Hallo miteinander,
im Anschluss an meinen Text bat ich einen guten Freund, seine Gedanken hierzu mitzuteilen. Er meinte, etwas ausführlicher dürfe es schon sein ... Diese möchte ich hier einfügen:
Herr Rossi sucht das Glück (von B. Golz)
Aber ob er es jemals finden wird? Wo aber doch alle Wesen nach Glück streben! Tun sie das tatsächlich? Bereits hier wage ich zu widersprechen, denn das wonach alle fühlenden Wesen streben, ist zunächst nichts weiter als Wohlsein oder Wohlbefinden.
Alle Wesen suchen das Angenehme und meiden das Unangenehme, suchen Sicherheit und meiden die Gefahr. Mit der Komplexität der Lebensform steigt auch die Komplexität der Rahmenbedingungen für dieses Wohlbefinden. Die Rahmenbedingungen für das Wohlbefinden einer Amöbe unterscheidet sich durchaus von denen eines Menschen (obwohl man manchmal keinen so großen Unterschied feststellen kann). Dies gilt dann auch innerhalb einer Lebensform, denn ein schlichtes menschliches Gemüt wird z.B. mit einer bescheidenen Tätigkeit mehr Wohlbefinden erleben, als ein Mensch mit höheren mentalen Ansprüchen.
Glück hingegen ist ein geistiges Konstrukt, welches die Menschen entwickelt haben, um dem Rahmen ihres Wohlbefindens definieren und benennen zu können.
Wenn man diverse Umfragen zum Thema Glück liest, kann man feststellen, dass Glück meist mit einer Liste von Faktoren definiert wird, die oft sehr gleich lauten: Gesundheit, Frieden, Freiheit, Wohlstand, Freunde, Familie, eine sinnvolle Aufgabe, etc..
Nun gab und gibt es nicht selten Fälle bei denen Menschen erleben, dass sie trotz der Erfüllung o.g. Faktoren keineswegs glücklich sind. Ganz im Gegenteil: Es gibt genug Beispiele von höchst beliebten und in vielerlei Hinsicht sehr erfolgreichen Menschen die an Depressionen leiden, bis hin zum Suizid!
Daran kann man sehr deutlich erkennen, dass Glück und Glücklich-Sein zwei paar Stiefel sind. Glück ist ein ideelles Konzept, dass je nach Person, Zeitalter und Kultur unterschiedlich definiert wird. Glücklich-Sein hingegen ist ein emotionaler Zustand, der durch alle Zeiten, von allen Menschen gleich erfahren wird, nämlich als eine temporäre Hormonausschüttung, die immer dann stattfindet, wenn die äußeren Umstände gerade keine Störfaktoren aufweisen und wir dem Irrglauben erliegen "es" mal wieder geschafft zu haben. Aber "es" entpuppt sich schon sehr schnell als überaus kurzlebig, denn wir suchen immer Halt im Haltlosen, Sicherheit im Unsicheren und Beständigkeit in dem, was nun einmal nicht beständig ist und auch nicht beständig sein kann.
Die verschiedenen Glücksfaktoren liegen stets außerhalb der Reichweite unserer dauerhaften Kontrolle, weil wir weder das Verhalten aller Mitmenschen bestimmen können, noch die Folgen unseres gemeinsamen Agierens überschauen und global in unserem jeweiligen Sinne lenken können (auch wenn div. Politiker uns dies weismachen wollen).
Das Glücklich-Sein ist engen biochemischen Grenzen unterworfen und kann bestenfalls(?) mit Psychopharmaka gepimpt werden, allerdings langfristig zu einem Preis, den wir wieder mit unserem vermeintlichen Glück bezahlen dürfen.
Gibt es für dieses Problem überhaupt eine Lösung oder müssen wir es hinnehmen, als etwas von Gott oder den Naturgesetzen Gegebenes?
Nun, es gibt sehr wohl eine Lösung dafür und diese verbirgt sich hinter einem anderen Wort: Zufriedenheit. Der Kernbegriff diese Wortes ist der Frieden, den wir ja gemeinhin als das Gegenstück zum Krieg betrachten. Wenn es uns gelingen würde, den Krieg gegen den gegenwärtigen Moment zu beenden, anstatt immer bis zum letzten Atemzug an den Endsieg des großen Glücks zu glauben, dann könnten wir etwas erleben, was seit Jahrtausenden von zahllosen Menschen in den verschiedenen Kulturen bestätigt wurde: umfassende, immerwährende Zufriedenheit. Eine Zufriedenheit die vollkommen unabhängig ist von äußeren Umständen oder von kurzlebigen Dopaminspülungen.
Dort hin zu gelangen ist ebenso einfach wie schwer, denn für uns durch und durch dualistische Menschen ist gerade das Einfache immer am schwierigsten. Wir sind jedoch, wie kaum ein anderes Lebewesen, mit einer Fähigkeit ausgestattet, deren Anwendung den Zugang zu jener Zufriedenheit eröffnet: der Fähigkeit der Selbstreflexion.
Dieses Reflektieren der eigenen Motive, der nachfolgenden Handlungen und der daraus gewonnen Resultate kann uns schon sehr schnell klar machen, dass unser gewöhnliches Handeln sich nicht von dem eines jeden Suchtkranken unterscheidet: Wir wollen unseren Dopamintrip (Glücklich-Sein) und müssen dementsprechend den jeweiligen "Stoff" besorgen, d.h. irgendetwas tun, konsumieren, Menschen oder Orte aufsuchen, usw..
