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Soll ich mal etwas echt Deprimierendes erzählen? Etwas, was mich ziemlich fertig macht ...
Allerdings ist das hier eher etwas Dahergelaber, also bitte nur bei absoluter Langeweile lesen!

Ich war mal in einer Kneipe. Fußball-Abend. Im Dunstkreis der großen Leinwand blockierte ein Chica (ich meine das nicht abfällig) meinen reservierten Platz.
Weil ich in solchen Momenten charmant sein kann oder mir das zumindest einbilde, kamen wir ein bisschen ins Plaudern.

Nein, macht doch nichts, du kannst gerne noch eine Weile am Tisch sitzen bleiben. Mein Kumpel kommt erst später. Bist du auch Arsenal-Fan?

So die Tour. Da sie schlecht weglaufen konnte - Kneipe sehr voll -, kamen wir ins Gespräch.

Ich fragte sie, was sie studiert, gab zurück, was ich selbst so treibe, wie ich in die Kneipe gefunden hatte. Leierte mir aus den Rippen, was ich an ihrem Studiengang interessant fand, nachzufragen. Suchte ihr entgegen zu kommen. Sie würde um die Ecke wohnen, erwähnte sie beiläufig und unnötigerweise. Es klang beinahe danach, als könnte da noch eine Anschlussfrage kommen, wie: Willst du später mitkommen? (Wovon träume ich nachts?)

Jedenfalls, es ergab sich ein bisschen Small Talk, mehr von mir angeleiert als von ihr, und für eine Weile dachte ich, hui, dieses deutlich jüngere Mädel interessiert sich ein bisschen für mich.

Dann fing das Spiel an, und es kam zu Verschiebungen.
Sie saß irgendwann schräg hinter mir und manchmal war mir, als würde ihr Atem meinen Nacken streifen. Sehr angenehmes Gefühl.
Bei Torszenen drehten wir uns zueinander um und lächelten uns an. Statt das realistisch einzuschätzen, bildete ich mir ein, sie interessiert sich tatsächlich.

Die Pointe kam kurz vor Spielende.
Plötzlich saß ein Typ neben ihr, der vernünftigerweise in ihrem Alter war. Und der dann seinen Charme spielen ließ, auf erschreckend ähnliche Art wie ich zuvor ... Der ihr also Fragen stellte, woher kommst du, was machst du, ah, interessierst du dich für Arsenal?
Ich merkte ihm an, dass seine Neugier vielleicht nicht unecht war, doch irgendwie auch alles andere als überzeugend, sondern routinemäßig wirkte. Dass er sie bloß abcheckt, scheußliches Wort, statt sich ihr wirklich zu nähern. (So sind Männer halt. In der Nähe von Einfachchromosomlern mutieren wir zum balzenden Hirsch.)

Und dass er dann ins Palavern geriet, über dies oder das seine Bescheidwisser-Meinung zum Besten gab, gönnerhaft ein paar wohlwollende Worte in ihre Richtung und über ihr Studium streute, letztlich genauso Mainsplaining-mäßig und bescheuert wie ich. Nur vielleicht noch arroganter, noch anmaßender. Da wir keinen Meter auseinander saßen, musste ich mir das Gesülze dieses Typens zwangsläufig minutenlang mit anhören.

Ich meine, das Spiel lief noch, der Typ achtet null darauf, es ist ihm in Wahrheit völlig egal, was ihn nicht davon abhält, sich selbst als Fan zu bezeichnen. Ich dachte die ganze Zeit: Was für ein Ar***. Was für eine Milchtüte.

Und Frauen lassen sich von solchen Schimpansen beeindrucken und volllabern. Es ist immer das Gleiche. Würde mich ja nicht groß stören, wenn der mir nicht die Schlussviertelstunde des Spiels zerquatscht hätte. (Es war nun nicht so laut, dass eine Beschwerde angemessen gewirkt hätte.) Und wenn ich nicht mich selbst in seinen hilflosen und zugleich selbstverliebten Anmach-Versuchen erkannt hätte.

Da die beiden wie gesagt gleichen Alters waren und er ihr anscheinend attraktiver vorkam als ich, logisch, ging sie auf ihn deutlich mehr ein als auf mich. Und ich hatte das vorher null gemerkt. Dass ich mal wieder zu optimistisch war.

Es ist scheußlich, Menschen bei ihren erbärmlichen Flirt-Annäherungen zuzusehen. Vor allem, wenn ich darin erkenne, dass ich kaum ein Deut besser bin. Als diese Hampelmännchen, die in die Fitnessbude rennen und das für maskulin halten, die mit ihren albernen Mountainbikes durch die Wälder brettern, oder irgendein bescheuertes schnelles Auto ihr eigenes Reich nennen und sich deswegen wie ein Kerl vorkommen, oder die was-auch-immer studieren oder arbeiten, und sich darauf groß was einbilden; die meisten von denen sind so unreflektiert und eingefahren in ihrem mickrigen Korsett aus Männlichkeitsritualen, dass sie das Charisma eines Küchenstuhls ausstrahlen.

Am übelsten kommt mein Männerhass übrigens hoch, wenn ich an einem Friseurladen vorbeikomme und dort die verhuschten Lackaffen sehe, die sich ihre albernen Hipster-Bärte schön glatt ausschneiden lassen oder sich eine dieser Klobürstenfrisuren antun mit ausrasierten Seiten, als wären sie gotische oder anatolische Krieger, die die Restwelt beeindrucken wollen mit zauseligen Vollbärten, Muskelvortäuschungen und martialischen Tattoos. Ich kann diese Halbstarken nicht mal für 10 % ernstnehmen.

Wenn ich bei meiner Spezies - den Männern - ein bisschen Einfühlungsvermögen oder wenigstens Höflichkeit entdecke oder einer einen Satz schreiben kann, ohne dass er sich die Hand bricht oder es nach krakeligem Schulversager aussieht, bin ich ja schon froh.

Tut mir leid, ich habe da echt eine Macke. Ich mag Männer nicht. Die allermeisten.

Die, die das Bild bestimmen.

Ich habe zu oft mit einsilbigen Ingenieuren zu tun und mit *beep* Sportlern unter der Gemeinschaftsdusche gestanden.

In der Bahn sieht man nur noch Hänger, Handy-Süchtige und Schmierlappen.

Oder Anzugträger, die sich durch ihren Job definieren und den unberührbaren Machertypen spielen.
Einer schlimmer als der nächste.

Sie alle starren Frauen auf die Rückseite, sofort be- und abwertend, mit ihrem fachmännischen an zehntausend Ma st urbationsstunden geschulten Urteil, bei jeder Gelegenheit, oder popeln sich wie Forschungsreisende in der Nase, wenn sie glauben, dass keiner hinsieht.
Übertreibe ich, steigere ich mich mal wieder rein?

