Pfeil rechts
99

dirkdouglas
Ich bin männlich 22.

Ich habe in den letzten 4-5 Jahren fast täglich Canna. konsumiert (seit 4 Monaten bin ich clean und plane nicht es wieder zu tun).

Ich hatte im November 2021 sexting mit einer anderen Frau (ich habe seit über 3 Jahren eine Freundin), das war mein größter Fehler, aber sie hat mir verziehen. Ich habe es einfach vergessen oder mit Canna. verdrängt. Im April 2022 kam es mir wieder in den Sinn, ich beichtete es ihr direkt. Natürlich plagten mich die Schuldgefühle, und durch das Canna. weiß ich nicht mehr, ob ich es mehrmals getan habe.

Meine Freundin verzeiht mir, wenn ich es mehr als einmal getan habe. Ich habe bis August 2022 weiter Canna. geraucht, um die schlechten Gefühle zu unterdrücken.

Ich entwickelte zwanghafte Gedanken, ob ich es mehrmals tat (das sexuelle Schreiben), ich konnte einfach an nichts anderes denken.

Ich hatte dann im August 2022 für 3-4 Wochen den schlimmsten Canna. meines Lebens.

Mein Hausarzt hat mir dann johanniskraut gegen die Zwangsgedanken verschrieben, es hat absolut nichts gebracht und ich hatte ein sehr schlechtes Körpergefühl. Also sehr starkes depressives Gefühl, innere Unruhe.

Ich nahm dieses pflanzliche Antidepressivum für 2 Monate und hörte dann auf.

Jetzt nehme ich seit ca. 1,5 Monaten Citalopram. Ob es besser dadurch geworden ist? Keine Ahnung. Habe jedenfalls dieses ekelhafte Körpergefühl nicht mehr, (Außer in der eingewöhnungsphase)

Die zwanghaften Gedanken, ob ich mehrmals mit einem anderen geschrieben habe, sind weitestgehend verschwunden.

Jetzt habe ich leider den zwanghaften Gedanken - was ist der Sinn des Lebens, wenn wir sowieso alle irgendwann sterben, also alles sinnlos ist, wenn wir sterben. Diesen Gedanken werde ich nicht mehr los.

Das hat dazu geführt, dass ich eine Depression entwickelt habe.

Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll.

Ich gehe trotz der Depression noch ganz normal regelmäßig arbeiten.

28.12.2022 19:51 • 19.10.2023 x 4 #1


98 Antworten ↓


C
Zitat von dirkdouglas:
Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll.

Vermutlich Camus lesen.
Bzw. den existentialistischen Gedanken, die exakt darum kreisen, nachgehen.
Die Existentialisten haben damit ernst gemacht, haben keinen Ausweg, keine inauthentische Ausrede, dass das Leben doch sinnvoll ist, weil ... zugelassen, ihre schonungslose Analyse war, dass das Leben zutiefst ... nicht sinnlos, Sinn verleihen wir dem Leben, sondern absurd ist.
Und sie haben eine Antwort, die auf ein Wort reduziert lautet: Dennoch! Oder auch gerade deshalb.
Geh dem mal nach, bis es klick macht, dann bist Du einen gehörigen Schritt weiter.

28.12.2022 20:44 • x 2 #2


A


Zwangsgedanken / Sinn des Lebens?

x 3


dirkdouglas
Zitat von Cbrastreifen:
Vermutlich Camus lesen. Bzw. den existentialistischen Gedanken, die exakt darum kreisen, nachgehen. Die Existentialisten haben damit ernst gemacht, haben keinen Ausweg, keine inauthentische Ausrede, dass das Leben doch sinnvoll ist, weil ... zugelassen, ihre schonungslose Analyse war, dass das Leben zutiefst ... nicht ...

Zurzeit lese ich einiges über den Stoicism

28.12.2022 20:59 • #3


C
Zitat von dirkdouglas:
Zurzeit lese ich einiges über den Stoicism

Na dann bist Du doch schon mal grundsätzlich auf der richtigen Autobahn unterwegs.
Letztlich ist das nachhaltiger als Chemie.