Sobald die Hormonwirkung nachlässt, muss wieder nachgeladen werden, indem wir zum x-ten Mal versuchen, die Welt unseren momentanen Bedürfnissen anzupassen. Aber entweder gelingt dies nicht oder schlimmer noch: Es gelingt, aber wir müssen erkennen, dass sich unsere Bedürfnisse schon wieder verlagert haben.
Dieses absurde Theater als solches zu erkennen, erfordert nun wirklich keinen Hochschulabschluss oder ganz ausgefeilte spirituelle Techniken, sondern lediglich das, worüber wir ja angeblich in ausreichendem Maße verfügen, nämlich gesunder Menschenverstand.
Sobald wir erkennen, dass Glück und Glücklich-Sein keine verlässlichen Größen sind, können wir uns dem zuwenden, das gegen jede Vernunft immer wieder darauf beharrt, es müsste doch möglich sein, dauerhaft glücklich zu werden – dem Ego.
Es ist nur dieses Selbst(-erleben), dass wie ein unmündiger Säugling nach ständigem Wohlsein schreit. Leider haben wir in unserer Kultur nur bis zu einem bestimmten Grad gelernt, den Umgang mit diesem Selbst zu entwickeln. Dies beginnt zunächst mit der Selbst-Kontrolle, d.h. wir lernen den Körper, seine Sinne und das physisch-psychische Zusammenspiel soweit zu kontrollieren, dass wir in die Lage kommen, als Mensch unter Menschen einigermaßen zu funktionieren. Wir lernen sitzen und gehen, das selbstständige Essen, unsere Ausscheidungen zu kontrollieren – auch die akustischen, also zu sprechen statt nur zu schreien.
Ab einem gewissen Alter beginnen wir die nächste Ebene anzustreben – die Selbst-Beherrschung. Wir lernen mit Besteck zu essen, anstatt wie die Tiere einfach nur nach der Nahrung zu greifen und in uns hineinzustopfen (später kommt es dann wieder zu einer regressiven Entwicklung dank Döner, Hamburger und Co.). Wir lernen erst zu streiten, dann beherrscht zu argumentieren, evtl. sogar ergebnisoffen zu diskutieren. Wir lernen auch unseren Körper in vielerlei Hinsicht zu beherrschen – beim Schreiben, im Sport, beim Musizieren, bei diversen manuellen Tätigkeiten. Oft versuchen wir dieses Beherrschen unseres Metiers sogar bis hin zur Perfektion zu entwickeln.
Und dabei bleibt es dann auch: Selbst-Beherrschung in allen körperlichen und intellektuellen Bereichen bis zur Perfektion, bis dann Alter, Krankheit und der Tod dieser Selbst-Optimierung ein trauriges Ende bereiten. Die letzten Jahre vieler Menschen sind ihren ersten Jahren oft sehr ähnlich: Zunehmender Verlust der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, einhergehend mit zunehmender Unzufriedenheit, sprich: einem Mangel an Glückserleben.
Dabei wäre nur ein weiterer Schritt nötig gewesen: die Selbst-Überwindung, also die Befreiung des Erlebens aus der Ego-Knechtschaft und somit ein Erlangen jener Zufriedenheit, die eben nicht von einer fragilen Selbst-Bestätigung abhängig ist. Wir unterliegen dem Trugschluss, dass unsere Freiheit darin bestünde, tun zu können was wir wollen, aber solange wir dieses Wollen nicht kontrollieren können, bleiben wir lächerliche Lakaien unserer Triebe. Eine Trieb-Überwindung kann aber nur dann gelingen, wenn wir nicht ständig reflexartig (amöbenhaft) auf jeden Impuls reagieren – Impuls-Beherrschung statt Selbst-Beherrschung! Dies erfordert aber ein gehöriges Maß an Gewahrsein, welches erlernt und trainiert werden muss
Leider ist das Ego zutiefst davon überzeugt, dass ein kurzlebiger Hormonschub einer langwierigen Befreiungsübung vorzuziehen ist, denn dem dualistischen Selbst erscheint Trieb-Kontrolle als absolut spaßfrei und diese "Selbst-Überwindung", die aufhört mit der Welt zu kämpfen, um sie unseren Vorstellungen anzupassen, führt doch nur zu einem apathischen Fatalismus.
All diejenigen, die den Weg der Selbst-Überwindung und letztlich Selbst-Befreiung (im Sinne einer Befreiung aus der Ego-Sklaverei) erfolgreich zu Ende gegangen sind, zeichneten sich allerdings nicht durch Stumpfsinn und Wurstigkeit aus, sondern waren (und sind) die einzigen Wesen, die tatsächlich agieren können, anstatt immer nur reagieren zu müssen. Nicht mehr wollen zu müssen, heißt ja keineswegs nicht mehr mögen zu dürfen!
Zu den verschiedenen traditionellen Wegen, die zur Befreiung und zur endgültigen Zufriedenheit führen, gibt es hinlänglich Informationen. Es ist für jeden Selbst-Typ ein passender Zugang möglich. Einzige Voraussetzung: Ein eklatanter Mangel an Bescheidenheit, denn wer sich mit der Freiheit der Kinder bescheidet – haben, können und dürfen – wird niemals die Freiheit der Weisen erlangen – nicht mehr haben, können und dürfen zu müssen! - und somit auch niemals Zeit und Energie dafür investieren.
05.02.2022 18:03 •
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