Ja. Ich lasse das trotzdem mal als Zeugnis meiner Einfältigkeit und Voreingenommenheit stehen: Wäre ich eine Frau, würde ich les bis ch werden wollen. Das ist leider mein voller Ernst. Frauen sind nun auch nicht viel besser. Aber zumindest im Durchschnitt etwas feingeistiger, biegsamer, weniger borniert. Frauen sind die größeren Illusionisten und gleichzeitig deutlich mehr geerdet.
Das Eine scheint miteinander zusammenzuhängen. Die meisten Männer kommen mir vor, als würden sie nicht mehr träumen. Höchstens noch von ihrer Traumfrau. Oder einem leckeren Nachtisch. Sie kommen mir stumpf, unausgegoren, langweilig und nichtsnutzig vor. Ist vielleicht auch eine Projektion meines Selbsthasses. Nein, viele Männer wirken tatsächlich oft so. Ich habe meine letzte Männergruppe geschmissen, weil ich null Potential in den dort rumliegenden Typen sah.

Da war z. B. einer, der zwei Herzinfarkte hinter sich hatte. Nur mal so als zynisches Beispiel. Das brachte ihn immer noch dazu, auch nur halbwegs seine Lebensweise, sein Rauchen, seine Verbissenheit und Egozentrik zu hinterfragen.

Oder dieser Abteilungsleiter eines großen Kunden, von dem man mir brühwarm erzählte, etwas mehr, als ich hören wollte.

Nein, das breite ich nicht auch noch aus. Ich steigere mich rein, ich werde selbst zu einem dieser Labertypen, die andere mit borniertem Gerede zu unterhalten versuchen, dabei nur leider eben nichts oder nicht viel zu sagen haben.

Mir geht es nicht gut.
Gestern ein ziemlich langer, mir zu anstrengender Arbeitstag.
Heute dann übrigens noch mal zu der netten Orthopädin. Mir fiel auf, dass sie ziemlich kleine Hände und kurze Arme hat. Überhaupt eine kleine Person, die als einzige in dieser Gemeinschaftspraxis keinen Doktortitel hat. Sie konnte mir nicht recht erklären, warum im Wartezimmer Basketball-Bilder an der Wand hängen. Die mich erstaunt haben, als säße ich in einem falschen Raum. Andererseits, warum soll nicht einer der Ärzte eine Schwäche dafür haben. Und Orthopäden sind ja oft nahe dran am Sport. Ich sah diese vier Schwarz-Weiß-Aufnahmen an, auf denen amerikanische Spieler quasi um die Wette springen für den Basketball. Im Hintergrund eindeutig eine Häuserkulisse von New York. Keine Ahnung, warum ich mir mit der Stadt sicher war, es gab keinen Schriftzug und kein Straßenschild im Bild, der oder das mir das bestätigte, theoretisch hätte es auch in Chicago oder Baltimore oder sonstwo sein können. Die Bilder waren auf Höhe ausgerichtet. In dem Sinn, dass sie durch die Bank ALLE den Ball als höchstes Element hatten, der mehr oder minder über den hochgestreckten Händen schwebt, und fast alle Spieler springen beeindruckend nach oben. Auf allen vier Bilder war der Moment eingefangen, wenn der Ball nach oben die spielende Hand verlässt. Nichts Anderes als eben genau dieser Moment. Mir war fast, als würden die Basketbälle im Raum um mich herum schweben. Witzigerweise ging es später noch um mein Fußgelenk. Ich sah diese Bilder an und wusste genau, dass ich der einzige bin, der ihnen auch nur zehn Sekunden Aufmerksamkeit widmet. Ich sah sie an und wusste, dass ich der einzige, der diese Bilder erstaunlich fand und sich wunderte, dass sie in einer Arzt-Praxis herumhingen. Während die anderen Patienten sie überhaupt nicht bemerkten. Sie gar nicht wahrnahmen. Während ich das Gefühl hatte, irgendwie aus der Zeit zu fallen, während ich diese Basketballszenen betrachtete. Kann sein, dass ich noch nicht so oft bei Orthopäden war und die am laufenden Meter Sportbilder an ihre Wände in den Praxen klatschen.

Die Ärztin plauderte fast ohne Unterbrechung, doch weder schnell noch übermäßig viel. Sie spielte Symptome und Behandlungsmethoden gegeneinander aus, als handelte es sich um Thesen und Anti-Thesen. Sie bemühte sich ohne besondere Anstrenung um ein überzeugendes Abwägen und kompetentes Daherschwafeln. Das meiste schien mir überzeugend, doch manches auch kompletter mist.
Sie überredete mich dazu, noch eine Röntgenaufnahme von meinem Knöchel machen zu lassen. Nur um sich abzusichern! Wer könnte dazu schon Nein sagen? Ich musste auf der Röntgenliege den Fuß mitsamt Fußgelenk einmal nach links drehen, einmal nach rechts. Nach rechts allerdings in einem viel größeren Winkel. Die Assistentin im Röntgenraum wirkte besonders höflich und zuvorkommend, erklärte mir ein paar Dinge besonders langsam und betont, als wäre ich schwer von Begriff, aber das medizinische Personal redet ja permanent mit sehr alten, gebrechlichen Menschen, dann nistet sich das ein, diese Art. Ich wusste schon vorher, die Röntgenaufnahme bringt nicht das Geringste. Ich habe nichts am Knöchel, an den Knochen, meine ich. Das ahnt man mit ein bisschen Erfahrung. Das Ergebnis des Bildes überraschte mich kein bisschen. Obwohl es eigentlich überflüssig und belanglos war, erläuterte mir die Ärztin jede Kleinigkeit meiner Gelenkknochen, jeden Grat, jede kleine Vorwölbung, jede Einbuchtung. Das Schöne an Röntgenbildern ist ja, dass sie immer so wirken, als wären sie nicht von einem selbst; sondern als würden sie ein schulbuchmäßig abstraktes Skelett zeigen.
Die Ärztin schien zu glauben, dass sie mich mit diesem Palaver in irgendeiner Weise aufklärt oder vielleicht sogar beruhigt. Ich hatte weder um Aufklärung noch um Beruhigung gebeten. Trotzdem redeten wir über meinen Fuß, das Spaltmaß meiner im Gelenk sich begegnenden Knochen. Ausnahmslos sagte sie exakt die abwägenden Teilsätze, die ich erwartete; im Großen und Ganzen sei der Spalt weit genug, zum Wadenbein ein bisschen enger, doch nicht kritisch. Schon aus Höflichkeit grätschte nicht in ihre Rede hinein. Die Abnutzungserscheinungen würden sich in Grenzen halten. Ich hätte ein wenig die Tendenz Senk- und Spreizfuß, aber nichts Dramatisches. Sie hätte auch einfach die Zusammenfassung sagen können, dass die Röntgenfotografie überflüssig gewesen war. Das hätte den Termin abgekürzt. Haben jedoch Ärzte ein Röntgenbild vorliegen, erklären sie es dem Patienten meistens auch gerne. Als würden sie ihn einweihen in die eigentlich ihnen vorbehaltene Kunst der Diagnostik. Ich hätte mich gefreut, wenn sie einfach gesagt hätte, das Bild hätte nichts gebracht und müsse nicht kommentiert werden. Denn genau das kam bei dieser Röntgenszene nach geschlagenen 30 Minuten, die Wartezeit zwischen den Teilakten mitgerechnet, nämlich heraus: Nichts Substanzielles.
Der kleine Zauber, den ich beim ersten Termin bei dieser Ärztin empfunden hatte, war komplett verflogen. Wie das eben häufiger mit kleinen Zaubern passiert. Kaum eine Spur davon noch im Raum. Ich sah sie eher neutral an, obwohl ihr Gesicht hübsch ist. Das Komische ist, dass ich manchmal gerade die ausnehmend hübschen Frauen mit einer Gleichgültigkeit ansehen kann, die ihresgleichen sucht. Bei sehr hübschen Frauen denke ich manchmal, wow, langweilig; die sind andauernd mit ihrem Äußeren konfrontiert und beschäftigt; das ist auch nicht immer das Wahre. Auf mich bezogen, kann ich sagen, dass mich die Nähe zum Schönheitsideal mitunter langweilt oder zumindest oft mit einem langweilenden Eindruck verbunden ist. Was mich an Frauen fasziniert, ist sicher nicht in der Größe ihrer Augen oder der Gleichmäßigkeit ihrer Nase oder der Sinnlichkeit der Lippen begründet, auch wenn das nicht völlig unerheblich ist.

