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Moin Loiz,

in einem aktuellen Thread las ich

Zitat von PQhope:
Der Sinn liegt m.E. eindeutig darin, Glück zu empfinden, sich dem Glück anzunähern, und es zu genießen, wenn es da ist.


Fettdruck von mir. Ziemlich exakt diese Aussage hat mein Taufpate kürzlich auch geäußert und wir gerieten ein wenig aneinander, weil ich persönlich nicht dieser Meinung bin. Seine Stärke ist es nicht unbedingt, andere Meinungen zu durchdenken und seine Pro-Argumentation war schon ziemlich entwaffnend. Trotzdem kann ich dieser Ansicht überhaupt nicht zustimmen. Und weil kürzlich mal hier die Frage auftauchte: Was bleibt (am Ende des Lebens)? möchte ich dazu gerne einiges schreiben, wenn ich Muße für das Thema habe.

@PQhope - wir hatten, glaube ich, noch nicht die Ehre - willkommen! Habe mir eben Dein Profil und Deine Beiträge angelesen und finde sie sehr ansprechend. Magst Du vielleicht mal den Ball ins Feld schießen und ein wenig ausführlicher erklären, weshalb Glück zu empfinden, zu suchen und zu genießen für Dich so eindeutig dem Leben Sinn gibt? Ich werde mit Sicherheit (scheinbar) Gegenargumente bringen aber einem Glücks-Fürsprecher den Anfang machen zu lassen, erscheint mir in diesem Forum irgendwie passender . Natürlich nur, wenn Du magst.

Oder hat sich schon mal wer ausführlicher damit persönlich befasst? Würde mich freuen, darüber ausführlicher zu diskutieren.

02.02.2022 18:12 • 14.02.2022 x 4 #1


28 Antworten ↓


Glück ist für mich zu flüchtig als dauerhaft zu suchender Sinn. Glück ist die Kirsche auf dem Sahnehäubchen, das unerwartete Geschenk, aber erfahrungsgemäß kann Glück nicht lange anhalten und schon gar nicht dauerhaft bestehen. Für Glück kann man dankbar sein und es innerhalb seiner kurzen Halbwertszeit genießen.

Für mich ist der Sinn des Lebens, es zu nehmen wie es kommt und die Gegebenheiten so gut wie möglich für alle und alles zu gestalten, sowie Zufriedenheit. Diese vermag man als Mensch zu kultivieren und zu pflegen.

A


Ist Glück der Sinn des Lebens?

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Ich denke, Glück ist ein vielseitiger Begriff. Für jeden bedeutet Glück etwas anders. Der Sinn des Lebens sind für mich die Dinge, die ich von Herzen gern tue, die ich für wichtig halte und mich für mich besonderen Momenten hingebe. Auch Mitgefühl, anderen helfen, auch das ist für mich eine Art Glücksempfinden.

Zitat von -IchBins-:
Ich denke, Glück ist ein vielseitiger Begriff. Für jeden bedeutet Glück etwas anders. Der Sinn des Lebens sind für mich die Dinge, die ich von Herzen gern tue, die ich für wichtig halte und mich für mich besonderen Momenten hingebe. Auch Mitgefühl, anderen helfen, auch das ist für mich eine Art Glücksempfinden.

Das sehe ich auch so. Zudem würde ich noch hinzufügen, dass Glück haben und glücklich sein auch nicht dasselbe ist. Sehr individuell...

Herzlichen Dank für Eure Antworten.

Aus dem bisher Gesagten geht m. E. bereits hervor, dass Glück für jeden Einzelnen ein individuelles, wertebezogenes Narrativ darstellt und somit per se universell nur schwer zu deuten ist.

Trotzdem stimmen fast alle Menschen in dem Bestreben überein, ihr Glück zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass genau die Frage nach Herkunft und Definition von Sucher und Glück weitaus sinnvoller ist, als unhinterfragt nach einem - wenn wir mal ehrlich sind - relativ diffus begrifflichten Glück zu streben. Denn um den Sinn für das Leben in Form der Glückssuche geht es hier ja. Da das Leben ja - zumindest in wahrgenommener Weise - mein Leben darstellt, könnte man noch straffer formulieren: Mein Lebenssinn ist das Glück.

