ACHTUNG, längerer Bericht zu einem absolut banalen Tagesgeschehen.
(Leser/in, du bist hiermit gewarnt. Erzähle mir nachher nicht, ich hätte dir vor lauter Langeweile Migräne verursacht!)
Es ist Samstag, kurz nach 9 Uhr, ich bin schon fast 3 Stunden wach, habe außer Brötchen holen, (wirklich nur) 5 Minuten auf dem Crosstrainer, 5 Minuten Unkraut pflücken, 2 Whatsapp-Nachrichten, Rasieren und Frühstücken nichts auf die Reihe gekriegt.
Momentan läuft bei mir selbstgemachte Musik, der einzige Track von mir, von etwa 40, den ich okay finde.
- - - Ich hatte in jener Zeit 6 CDs oder so zusammenkomponiert, manche Songs waren bis zu einer Stunde lang, und das war alles für die Tonne! Das war so grottig größtenteils, dass ich meine damalige Begeisterung nicht mehr nachvollziehen kann.
Andererseits habe ich genau das häufiger: Von meinem niedrigen Level ausgehend, ist erst mal alles, was mir nicht völlig misslingt, viel. Daher meine damalige Faszination für das Selbstmachen: die PC-Musik klang für mich viel besser als erwartet ...
Ich habe dieses Syndrom, dass ich mich, bildlich gesprochen, in der Welt nicht auskenne. Kaum eine Vorstellung von ihr habe. Sobald ich dann aber mal Tunesien oder auch nur den Schwarzwald kennenlerne, halte ich das (zunächst) für etwas ganz Großes und habe kein realistisches Maß, die Erfahrung halbwegs normal einzuschätzen. - - -
Mir geht es miserabel, eine 2 von 10. Wobei ich nicht völlig antriebslos bin, immerhin. Ich habe gestern von der Ärztin, einer sehr netten Orthopädin/Chirurgin, Cortisol bekommen und ich habe das Gefühl, dass das meinen Stoffwechsel verbessert hat. Dass ich etwas wacher bin. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein. Doch, gestern Abend hatte ich für meine Verhältnisse gute Laune, während ich den EM-Kracher Deutschland gegen Polen guckte. (Vom Ergebnis war ich eher etwas enttäuscht, weil ich auf einen höheren Sieg getippt hatte.)
Die Aktion, zum Arzt zu fahren, hatte insgesamt über 4 Stunden gedauert. Weil ich zu einer Praxis in der Nachbarstadt fuhr.
Unser Arzt hier im Ort ist so hoffnungslos überlaufen, dass ich keinen Bock hatte, dort ewig zu warten. Ohnehin hasse ich es, beim Arzt warten zu müssen, zumindest wenn das über eine halbe Stunde geht. Wobei es heutzutage ja Handys gibt. Dann daddelt man eben im Warteraum, statt zuhause. Ich erwähne das, weil ich beim Orthopäden die Wartezeit auf die Art ganz gut überbrückte.
Also, um diese nichtige Geschichte in epischer Breite zu erzählen: Ich fuhr in die Nachbarstadt zu dieser mir unbekannten Praxis, war deutlich zu früh dort, wie es meine Art ist. Aus Sorge, in der Patientenliste nach hinten zu rutschen, wenn ich nicht superpünktlich bin. Ich glaube, so unfreundlich wie in dieser Praxis bin ich noch nie behandelt worden. Die Ärztin dort raunzte mich mindestens zwei Mal an, wieso ich sie überhaupt behellige und nicht zu meinem Hausarzt gehe. Okay, sie hat es in nicht ganz so harsche Worte gepackt. Doch generell habe ich den Eindruck, dass manche Ärzte mit ihren Patienten wie mit Verschiebemasse umgehen und nur gerade eben noch eine höfliche Tünche wahren. Oder anders gewendet: wenn man einen netten Arzt findet, sollte man ihn sich warm halten. Nicht wenige Doktoren scheinen ein eher geringes Bewusstsein dafür zu haben, dass die Patienten ihre Kunden sind, nicht eine Horde von lästigen Besuchern, die einem Zeit stehlen.
(Doch es gibt definitiv auch Gegenbeispiele! Die Ärztin, die bei uns im Ort leider aufgehört hat, war ein Prachtexemplar. Aus Zeitgründen führe ich das nicht näher aus.)
Ich habe inzwischen die These entwickelt, dass immer dann, wenn die Praxismitarbeiter NETT sind, der zugehörige Arzt es NICHT ist, und umgekehrt.
