Hunger schmerzen habe, und das ist verdammt oft der Fall, will ich nicht essen MÜSSEN. Und schon gar nicht, wenn mir andere blöde dabei zusehen (kantine, Arbeitspause, Lokal) und JEDESMAL bei einer Bestellung dämlich Fragen: Und, was nimmst du? Warum fragen die Menschen das immer? Ich will nur was essen, damit der magen ruhe gibt!
Und ein paar Stunden später kommt sowieso schon wieder der Hunger. Also wozu?

Ich habe in meinem Leben praktisch nie eine echte Beziehung gehabt. Jedenfalls nach herkömmlichen Maßstäben. Jetzt bin ich auch wieder seit fast einem Jahr single. Und keine Aussicht auf änderung. Auf fremde Menschen gehe ich nicht zu. Die sind ja fremd. Und jedes Mädchen hat Freunde. Die müsste ich ja auch kennenlernen und mögen. Und die Freizeitbeschäftigung von denen mitmachen. Und ich kann tanzen nicht ausstehen. Was nicht gerade förderlich ist.
Ich kann small-talk nicht ausstehen. In der Regel unterhalte ich mich nur über konkrete Themen. Einfach so rede ich nicht. Und wenn, dann habe ich innerlich regelrecht krämpfe vor Wut. Gerade wenn z.B. in der Straßenbahn meine Bekannten munter ihren schei. weiterlabern, als wenn da keine anderen wären. Ich könnt ausrasten dabei. Aber das merkt mir natürlich keiner an.

Seit die Arbeit im Verein beendet ist, trinke ich wieder. Erstaunlicherweise und zum Glück wenigstens ohne die (auch von mir) Dogmatisierten Rückfallsymptome. Aber ich bin alleine. Über wochen habe ich in der Stadt so heimlich wie möglich eine Kneipe gesucht, wo ich anony gemütlich B. trinken kann.
Ich hab jetzt eine gefunden, aber ich muss mein Niveau (denken) komplett runterfahren. Ich geh im grunde nur hin, weil ich ein paar Stunden nicht alleine sein will, oder weil ich noch warten muss, damit ich nicht zu früh heimkomme und eventuell im treppenhaus jemanden begegne. Das ist nach der Arbeit sogar der Hauptgrund. Kennenlernen kann ich da niemand. Aber für mich ist es gefahrlos. In anständigen Lokalen würden anständige Menschen rumlaufen, aber die haben alle ein normales Leben. Wie soll ich da mit rein?

Also insgesamt gesehen, scheine ich ein ziemlicher Idiot zu sein. Aussen Hui, innen ?

mittlerweile ist es fast 4 Uhr früh. Ich werd dann mal zum Schluß kommen.
Ich hoffe, in diesem Forum trotzdem auf Verständnis zu stoßen und würde mich über jede Meldung freuen.

lg an alle, die sich bis jetzt durchgelesen haben
exBuddha

05.04.2012 03:53 • 05.04.2012 #1


6 Antworten ↓


HeikoEN
Hi exBuddha!

Vorweg einmal, bin ich erschüttert, welche Spielarten Sucht, Angst, Depris, Zwang usw. mit einem Menschen treiben können.

Deine Beschreibung liest sich sehr auf den Punkt gebracht.

Und ja, für mich klingt es so, als würdest Du ohne fremde Hilfe nicht mehr etwas ändern können.

Die Zusammenhänge sind Dir ja völlig klar, wie mir scheint. Trotzdem scheint es etwas zu geben, was noch stärker ist in Dir und dich dabei bleiben lässt.

Meine Frage ist auch, warum Du dich an das Forum hier wendest? Willst Du doch etwas ändern an Deinem aktuellen Zustand? Ich vermute einmal, mit Selbsthilfe wird es nicht klappen, zumindest nicht grundlegend und andauernd. Wie mir scheint, ist Dein Fall ja sehr individuell, aufgrund auch der Doppeldiagnose Sucht und psychische Probleme.

Deinen Cut, z.B. in der Selbsthilfegruppe, egal ob jetzt Du dich selber oder durch andere Menschen, scheinst Du nicht verdauen zu können. Berichtige mich, wenn ich da falsch liege? Wobei so ein Selbsthilfe Ding ja ganz sinnvoll ist, um sich dauerhaft mit dem Thema auseinanderzusetzen, finde ich.