Obschon wir festgestellt haben, dass Glück nur äußerst unklar definierbar ist, darf nicht übersehen werden, dass wir durch die

a) Schaffung eines (vermeintlich!)anzustrebenden Glückes automatisch
b) ein (vermeintlich!) zu vermeidendes Gegenteil, nämlich das Unglück

etablieren. Sie also unsere menschlich-vertrauten Gegenpole erzeugt inmitten derer wir uns irgendwie räumlich und zeitlich verorten. Das Resultat, nämlich ein wahrhaft wirkendes Werte- und Sinngefälle (bzw. eine -steigung), ist somit nicht nur selbst-erzeugt sondern v. a. auch Selbst-bedingend (= Ursache und Wirkung als Perpetuumobile)!

Grundsätzlich ist dieses lebensinhärente An-Sinnen bei allen (von uns so genannten) Lebewesen offensichtlich - Menschen, Tiere, Insekten, Pflanzen - alle streben sie nach Glück und flüchten vor Unglück, besser gesagt vor dem Leiden. Was uns Menschen jedoch von den restlichen (von uns normalerweise wahrnehmbaren) Wesen unterscheidet, ist die im Endeffekt vollumfängliche Selbst-(Sinn)-Definition über diesen Konflikt.

Man kann also Descartes´ Feststellung Ich denke, also bin ich mal versuchsweise umformulieren in Ich will (will nicht), also bin ich.

Vielleicht stimmt Ihr mit mir überein, dass Wollen/Nicht-Wollen und - zumindest reflektives - Denken einen wesentlichen Unterschied machen:

- Wollen bzw. Nicht-Wollen wirkt (m. E. vor allem auch karmisch),
- Reflektives Denken ent-wirkt (zumindest potenziell),

was unsere Verwicklung mit dem Leben, mit der Welt - also mit unserem Leben betrifft.

Das bedeutet fürderhin, dass sowohl die Narrative Glück und Unglück beide leidschaffend sind und ergo das Verständnis hierüber leidmindernd wirkt.

Auf das Glück/Unglück bezogen bedeutet dies wiederum, dass es nicht nur für uns psychisch Betroffene einen immensen Vorteil brächte, dieses Streben/Flüchten von der unbewussten (Wollens-/Nicht-Wollens-)Ebene auf die bewusste (reflektierte Denkens-)Ebene zu verlagern.

Die Folgen könnten immerhin sein:

- eine im wahrsten Sinne wirksame Unabhängigkeit von gefühlsbedingten Trieben und Sehnsüchten

- eine zumindest potenzielle Möglichkeit der unbeeinflussten Erkenntnis, ob die bisherige Definition meines Glücks bzw. Unglücks tatsächlich sinnstiftend war, bzw. dieser Sinn überhaupt Sinn (sic!) ergab

- eine Verminderung des (oft noch unbewussten) chronischen Leidempfindens, welches m. E. nach eher der mittelbare Antrieb für die sogenannte Suche nach dem Glück ist

- bestenfalls eine durch Einsicht bedingte Abschwächung der wertenden Glück/Leid-Dualität

- und in der Folge ein im wahrsten Sinne heilsames Leben, das nicht mehr neue Leidbedingungen schafft bzw. vorhandene abschwächt.

Glück oder besser Glückserwartung ist die Karotte, die das Leben uns Eseln an der Angel vor die Nase hält, damit wir den Karren weiterziehen.
Glück ist die Prämie, nicht der Sinn. Ich war ein wenig enttäuscht, als der Dali Lama tatsächlich Glück für den Sinn des Lebens erklärte.

Darüber hinaus wird übersehen, dass der Sinn sich auch nicht nur auf der individuellen Ebene abspielen könnte. Vieles, was man für die nächste Generation tun möchte, kann zutiefst sinnvoll sein, auch wenn das eigenen Wohlempfinden dadurch eingeschränkt wird.