28.12.2022 21:08 • x 1 #4


dirkdouglas
Zitat von Cbrastreifen:
Na dann bist Du doch schon mal grundsätzlich auf der richtigen Autobahn unterwegs. Letztlich ist das nachhaltiger als Chemie.

Ja die Citalopram nehme ich weil es gar nicht mehr ging, hatte zwischendurch auch Suizidgedanken (aber nicht das ich denen nachgehen würde), eher weil mein Kopf mir gesagt hat du kannst nicht mehr so lange leiden.

Gegenüber den letzten 3-4 Wochen geht es mir besser, aber trotzdem leide ich immer noch.

Es ist wirklich sehr belastend wenn man egal was man tut direkt den Gedanken bekommt ist doch eh alles sinnlos wenn man irgendwann tot ist..

28.12.2022 21:22 • x 1 #5


C
Zitat von dirkdouglas:
Ja die Citalopram nehme ich weil es gar nicht mehr ging, hatte zwischendurch auch Suizidgedanken (aber nicht das ich denen nachgehen würde), eher weil mein Kopf mir gesagt hat du kannst nicht mehr so lange leiden.

War jetzt kein Vorwurf, mach das, was Dir hilft, da würde ich auch pragmatisch vorgehen.

Zitat von dirkdouglas:
Es ist wirklich sehr belastend wenn man egal was man tut direkt den Gedanken bekommt ist doch eh alles sinnlos wenn man irgendwann tot ist..

Ist ne Frage der Perspektive. Das crasht zwar die Antwort der Existentialisten - die ja auch von der Sinnlosigkeit reden - aber die andere Frage ist, ob man sich diese Perspektive zu eigen machen muss und wenn man sagt ja, warum gerade diese?
M.E. ist es auch falsch, dass das Leben sinnlos ist, auch wenn man stirbt, was zu erwarten ist. Guck mal was z.B. Epikur auf den Tod antwortet, dem stimme ich zwar auch nicht zu, aber es geht eher darum, die Vielfalt der Perspektiven zu sehen.
Wenn man sagt, bringt alles nichts, wir sterben ja, kann man auf dem Totenbett zwar sagen: Siehste, hab ich doch gesagt, aber wozu? Weil man dann recht hatte und Jahrzehnte durchs Klo gespült hat? Ist irgendwie zu billig. (Es gibt diesen ge ilen Grabstein, in den Staaten, auf dem steht: I told you I was sick. Entweder ein schauriger Rechthaber oder ein Mensch mit ausgezeichnetem Humor.)

Es gibt - das kann ich Dir versprechen - Tage, Stunden, vielleicht manchmal nur kurze Momente, die Dich mindestens potentiell sagen lassen werden, dass es sich gelohnt hat, egal, was noch passiert. Bei mir hat sich das in meinen frühen 40ern eingestellt, warum weiß ich nicht, kein besonderes Schlüsselerlebnis, aber eine tiefe Gewissheit. Wenn ich gleich vom Stuhl kippe, dann war's das wert. Kann ich gut mit leben.
Aber dafür musst Du leben und für Deine Story bist Du zum guten Teil selbst verantwortlich. Das ist dann Sartre, zur Freiheit verdammt.

28.12.2022 21:37 • x 3 #6


moo
Zitat von dirkdouglas:
Es ist wirklich sehr belastend wenn man egal was man tut direkt den Gedanken bekommt ist doch eh alles sinnlos wenn man irgendwann tot ist..