Habe ich das aber richtig verstanden? Du gehst aktuell täglich arbeiten?

05.04.2012 07:57 • #2


A


Ich bin völlig isoliert, Messi und traue mich nicht raus

x 3


E
Hallo HeikoEN!

Vielen Dank für deine Antwort. Es tut gut, endlich anteilnahme und Verständnis zu bekommen. Und das so schnell

ja, ich gehe regelmäßig arbeiten. Diese Woche hab` ich frei, deshalb kann ich jetzt schreiben. In meinem Job gehts mir gut, ich bin Lagerleiter (allerdings alleine, ohne Untergebene ziemlich abwechslungsreich und vor allem Selbstständig. Und seeehr ruhig. Ich reiß mir kein Bein aus. Was aber teilweise auch recht anstrengend sein kann, notorisch Unterfordert zu sein. Geld würde auch stimmen, wenn ich nicht die ganzen Schulden hätte und immer wieder gepfändet würde.

Warum ich in diesem Forum bin? Ich habe rumgesucht, wo ich mich selbst einordnen kann. Beim lesen der Beiträge hier habe ich einige Parallelen gefunden, wobei ich keine Angst-Attacken oder Phobien habe. Zumindest keine ausgewachsenen.

Aber ich komme mit meinem eigenen Zustand einfach nicht mehr klar. Ich will was ändern, klar. (am liebsten: ändern lassen!). Dieses versteck-spielen in der Wohnung, das doppelspiel der Psyche - wie soll das weitergehen? Irgendwann bricht doch wieder alles zusammen. Oder ist es das, was ich (meine Psyche) insgeheim will?
Die Anonymität hier im Forum nimmt mir die Angst über mich zu schreiben. Ich hätte Freunde (genau: 2) die auch verständniss hätten und mir helfen würden - aber ich kann mich Ihnen einfach nicht öffnen. Nach aussen bin ich doch der kluge, starke.

ich denke schon, das ich mit/durch Selbsthilfe wieder auf die Beine kommen kann. Aber ich habe eben gestern erst damit begonnen, in dieser Richtung zu suchen und Kontakt aufzunehmen. Die frühere Suchtproblematik hat mir gezeigt, was in einer SHG alles möglich ist. Aber für meinAngst-Verhalten und dem daraus resultierenden Messie-Problem ist dort fehl am Platze. Ich brauche also eine neue Gruppe. Unpassenderweise war natürlich das Treffen in meiner Stadt bereits am Mittwoch. Und ist nur 1mal im Monat....

Ja, du hast Recht, der Cut von dem Suchthilfeverein war und ist für mich schlimm.
Nach meinem Versager-Leben habe ich endlich etwas gefunden, wo ich mich einbringen kann, sogar Fachmann wurde. Mit vollem Einsatz erfolgreich -für mich und für andere-. Eine Lebensaufgabe sozusagen.
Aber nein - der Erfolg war mir nicht vergönnt. Freiwillig habe ich nicht aufgehört. Ich wurde rausgemobbt. Ich würde dir gerne sagen, was ich da alles gemacht habe, aber dann ist`s vorbei mit anonym....

Ein Hauptproblem für mich ist, das ich praktisch nirgends einen Sinn sehe. Die Suchthilfe hat für mich Sinn gemacht.
Alles andere, was Menschen so toll finden, ist für mich mehr oder weniger ein Greuel.
Ich komme mit dem von der Gesellschaft anerkannten Status Quo nicht klar. Wer gibt uns vor, dass tanzen Spaß machen muss? Oder Singen? (ich will niemand auf die Füße latschen) Computerspiele langweilen mich nach 10min. Ich hab noch nie ein Spiel zu Ende gespielt. (Aber hier drei Rechner rumstehen....) Fernsehen, ich zappe mehr weg als dass ich gucke. Oder schalte den schei. nach paar Minuten wieder aus. Sport ist nicht mehr, meine Knie sind nicht mehr die besten. Mit Freunden in Lokale gehen uns Spaß haben? Wenn ich das beobachte, wird mir schier schlecht. Ich habe kein Verständniss dafür. Über welchen Blödsinn die reden. Was die alles toll finden....
Wahrscheinlich aber ist das nur ein Ausdruck meiner eigenen unfähigkeit zu normalen Kontakten. Also im Grunde Neid. Ja, aber was soll ich dagegen machen? Ich fange bestimmt nicht an, plötzlich in der Öffentlichkeit über Handy`s zu reden. Und sich gegenseitig App`s (oder was auch immer) zu zeigen. Oder über Aggression unter Regeln, sprich: Fußball! (wer gewinnt eigentlich bei 1:1?