Zitat von Chingachgook:
Glück oder besser Glückserwartung ist die Karotte, die das Leben uns Eseln an der Angel vor die Nase hält, damit wir den Karren weiterziehen.

Ich esse grade einen, hoppela, Schaumkuss.

Das sind hier alles sehr wichtige Gedanken, welche Rolle denn das Glück spielt und wie wichtig dies für unser Leben ist...oder sein sollte.
Ich halte es für mich schon seit Jahrzehnten mit einem Hesse-Gedicht über das Glück.
Ich fand es 1974, damals auf einer Schallplatte die von Joachim Ernst Berendt produziert und gestaltet hatte..
Diese Schallplatte kannte ich nahezu auswendig und habe sie sehr gemocht!
Sie heißt Hesse Between Music Die Gruppe between wurde von Peter Michael Hamel gegründet, der auch in der
Radio-produktion von J.E.Berendt : Nada Brahma des öfteren erwähnt wird.
Das Gedicht Glück vom ab 19.18 min auf dieser

sorry, ich wollte es noch ändern, dann war es schon weg

Nachtrag: der erste Text über das Glück ist bei 17.00 min

Zitat von moo:
Herzlichen Dank für Eure Antworten. Aus dem bisher Gesagten geht m. E. bereits hervor, dass Glück für jeden Einzelnen ein ...

Hallo Monika. Du schaffst es nahezu immer das ich mir bis zum vollen Verständnis deiner Texte sie mir mindestens 2 x durchlesen muss bzw. . .. Danke das du mich immer zum Nachdenken anregst

Zitat von superstes:
sorry, ich wollte es noch ändern, dann war es schon weg Nachtrag: der erste Text über das Glück ist bei 17.00 min

Das ist ein wunderbarer Gedanke. Der mir trotzdem oder deshalb feuchte Augen beschert

Zitat von Chingachgook:
Ich war ein wenig enttäuscht, als der Dali Lama tatsächlich Glück für den Sinn des Lebens erklärte.

Also ich glaube, dass für mich schon Glück den Sinn des Lebens ausmacht.
Nur die Definition von Glück, die ist inzwischen eine andere als früher und meine Vorstellung darüber, was mich glücklich machen könnte.
Es gab mal eine Zeit, da war ich unheimlich neidisch auf meine Mama, weil sie sich über so viele Dinge freuen kann. Wie z. B. über die wild gewachsenen Margariten in ihrem Garten. Sie schwärmt jedes Jahr von neuem.
Ich wenn die Blumen anschaue, dann denke ich mir, gut, da wachsen Blumen, und?
Und wenn ich mir die Blumen genauer anschaute und mir auch die Zeit dafür nahm um zu verstehen und fühlen zu können, wie meine Mama, da wurde ich ganz traurig, weil sich bei mir diese Glücksgefühle nicht einstellten. Ich hatte den Wunsch mich auch darüber freuen zu können.
Heute gelingt es mir deutlich besser wie damals, aber bin trotz allem noch weit weg von meiner Mama.

Ich vermute eher, dass unser Fehler ist, dass wenn wir nach dem Glück streben, wir uns dadurch innerlich immer mehr gegen das Unglück wehren. Das wollen wir nicht. Und je mehr man sich gegen etwas sträubt, umso mehr zieht man es ja an. Wenn wir lernen, dass das, was wir als Unglück bezeichnen einfach dazu gehört, auch ein Teil von uns ist, dann können sich auch immer mehr Glücksgefühle einstellen.

Zitat von hereingeschneit:
Ich hatte den Wunsch mich auch darüber freuen zu können.
Heute gelingt es mir deutlich besser wie damals, aber bin trotz allem noch weit weg von meiner Mama.

Warum solltest du dich denn über das Gleiche freuen wie deine Mutter? Du kannst doch eigene Sachen haben, die dich so glücklich machen wie die Blumen deine Mutter.

Zitat von Schlaflose:
Warum solltest du dich denn über das Gleiche freuen wie deine Mutter?