(Inzwischen höre ich übrigens die 21-Minuten-Version von America ...)
Also war ich erst beinahe erleichtert, als das Personal in dieser Praxis sich nicht vor Höflichkeit überschlug, um es vorsichtig auszudrücken. Aber die Ärztin war in diesem Fall genauso rüpelig wie ihre Angestellten.
Wobei sie sich mein Knie halbwegs vernünftig angeguckt hat. Wenngleich sie keine Diagnose vornahm. Und mich direkt an einen Orthopäden weiterschickte. Rein inhaltlich ist das genau der Moment, den ich nicht leiden kann: Dieser Riesenaufwand, zum Allgemeinen Arzt zu fahren und dann die Ernüchterung, dass die einem noch nicht mal helfen können! Es bringt oft fast nichts. Man sollte am besten immer gleich zum Facharzt gehen, die tun zumindest so, als hätten sie Lösungen parat ... Aber versuch mal einen Termin beim Orthopäden zu bekommen!
Von daher war das in Wirklichkeit ein guter Moment! Denn der Orthopäde war keine hundert Meter weiter. Dort sollte und konnte ich direkt vorstellig werden. Man ist ja für Kleinigkeiten dankbar! Die haben mich dort tatsächlich nicht gleich wieder weggeschickt, was der wahrscheinlichste Verlauf gewesen wäre. Ich durfte bleiben!
Man sprach allerdings von einer unbestimmt langen Wartezeit. So what, ich hatte die Chance, dranzukommen! Auch die Mitarbeiterin beim Orthopäden war eher kurzangebunden und meckerte herum, dass die (Allgemein-)Ärztin mein Erscheinen nicht telefonisch angekündigt bzw. angemeldet hatte. Ich konnte bezeugen, dass sie es zumindest versucht gehabt hatte und nicht durchgekommen war. Daraufhin die Angestellte fast im knurrenden Ton: Ja, aber sie hat die falsche Nummer angerufen! Dafür gäbe es eine Spezialnummer. Diese Angestellte stöhnte über das Verhalten der Ärztin vor mir, als hätte ich eine Teilschuld daran. Was nicht der Fall war.
Ich nutzte die Wartezeit, um bei einem Kunden anzurufen, mit dem ich am Vormittag eigentlich noch einen Termin gehabt hätte. Erstaunlicherweise wurde es ganz angenehmes Gespräch. Ich habe fast immer mit netten Kunden zu tun, warum auch immer. Der zeigte jedenfalls Verständnis dafür, dass ich um eine Terminverschiebung bat. Auf Dienstag, alles gut! Danach hatte ich nicht nur das Gefühl der Erleichterung, dass ich nicht mehr nach Hause würde hetzen müssen nach dieser Arzt-Odyssee, ein Problem weniger, sondern ich kam mir tatsächlich wie jemand vor, der mit Kunden Wichtiges zu besprechen hat. (Leider hatte ich weder Publikum für diese Szene noch bekam ich Applaus. Gemessen daran, wie wenig stabil mein Stand und mein Zutrauen in mich selbst ist, gehe ich mit Kunden und Projekten manchmal beinahe souverän um. Das beruht zu 90 % auf Erfahrung, die weiteren 30% sind Transpiration ...)
Um endlich auf den Punkt zu kommen: Die Orthopädin, die mich dann eine Stunde später behandelte, war super. umgänglich und meinem Eindruck nach sehr engagiert und professionell. Ich fand sie nicht un s e xy, aber das ist sicher nicht der Punkt. Sie warnte mich vor der Spritze, dass die ziemlich weh tun könnte; wohltuenderweise ohne Koketterie. Sie schien ernsthaft zu überlegen, welche Behandlungsmethode sie mir anraten sollte. Und sie ging gut mit ihrer Assistentin um, immer ein positives Zeichen.
Sollte bei mir mal eine schwerere Operation anstehen, ist diese Frau meine erste Wahl.
Danach musste ich noch zu so einem Reha-Gedöns/Zubehörladen. Fand es dort eigentlich ebenfalls ziemlich nett. Mein Bein musste vermessen werden, das machte Spaß. Die Kollegin dort ließ mich aus vier Farben meinen Kompressionsstrumpf wählen. Eigentlich war mir die Farbe sch+++egal, doch wenn ich HSV-Blau nehmen kann, tue ich das natürlich.