Alles ausreden? vielleicht. Aber so denke ich.

Ich will jemand anderes sein.
Und weis genau, dass das nicht geht. Es gibt keinen anderen. Jeder andere sieht sich selbst als ICH. Also bin ich immer ich. Egal, wer ich bin.

Jetzt sitze ich hier (11.30 vormittag) kotze mich aus (ich bitte um Nachsicht!) und will einfach nur raus. Aber dafür ist es zu früh. Ich warte, bis es ca. 17.00 Uhr ist, dann ist erfahrungsgemäß die Luft rein (Treppenhaus) und werde heute mal wieder ein B. trinken gehen. Ich bin jetzt seit Freitag hier in der Bude. Mucksmäuschenstill.
Zurückkommen werde ich möglichst genau um 22.30. Um 23.00 kommt mein Vermieter von seiner Arbeit zurück. Dann bin ich schon hier, bin wieder still und alles ist gut. Am Wochenende? keine Ahnung.
Ich hoffe nur, das ich es endlich schaffe, den schei. Briefkasten zu leeren. Das baut sich langsam zur Katastrophe auf.

In diesem Sinne; Ich danke dir nochmals für deine Anteilnahme,
lg
exBuddha

05.04.2012 11:44 • #3


HeikoEN
Zitat von exBuddha:
Hallo HeikoEN!
ja, ich gehe regelmäßig arbeiten. Diese Woche hab` ich frei, deshalb kann ich jetzt schreiben. In meinem Job gehts mir gut, ich bin Lagerleiter (allerdings alleine, ohne Untergebene ziemlich abwechslungsreich und vor allem Selbstständig. Und seeehr ruhig. Ich reiß mir kein Bein aus. Was aber teilweise auch recht anstrengend sein kann, notorisch Unterfordert zu sein.


DAS ist doch schonmal ein großer Vorteil, insb. wenn man sich andere Verläufe hier im Forum so ansieht...

Zitat von exBuddha:
Hallo HeikoEN!
Warum ich in diesem Forum bin? Ich habe rumgesucht, wo ich mich selbst einordnen kann. Beim lesen der Beiträge hier habe ich einige Parallelen gefunden, wobei ich keine Angst-Attacken oder Phobien habe. Zumindest keine ausgewachsenen.


Kann man denn von Zwängen sprechen? So ganz spontan sieht es mir danach aus? Oder auch Stück weit Angst vor einer sozialen Bewertung? Deine Nachbarn im Treppenhaus, Vermieter usw. könnten dafür sprechen?

Zitat von exBuddha:
Aber ich komme mit meinem eigenen Zustand einfach nicht mehr klar. Ich will was ändern, klar. (am liebsten: ändern lassen!).


Warum denn lassen? Meinst Du damit, dass Dich jemand an die Hand nehmen muss, damit Du es schaffst oder geht es um die Einstellung, die ich immer wieder hier sehe, dass die Verantwortung für die Probleme abgegeben wird. So nach dem Motto: HIer lieber Arzt, mach mich gesund.?

Zitat von exBuddha:
Dieses versteck-spielen in der Wohnung, das doppelspiel der Psyche - wie soll das weitergehen? Irgendwann bricht doch wieder alles zusammen. Oder ist es das, was ich (meine Psyche) insgeheim will?
Die Anonymität hier im Forum nimmt mir die Angst über mich zu schreiben. Ich hätte Freunde (genau: 2) die auch verständniss hätten und mir helfen würden - aber ich kann mich Ihnen einfach nicht öffnen. Nach aussen bin ich doch der kluge, starke.