Es ist aber auch in gewisser Weise entlastend. Zwangsgedanken haben fast immer auch den (meist unbewussten) Nebeneffekt, dass sie etwas ersetzen. Dieses Etwas ist sehr oft die Eigenverantwortung, die die Betroffenen generell als eher belastend empfinden. Hierzu vielleicht:
stammkneipe-zum-lichtblick-f119/alternatives-glossar-t112848.html#p2454230
Und bzgl. schlechtem Gewissen eventuell auch: stammkneipe-zum-lichtblick-f119/alternatives-glossar-t112848.html#p2455109

29.12.2022 07:28 • x 2 #7


Schlaflose
Ich habe im Französischstudium viel von Camus, Sartre und Ionesco gelesen und mich voll in in ihren Ansichten über den Sinn des Lebens wiedergefunden, weil ich schon als Jugendliche nicht an Gott oder an ein Leben nach dem Tod geglaubt habe. Von den Existentialisten habe ich gelernt, dass es keinen Sinn macht, nach dem Sinn des Lebens zu suchen, sondern einfach zu leben und jeden Tag aufs Neue für sich mit Tätigkeiten zu füllen, ohne sich zu fragen, ob das, was man macht, mehr als nur kurzfristig einen Sinn ergibt.

29.12.2022 08:07 • x 1 #8


-IchBins-
Zitat von dirkdouglas:
was ist der Sinn des Lebens, wenn wir sowieso alle irgendwann sterben, also alles sinnlos ist, wenn wir sterben. Diesen Gedanken werde ich nicht mehr los.

Der Sinn des Lebens ist, das Beste aus deinem Leben zu machen - bewusst -

Da gehören nun auch mal schlechte Gefühle dazu, genauso wie gute Gefühle. Es kann gelernt werden, diese so anzunehmen wie sie sind. Denn sie sind ja sowieso da und dann darfst du dir überlegen, wenn es dir nicht so gut geht, was du tun könntest, damit es dir besser geht. Oder auch MAL ausharren und richtig herumjammern und laut schimpfen wütend sein und was auch immer mit dem Hintergrundgedanken: es darf jetzt so sein, wie es ist, aber eben sich nicht darin zu verlieren, so dass man ständig Angst haben muss oder schlechte Gedanken oder oder...damit tut man sich selbst keinen Gefallen und kann durchaus auch körperlich krank werden - meine eigene Erfahrung dazu.
Als Beispiel könntest du dir im besten Fall die Frage beantworten, was dich gerade so schlecht fühlen lässt - Gedanken - Handeln. Aber auch das darfst du für dich selbst entscheiden. Gedanken sind nur Gedanken, nicht der jetzige Moment.

29.12.2022 09:50 • x 4 #9


dirkdouglas
Zitat von Cbrastreifen:
War jetzt kein Vorwurf, mach das, was Dir hilft, da würde ich auch pragmatisch vorgehen. Ist ne Frage der Perspektive. Das crasht zwar die Antwort der Existentialisten - die ja auch von der Sinnlosigkeit reden - aber die andere Frage ist, ob man sich diese Perspektive zu eigen machen muss und wenn man sagt ja, warum ...

Alles gut, habe es auch nicht als Vorwurf gewertet.

An sich habe ich einen Sinn im Leben. Viel Geld verdienen damit meine Nachkommen ein sorgenfreies Leben haben (in finanzieller Sicht)

Aber in dem gleichen Moment kommt wieder der Zwangsgedanke und die Depression um die Ecke und sagt - Ja aber wenn du stirbst war doch eh alles sinnlos.
Es ist wie ein teufelskreis den ich nicht schaffe zu durchbrechen..

29.12.2022 17:30 • #10


C
Zitat von dirkdouglas:
An sich habe ich einen Sinn im Leben. Viel Geld verdienen damit meine Nachkommen ein sorgenfreies Leben haben (in finanzieller Sicht)

Aber in dem gleichen Moment kommt wieder der Zwangsgedanke und die Depression um die Ecke und sagt - Ja aber wenn du stirbst war doch eh alles sinnlos.

Wieso, das wäre doch sogar ein Ziel, was über den Tod hinausreicht, wenn es Dir gelingt.
Aber gib doch erst mal selbst Gas.