Das ist eine gute Frage und so auf Anhieb fallen mir Gründe ein wie:
Ich will ihr nahe sein, ich will die Freude mit ihr teilen können, denn wie fühlt es sich an, wenn du jemanden etwas vorschwärmst und der tut es als unbedeutend ab?
Außerdem finde ich es unglaublich bereichernd, wenn man sich eben über solche Kleinigkeiten erfreuen kann, denn viele kleine Glücksgefühle sind mehr wert als das warten auf das große Glücksgefühl.
Das Lächeln eines Kindes, das Wedeln eines Hundes, das Schnurren einer Katze, ein kleines Mitbringsel vom Urlaub.... es gibt so vieles, worüber man sich freuen kann und meine Mama hat diese Gabe.
Ich konnte und kann das teilweise noch nicht, aber es ist für mich durchaus erstrebenswert.

Hallo miteinander,

im Anschluss an meinen Text bat ich einen guten Freund, seine Gedanken hierzu mitzuteilen. Er meinte, etwas ausführlicher dürfe es schon sein ... Diese möchte ich hier einfügen:

Herr Rossi sucht das Glück (von B. Golz)

Aber ob er es jemals finden wird? Wo aber doch alle Wesen nach Glück streben! Tun sie das tatsächlich? Bereits hier wage ich zu widersprechen, denn das wonach alle fühlenden Wesen streben, ist zunächst nichts weiter als Wohlsein oder Wohlbefinden.

Alle Wesen suchen das Angenehme und meiden das Unangenehme, suchen Sicherheit und meiden die Gefahr. Mit der Komplexität der Lebensform steigt auch die Komplexität der Rahmenbedingungen für dieses Wohlbefinden. Die Rahmenbedingungen für das Wohlbefinden einer Amöbe unterscheidet sich durchaus von denen eines Menschen (obwohl man manchmal keinen so großen Unterschied feststellen kann). Dies gilt dann auch innerhalb einer Lebensform, denn ein schlichtes menschliches Gemüt wird z.B. mit einer bescheidenen Tätigkeit mehr Wohlbefinden erleben, als ein Mensch mit höheren mentalen Ansprüchen.

Glück hingegen ist ein geistiges Konstrukt, welches die Menschen entwickelt haben, um dem Rahmen ihres Wohlbefindens definieren und benennen zu können.

Wenn man diverse Umfragen zum Thema Glück liest, kann man feststellen, dass Glück meist mit einer Liste von Faktoren definiert wird, die oft sehr gleich lauten: Gesundheit, Frieden, Freiheit, Wohlstand, Freunde, Familie, eine sinnvolle Aufgabe, etc..

Nun gab und gibt es nicht selten Fälle bei denen Menschen erleben, dass sie trotz der Erfüllung o.g. Faktoren keineswegs glücklich sind. Ganz im Gegenteil: Es gibt genug Beispiele von höchst beliebten und in vielerlei Hinsicht sehr erfolgreichen Menschen die an Depressionen leiden, bis hin zum Suizid!

Daran kann man sehr deutlich erkennen, dass Glück und Glücklich-Sein zwei paar Stiefel sind. Glück ist ein ideelles Konzept, dass je nach Person, Zeitalter und Kultur unterschiedlich definiert wird. Glücklich-Sein hingegen ist ein emotionaler Zustand, der durch alle Zeiten, von allen Menschen gleich erfahren wird, nämlich als eine temporäre Hormonausschüttung, die immer dann stattfindet, wenn die äußeren Umstände gerade keine Störfaktoren aufweisen und wir dem Irrglauben erliegen "es" mal wieder geschafft zu haben. Aber "es" entpuppt sich schon sehr schnell als überaus kurzlebig, denn wir suchen immer Halt im Haltlosen, Sicherheit im Unsicheren und Beständigkeit in dem, was nun einmal nicht beständig ist und auch nicht beständig sein kann.

Die verschiedenen Glücksfaktoren liegen stets außerhalb der Reichweite unserer dauerhaften Kontrolle, weil wir weder das Verhalten aller Mitmenschen bestimmen können, noch die Folgen unseres gemeinsamen Agierens überschauen und global in unserem jeweiligen Sinne lenken können (auch wenn div. Politiker uns dies weismachen wollen).