Gefühl würde ich vielleicht jetzt sagen, lass es einfach so, wie es ist. Offensichtlich unterliegst Du da einem Rollenzwang und ja, die kannst Du nicht so eben abgeben, weil die Gesellschaft natürlich auch bestimmte Rollen vorschreibt und mit Missgunst straft, wenn Du rausfällst. Schwäche und Krankheit ist sowieso ein Dogma, insb. mit psychischen Problemen. Da muss aber soviel Angst vor da sein in der Gesellschaft, dass das alle so verteufeln, anstatt offen, ehrlich damit umzugehen und informativ.


Zitat von exBuddha:
ich denke schon, das ich mit/durch Selbsthilfe wieder auf die Beine kommen kann. Aber ich habe eben gestern erst damit begonnen, in dieser Richtung zu suchen und Kontakt aufzunehmen. Die frühere Suchtproblematik hat mir gezeigt, was in einer SHG alles möglich ist. Aber für meinAngst-Verhalten und dem daraus resultierenden Messie-Problem ist dort fehl am Platze. Ich brauche also eine neue Gruppe. Unpassenderweise war natürlich das Treffen in meiner Stadt bereits am Mittwoch. Und ist nur 1mal im Monat....


Ja wunderbar. Ich finde es schonmal ganz hoch anzusehen, wenn man in irgendeiner Weise aktiv wird. Eine Änderung herbeiführen, egal ob erstmal negativ oder positiv. Wichtig ist, es ändert sich überhaupt etwas.
Was die richtige Gruppe ist, kannst natürlich nur Du entscheiden. Ist ja auch die Frage, wo Du herkommst und ob es ggf. auch Gruppen mit Doppeldiagnosen, z.B. Sucht Angst/Depression oder Zwang Messie usw. gibt.

Zitat von exBuddha:
Ja, du hast Recht, der Cut von dem Suchthilfeverein war und ist für mich schlimm.
Nach meinem Versager-Leben habe ich endlich etwas gefunden, wo ich mich einbringen kann, sogar Fachmann wurde. Mit vollem Einsatz erfolgreich -für mich und für andere-. Eine Lebensaufgabe sozusagen.
Aber nein - der Erfolg war mir nicht vergönnt. Freiwillig habe ich nicht aufgehört. Ich wurde rausgemobbt. Ich würde dir gerne sagen, was ich da alles gemacht habe, aber dann ist`s vorbei mit anonym....


Weisst Du, ich sehe auch das Tun in einer SHG als reinen Selbstzweck an

Anderen so weit helfen zu können, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Gerade wenn es so in die Bereich Sucht, Depressionen usw. geht, bin ich da maximal vorsichtig. Nicht das man das Wissen nicht hätte oder den Ehrgeiz, aber es können Konsequenzen daraus entstehen, die man nicht mehr selber kontrollieren kann. Bei Angst sieht das m.M. nach schon anders aus. Wenn jemand eine scharf abgrenzte reine PAnik und Angststörung hat, kann man ihm sehr gut weiterhelfen, finde ich.

Und ja, in so einer Gruppe ist es nicht anders, als in dieser Gesellschaft auch. Man schafft nicht alle mitzunehmen auf seiner eigenen Reise und was spricht dagegen, z.B. eine neue Gruppe aufzumachen?


Zitat von exBuddha:
Ein Hauptproblem für mich ist, das ich praktisch nirgends einen Sinn sehe. Die Suchthilfe hat für mich Sinn gemacht.


Ja na also. Dann ist vielleicht das zwischenmenschliche etwas, was Dir liegt und was Du verfolgen solltest. Ggf. ergeben sich daraus andere Perspektiven. Wenn Du z.B. Sucht mit Tanzen therapieren könntest, würdest Du vielleicht auch tanzen

Zitat von exBuddha:
Alles andere, was Menschen so toll finden, ist für mich mehr oder weniger ein Greuel.
Ich komme mit dem von der Gesellschaft anerkannten Status Quo nicht klar. Wer gibt uns vor, dass tanzen Spaß machen muss? Oder Singen? (ich will niemand auf die Füße latschen) Computerspiele langweilen mich nach 10min. Ich hab noch nie ein Spiel zu Ende gespielt. (Aber hier drei Rechner rumstehen....) Fernsehen, ich zappe mehr weg als dass ich gucke. Oder schalte den schei. nach paar Minuten wieder aus. Sport ist nicht mehr, meine Knie sind nicht mehr die besten. Mit Freunden in Lokale gehen uns Spaß haben? Wenn ich das beobachte, wird mir schier schlecht. Ich habe kein Verständniss dafür. Über welchen Blödsinn die reden. Was die alles toll finden....