Die Ärztin redete ein bisschen so, wie ich es in meinem Job auch manchmal zu tun pflege. Manchmal bilde mir ein, ich mache das gar nicht so übel. Ziemliche Illusion! Trotzdem, mein Chef sagt mir manchmal, ich hätte eigentlich eine gewinnende Art. Ich hätte starke Argumente. Würde das aber eben nur zu selten zur Geltung bringen. Wir sind ja in einigen Situationen beinahe so etwas wie Unternehmensberater, in bescheidenem Umfang. Wir müssen uns überlegen, was wir dem Kunden vor den Latz knallen und wann wir uns diplomatisch und vor Zurückhaltung beinahe selbstverleugnend verhalten. Man will den Kunden ja auch nicht beleidigen oder verschrecken, auch wenn mir häufiger danach ist. Ich plauderte also einiges, versuchte meine Sichtweise anzubringen, möglichst sachlich. Das Einzige, was ich nicht erzählte, war, dass ich den Kunden für einen Stümper halte, unser Fach betreffend. Es ging um ein Dokument, das wir für ihn machen sollen. Und er sagte Sätze wie die Orthografie ist mir ziemlich egal, aber er möchte das Ding dann dennoch mit Goldkante ausdrucken. Ich dachte, ich höre nicht richtig. Ich habe eine wenn auch geringe gewisse Ehre in meiner Arbeit. Manchmal. Das sollte ich vielleicht nicht überbetonen, so mäßig wie ich arbeite. Aber das ist der Grund, weshalb ich in dieses Fach gerutscht bin.
Angenommen ich müsste einen Katalog erstellen, und darin sollen die Bilder exakt korrekt zu den Texten ausgerichtet werden. Heutzutage ist das z. B. mit Indesign völlig leicht zu bewerkstelligen, aber mir geht es an dieser Stelle nur um das Prinzip: Bei solchen Arbeiten bin ich ziemlich akribisch und unduldsam gegenüber Nachlässigkeit. Was nicht heißt, dass mir keine Nachlässigkeiten passieren. Leider nicht. Doch ich räume gerne Dokumente auf. Genauso wie ich auf Urlaubsreisen gerne den Kofferraum des Autos belade. Die Spülmaschine optimal vollzustellen, ist eine Qual für mich (wie für die meisten Männer), doch der Kofferraum unseres Wagens ist mein Reich. Ich habe schon bei mehreren Umzügen Lob eingeheimst, dafür, wie perfekt und bis auf den letzten Kubikzentimeter ich unseren Kombi beladen hätte. Eine Bekannte fragte mich bei einem meiner ersten Umzüge, der tatsächlich mit zwei Auto-Ladungen bewerkstelligt gewesen war, ob ich Physik oder so etwas studieren würde, dass ich die Karre so vollgestopft bekomme. Man muss ja genau kalkulieren, wie man den Raum nutzt, wo man welches Teil hinpackt. Das ist ein bisschen wie Tetris, nur in real. Ich weiß noch, dass ihr Haar oder ihr Parfüm stark nach Vanille duftete. Ihr Gesicht habe ich fast vergessen, nicht aber ihren Duft. Komisch.
Dinge eingeräumt zu bekommen, ist beinahe ein Hobby von mir. Schöne Dokumente zu erstellen, mache ich auch privat gerne. Also dieser Banause von einem Kunden wollte die teuerste Art des Drucks, aber inhaltlich nicht mal auf korrekte Rechtschreibung Wert legen. Bevor wir da eine Rechtschreibprüfung unternehmen, wollte er vorher den Preis dafür wissen. An der Stelle rasselte bei mir die Jalousie runter.
Spontan hätte ich ihn fragen wollen, was verkehrt in seinen Gehirnwindungen läuft, dass ihm das Frevelhafte seiner Denkweise nicht aufgeht. Etwas später kam er auf die lange Geschichte seiner Firma zu sprechen. Dass die Dinge früher einfach gewesen wären und man keine Rücksicht auf niemanden hätte nehmen müssen. Bis die Vielzahl der Niederlassungen und Abteilungen sprunghaft explodiert sei. Damals hätten zehn Leute sich im Besprechungsraum getroffen und das gesamte Unternehmen gelenkt. Heute würde es zu jedem einzelnen Thema einen Riesenaufwand zehn Ausschüsse geben. (Fortsetzung gleich)