29.12.2022 17:35 • #11


dirkdouglas
Zitat von Cbrastreifen:
Wieso, das wäre doch sogar ein Ziel, was über den Tod hinausreicht, wenn es Dir gelingt. Aber gib doch erst mal selbst Gas.

Ja an sich hast du ja auch recht.

Aber durch die Depression bin ich einfach so hart niedergeschlagen und Energielos..

Ich muss gerade (und das immer noch nach 4 monaten clean sein) erlernen wieder wie das Leben ohne Weed eigentlich ist. Ich habe meine ganze Jugend eigentlich nur damit verbracht zu *beep*..

29.12.2022 18:44 • #12


dirkdouglas
Zitat von moo:
Es ist aber auch in gewisser Weise entlastend. Zwangsgedanken haben fast immer auch den (meist unbewussten) Nebeneffekt, dass sie etwas ersetzen. Dieses Etwas ist sehr oft die Eigenverantwortung, die die Betroffenen generell als eher belastend empfinden. Hierzu vielleicht: Und bzgl. schlechtem Gewissen eventuell auch: ...

Danke für deinen Input. Ob ich mehrmal gesextet habe, habe ich eigentlich weitesgehend abgeschlossen (frage mich das vielleicht 1-2 die Woche) und Schuldgefühle hab ich auch weitesgehend nicht mehr, ich kann es nicht mehr rückgängig machen und auch wenn ich es mehrmals gemacht haben sollte, meine Freundin verzeiht es mir.

29.12.2022 18:48 • x 1 #13


dirkdouglas
Zitat von Schlaflose:
Ich habe im Französischstudium viel von Camus, Sartre und Ionesco gelesen und mich voll in in ihren Ansichten über den Sinn des Lebens wiedergefunden, weil ich schon als Jugendliche nicht an Gott oder an ein Leben nach dem Tod geglaubt habe. Von den Existentialisten habe ich gelernt, dass es keinen Sinn macht, nach ...

Ich weiß das es an sich keine Sinn macht nach dem Sinn zu suchen, entweder er kommt von selber oder nicht.

Aber ich komme einfach mit der Tatsache dass wenn ich irgendwann tot bin alles vorbei ist nicht klar glaube ich..

29.12.2022 19:05 • #14


C
Zitat von dirkdouglas:
Ich muss gerade (und das immer noch nach 4 monaten clean sein) erlernen wieder wie das Leben ohne Weed eigentlich ist. Ich habe meine ganze Jugend eigentlich nur damit verbracht zu *beep*..

Klar, da besteht erst mal die Gefahr, den kurzen Weg zur Belohnung zu suchen, aber nun hast Du schon einen respektablen Anfang geschafft und man kann von allem ja auch wegkommen.
Was ist eigentlich das schlimmste bei dem 'Entzug', so aus Deiner Sicht?

29.12.2022 20:57 • #15


Angstmaschine
Weil der Film irgendwann vorbei ist, ist er ohnehin sinnlos?
Weil das Fest irgendwann vorbei ist, ist es es ohnehin sinnlos?
Weil die Furcht irgendwann vorbei ist, ist sie ohnehin sinnlos?

Warum sollte das Leben sinnlos sein, nur weil es irgendwann vorbei ist?

29.12.2022 22:33 • x 3 #16


dirkdouglas
Zitat von Cbrastreifen:
Klar, da besteht erst mal die Gefahr, den kurzen Weg zur Belohnung zu suchen, aber nun hast Du schon einen respektablen Anfang geschafft und man kann ...

Es gibt 2. Sachen die am schlimmsten sind.