Als ich hereinkam, schaute mich eine jüngere Mitarbeiterin mit nachtschwarzem, zu einem unkomplizierten Dutt gebündelten Haar irgendwie aufmerksam an. Sie war dort wohl die Praktikantin vom Dienst oder noch relativ neu. Die andere, die mich maß, erklärte ihr alle zwei Minuten irgendetwas. Ganz eindeutig ihre Vorarbeiterin. Wahrscheinlich war die Jüngere noch nicht an Kunden gewöhnt, nichts sonst weiter, doch ich bildete mir ein, dass sie mich interessant fand.
Da ich in diesem Bereich grausam unterversorgt bin, fällt mir jede kleine Aufmerksamkeit von Frauen extrem auf. Sofort versuchte ich, mit meiner tiefsten und charmantesten Stimme zu sprechen. Ich gab mich etwas ungezwungener, als ich in Wahrheit bin. Die kleine Jüngere schien mir tatsächlich hinterherzugucken.
Was mir dann aber auch wieder schnell egal war, denn für ein Herumflirten fehlte mir die Phantasie, dass sie das hätte interessieren können. (Diese Zeilen zeigen, dass es mich beschäftigte. Ich habe mir (eigentlich) vorgenommen, dieses Mädel zumindest anzusprechen, wenn ich am Dienstag meinen bestellten Strumpf abholen soll. Ich habe das teurere Modell von zwei möglichen gewählt. Mein zweiter Gedanke ist, so wie ich immer Pech habe bei solchen Situationen, wird sie vermutlich an dem Tag dann nicht da sein.)
Und DANACH musste ich noch zur Apotheke meine Medikamente holen. Auch das dauerte fast eine halbe Stunde. Ich hatte das Gefühl, eine Odyssee an Terminen überstanden zu haben. Dabei war es so eine große Sache dann auch wieder nicht.
Ich ging noch einkaufen und gönnte mir eine Rosinenschnecke. Die Schlange vor der Bäckertheke war unmenschlich lang. Lichtete sich dann aber erstaunlich schnell. Wieder war da ein minimaler Anflug von Fl irt, oder ich bildete mir das zumindest ein. Die etwas schmale und deutlich kleinere Kundin vor mir schien beeindruckt auf meine breite Brust zu schielen. Kommt selten vor, doch ich mag das total. Vielleicht bildete ich mir das erneut nur ein. Vielleicht war sie bloß genervt, dass ich relativ nah hinter ihr stand.
Man weiß es einfach nicht. Die meisten kleinen und in Wahrheit völlig unwichtigen Gesten und Blicke von Fremde sind mir zu 90% ein Rätsel. Ich würde es gerne, doch ob ich auch nur einziges Mal in meinem Leben in der Phantsie irgendeiner fremden Frau oder von mir aus auch einer Bekannten vorgekommen bin, darf bezweifelt werden.
Dabei hatte sogar ich mal die eine oder andere schöne Nacht. Erstaunlich genug.
Jedenfalls kam ich völlig erledigt nach Hause. Das Auto schnurrte vor Zufriedenheit über das trockene, warme Wetter; ich schlief am Steuer beinahe ein. Möglicherweise war es auch der Stress mit meinem Bein und die dann einsetzende Erleichterung, endlich den beknackten Arzttermin absolviert zu haben. Die Orthopädin verdonnerte mich dazu, in drei Wochen auf jeden Fall wieder bei ihr vorstellig zu werden und wenn ich ehrlich bin, freue ich mich auf diesen Termin wie ein kleines Kind. Hoffentlich denke ich daran, sofort einen nächsten Termin bei ihr zu vereinbaren. Ich habe nämlich noch diverse kleine Zipperlein, die einen Orthopäden-Besuch rechtfertigen. Und wenn man mal Zugang zu einem Orthopäden hat, sollte man ihn auch nutzen.
Ich war so platt, dass ich erst mal eine halbe Stunde schlafen musste. Ich träumte nichts oder nur etwas Gestaltloses oder Zerfasertes, das man nicht in Worte fassen kann. Danach setzte ich mich widerwillig für anderthalb Stunden an den Arbeitsrechner. Mehr war absolut nicht drin. Anschließend zurück ins Bett, noch mal 2 Stunden Pause. Dann war schon fast die Vorbereitungszeit für das Deutschland-Spiel.
Ich hängte eine Deutschlandflagge auf dem Balkon auf. Mit dem ganz deutlichen Gefühl, es ebenso gut auch hätte bleiben lassen können. Nur gehört zu einem Turnier für mich irgendwie ein Minimum an Dekoration und Einstimmung.
05.07.2025 10:53 •
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