Wahrscheinlich aber ist das nur ein Ausdruck meiner eigenen unfähigkeit zu normalen Kontakten. Also im Grunde Neid. Ja, aber was soll ich dagegen machen? Ich fange bestimmt nicht an, plötzlich in der Öffentlichkeit über Handy`s zu reden. Und sich gegenseitig App`s (oder was auch immer) zu zeigen. Oder über Aggression unter Regeln, sprich: Fußball! (wer gewinnt eigentlich bei 1:1?


Na, ich finde bei Deiner Schilderung so gar nichts verwerfliches

Ganz im Gegenteil. Eine gesunde Einstellung dazu, was man gerne möchte und was nicht.

Offensichtlich und das sehe ich als menschliche und psychische Qualität an, kannst Du dich sehr gut abgrenzen und genau für Dich bestimmen, was Du gerne möchtest und was nicht.

Bedenke mal, wie viele Menschen genau darunter leiden! Also Pluspunkt.

Die Tatsache, dass Du DEIN individuelles Ding noch nicht gefunden hast, besagt ja nichts über Deine zwischenmenschlichen Qualitäten, die Du 100% hast, allein schon aufgrund Deiner Lebenserfahrung mit den o.g. Umständen (Sucht, Zwänge, ...).


Zitat von exBuddha:
Ich will jemand anderes sein.
Und weis genau, dass das nicht geht. Es gibt keinen anderen. Jeder andere sieht sich selbst als ICH. Also bin ich immer ich. Egal, wer ich bin.


Nunja, ich für mich sehe die Sache so, dass man nicht gesellschaftlichen Maßstäben hinterher eifern sollte. Ein Gegenüber mit etwas Tiefgang wird das auch verlangen. So geht es mir jedenfalls. Ich habe genau den Anspruch am Gegenüber, dass derjenige ja wirklich das sagt, denkt, was er wirklich fühlt. Der Schlüssel zu allem heisst da auch Selbstliebe. Ohne jetzt ins Esorterische abgleiten zu wollen, aber Grundlage allem ist, so wie Du auch schon sagt, dass ICH. Du musst so wahrhaftig zu Dir selber sein, dass Du das, was Du o.g. dir gegenüber vertreten kannst. Ich glaube aus Deinen Zeilen zu lesen, dass Du das kannst.




Zitat von exBuddha:
Jetzt sitze ich hier (11.30 vormittag) kotze mich aus (ich bitte um Nachsicht!) und will einfach nur raus. Aber dafür ist es zu früh. Ich warte, bis es ca. 17.00 Uhr ist, dann ist erfahrungsgemäß die Luft rein (Treppenhaus) und werde heute mal wieder ein B. trinken gehen. Ich bin jetzt seit Freitag hier in der Bude. Mucksmäuschenstill.
Zurückkommen werde ich möglichst genau um 22.30. Um 23.00 kommt mein Vermieter von seiner Arbeit zurück. Dann bin ich schon hier, bin wieder still und alles ist gut. Am Wochenende? keine Ahnung.
Ich hoffe nur, das ich es endlich schaffe, den schei. Briefkasten zu leeren. Das baut sich langsam zur Katastrophe auf.


Interessieren würde mich bei Deiner Schilderung, was passiert, wenn jemand bei Dir ist? Ein Freund oder Bekannter...?

Was passiert denn, wenn Du um 23:10 Uhr nach HAuse kommst? Ensteht dann Angst bei Dir? kannst DU sie definieren?

Welche Hilfe, Deiner Meinung nach, bräuchtest Du denn genau, damit sich am o.g. Umstand etwas ändert?

05.04.2012 12:23 • #4


E
Danke für dein ausführliches Statement, HeikoEN!

