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Hallo zusammen,
ich möcht euch erzählen, was mich in dieses Forum gebracht hat und bin auf der Suche nach Leuten, die wissen, wovon ich rede.
Meine geschichte ist folgende:
Ich war fast 20 Jahre lang verheiratet. Drei Kinder (10, 14, 18 ). Ich war in dieser Ehe sehr unglücklich. Ich bin in dieser Ehe zunehmend vereinsamt - aber das ist eigentlich nicht ganz richtig formuliert: denn das Problem, die Tendenz zur Vereinsamung hatte ich schon immer. Auch als Kind schon.
Für mich ist irgendwann äußerst qualvoll geworden, dass das mitten in meiner Ehe nicht aufgehört hat. Dass ich auch mit ihr nie wirklich in Kontakt gekommen bin. Im Nachhinein würde ich sagen, dass wir nie richtig verliebt ineinander waren und ich die Konsequenz daraus nie gezogen habe. Ich bin lieber krank geworden davon: Depressionen bis an die Grenze des Zusammenbruchs.
Das hat mir irgendwann die nötige Entschlusskraft gegeben zu entscheiden: Ich handle für mich selbst. Niemand hat etwas davon, wenn ich leide.
Ich bin in Therapie (VT) gegangen, fast zwei Jahre. Das war gut, ich habe einen Weg für mich begonnen, der mir meine Handlungsfähigkeit zurückgegeben hat. Lange noch habe ich versucht, das zu nutzen, um die Beziehung zu meiner Exfrau irgendwie hinzukriegen - aber das ging nicht, sie konnte auf meine neuen Entscheidungen nicht reagieren, hat das alles eher feindselig distanziert betrachtet. und irgendwann wollte ich auch nicht mehr.
Und dann hab ich mich verliebt. Meine ExFrau war gerade in Urlaub. Das - liebe Gemeinde - war das allerschönste was mir in den letzten 20 Jahren überhaupt passiert ist. Ich hätte nie geglaubt, dass es das für mich überhaupt noch gibt. Ich hab das für Jugendillusionen gehalten, lange vorbei und von lauter vernünftigen Entscheidungen abgetrennt.
Ich habe erlebt wie das ist und sich anfühlt: Liebe versetzt Berge. Bei mir war das ein Himalaja.... Ich wußte: DAS ist es. Drunter mach ichs nicht. Das zu verraten, würde ich mir nie verzeihen...
Ich hab mich getrennt - ich hatte ja zwei Wochen Zeit drüber nachzudenken und habe mich gottseidank gründlich damit auseinandergesetzt, ob ich zu dieser Entscheidung auch stehen würde, wenn meine Liebe scheitern würde, oder gar nicht angefangen hätte. Ich wollte nicht, dass sie der Grund ist zu gehen. Aber ich wußte auch auf einmal, was mir die ganze Zeit gefehlt hat und das man sowas nicht herstellen kann, soviel man sich auch Mühe gibt und dass mir das so wichtig ist, dass ich lieber alleine bin, als in einem Verhältnis, das mich auf Dauer daran hindert glücklich zu sein.
Glaubt mir, das war wirklich schwer. Eine zutiefst verletzte Frau, die darin sofort zur Kämpferin wurde - keine Kommunikation möglich, Haus, Kinder, Hund, Schulden, nicht wissen wohin, kein Geld für ne neue Wohnung.... Ich hab das durchgezogen und die Geschichte keinen Tag parallel laufen lassen.
Soweit so gut. Nach kurzer Zeit haben sich in der neuen Beziehung merkwürdige Streitigkeiten ergeben. Mißverständnisse, zunächst harmlos,vor denen ich aber zunehmend fassungslos stand und überhaupt nicht verstehen konnte was da passiert. Eine Beziehung nahtlos nach so einer Trennung anzufangen und zuzulassen ist schwierig - viele halten das schon fast für verantwortungslos. das kann ja nur eine Vehikelbeziehung sein und ähnliche Kommentare mehr - was hab ich mir nicht alles anhören müssen. Für mich ging das, weil mein Ablösungsprozess aus der Ehe im Grunde schon mit der Therapie zwei Jahre zuvor begonnen hatte. Ich war durch damit - und ich habe diese Entscheidung nie bereut.
Ich habe wirklich nicht mit derart heftigem sozialem Druck gerechnet: Du bist für alle und jeden in so einer Situation der Obertäter, als hättest du schwanzgesteuert, leichtfertig und ohne jeden Grund deine solide Beziehung für ein *beep* drangegeben. Diese Abwertungen auch aus meiner eigenen Familie, haben mir schwer zu schaffen gemacht - aber der Frau, die ich geliebt habe noch mehr. Sie war dermaßen dünnhäutig, was das anging, dass ich in vielen Fällen einfach Kontakte abgebrochen habe, wenn irgendwas in dieser Richtung kam. Aber ich habe auch eine ganze Weile gebraucht, um zu verstehen, dass ich sie da schützen muss und habe Situationen zugelassen, in denen sie sich von mir allein gelassen gefühlt hat... aber auch Situationen zugelassen, in dem sie mir das völlig grundlos vorgeworfen hat.
Ich wills ein wenig abkürzen: unsere Liebe hatte nicht den Hauch einer Chance. Zusätzlich zu der schon für Nomalos sehr schwierigen Situation stellte sich bald heraus, dass meine Süße massive psychische Probleme hatte. Borderline vermute ich - diagnostiziert ist das nicht und von daher kann ich nur mit Sicherheit sagen, was ich erlebt habe: eine Beziehung nach dem klassischen Muster einer Borderline/Co-Abhängigen - Beziehung. Ich möchte das hier nicht zum Hauptthema machen.
Die Beziehung ist vor zwei Monaten mit infernalischen Schmerzen und kaum zu überbietendem Drama zu Ende gegangen. Wer sich mit BL auskennt, den wirds nicht wundern.
Ich komme - nach dieser Zeit totaler Überlastung in einem Drei-Frontenkrieg zwischen Ex, Umfeld, Kindern, BL-Liebe - so ganz langsam wieder zu mir.
Ich schau mir meine eigenen Themen wieder an, versuche herauszufinden, wo ich stehe. Ich leide sehr unter meiner Einsamkeit. Natürlich gibt es im Moment handfeste Umstände, die dazu geführt haben, dass mein ganzes Umfeld in sich zusammengebrochen ist. Dennoch sehe ich (habs an anderer Stelle schon geschrieben), dass mir die BL-Beziehung zunächst aus der Depression geholfen hat - einfach weil es Liebe war. Dass ich dann an entscheidenden Punkten die Notbremse nicht gezogen habe und mich habe quälen lassen fast 2 Jahre lang, weil ich die Verzweiflung nicht ausgehalten habe, dass etwas so schönes einfach aufhören soll, etwas, was ich so authentisch und echt erlebt habe einfach keine Chance hatte gelebt zu werden.
Ich wollte nicht wieder scheitern und habe mir nicht eingestehen können, dass ich längst gescheitert war. Angst vor der Einsamkeit eben. Das Gefühl, das viel älter als meine Depression schon mein ganzes Leben untergründig belastet hat.
Das hat mich mißbrauchbar gemacht und mich die unglaublichsten Sachen aushalten lassen. Jetzt stehe ich ziemlich schutzlos davor und muss es mir ansehen, das Gefühl noch greifbar in frischer Erinnerung, wie schön es ist gesehen zu werden, Nähe zu erleben, Liebe schenken und spüren zu dürfen - denn das war alles da; ist ja nicht alles auf BL-Symptome reduzierbar.