Das Glücklich-Sein ist engen biochemischen Grenzen unterworfen und kann bestenfalls(?) mit Psychopharmaka gepimpt werden, allerdings langfristig zu einem Preis, den wir wieder mit unserem vermeintlichen Glück bezahlen dürfen.

Gibt es für dieses Problem überhaupt eine Lösung oder müssen wir es hinnehmen, als etwas von Gott oder den Naturgesetzen Gegebenes?

Nun, es gibt sehr wohl eine Lösung dafür und diese verbirgt sich hinter einem anderen Wort: Zufriedenheit. Der Kernbegriff diese Wortes ist der Frieden, den wir ja gemeinhin als das Gegenstück zum Krieg betrachten. Wenn es uns gelingen würde, den Krieg gegen den gegenwärtigen Moment zu beenden, anstatt immer bis zum letzten Atemzug an den Endsieg des großen Glücks zu glauben, dann könnten wir etwas erleben, was seit Jahrtausenden von zahllosen Menschen in den verschiedenen Kulturen bestätigt wurde: umfassende, immerwährende Zufriedenheit. Eine Zufriedenheit die vollkommen unabhängig ist von äußeren Umständen oder von kurzlebigen Dopaminspülungen.

Dort hin zu gelangen ist ebenso einfach wie schwer, denn für uns durch und durch dualistische Menschen ist gerade das Einfache immer am schwierigsten. Wir sind jedoch, wie kaum ein anderes Lebewesen, mit einer Fähigkeit ausgestattet, deren Anwendung den Zugang zu jener Zufriedenheit eröffnet: der Fähigkeit der Selbstreflexion.

Dieses Reflektieren der eigenen Motive, der nachfolgenden Handlungen und der daraus gewonnen Resultate kann uns schon sehr schnell klar machen, dass unser gewöhnliches Handeln sich nicht von dem eines jeden Suchtkranken unterscheidet: Wir wollen unseren Dopamintrip (Glücklich-Sein) und müssen dementsprechend den jeweiligen "Stoff" besorgen, d.h. irgendetwas tun, konsumieren, Menschen oder Orte aufsuchen, usw..

Sobald die Hormonwirkung nachlässt, muss wieder nachgeladen werden, indem wir zum x-ten Mal versuchen, die Welt unseren momentanen Bedürfnissen anzupassen. Aber entweder gelingt dies nicht oder schlimmer noch: Es gelingt, aber wir müssen erkennen, dass sich unsere Bedürfnisse schon wieder verlagert haben.

Dieses absurde Theater als solches zu erkennen, erfordert nun wirklich keinen Hochschulabschluss oder ganz ausgefeilte spirituelle Techniken, sondern lediglich das, worüber wir ja angeblich in ausreichendem Maße verfügen, nämlich gesunder Menschenverstand.

Sobald wir erkennen, dass Glück und Glücklich-Sein keine verlässlichen Größen sind, können wir uns dem zuwenden, das gegen jede Vernunft immer wieder darauf beharrt, es müsste doch möglich sein, dauerhaft glücklich zu werden – dem Ego.

Es ist nur dieses Selbst(-erleben), dass wie ein unmündiger Säugling nach ständigem Wohlsein schreit. Leider haben wir in unserer Kultur nur bis zu einem bestimmten Grad gelernt, den Umgang mit diesem Selbst zu entwickeln. Dies beginnt zunächst mit der Selbst-Kontrolle, d.h. wir lernen den Körper, seine Sinne und das physisch-psychische Zusammenspiel soweit zu kontrollieren, dass wir in die Lage kommen, als Mensch unter Menschen einigermaßen zu funktionieren. Wir lernen sitzen und gehen, das selbstständige Essen, unsere Ausscheidungen zu kontrollieren – auch die akustischen, also zu sprechen statt nur zu schreien.