Deinen Ansichten über mich kann ich nichts entgegenstellen. das trifft wirklich voll zu.
Dass ich eine arbeit habe, ist auch für mich ein wichtiger Punkt, vor allem mir selbst und der gesellschaft gegenüber noch als normal zu gelten. Und es ist einer der wenigen Punkte, auf die ich auch ehrlich stolz bin. Bei meiner Lebensgeschichte war es oft sehr ungewöhnlich, dass ich überhaupt gearbeitet habe. Ich war -und das ist alles lange her und abgeschlossen- schon drei mal hinter Gittern. Aber jedesmal bis unmittelbar vor und direkt nach der Inhaftierung in einem Job. Bis vor zwei Jahren als ungelernter Lagerist/Staplerfahrer. Seit 2010 als Fachkraft für Lagerlogistik.

Zitat von dir; Kann man denn von Zwängen sprechen? So ganz spontan sieht es mir danach aus? Oder auch Stück weit Angst vor einer sozialen Bewertung? Deine Nachbarn im Treppenhaus, Vermieter usw. könnten dafür sprechen?

Ich denke, das kommt verdammt gut hin. Ich orientiere mich extrem danach, was andere von mir denken (könnten). Und: ich weis, das man das nicht machen sollte...

Die Arbeit im Verein war tatsächlich zuallerst reiner Selbstzweck. Ich habe im Prinzip höchst egoistisch gehandelt, natürlich meine ich hier positiven Egoismus. Und ich konnte mein Leben dadurch auch erheblich besser kontrollieren. Durch den massiven Zeitaufwand war zwar ordnung halten nicht grade im Vordergrund, aber es nahm keine exzessiven Ausmaße an.
Was ich aber dennoch hatte, eigentlich die ganze Zeit über, das waren diese Angst/- Schamgefühle gegenüber Nachbarn etc. ich wohnte die letzten Jahre im Erdgeschoss. Für mich eine selbstauferlegte Hölle. Vom Tageslicht habe ich nie was gesehen. Teilweise (ha ha, eigentlich immer!) habe ich mich gebückt(!) wenn ich am Fenster vorbeigehen wollte!! Oder habe einfach gewartet, bis die Leute, die sich eventuell vor dem Haus /Fenster aufgehalten haben, wieder weg waren. Klospülung drücken? Nur wenn ich sicher war, dass keiner im Hausflur unterwegs ist.

Was ich mache, wenn ich Besuch habe? Gute Frage. hier kommt wieder das Doppel-Leben ins Spiel. Erstens habe ich seit ca. 4-5 jahren praktisch keinen Besuch mehr zu mir eingeladen. Eine Freundin, die ich zwischenzeitlich hatte (keine feste Beziehung) die hat den Zustand hingenommen. Und hat von meinen Ängsten nichts mitbekommen. Wenn jemand da ist, fühle ich mich eher geschützt, ein möglicher Nachbar oder wer auch immer, kann einen ja nicht blöde anreden, wenn man nicht alleine ist. (Wer bitte soll mich blöde anreden? Und warum? Aber die Angst ist da)

Zitat: Was passiert denn, wenn Du um 23:10 Uhr nach HAuse kommst? Ensteht dann Angst bei Dir? kannst DU sie definieren?

Welche Hilfe, Deiner Meinung nach, bräuchtest Du denn genau, damit sich am o.g. Umstand etwas ändert?


Diese Angstgefühle definieren ist schwierig. Im Grunde ist sogar genau das mein Problem: Wenn ich konkrete Panik-Schübe hätte, mit den dazugehörigen Symptomen, dann wüsste ich mich besser einzuordnen, könnte gezielt therapie anstreben.
Aber ich fühle mich einfach extrem unwohl. Der Begriff ein schlechtes Gewissen haben trifft meine Gefühlslage am ehesten. Nur mit der Folge, dass ich ganz normale Abläufe (Müll rausbringen, Briefkasten leeren, direkt nach der Arbeit nach hause gehen) nicht mehr schaffe. Wenn mir jemand begegnet -was ich ja nicht wirklich immer verhindern kann- läuft es mir eiskalt den Buckel runter. Aber nur kurz. ich sehe ja nicht verloddert aus, im Gegenteil. Und eine Aufrechte Haltung, saubere Klamotten (Kleider machen Leute) brav und seriös mein Laptop über der Schulter (das nehme ich teilweise nur deswegen mit), das schützt mich. Ich sage freundlich Hallo und gehe weiter. Nichts passiert. Aber das ist für mich kein Erfolgsgefühl oder vernünftiger grund, weniger Angst vor dem nächsten Mal Kontakt zu haben.