A


Mein kafkaeskes Tagebuch

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(Fortsetzung von vorhin) Zehn Ausschüsse und Entscheidungsprozesse, die bis zum Jüngsten Tag dauern! Gerade als er das erwähnte, wanderte im Flur vor der Glasfront unseres ziemlich transparenten Besprechungsraumes eine Kolonne mit koreanischen Gästen vorbei. Die Ostasiaten rücken bei Auswärtsterminen ja fast immer in Mannschaftsstärke an. Alle in Anzügen, mit Krawatte, viel zu warm angezogen für diesen Sommertag. Vermutlich wunderten die sich über unser lockeres Outfit. In Asien ist das wohl eine Frage der Ehre. Oder zumindest von chinesischen Delegationen habe ich das so mitgekriegt. Dass es bei denen ein Status-Ding ist, wenn man mit möglichst vielen Assistenten, Hilfskräften und Kollegen aufläuft. Als streng hierarchisch geordneter Trupp. Wie bei einer militärischen Operation, nur mit etwas höflicheren Umgangsformen und ohne Handfeuerwaffen. Sie springen auch nicht aus Flugzeugen mit Fallschirmen ab. Doch halten sich genauestens ans Protokoll. Und es sprechen ungefragt immer nur die wichtigen Leute. Ich schaute mir das einigermaßen amüsiert an, natürlich ohne auf unangemessene Art zu lächeln. Obwohl mir nach Schmunzeln zumute war. Das war wie die passende Untermalung der bedeutungsschwangeren Worte des Kunden. Der Kunde schwafelte gerade von der großen Historie, den mittlerweile schwierigen Entscheidungsabläufen, den nicht gerade kleinen Ambitionen seiner Firma. Da tanzte dieser Trupp Asiaten schweigend vorbei. Der Kunde erläuterte, dass sie gerade eine Art Ruhemodus auf dem Firmengelände hätten, viele wären im Urlaub, daher wäre das eine gute Zeit, Gäste und Dienstleister wie uns zu empfangen. Und dass diese Koreaner zwar in ein wichtiges Projekt eingebunden wären, doch sicherheitshalber keine Erlaubnis zum Fotografieren hätten. Aus einigen Bereichen wollte man die Asiaten lieber raushalten. Weil das zwar eine seriöse Zusammenarbeit mit denen sei, doch man ungewollten Wissenstransfer von hier nach Fernost lieber vermeiden wollte. Die genaue Bezeichnung seines Geschäftszweigs innerhalb des Konzern hätte sich schon so oft in seiner Zeit hier geändert; allein die Mail-Adresse wäre zehnmal abgewandelt worden. Weil sie alle paar Jahre eine neue Zuordnung und neue Domänen bekämen. Die IT-Abteilung sei mittlerweile nach Rumänien ausgelagert worden. Und die rumänische IT würde ihrerseits Subfirmen in Indien, Brasilien und fünf weiteren Staaten beauftragen. Wenn die ein wichtiges Update für irgendeinen Server oder auch nur eine banale E-Mail herumschicken, würde der Datenstrom von der Strecke her drei Mal um den Erdball flitzen, bevor er hier bei ihnen ankäme. Früher wären die Verhältnisse kleiner und übersichtlicher gewesen. Er erwähnte, dass eines ihrer ersten Geräte damals bei einem Mondflug zum Einsatz gekommen wäre. Großer Tag in der Firmengeschichte. Dass sie damit erfolgreich Werbung gemacht hätten und jeder in Deutschland zu der Zeit diese Werbung kannte. Ich nickte anerkennend. Er führte aus, dass sie damals wie heute eine der wichtigsten Firmen in diesem Sektor waren und immer noch sind. Die Koreaner paradierten ohne einen vernehmbaren Laut, wie in einem Stummfilm, an unserem Besprechungsraum vorbei, der schutzlos ihren desinteressierten Blicken ausgesetzt war, als wollte die Reihe der Anzugträger gar kein Ende mehr nehmen. Wie ein Güterzug, der aus dem schwarzen Nichts heraus unerklärlich mehr Waggons an einem vorüberzieht, als man erwartet und zählen kann. Dass man sich jedes Mal wundert, dass das eine einzelne Lok überhaupt hinbekommt, so eine verrückte Kette von Waggons anzutreiben. Das sei das erste Gerät dieser Art gewesen, das auf dem Mond war und dort funktioniert hätte. Die Mission wäre ein Riesenerfolg gewesen. Es wäre ja nicht nur wirklich weit bis zum Mond, sondern aufgrund der Vielzahl der extremen Bedingungen während des Fluges und auf der Mondoberfläche eine unglaubliche Herausforderung. Der Kunde sagte das, als hätten sie mit diesem Gerät, das auf dem Erdtrabanten seine Feuertaufe bestand, eine echte Pionierleistung vollbracht. Und vermutlich stimmte das auch. Hätte man mir diese Geschichte auf einer Betriebsfeier erzählt und ich sie nach Lust und Laune scherzhaft oder überschwänglich oder mit übertriebener Begeisterung kommentieren dürfen, wäre sie mir wahrscheinlich interessant vorgekommen. So jedoch nicht. Der Kunde erwähnte mit dem Anschein einer bloß gespielten Beiläufigkeit, dass die physikalischen Bedingungen in der Schwerelosigkeit für den Batterietrakt des Geräts besonders kompliziert seien. Wasser und Batteriesäure würden sich in der Schwerelösigkeit sehr speziell verhalten. Ich nickte, als würde ich ihn genau verstehen. Die Batteriesäure würde zwischen den Zellen regelrecht verrückt spielen. Weil sie durch Kohäsionskräfte und Fliehkräfte bei Beschleunigungen mit hoher Wahrscheinlichkeit genau dort sich verdichten würde, wo man niemals damit rechnet. Und nicht die enormen Temperaturen auf dem Mond wären das Hauptproblem beim Mondspaziergang gewesen, sondern der Rekord-verdächtige Temperatursturz beim Verlassen der Mondfähre. Derlei Situationen und Betriebsbedingungen könnte man auf der Erde ja gar nicht simulieren. Dass wir während unserer belanglosen und nicht ganz unkomplizierten Sitzung im Besprechungssaal, der deutlich transparenter war, als ich es mir gewünscht hätte, auf den Mond zu sprechen kommen würden und noch dazu gerade in dem Moment die koreanische Fraktion wie eine kleine Hommage vorbeimarschieren würde, kam mir völlig utopisch und unglaubwürdig vor. Ein bisschen wie eine Schaumschlägerei, die die Situation auf entlarvende Art und Weise übertrieb und ironisierte. Ich hatte Mühe, den Kunden, der übrigens während seines gesamten Vortrags eine FFP2-Maske trug, wegen einer angeblichen gesundheitlichen Schwächephase, die er gerade durchmachen würde, und ziemlich schwer durch das Maskentuch atmete, nicht schroff damit zu konfrontieren, dass ich ihm nur pro forma zuhörte und mein Mitschreiben bloß vortäuschte, indem ich den Stift scheinbar von links nach rechts über meinen Notizblock bewegte.