Ich denke nicht dass irgendjemand, der mich kennt bestätigen würde, dass ich soziale Ängste habe - und das habe ich auch nur sehr partiell. Ich kann problemlos vor 100 Leuten sprechen. Ich gelte als kommunikativ, viele mögen mich glaube ich, oder finden mich irgendwie nett. Und das ist kein Wunder:
Ich passe mich an. Ich spüre was Menschen von mir erwarten und gebe es ihnen - egal, ob ich dahinter stehe. Für mich gibt es keine schlimmere Vorstellung, als jemanden zu enttäuschen. Ich kann nicht nein sagen zu Kontakten, die ich nicht will. Ich kann mich nicht abgrenzen, von Dingen, die ich nicht will. Ich weiß meistens nicht mal, was ich überhaupt will. Leute können mir stundenlange Vorträge halten über Themen, die mich null interessieren und ich weiß einfach nicht, wie ich da rauskomme, ohne zu verletzen. Ich merke erst Stunden später, wenn jemand über meine Grenzen gegangen ist und ahne dann manchmal, was ich hätte sagen müssen - aber dann ist es zu spät.
Kontakt ist für mich deshalb sehr gefährlich und schlicht unglaublich anstrengend (na das hab ich mir ja wieder hochprozentig bestätigt mit meiner BL-Beziehung...). Ich neige dazu große Lücken in Beziehungen einzubauen, innerlich in völlige Distanz zu gehen, Beziehungen insgesamt zu vernachlässigen und nicht zu pflegen.
Gleichzeitig sehne ich mich sehr nach echter Nähe, auch nach Zärtlichkeit, danach meine Liebe verschenken zu dürfen und zu spüren, dass sie beantwortet wird...