Ab einem gewissen Alter beginnen wir die nächste Ebene anzustreben – die Selbst-Beherrschung. Wir lernen mit Besteck zu essen, anstatt wie die Tiere einfach nur nach der Nahrung zu greifen und in uns hineinzustopfen (später kommt es dann wieder zu einer regressiven Entwicklung dank Döner, Hamburger und Co.). Wir lernen erst zu streiten, dann beherrscht zu argumentieren, evtl. sogar ergebnisoffen zu diskutieren. Wir lernen auch unseren Körper in vielerlei Hinsicht zu beherrschen – beim Schreiben, im Sport, beim Musizieren, bei diversen manuellen Tätigkeiten. Oft versuchen wir dieses Beherrschen unseres Metiers sogar bis hin zur Perfektion zu entwickeln.

Und dabei bleibt es dann auch: Selbst-Beherrschung in allen körperlichen und intellektuellen Bereichen bis zur Perfektion, bis dann Alter, Krankheit und der Tod dieser Selbst-Optimierung ein trauriges Ende bereiten. Die letzten Jahre vieler Menschen sind ihren ersten Jahren oft sehr ähnlich: Zunehmender Verlust der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, einhergehend mit zunehmender Unzufriedenheit, sprich: einem Mangel an Glückserleben.

Dabei wäre nur ein weiterer Schritt nötig gewesen: die Selbst-Überwindung, also die Befreiung des Erlebens aus der Ego-Knechtschaft und somit ein Erlangen jener Zufriedenheit, die eben nicht von einer fragilen Selbst-Bestätigung abhängig ist. Wir unterliegen dem Trugschluss, dass unsere Freiheit darin bestünde, tun zu können was wir wollen, aber solange wir dieses Wollen nicht kontrollieren können, bleiben wir lächerliche Lakaien unserer Triebe. Eine Trieb-Überwindung kann aber nur dann gelingen, wenn wir nicht ständig reflexartig (amöbenhaft) auf jeden Impuls reagieren – Impuls-Beherrschung statt Selbst-Beherrschung! Dies erfordert aber ein gehöriges Maß an Gewahrsein, welches erlernt und trainiert werden muss

Leider ist das Ego zutiefst davon überzeugt, dass ein kurzlebiger Hormonschub einer langwierigen Befreiungsübung vorzuziehen ist, denn dem dualistischen Selbst erscheint Trieb-Kontrolle als absolut spaßfrei und diese "Selbst-Überwindung", die aufhört mit der Welt zu kämpfen, um sie unseren Vorstellungen anzupassen, führt doch nur zu einem apathischen Fatalismus.

All diejenigen, die den Weg der Selbst-Überwindung und letztlich Selbst-Befreiung (im Sinne einer Befreiung aus der Ego-Sklaverei) erfolgreich zu Ende gegangen sind, zeichneten sich allerdings nicht durch Stumpfsinn und Wurstigkeit aus, sondern waren (und sind) die einzigen Wesen, die tatsächlich agieren können, anstatt immer nur reagieren zu müssen. Nicht mehr wollen zu müssen, heißt ja keineswegs nicht mehr mögen zu dürfen!

Zu den verschiedenen traditionellen Wegen, die zur Befreiung und zur endgültigen Zufriedenheit führen, gibt es hinlänglich Informationen. Es ist für jeden Selbst-Typ ein passender Zugang möglich. Einzige Voraussetzung: Ein eklatanter Mangel an Bescheidenheit, denn wer sich mit der Freiheit der Kinder bescheidet – haben, können und dürfen – wird niemals die Freiheit der Weisen erlangen – nicht mehr haben, können und dürfen zu müssen! - und somit auch niemals Zeit und Energie dafür investieren.

Zitat von Cornelie:
Hallo Monika. Du schaffst es nahezu immer das ich mir bis zum vollen Verständnis deiner Texte sie mir mindestens 2 x durchlesen muss ...