Zu Beginn des Termins hatte ich ein erstaunliches Gefühl, das ich gerne beschreiben würde, weil es Seltenheitswert für mich hat. Wie es meine Art ist, erschien ich überpünktlich zum Treffen. Während meine beiden Kollegen in einem anderen Auto anreisten und leicht verschnupft per Telefonanruf durchsagten, dass sie 20 Minuten zu spät kommen würden, wegen Stau auf der A7. Ich hatte also noch ein bisschen Zeit und fuhr mit meinem Wagen vom Parkplatz der Firma in einen angrenzenden Wald. Nachdem ich es hinbekommen hatte, dort halbwegs vernünftig zu parken, ging ich für eine Viertelstunde spazieren. Da ich saumüde war, versuchte ich, anfangs ein bisschen zu joggen, um Sauerstoff in meinen Körper und mein Gehirn zu bekommen. Der Waldboden war angenehm federnd, die hohen Bäume beschatteten mich ausreichend, es war ein Genuss, dort zu laufen. Ich durfte nur nicht ins Schwitzen geraten. Ich achtete auf meinen Körper, und gleichzeitig war er mir egal oder irgendwie in einem nebensächlichen Status. Wie etwas, was man eben zusätzlich zu seinem eigentlich Sein besitzt, schwer zu beschreiben, und einen nicht wesentlich ausmacht. Wenn es nicht um das Vermeiden des Schwitzens gegangen wäre, wäre ich gerne lange weitergelaufen, immer tiefer in das Waldstück hinein, vielleicht eine halbe Stunde oder noch länger.
Als ich wieder am Auto war, fühlte ich mich tatsächlich etwas wacher. Ab dem Zeitpunkt war mir eigentlich das meiste egal. Beim Austreten hinter einer dicken Buche hatte ich mich beobachtet gefühlt, dabei war außer mir keine Menschenseele im Wald. Danach fühlte ich mich merkwürdig entlastet oder als wenn ich mit allem, was an dem Tag noch auf mich zukommen würde, bestimmt zurechtkommen würde.

Das war aber noch nicht dieses sonderbare Gefühl. Sondern in der nachfolgenden Szene: Als meine Kollegen endlich erschienen, gingen wir zu dritt zum Pförtnerhaus, wo man sich als Besucher anmelden musste. Die beiden sind ziemlich nett, wobei ich den Vertriebler noch deutlich mehr mag als meinen Abteilungskollegen.
Als wir dort die ersten Meter gingen, fiel mir in angenehmer Weise auf, dass ich der größte von uns dreien war. Ich war nicht nur der älteste, sondern auch der körperlich größte. Was mir einflößte, dass ich der natürliche Anführer unsere kleinen Gruppe war oder hätte sein können. Ich sah, dass der eine fast einen Kopf kleiner war als ich, der andere sogar noch kleiner, und dass ich über ihre Hinterköpfe hinwegsehen konnte. Ich spürte meinen Körper ausnahmsweise mal als etwas Gutes und Brauchbares. Dass es gar nicht so schlecht ist, so groß zu sein und ich ruhig die Rolle einnehmen konnte, die beiden anderen ein wenig zu führen und Verantwortung zu übernehmen. Ich sah ihre deutlich kleineren und auch schmaleren Körper und hatte die Anwandlung, dass ich sie ja überragte und dass das okay war. Dass ich nicht wie sonst immer darauf ausgerichtet sein musste, mich nicht als dämlich und daneben fühlen zu müssen, weil ich vielleicht irgendwelche Standards nicht erfüllte. Das war nebensächlich. Selten, aber manchmal habe ich diese Anwandlung, dass mein Körper ganz in Ordnung und sogar mir recht sein könnte.

Auf dem Rückweg dann waren wir alle drei froh, aus den etwas zu warmen Büroräumen raus zu sein. Die Luft draußen fühlte sich frisch und verhältnismäßig kühl an. (Während mir dann nachher im Auto wieder zu warm war.) Jedenfalls gingen wir relativ gelöst und miteinander scherzend die Wege über das ziemlich riesige Gelände Richtung Parkplatz. In einem Teilabschnitt war eine Geschwindigkeitsmessanlage, wie man sie manchmal an Ortseingangsstraßen antrifft. Sie maß tatsächlich unsere Gehgeschwindigkeit, die anscheinend 4 km/h betrug. Wir mussten etwas darüber schmunzeln, dass unser Gehtempo gescannt wurde. Ich erwähnte, dass ich es mochte, wenn mir das mit dem Fahrrad passiert. Dass ich mir toll vorkäme, wenn die Anzeige dann mehr als 25 km/h aufleuchten ließ. Darauf meinte der Vertriebler mit einem schönen Lachen: Du bist doch auch toll! Ich musste schmunzeln und auflachen. Das hast du aber nett gesagt! gab ich ihm zurück. Ich kann sagen, das war das größte Lob, das ich seit Jahren gehört habe. Völlig egal, ob es vielleicht doch mehr Spaß gemeint gewesen war. Nö, er meint das nicht unernst. Dieser junge Vertriebler ist ein ziemlich herzlicher und charmanter Typ, der meistens mit leiser Stimme spricht und dem doch alle zuhören. Er hat mir in der Mittagspause schon mal einen Teller Suppe spendiert, die er selbst gekocht und zur Arbeit mitgebracht hatte. Er ist ein junger Single, der gerne zuhause kocht und just for fun, ohne Ahnung von der Materie, ab und zu ins Fußballstadion geht. Für mich ist Fußball eine Religion, für ihn bloß eine nette Ablenkung, doch bei ihm finde ich das okay. Seine sonnige Art geht mir ziemlich nah. Er hat sich mal glaubwürdig gefreut, als ich ihm eine Visitenkarte von mir mit Autogramm, besonderem Gruß und aufgemaltem Herz auf den Schreibtisch gelegt hatte. Das ist so ein Typ, der mir, wäre ich sc hw ul, gefährlich werden könnte. Er sieht gut aus, lacht die Leute an, vor allem, lacht auch mich an und scheint mich ernsthaft als Kollege zu schätzen. Einmal saßen wir zu dritt, mit dem einzigen anderen Fußballer der Firma, neben meiner Wenigkeit, für einen Vormittag zusammen im Büro, ausnahmsweise, und das war wirklich cool und lustig, wie ich es auf der Arbeit schon lange nicht mehr erlebt hatte. Er und der Fußballer haben einen ähnlichen trockenen Humor, mit dem ich erstaunlich gut klarkomme. Also er verhält sich wirklich oft freundlich zu mir, fällt mir auf. Und löst in mir jedesmal gute Laune aus. Das ist fast schon nicht mehr normal. Und nicht mal die Erkenntnis, dass er zu den meisten Leuten entgegenkommend und nett ist, dass seine Liebenswürdigkeit anderen ähnlich gilt, stört mich nicht (wirklich). (Ich bin nicht neidisch, dass er andere auch leiden kann.) Es freut mich zur Abwechslung wirklich mal. Wenn ich ehrlich bin, geht er mir manchmal durch den Kopf, was bei mir völlig ungewöhnlich ist. Dass ich mit Sympathie über einen Mann nachsinne.