Was ich mir an Hilfe vorstelle / Wünsche;
dadurch, das ich auch hier erstmals offen darüber berichte, Kontakt in einer SHG aufzubauen (gibt`s hier zum Glück eine) und -was anderes fällt mir nicht ein- durch einen baldigen erneuten Umzug in eine für mich passendere, sprich anonymere Wohnumgebung mit dieser Erfahrung wirklich neu anzufangen. Bislang habe ich nie mit jemanden darüber gesprochen, dieses Eis ist nun gebrochen, vielleicht schaffe ich es, wenn ich offen damit umgehe.

soweit erst mal, und vielen Dank für deinen Beitrag
lg
exBuddha

05.04.2012 13:36 • #5


HeikoEN
Ja, danke für die weitere Schilderung...spannend alles irgendwie, finde ich.

Darf ich mal nach Deiner Kindheit fragen?

Konstellation, Suchtprolematik der Eltern, Vertrauensperson...

Welcher Therapien hast Du denn schon hinter Dir? Auch etwas zum Thema Angst, Zwänge, soziale Bewertungsängste?

05.04.2012 13:57 • #6


E
Meine Kindheit....
Naja, die ist auch reichlich zwiespältig. Und wiederum für einen aussenstehenden Normalo kaum zu glauben.

- Nach der Geburt im Krankenhaus vergessen worden (nehme ich jedenfalls an)
- im katholischen Kinderheim unter Pinguinen bis zum 5 Lebensjahr erzogen
- vom leiblichen Vater wiedegefunden und adoptiert worden
- in normaler Familie mit Stiefmutter und neuer (halb)Schwester aufgewachsen
-mit 13 Jahren richtigen vornamen erfahren (kein Witz, die haben mich im Kinderheim halt irgendwie genannt, mein Vater hat das übenommen, später kam raus, das mein -recht exotischer- Name ganz anders lautet
- mit der Stiefmutter Haß-Liebe. Ich konnte die Stimme der Frau nicht aushalten, bekam regelrecht Krämpfe wenn sie mich schimpfte, ich konnte sie nicht berühren. Wechselgeld musstee sie mir in die offene hand falen lassen, sonst hab ich die hand angewiedert zurückgezogen
- Eltern waren nur wegen uns Kinder 16 jahre verheiratet. keine Liebe. Als ob wir Kinder das nicht spüren würden.
- Vater periodisch nicht da (über längere Zeit) erst als erwachsener habe ich die Verdrängungen beseitigt und erkannt, das er mehrmals im Knast war. Warum? Allein das reicht, um ein Kind zu zerstören. Der Alte war päd.. Wie oft ich mitansehen musste, wie der Kerl Mitschüler kitzelte... ich hab auch seit Jahren keinen Kontakt mehr.
- ansonsten hat er sich wirklich Mühe gegeben, uns Kinder vernünftig und als Freidenkende mündige bürger zu erziehen. hab trotz allem viel von Ihm gelernt.
- Alk., Dro. oder Waffen gab es nicht. Strikte Gewaltgegner. Indianerspielen war allerdings auch nicht gern gesehen, da hat man ja auch Waffen...
- Kontakt zu Verwandten (Oma, Onkel etc.) hat mein Vater meist abgebrochen und unterbunden. Grund: z.B. weil sie zu Einladungen nicht Pünktlich kamen. (so hab ichs jedenfalls in Erinnerung)

und so weiter.

Im allgemeinen erzähle ich über meine Kindheit nur die positiven Dinge, aber hier und jetzt geht es darum, meine Probleme anzupacken und da hilft es nicht, die Spreu vom Weizen zu trennen und nur die rosarote Brille aufzuziehen.

Therapien habe ich nie gemacht. Auch nicht in meiner damaligen Suchtproblematik.
ich bin ein Graus für jeden Psychologen. Die hätten mich nach kürzester zeit rausgeschmissen....
hab mir alles autodidaktisch angeeignet.

und zu meinen aktuellen (jetzt erst eingestandenen) Problemen; Nein, da habe ich nie auch nur irgendwas gemacht. Ich habe die Verdrängungsmethode perfektioniert...

05.04.2012 14:28 • #7





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