Sollte natürlich Hallo Moo heißen. Habe wieder nicht mit der Selbstständigkeit meines Handys gerechnet

Zitat von Cornelie:
Habe wieder nicht mit der Selbstständigkeit meines Handys gerechnet

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Gestern Abend hatten meine LP und ich ein langes Gespräch. Es ging vorwiegend um ihre Mutter oder besser ihrer beider Beziehung zueinander. Mit inzwischen 77, zahlreichen Herzgeschichten (inkl. OPs) und einer objektiv betrachtet eher unerfreulichen Lebensführung liegt sie nun mal wieder im Krankenhaus. Das Thema Pflege und Verantwortung sowie die Rolle ihres 12 Jahre jüngeren Mannes steht an. Viele Details, die schon weitaus früher hätten in die Wege geleitet werden können, jahrzehntelanges Verdrängen, Lügen, in Ungewissheit wiegen etc. - ich denke, einige von Euch kennen ähnliche Familienverwicklungen und wie schwer es für die Kinder oft ist, eine angemessene Haltung zu finden und diese auch standhaft zu vertreten.

Da jeder hier eine ganz eigene Story durchlebt (hat), kann man keine allgemein gültigen Aussagen darüber treffen, was im individuellen Einzelfall richtig und was falsch ist. Was allerdings gestern meiner Verfallsbegleiterin offenbar erstmals (mit 51!) ziemlich klar wurde, waren zwei Fragen:

Warum tun Menschen oft ihr ganzes Leben lang Dinge, die ihnen offenbar nicht gut tun und bereuen dann am Ende des Lebens ebendieses?

Und warum lernen wir nicht aus den für uns offensichtlichen Fehlern unserer Eltern sondern machen mitunter ähnliche oder gleiche Fehler?

Und deshalb kam ich heute morgen wieder auf das Thema dieses Threads, da ich der Meinung bin, dass er sehr viel mit der o. g. Problematik zu tun hat.

Alleine durch ein zweistündiges Gespräch konnten wir für uns festhalten:

a) Die Tendenz zum Verdrängen, zum Nicht-wahrhaben-wollen überträgt sich oft unbewusst auf uns Kinder. Obwohl wir es an unseren Eltern feststellen können und uns bisweilen fest vornehmen, es anders zu machen, tappen wir in die gleiche Falle. Insofern wirken unsere Vorlebenden stärker, als wir es vermuten.

2. Unsere Familienlast erzeugt ebenfalls Emotionen, die achtsam betrachtet einfach unangemessen sind: Weshalb zieht man keine Konsequenzen, nur weil es die eigene Mutter/der eigene Vater ist?

Ich persönlich vermute hinter dieser - ich nenne es mal etwas provokant als Mitgefühl verkleidete Feigheit - einen Mangel an Verständnis von Lebenssinn. Und zwar jedes Lebenssinnes - den unserer Eltern und unseres eigenen.

Unser aller Leben (zumindest das gegenwärtige) ist begrenzt - wenn auch seit kurzem weniger räumlich so in jedem Fall zeitlich. Wir haben also eine Chance, dieses Leben zu nutzen. Wie ich schon oft geschrieben habe, sehe ich den Sinn des Lebens nicht darin, möglichst viel zu genießen, sondern in Einsicht bzw. Weisheit zu wachsen, bzw. existenzielle Erkenntnis zu erlangen. Diese Chance bedeutet allerdings etwas sehr herausforderndes: Eigenverantwortung.

Wie ich ebenfalls schon erwähnte, bedeutet die Bemühung um Weisheit aus meiner Erfahrung vor allem: Gegen den Strom (oder die Strömung) zu schwimmen. Damit sind zwar auch gesellschaftliche, familiäre und soziale Aspekte gemeint, aber in weitaus wichtigerem Maße die inneren Ströme, die ich als Triebe bzw. Stränge (die bindenden) bezeichnen möchte. Sie sind es, die uns Wollen bzw. Nicht-wollen lassen und sie führen zu unserem hinstrebenden bzw. vermeidenden Verhalten!