Was immer ich dir an Verletzungen antat, tut mir sehr leid. Ich werde versuchen, meine eigenen zu heilen und dir und mir selbst zu verzeihen. Das muss ich ohne dich tun. Das und nichts Anderes ist meine Aufgabe. Ich zerbreche daran, ich schaffe es nicht, ich gehe unter wie die Titanic nach dem Eisberg-Kontakt. Die Desillusionierung ist der einzige Weg. Das schreibe ich hin, ohne die Tragweite wirklich einschätzen zu können. Ich habe dich immer begehrt und dieses Verlangen ist falsch, wenn es nicht von Liebe getragen ist. Vergib mir bitte.

Mir geht es beschissen, ich bin vor grauer Stimmung ganz durchscheinend. Und müde. Aber daran bin ich selbst schuld, was schreibe ich auch diesen Unfug bis tief in die Nacht. Ich konnte nicht schlafen, da dachte ich, schreibe es auf. Wie immer kann ich dann nicht aufhören, bzw. muss das Ende hinbekommen.
Bei der Arbeit habe ich heute NICHTS zustande gebracht. Ich hatte keine Lust. Ein paar Mails beantwortet und an meine Kunden-Mailadresse weitergeleitet. Du weißt, du bist ein wichtiger Arbeiter, wenn du auch bei deinen Kunden einen Account hast.

Nein, ich bin der unwichtigste überhaupt.
Ich habe gestern einen ziemlich schmalzigen, mittelmäßigen Film geguckt. So ähnlich wie Der Teufel trägt Prada. Nur anders. Eine junge Assistentin einer Kunsthändlerin bandelt im Flugzeug nach London mit einem reichen Typen an. Um neben ihm nicht so mickrig zu wirken, gibt sie sich (hinsichtlich des Berufs) als ihre eigene Chefin aus. Man kommt sich näher, sie wird in die Familie eingeführt. Die Mutter des Typen ist ausgerechnet die reiche Kunstbesitzerin, die eine Bildersammlung versteigern lassen will, auf eben jener Auktion, deretwegen die Assistentin zur Unterstützung ihrer Chefin hergeflogen ist.
Die Chefin original so boshaft und launisch wie die aus Der Teufel trägt Prada, nur eben nicht Meryl Streep, sondern die Schauspielerin, die auch in Wutprobe (mit Jack Nicholson und Adam Sandler, schöne Komödie!) die weibliche Hauptrolle spielt(e). Das Thema ist also das Gleiche. Nur mit noch mehr Liebesverwicklungen und mehr oder minder vorhersehbaren Plot-Twists.
Ein Film, der sich maximal wie die Schulnote 3 anfühlte. Passable Schauspieler, aber eben auch keine herausragenden. Das Ganze so seifig und ohne den letzten Feinschliff, ohne eigenes Flair, besonders in der Figurenzeichnung, dass es mich auf gewisse Art langweilte; während ich mich gleichzeitig aber auch nicht abwenden wollte.
Eigentlich will ich so nicht TV gucken. Das war reine Zeitvergeudung.

Das war aus einem anderen Film, in den ich gestern reinzappte, zumindest ein wenig origineller:
Wir sollten besser nicht ...! Das mit uns würde schlecht enden ...
Und wie würde sich der Anfang anfühlen?

Ich bin müde.
Wenn ich müde bin, erhöht das meinen Sehnsuchtslevel.
(Ich mag dann (nur noch) kuscheln.)
Was wiederum meinen Frust verstärkt.
Der mich noch müder macht.
usw.
Ein unguter Kreislauf.
Also mach halt einen Nachmittagsschlaf.

So ein Mist. Oder sollte ich Träume einfach nicht so, wie soll ich sagen, mir zu Herzen nehmen? Bestimmt. Andererseits träume ich häufiger so. Es ist wirklich ziemlich kafkaesk. Nun spiegeln Träume ja grundsätzlich eher Ängste, Unsicherheiten und was eben anliegt.
Ich habe tatsächlich schon wieder von ihr geträumt. Das passiert mir alle 1-2 Jahre, vielleicht auch 2-3 Mal pro Jahr. Beides ist absurd: Dass ich sehr bedrängend und nah von ihr träume, einerseits, und es gemessen daran SELTEN passiert, selten, aber eben doch wiederkehrend.
Sonst ist eher dabei der Hauptaspekt: Mir schwimmen alle Felle davon.
Dieses Mal träumte ich sehr ausführlich, wie sie und ich uns in ihrer Wohnung, ihrem Schlafzimmer treffen. Um wie ein Paar zu kuscheln. Sehr vertraut miteinander. Das Gefühl war: Ich bin so glücklich, sie nahe zu haben! Wir haben es irgendwie hinbekommen, uns wieder zu vertrauen - also die Krise, die in der Realität geschehen ist, war nicht einfach ausgeblendet, sondern sie war mehr oder minder überwunden, wie auch immer das hätte bewerkstelligt werden sollen ... (völlig unrealistisch, im Traum aber die Basis, der Ausgangspunkt!)
Ihr Schlafzimmer ist quadratisch und groß, das Bett ebenfalls, es ist ein mir unbekanntes Zimmer. Zwei Fenster an der Wand parallel zur Bettlänge. Links die Tür, wenn man vor dem Bett steht. (Die Orientierung ist egal, ich versuche nur darauf zu kommen, ob mich die Szene an eine Ferienwohnung erinnert - Fehlanzeige!).
Es ist bei ihr, nicht irgendwo. Sie lässt mich in ihr Leben, geht sogar mit mir schlafen, allerdings ist nur Kuscheln vereinbart.
Wir sind beide sehr darauf aus. Ich komme mir groß vor, größer als sonst, ein bisschen körperbewusster als sonst, etwas, was ich immer neben ihr fühlte. Ich komme mir vor wie jemand, der für diese Szene geeignet ist. Und DAS ist der Kern des Ganzen: Ich kann es mir mit ihr vorstellen. Das ist vielleicht auch schon mein ganzes Begehren: Dazugehören zu können. Zu den Kandidaten für sie.
Über irgendetwas unterhalten wir uns, es ist die Vorbereitung für das Zu-Bett-Gehen. Es ist ganz klar offen, ob wir gleich / sofort / bald kuscheln oder noch 1-2 Stunden etwas anderes ansteht. Wir sind beide zufrieden damit, einander berühren zu können, gleich oder bald oder jedenfalls an diesem Abend noch. Es ist nicht nur für mich eine schöne Perspektive! Ein klares Verlangen. Meine Hände passen perfekt zu ihr, und umgekehrt ... Dieses Gefühl körperlicher Eintracht hatte ich niemals so stark wie mit ihr ... Allein schon ihre Hände möchte ich einfach nicht missen! Sie fühlen sich zu gut, zu perfekt an. Ich habe eh eine solche Schwäche für Hände, doch ihre haben mich gekillt. Mir fallen keine besseren Worte ein.
Ich bin körperlich in sie verliebt, so total, wie die Titanic am Eisberg zerschellte. Sie reißt meine Flanke auf und weidet sich an mir, an meinen Schmerzen und meiner Offenheit für sie. Dass sie es mag, mich zu berühren und von mir berührt zu werden, sorry, ist definitiv das größte Kompliment aller Zeiten für mich.
Sie stand vor meinem Aktbild und hat es mit offenem Mund angestaunt. Das war für mich wie ein Dolchstoß in mein Herz. Etwas zog in mir zu, als ich das bemerkte. Sie sagte: Was?! So schön bist du?. Herrje. Wie soll das einen unsicheren Typen wie mich nicht in einen Glückszustand versetzen. Seit ich erwachsen bin, leide ich unter meinem Äußeren. Und ihr hätte ich genügen können. Mehr noch, sie hält mich sogar für gutaussehend. Was ist bloß los mit dieser Frau. Oder was ist mit mir los, dass ich mich so negativ sehe. Ich sehe mich nicht zu negativ, 49 von 50 Frauen ignorieren mich. Halten mich nicht mal eines Blickes für würdig. Und sie, die selber aussieht wie ... keine Ahnung, absolute Traumfrau, staunt über ein Bild von mir. Falls irgendwer beunruhigt ist, das Aktbild zeigt nur meine Rückseite. Und ist ja nur sehr ungefähr skizziert. Von daher ist die falsche Deutung, die sie darin sah, nachvollziehbar.