Ich bin dabei den Faden wieder aufzunehmen. Habe mich bei meinem alten Therapeuten wieder angemeldet. Und ich suche die kleinen Schritte, mit denen ich was ändern kann, ohne mich zu überfordern.
Ich rutsche manchmal noch in Depression - aber ich spüre schon, dass das eigentlich nur ein Schleier über meinem eigentlichen Problem ist: dass ich mich selbst über Jahrzehnte habe fast verhungern lassen und immer andere dafür verantwortlich gemacht habe.

Ja und deswegen bin ich hier. Ich fände es schön, von anderen zu lernen, worin ihre kleinen Schritte bestehen, was helfen kann wirklich was zu ändern und diese ausgetretenen Pfade zu verlassen....

Grüße flo

10.11.2007 21:01 • 20.11.2007 #1


5 Antworten ↓


S
Hallo Flo,

deine Geschichte ähnelt irgendwie meiner. Nein, stimmt nicht. Dein Bild, welches du nach außen gibst, ähnelt meinem. Ich bin ebenfalls sehr kommunikativ, aufgeschlossen und ich glaube, ich bin recht symphatisch. Allerdings habe ich für mich den Weg des Einsamen gewählt und bin darin fast Profi
Ich möchte dir kurz erzählen, wie es bei mir dazu kam:

Meine Tochter wurde mit 11 Jahren von ihrem Vater missbraucht. Er lebte nur bis zu ihrem 1. Lebensjahr mit uns zusammen. Danach meldete er sich alle Jubeljahre mal bei uns. Ab ihrem 10. Lebensjahr meldete er sich regelmäßiger und nahm sie mal übers Wochende zu seinen Eltern mit und letztendlich durfte sie ihn für 14 Tage besuchen. Dort ist es dann täglich passiert. Natürlich machten wir eine Anzeige und wir quälten uns durch all die Verhöre und Untersuchungen durch. Nachdem das beendet war, konnten wir nur noch auf die Verhandlung warten. Und wir warteten und warteten. Das war der Beginn meiner Einsamkeit! Ich tat nichts anderes mehr, als warten. Ich beschäftigte mich nur noch damit. Klinkte mich aus allem Geschehen raus, weil ich die Anspannung des Wartens kaum aushielt. Das beschäftigte mich 2 Jahre lang. Danach kam endlich das Gerichtsurteil. Er bekam 4 Jahre in einer Forensischen (Borderline-Diagnose), aus denen letztendlich über 5 Jahre wurden. Nun kam die große Erleichtung, denn es wurde ein gerechtes Urteil gesprochen und die Seele erhielt dadurch Balsam. Jetzt hätte ich leben können, aaaaber....
nun drehte meine Tochter durch. Sie steckte mitten in der Pubertät und die Gerichtsverhandlung tat ihr überhaupt nicht gut. Sie wollte nicht Diejenige sein, der das passiert ist und sie nahm Reißaus vor der Wahrheit. Das äußerte sich so, dass sie mir völlig entglitt und mir täglich fremder wurde. Sie provozierte mich dermaßen und brachte mich an meine Grenzen, dass ich mir Hilfe beim JA suchte. Die Folgen daraus waren bei ihr: verschiedene Heime, auf der Straße lebend, aggressiv, gewalttätig, Dro., kriminell und schließlich landete sie in einer Nervenklinik mit der Diagnose Borderline. Für mich war das alles sehr nervenzehrend, weil ich sie eigentlich zu einem lieben ehrlichen Menschen erzogen hatte und es nicht fassen konnte, dass sie so bösartig wurde. Ich litt sehr doll darunter und es blieb mir nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis sie wieder erreichbar ist. Nun tat ich wieder nichts anderes, als warten!
Mit 17 Jahren wurde meine Tochter schwanger und sie trug das Kind aus. Das JA hielt natürlch die Hand drauf. Logisch. Als das Kind ein halbes Jahr alt war, knüpften wir wieder engeren Kontakt zueinander und verstanden uns prima. Allerdings war meine Tochter selbst noch ein gefallenes Kind und sie bekam ihr Leben überhaupt nicht auf die Reihe. Meine Unterstützung reichte dazu nicht, da ihr Freundeskreis sie immer wieder runter zog. Ich bat das JA um eine Haushaltshilfe für sie, aber ihr wurde kurzerhand das Kind weggenommen. Wieder begann ein Kampf, der mich gegen Wände rennen ließ, aber es waren Betonwände und es blieb mir nichts anderes übrig, als meine Tochter ihr Leben leben zu lassen und abzuwarten, bis sie endlich auf die Beine kommt. Natürlich bekam sie all meine Unterstützung dafür. Nur war der Schmerz über den Verlust des Enkelkindes so groß, dass meine bewährteTaktik wieder her musste. Warten und dabei so wenig wie möglich empfinden.
Meine Tochter hat ihren Weg geschafft. Inzwischen bin ich verdammt stolz auf sie und nun warten wir nur noch darauf, dass sie ihr Kind zurück bekommt. Im Moment sehen die Verhandlungen ganz gut aus, obwohl das JA schon ziemlich böse Spiele treibt. Wir werden sehen, wartens wir ab.

Das ist mal meine Geschichte in Kurzfassung
Nun zu der Einsamkeit:
Nachdem meine Tochter aus dem Haus war und ich vor Scham nicht mehr auf die Straße wollte, entdeckte ich für mich das Internet. Ach das tat schon gut. Man konnte dort diskutieren, streiten, schäkern und spielen. Spielen, das war das Stichwort für mich. Ich wurde regelrecht süchtig. Ach was heißt regelrecht. Ich war/bin es. Darunter litt ich auch wieder fürchterlich. Ich wollte mir diese Schwäche nicht eingestehen, wusste aber schon viel früher, als andere (Bekannte und Therapeut), dass ich es bin. Ich stieß die anderen mit der Nase drauf, schrie nach Hilfe, aber wahrscheinlich gerade deshalb, schenkte man mir keinen Glauben. Welcher Süchtige erkennt schon sein Leiden, bevor die anderen es sehen und welcher Süchtige sucht sich Hilfe, bevor die anderen ihn diese angeboten hat? Naja, ich war allein mit meinem Problem und ließ mich dann einfach darin fallen. Über 2 Jahre kämpfte ich mit mir und meiner Flucht in/aus die Illusionswelt. Nun bin ich weg und ich musste den Fluch meiner Selbst überwinden. Ach was hatte ich für Depressionen, wenn ich nicht am PC saß. Ich wand mich tagelang auf meinem Bett, als wenn ich Schmerzen hatte. Ich heulte und schrie und fand keine Beschäftigung.
So und jetzt? Jetzt steh ich hier, spiele nicht mehr, habe kaum Freunde, denn die habe ich ja alle vorher vergrault und bin einsam? Ach was, ich habe ja zu tun. Immerhin warte ich doch darauf, dass meine Enkeltochter wieder nach Hause kommt.

Bin ich einsam? Ich weiß es nicht. Zumindest entdecke ich ganz vorsichtig das Leben außerhalb des Internets. Lerne wieder Gefühle zu haben, zu lachen und zu weinen. Noch ist alles ganz zaghaft, aber ich bin wild entschlossen.
Gelitten habe ich unter dieser Einsamkeit nicht wirklich. Irgendwie tat es mir sogar ganz gut. Zumindest bildete ich es mir ein. Das wahre Leben fand ich schwerer zu ertragen.

Was will ich für meine Zukunft?
Ich möchte raus an die Luft. Ich will wieder Partys machen können. Ich möchte ganz normale Dinge außerhalb meiner Wohnung machen können, ohne mich darauf eine Ewigkeit vorbereiten zu müssen.
Ich möchte frei von Einsamkeit sein, obwohl ich sehr gern allein bin.

So, jetzt weißt du erst einmal, mit wem du es zu tun hast. Tipps kann ich dir noch keine geben, aber vielleicht finden wir zusammen einen Weg?

Gruß Silva

11.11.2007 09:44 • #2


A


Kontaktarmut, soziale Angst partiell - kennt ihr das?

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S
Ach da fällt mir noch ein:
Natürlich liegt mein Problem etwas tiefer. Ich habe schon in der Kindheit viel gewartet. Ich hatte eigentlich fast meine ganze Kindheit ständig Stubenarrest. Im Durchschnitt war ich ca. 2 Wochen draußen und dann war wieder irgendwas, wofür ich immer 3 Monate bekam. 1 Jahr war die längste Zeit.
Der Weg zur Schule war eines der schönsten Erlebnisse für mich und dort lernte ich auch meine Geselligkeit zu nutzen.

11.11.2007 09:54 • #3


F
Hallo Silva,
danke erstmal für deine Offenheit und deinen Mut dich so unbeschönigt zu beschreiben..
du kennst bestimmt den Film Harold and Maude oder?

Nur für die, die der falschen Generation angehören:
ein Teeny verliebt sich zum allererstenmal unsterblich - in eine mindestens Siebzigjährige. Die beiden lernen sich kennen, weil sie uneingeladenerweise in Begräbnisgottesdienste gehen.
Es ist eine wunderschöne Liebesgeschichte - der Altersunterschied wird gleichzeitig zur völligen Nebensache und zur entscheidenden Hauptsache...
aber darauf will ich gar nicht heraus:
Warum ich drauf komme ist ein Gedanke, der mir beim lesen deiner und cathys posts gekommen ist, cathy schreibt das einmal ganz deutlich:

Zitat von Cathy:
...meine Mutter und eine meiner älteren Schwestern sind auch Borderliner....- und wenn sie nach sehr intensiven Zeiten des Zusammenseins, von jetzt auf nun den Kontakt abbrechen, dann fühlt sich das für mich salop so an, als würde ich von einem Heavy Metal Marathon Festival (auf dem ich auch nicht freiwillig war) plötzlich in eine stille und friedliche Waldlichtung gebeamt werden...

Ich liebe die Stille und die Natur, ich brauche Ruhe und Luft zum atmen und den Boden unter meinen *beep* Füßen um mich zu erden...aber es ist dieser krasse Gegensatz, der bedingt, dass sich das was ich brauche (Stille, Frieden, Handlungsfreiraum, etc) erstmal wie ein Leerraum anfühlt mit dem ich erstmal nicht wirklich was anfangen kann.

Diese Zeit nach Beenden einer BL-Beziehung kommt einem fast zwangsläufig ...irrelevant vor, oder?
Harold und Maud begegnen sich, weil sie auf der Suche nach Relevanz sind (aus sehr unterschiedlichen Gründen, aber das wird erst später klar). Harold leidet unter nichts so sehr, wie unter der völligen Bedeutungslosigkeit alles dessen, was ihn umgibt. Begräbnisse haben geradezu ein Suchtpotential für ihn. Denn er spürt, dass es da um etwas unabweisbar bedeutungsvolles geht.
Und diese Irrelevanz wird zur Qual, wenn du sie auch in deiner eigenen Seele trägst.
Ich hab gerade ein Buch gelesen von Safranski: wieviel Wahrheit braucht der Mensch - da findet sich der wunderschöne Gedanke: Nicht die Wahrheit wird dich frei machen - die Freiheit wird dich wahr machen.
Das Ende des Heavy-Metal-Konzerts ist Leere, Abfall umweht die Bühne, die Tanzfläche ist eine Schlammlache, die Showlichter sind aus, kaltes Neon stattdessen. Dein Kopf tut dir weh, die Ohren sausen.
Kontingenzerfahrung nennt das Safranski - ich bin nicht gemeint. ich bin sinnlos. Ein Moment der Freiheit - und wie alle Momente der Freiheit der Todesangst. Gerade jetzt ist die Gefahr zurückzuzucken und der Freiheit zu entfliehen am größten
Wodurch wird dein eigenes Leben bedeutungsvoll? Durch das zu dem du dich frei entschließt. Das macht dich sichtbar und begegnungsfähig.

Ach meine BL-Liebe. Was war es schön jemandem ohne allen Schutz zu begegnen. Und wie schrecklich war es, zu erleben mit welcher hemmungslosen Gewalt diese Schutzlosigkeit ihr Überleben sichern mußte.

Auch du Silva, bist bestimmt nicht mehr die Selbe, die du vorher warst, oder? Ja jetzt muß man erstmal die Fäden wieder aufsammeln, die einem der Sturm aus den Händen gerissen hat - aber du bist eine andere als vorher und die Fäden binden dich nicht. Warten - dahin kannst du nicht zurück, dazu warst du zu weit draußen. Bewußtsein ist nicht reduzierbar (oder nur mit Gewalt - ok mit Sucht gehts auch).
Was du frei entscheidest ist auch relevant, denn das bist du. Es kommt nicht von außen - warten kannst du nur auf Godot.

11.11.2007 23:15 • #4


S
Da bin ich wieder
auferstanden von den Kranken...

ja, ich war richtig eklig krank, allerdings habe ich vorher deinen Beitrag, lieber Flo, lesen können. Danach hats mich umgehauen und im Fieberwahn bin ich immer wieder deine Worte durchgegangen. Ich glaube, das sollte so sein, denn es war ganz schön intensiv. Als ich langsam wieder zu mir kam, überkam mich ein Tatendrang, den ich schon Jahre nicht mehr hatte. Nun gut, man will ja immer das, was man gerade nicht hat und wenn man ans Bett gefesselt ist, dann will man unbedingt was tun. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich all die Jahre hätte etwas tun können, anstatt in meinem Elend abzutauchen. Jaaaa und jetzt tu ich was. Ich räume auf. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es ist so viel liegen geblieben, was auf mich wartet. Aber ich habe angefangen und bin gar nicht mehr zu bremsen.
Ich glaube, es hat mich eine Lebenslust gepackt, die mein Leben wieder lebenswert macht.

Was war mein Sinneswandel? Ich glaube, es war die Bereitschaft, mich hier mit meinem Problem zu stellen und dann die Worte von Flo.

Danke erstmal dafür!
Silva

18.11.2007 14:47 • #5


G
Hey Silva,
das ist schön, was du da schreibst!
Auferstanden von den Kranken. Manchmal brauchts das wohl, so ein auf sich selbst zurückgeworfen sein...
Erzähl mal ein bißchen, was du tust.. das klingt nach ganz viel Energie und Klarheit. Würde mich ehrlich interessieren, zu welcher neuen Sichtweise du gefunden hast (das hast du ja auch schon ein bißchen beschrieben) und was deine ersten Schritte sind das umzusetzen...
Ich kann mir vorstellen, dass es wichtig war für dich, dich selbst in den Mittelpunkt deines Denkens zu stellen, nachdem da so lange Zeit jemand anders gestanden hat. Das ist dann wie nach langer Zeit nach hause kommen. Du machst die Schränke auf und findest lauter Sachen, an die du kaum noch gedacht hast, obwohl sie dir so vertraut sind und bei manchem wunderst du dich, warum du den Plunder so lange aufbewahrt hast und manches andere freut dich und du nimmst es aus der Schublade und stellst es irgendwohin, wo du´s sehen kannst.

grüße
flo

20.11.2007 02:10 • #6





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