1. das ich seit dem Entzug ein schlimmes Körpergefühl habe.

erst durch den Weedentzug ca. 3 Wochen lang sehr starke Unruhe,schwitzige Hände, frühs nach dem aufwachen direkt zitteranfälle.

dann mit johanniskraut angefangen - auch sehr starke Unruhe, Panikattacken + Suizidgedanken (körpergefühl auch ca 2. Monate bei der Einnahme)

dann Citalopram in der Eingewöhnungphase auch sehr schlimme Unruhe,Übelkeit Suizidgedanken

(WÜRDE ABER NIEMALS MIR ETWAS ANTUN ODER MICH VERLETZEN!)

jetzt hab ich nur hin und wieder noch ein Unwohlsein. Meistens (also zu 90%) immer direkt nach dem aufstehen und das hält bis Mittag an, danach geht es körperlich..

wenn ich körperlich nichts habe stell ich das auch in frage da ich die letzten 3-4 Monate nur durchgehend mich elendig gefühlt habe und es gar nicht mehr kannte „normal“ zu fühlen.

2. dass ich die letzten 4-5 jahre jegliches Glücksgefühl bzw dopamin etc. mir nur durchs Weed geholt habe, habe mich nach der arbeit/Schule aufs Weed gefreut. Jetzt habe ich nicht worauf ich mich freuen kann (außer Freundin etc, ist aber nicht das gleiche.)

Weed war ein großer Bestandteil meines Leben, es ist von heute auf morgen weggebrochen. Ich muss damit erstmal klar kommen.. denke das dauert noch.

30.12.2022 00:08 • x 2 #17

Sponsor-Mitgliedschaft

dirkdouglas
Zitat von Angstmaschine:
Weil der Film irgendwann vorbei ist, ist er ohnehin sinnlos? Weil das Fest irgendwann vorbei ist, ist es es ohnehin sinnlos? Weil die Furcht ...

Weil wenn ich tot bin nichts mehr davon habe, beziehungsweise einen Film kann ich mir immer wieder anschauen, ein Fest kann man immer wieder feiern.


wenn du einmal unterm Boden liegst ist vorbei.

30.12.2022 00:10 • #18


moo
Zitat von Angstmaschine:
Weil der Film irgendwann vorbei ist, ist er ohnehin sinnlos?
Weil das Fest irgendwann vorbei ist, ist es es ohnehin sinnlos?
Weil die Furcht irgendwann vorbei ist, ist sie ohnehin sinnlos?

Warum sollte das Leben sinnlos sein, nur weil es irgendwann vorbei ist?

Vielleicht ist ja die Tatsache, dass alles (mal) vorbei ist, das einzig Sinnvolle...?

30.12.2022 06:31 • x 2 #19


moo
Zitat von dirkdouglas:
2. dass ich die letzten 4-5 jahre jegliches Glücksgefühl bzw dopamin etc. mir nur durchs Weed geholt habe, habe mich nach der arbeit/Schule aufs Weed gefreut. Jetzt habe ich nicht worauf ich mich freuen kann (außer Freundin etc, ist aber nicht das gleiche.)

Weed war ein großer Bestandteil meines Leben, es ist von heute auf morgen weggebrochen. Ich muss damit erstmal klar kommen.. denke das dauert noch.


Du befindest Dich in einer ganz normalen Entwöhnungsphase. Um Dir das zu veranschaulichen möchte ich das Maisfeld-Gleichnis verwenden:

Du gehst an einem Maisfeld entlang, an dessen Ende biegst Du links ab um in die Arbeit zu kommen, so wie jeden Tag. Eines Tages kommt Dir die Idee, mal einfach diagonal durch das Maisfeld durchzulaufen anstatt den üblichen Weg auf der Straße zu nehmen. Du merkst, dass Du dadurch Zeit sparst und machst das deswegen öfter. Mit der Zeit weitet sich Deine diagonale Spur zu einem Pfad, später dann zu einer regelrechten Straße. Irgendwann beschließt Du, diese Straße zu asphaltieren, um sie als Deinen Weg immer komfortabel und zukunftssicher nutzen zu können.
Eines Tages steht vor Deiner gewohnten Querung eine Baustellen-Sperrung mit dem Hinweis Bitte Umleitung nehmen. Völlig verdutzt siehst Du Dich um nach einem Alternativweg, hast völlig die Orientierung verloren, wo dieser (eigentlich) mal entlang führte.