Also wir sind einträchtig in der Überzeugung: Schön, miteinander kuscheln zu können.
Gleichzeitig, und das ist der Punkt, spüre ich, dass sie eine gewisse kleine Unruhe empfindet. Sie ist nicht direkt fahrig, sie zappelt auch nicht herum, doch ich merke, dass sie sich gerade etwas schönredet. Sie schaut kaum auf. Sie will nicht ganz hinsehen. Dass da neben der Entspanntheit auch ein kleiner Groll vorhanden ist oder eine Unzufriedenheit. Bisschen wie wenn etwas fehlt, etwas nicht ganz richtig ist, man weiß gar nicht genau, was es ist.

Sie gesteht es sich selbst nicht ein. Ihr Interesse am Kuscheln mit mir übertüncht oder übertrumpft ein kleines Unbehagen.
Sie will diese Sache mit mir nicht wirklich. Sie ist nur noch nicht dahinter gekommen, warum nicht. Ihre Hände finden automatisch zu mir, das ist nicht verkehrt, nur ein wenig zu automatisch vielleicht.

Und genau deshalb sind wir aneinander geraten. Diese Sache müsste eigentlich transparent werden, wird sie aber nicht, wenn wir so vernarrt ineinander sind. Oder ich bin es jedenfalls in sie. Meine Vernarrtheit zieht mich zu ihr hin und ist gleichzeitig der Makel, der Hinderungsgrund, dass wir uns besser verstehen.
DAS spürt sie.

Oder ich projiziere das im Traum auf sie. Es ist vielleicht mein eigenes Unbehagen. Doch mein Interesse, sie zu berühren, overrult alles. Ich bin wie ein Süchtiger, der vorgibt, kein Problem zu haben. Während seine Fingernägel sich in ihre Haut verkrallen: Sei bitte bei mir, halte mich, halte mich. Gib mir dieses gute Gefühl, das du in mir auslöst. Sei bei mir. Hebe mich auf, mit meinem ganzen Sein. Schenke dich mir vollständig, denn ich möchte mich in dir verlieren.

Was ich an meiner Frau schätze?

Sie ist der warmherzigste, gütigste, schönste und liebenswürdigste Mensch der ganzen Welt. Sie erkennt und wertschätzt das Schöne. Sie ist so edel und gut, dass mir jedesmal der Atem stockt vor ihr. Sie wertschätzt Gefühle, ihre eigenen und die von anderen. Vielleicht ist das das Wichtigste. Aber das ist ihr so selbstverständlich, Wahnsinn.
Als wäre sie aus besserem Holz geschnitzt als die meisten von uns.

Ich bewundere sie grenzenlos. Ich bin nach all den Jahren immer noch jeden Tag ein wenig in sie verliebt.

Sie hat ja mal dieses Schiff gebastelt. Es setzt für mich andauernd Segel.
Es ist unterwegs, wohin auch immer. Und ich möchte lieber alles verlieren, als sie nicht begleiten.

Ich stelle fest, dass dieses TB hier mich davon abbringt, mein handschriftliches Tagebuch zu führen.
Und das ist von Nachteil.

Andererseits waren meine Beiträge hier für mich in Teilen schon produktiv für ein bisschen Auseinandersetzung.
Auch als Quelle/Ideen/Anregungen für Texte, die ich zu schreiben versuche.

Tut mir leid, es ist ein idiotisches Thema von mir, ein Luxus-Problem, ein Herumgerede, aber ich bin müde, lasst mich mal Dampf ablassen.


Es geht um Geld und hiermit sei
eine TRIGGER-Warnung ausgegeben,
falls jemand das Thema nicht gerne liest.



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Ich habe einen Verwandten (genauer einer meiner Frau), der ist superreich. Und ich würde ihm am liebsten einen geheimen Brief schreiben. Vielleicht auch endlich mal einen offenen Brief.

Also, er ist superreich und trotzdem total - wirklich total - bodenständig. Er ist ein absolut normaler, loyaler, für seine Familie sorgender, sehr netter Mensch. Der sich freut, wenn er im Familienkreis Spaß haben kann. Wenn es dem Hund gut geht. Wenn mein Schwiegervater seine OP übersteht. Ich habe ihn noch keine einzige Sekunde überheblich, angeberisch oder sonstwie charakterlich defizitär erlebt.

Ich an seiner Stelle würde komplett die Bodenhaftung verlieren! Wobei er ja auch in diesen Reichtum gewachsen ist. Er hat sich das alles selbst erarbeitet. Quasi vom Studium an. Hat natürlich dann auch das Geld für sich arbeiten lassen. Ab einer bestimmten Kontogröße ist das nicht schwierig, noch aufzustocken, oder zumindest kein großes Geheimnis.

Dennoch, allein das, er fährt meist mit einem kleinen Fiat herum, nicht weil er geizig wäre, sondern weil dieses Auto alles ist, was er braucht und er gut parken kann damit in der Stadt. Es ist ein E-Auto, also ziemlich schneller Vortrieb, das reicht ihm. Okay, sie haben auch eine etwas größere Limousine für die Familie, aber noch unter 100.000. Also nichts, worauf nicht ein Besserverdiener zumindest über ein paar Jahre gut sparen könnte. Mein Schwiegervater ist auch gut gestellt und fährt ein Auto, das neu 60.000 ca. kostet, aber er hat ihn gebraucht gekauft, für unter 40.000. Ganz wenig Kilometer und ein vernünftiger Verbrauch. Alle Leute in der Familie meiner Frau sind bodenständig und das Gegenteil von protzig oder auch nur eingebildet.

Wahnsinn. Fasziniert und begeistert mich jedesmal. Oder sagen wir: Ich bin dankbar. Uns haben die beiden auch schon enorm geholfen. Dieser Onkel meiner Frau bräuchte ihr nichts mehr zu vererben, wirklich nicht - wobei ich nicht weiß, ob er das vorhat. Es wäre nicht nötig, er hat uns schon genug unterstützt.

Dass ich mich so auf ihn verlassen kann, er nie auch nur ansatzweise von oben herab zu mir oder zu uns ist, ganz im Gegenteil: immer aufmerksam, immer freundlich, dafür bin ich ihm extrem dankbar. Ich bewundere ihn sehr, und das hat nur sekundär mit seinem Erfolg zu tun, sondern vor allem mit seinem Charakter.

Da er sich für linke Ideen und höhere Steuern für Superreiche einsetzt: Wären alle aus dieser Schicht so wie er, hätten wir eine bessere Welt. Eine, in der Menschen als Menschen respektiert werden, völlig egal, ob sie arbeitslos, Müllmann, Bürokaufmann oder Multi-Millionär sind.
Ob er jetzt irgendwo was spendet oder Stiftungen unterstützt - keine Ahnung, weiß ich nicht. Wenn, dann würde er es nicht an die große Glocke hängen. Und selbst wenn er es nicht macht - ein bisschen was tut er mit hoher Wahrscheinlichkeit, aber selbst wenn nicht, wäre er ein guter Mensch.


Und mein Luxus-Problem damit habe ich noch nicht beschrieben. Man kann es ahnen. Ich selbst kriege nichts oder kaum etwas auf die Reihe. Gerate hier aber mehr oder minder in ein gemachtes Nest. Nö. Es ist nicht so, dass ich mich zurücklehnen könnte und wir hier durchgefüttert würden. Aber meine Frau hat durchaus relevante Einnahmen durch 1-2,5 Immobilien, die ihr übertragen wurden von der Familie.

Das ist beinahe so hoch wie mein Gehalt. Wenngleich man nie ganz sicher ist, ob man nicht doch unvorhersehene Ausgaben mit den Häusern hat. Einmal hat z. B. ein Mieter die Aufzugsanlage zerstört, 10.000 Euro Kosten um den Dreh. Alles in allem aber sind wir beschenkt und privilegiert. Und wenn wir 100.000 Euro Schulden im Jahr machen würden, wäre es nicht weiter wild, weil meine Frau irgendwann mal viel erbt. Theoretisch und wohl auch praktisch.

Und das dämpft einfach meine sowieso schon geringe Motivation, mich z. B. im Beruf anzustrengen. Ich habe eh zu kämpfen, bin oft krank. Wir haben uns lange genug knapp über Wasser gehalten, 20 Jahre. Da hatte ich noch Vollzeit gearbeitet, wir kamen knapp über die Runden. Jetzt, seitdem wir die Immobilien haben und damit einiger Aufwand verbunden ist, arbeite ich nur 30 Stunden. Auch damit komme ich nicht immer zurecht, weil ich tendenziell etwas depressiv bin. Bei der Arbeit wirkt sich das weniger aus. Aber in der Freizeit - ich hänge eher ab - und in meiner Motivation, auch nur kleinere Dinge zu erledigen.
Schreiben oder Zeichnen tue ich relativ viel nebenher. Ich bin also nicht völlig apathisch. Aber manchmal fällt es mir schwer, rauszugehen, bin manchmal 3 Tage am Stück in der Wohnung, oder gehe höchstens 1-2 einkaufen oder zu einem kurzen Gang. Ich muss mich oft überwinden, überhaupt die paar Minuten zum Supermarkt zu gehen. Oder mir morgens die Zähne zu putzen. Abends geht es viel besser. Über eine Woche hinaus kann oder will ich nur selten etwas planen. Ich bin froh, wenn Wochenende ist und einmal keine Anspannung.
Gleichzeitig habe ich Freizeitstress, bin viel zu inaktiv und versäume mein Leben. So ist das Gefühl.

Und dann droht uns auch noch ein hohes Erbe - wozu strenge ich mich da noch an?
Im Fall eines Falles würde die mich hier durchfüttern.
Ich muss darüber mal mit einem Therapeuten sprechen.
Unterschwellig deute ich mein eigenes Treiben als unwert und untauglich. Ich leiste nicht genug. Ich bin nicht genug. Ich komme zu wenig mit den Dingen klar. Meine Erfolge sind nur Selbsttäuschung.

Hätte ich einen halbwegs hohen Verdienst, wäre alles in Butter, könnte ich die Geschenke aus der Familie gut annehmen - weil ich eben meinen eigenen Stand hätte. Diesen aber zu erreichen bzw. das Jetzige zu verbessern, etwa Bewerbungen zu schreiben - ich kriege es nicht oder kaum hin.

Ich fühle mich nicht wie ein Komplett-Versager. Aber wie jemand, der nicht viel geleistet hat, trotzdem müde ist und die Waffen am liebsten strecken möchte. Keine Konflikte mehr, keine Zweifel im Arbeitsalltag. Und nebenan (im übertragenen Sinn) lockt ja das Ruhepolster.

Der Sohn des superreichen Onkels ist übrigens auch ein wenig depr essiv. Den hat das noch stärker als mich erwischt: Wozu sich anstrengen, wenn ihm eh alles serviert wird. Er hat längere Zeit als Arzt gearbeitet. Dann leider festgestellt: Die Haltungen und Arbeitsweisen im Krankenhaus gehen ihm gegen den Strich. Er hat den Faden bzw. den Glauben verloren, dass das Sinn macht und seit ich glaube mehreren Jahren nun schon hängt er mehr oder minder rum.

Neulich war ich ja das erste Mal seit langem wieder beim Zahnarzt. Ich konnte mich nicht dafür loben. Nö, dazu war ich zu lange nicht mehr dort. Ich sehe eher das Negative und Unerwachsene meines Verhaltens.

Es ist wie mit diesem Typen, der ein supergutes Restaurant ganz in der Nähe entdeckt. Er freut sich kaum darüber. Sondern sagt sich, den Laden hätte ich doch schon vor einem Jahr spätestens entdecken müssen.

A


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Dr. Reinhard Pichler
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