In langjähriger Beschäftigung mit meinen eigenen Süchten (was nichts anderes sind als grobe, offensichtliche innere Ströme) erkannte ich genau dasselbe Schema bis hinunter zu den subtilsten Varianten dieses Getriebenseins:

- einen Beruf ergreifen, der eigentlich gar nicht zu mir passt
- mich um Menschen zu kümmern, denen eigentlich von außen nicht zu helfen ist
- Kritik nicht zu vertragen
- Kritik nicht üben zu wollen
- es nicht auszuhalten, tatenlos zu sein
- mich ständig durch ein Tun oder Sinneseindrücke bestätigt wissen zu müssen
- uvm...

Der 1. Schritt sollte nun sein, dieses Getriebensein, die inneren Zwänge, das Wollen und Nicht-wollen zu erkennen, es sich einzugestehen, es zu bezeugen: Ja, ich bin getrieben!. Dazu gehört auch, die Konsequenzen unseres steten triebbestimmten Handelns (und Denkens!) zu verstehen.

Der 2. Schritt ist deswegen so schwierig, weil wir ihn so gut wie niemals vollzogen haben: Wir widersetzen uns dem Trieb. Wir handeln (und denken) nicht wie üblich sondern tun erstmal gar nichts.

Der 3. Schritt ist eher bereits ein Teil der sich aus Schritt 1 und 2 ergebenden Einsicht: Der Trieb schwächt sich ab, indem wir ihm öfters widerstehen. Diese Einsicht verändert bereits zu einem gewissen Anteil unseren Charakter, unser Selbstbild. Wir verstehen langsam, dass das was wir uns wähnen, eigentlich die o. g. Triebe sind!

Interessanterweise könnte man diese Einsicht, dieses Erleben als glückvoll oder Glück bezeichnen. Doch in Wahrheit ist es lediglich eine Minderung des Leidens aufgrund einer Minderung unserer Triebintensität.

Es mag hilfreich sein, sich diese Überlegung immer dann vor Augen zu halten, wenn uns etwas extrem bedrückt, wenn uns etwas offensichtlich widerstrebt oder auffällig stark anzieht. Oft ist eine Anziehung auch nur ein Flüchten vor etwas unangenehmen. Im Erkenntnisprozess ist es nicht von Belang, ob es Wollen oder Nicht-wollen ist. Es geht lediglich um ein Erkennen des Getriebenseins und ein allmähliches Widerstehen. Das ist es, was die Taoisten Wu Wei (Handeln durch Nicht-handeln), die Zennies Mu und die Buddhisten den Mittleren Weg nennen. Es führt im wörtlichsten Sinne zur Ent-Wicklung unseres Selbstbildes und damit unseres Leidens.

PS: Nur zu Info bzgl. etwaiger Antworten - ich bin nun für einige Tage nicht online...ciao und bis neulich!

Toller Beitrag, @moo !
Sehr schlüssig dargestellt und vieles deckt sich mit meiner Wahrnehmung und meinen Überlegungen. Die Lösungswege setzen allerdings sehr viel inneren Spielraum voraus und an dieser Stelle würde ich ein kleines Fragezeichen setzen.

Ich erlebe mich und meine Mitmenschen sehr oft in der Defensive, das Leben geht über uns her und oft genug kann man froh sein, wenn man wieder auf die Beine kommt.
Mir kommt Rilke in den Sinn : Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles.
Für viele von uns ist das schon das höchste der Gefühle und verbraucht alle Energie.

Ob sich jemand wirklich ändern kann, lässt sich nur individuell sagen, da gibt es keine allgemeingültigen Regeln.
Aber bemühen sollte man sich allemal und oft ist das , was man gegen die Schwerkraft tut, das Wertvollste.
Da gebe ich Dir wieder recht.

Ich kann mir nicht vorstellen , dass der Sinn des Lebens NUR darinn bestehtehen soll glücklich zu sein....da muss mehr sein.

Glücklich sein kann ein Fragment sein....

Glück haben VS. glücklich sein.
Das streben nach Glück...
Ist ein Film und steht in der Verfassung der .

Was der Sinn des Lebens ist denke ich kann man nicht allgemein, sondern nur jeder für sich beantworten.
Zb. Das die guten Taten überwiegen.
Das man in einklang mit sich selber, der Gesellschaft und Natur ist.
Dass man sein Wissen weitergeben kann usw.

A


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