Die Abkürzung und deren komfortabler Ausbau stehen für Deine Suchtentwicklung. Du hast sie selber gegründet und immer weiter ausgebaut, sie als Deinen Lebensweg etabliert. Das Sperrschild steht für Deinen Entschluss (oder die theoretische Erwägung), der Sucht nicht mehr zu folgen. Wie im richtigen (im eigentlichen) Leben auch, beginnt hier (vermeintlich gefährliches) Neuland. Denn alles, was nicht der gewohnten planierten Straße gleicht, verspricht zumindest ungewohnt und deshalb potenziell unsicher zu sein. Zwänge und Zwangsgedanken spielen in dieser Phase sehr oft die Rolle der Suchtverlagerung.

Aus diesem Gleichnis folgt, dass an diesem sprichwörtlichen Scheideweg sozusagen alles möglich ist. Du solltest nicht der eingeschliffenen (unterbewussten) Wahrnehmung der Dualisierung zwischen gut und schlecht folgen, sondern schlicht und ergreifend er-leben, dass die Abwesenheit der Sucht- bzw. Zwangsfolge etwas Neues auslöst. Hier lohnt es sich sogleich, genauer hinzuschauen (kontemplieren): Was geschieht und was geschieht nicht?

Ich will hier bewusst nicht vorgreifen - Du wirst es erleben und ich bitte Dich, Deine Wahrnehmungen festzuhalten. Bei fast allen Menschen, die so etwas durchmachen, entstehen zumindest Angstgefühle. Das deswegen, weil sie ihr (vermeintlich) einziges Werkzeug nicht mehr zur Hand haben und sich deshalb schutzlos, machtlos fühlen (= Kontrollverlust). DAS ist jedoch eine unterbewusste, real unbegründete Wahrnehmung. Jegliche Wahrnehmung baut auf Erinnerung und Abgleichung von Sinneseindrücken und früheren Bewertungen derselben auf. Wahrnehmungen sind, wie alle Geistesaspekte veränderlich.

Je öfter Du in der Folge erlebst, dass durch das Weglassen der Zwangshandlungen genau nichts geschieht, wovor Du Angst haben müsstest, um so nachhaltiger prägt sich dies in das Unterbewusstsein ein.

Das Unterbewusstsein ist ein träger, denkfauler Nachäffer ohne jegliche Eigenverantwortung, es ist quasi personifizierte Vergangenheit. Das Unterbewusstsein ist sozusagen chronisch, das Bewusstein hingegen akut. Und ebenso erfolgt die Veränderung (Heilung) reversiv - vom Akuten zum Chronischen. Dies ist die therapeutisch-verstandesmäßig erfassbare Seite dieses Vorgangs.

Der andere, m. E. noch weitaus wichtigere Aspekt ist die Freiheit, die daraus entsteht. Eigentlich entsteht sie nicht, sondern kommt (wieder bzw. erstmals) zum Vorschein. Und genau hier kommst Du und Dein (echtes!) Leben ins Spiel: in Form der Verantwortung. Siehe oben.

Zitat von dirkdouglas:
Weil wenn ich tot bin nichts mehr davon habe, beziehungsweise einen Film kann ich mir immer wieder anschauen, ein Fest kann man immer wieder feiern.

Die Freude am Fest bedingt die Trauer über dessen Ende. Lebende können nicht begründet über den Tod sprechen. Entsprechend sollte man sich dem Leben zuwenden.

Sucht, Zwänge und starkes Wollen haben übrigens (meiner Erfahrung nach) sehr oft Nicht-wollen und Ablehnung als Basis. Menschen die vermeintlich sehr intensiv leben wollen, flüchten sehr oft genau davor: der Intensität eines ganz normalen Lebens (denn das ist eines der schwersten ).

30.12.2022 06:47 • x 3 #20


A


x 4


Pfeil rechts



Auch interessant

Hits

Antworten

Letzter Beitrag


Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl