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Alexi
Hallo,

ich bin neu hier. Ich habe gerade eine On-Off-Beziehung und bin total erschöpft von mir selbst .
Ich würde mich freuen, wenn jemand meinen etwas langen Text liest und vielleicht auch dazu scheibt. Wenn nicht, dann konnte ich wenigstens meine Gedanken ordnen .

Ich bin 45 Jahre und meine längste Beziehung dauerte nur drei Monate und war schwierig. Ich hatte schon immer ein Selbstwertproblem (zu dick, häßlich, langweilig, Angst vor Sex und Probleme damit ) und mein Vater hat ein Suchtproblem, Mutter war immer die Dominante, mein Vater schwach und oft nicht verfügbar, wir haben uns nur gestritten. Zur Zeit der ersten Beziehung war ich 23 Jahre alt und der Partner 35 Jahre. Zuvor hatte ich nur sehr kurze Affairen und nun war ich wirklich schwer verliebt, wie noch nie zuvor . Es grenzte schon an Abhängigkeit, ich konnte nicht mehr ohne ihn und seine Bestätigung und Anerkennung, wollte immer mit ihm zusammen sein, war nicht mehr in meiner Wohnung, hab Freunde und Hobbies vernachlässigt. Eigentlich hatte ich gar kein eigenes Ich und mit Kritik und Konflikten konnte ich gar nicht umgehen, fiel ins Bodenlose, wenn wir stritten, da ich mich ihm so sehr geöffnet habe. Denke, ich habe nach der nicht erhaltenen Liebe meines Vaters gesucht und ihn mit Papa verwechselt habe .

Nach der Trennung habe ich ein Jahr sehr schwer gelitten. Danach habe ich komplett mein Leben umgekrempelt. Umzug, Abitur nachgemacht, Studium, neue Stadt, Psychotherapie gemacht , mic und viel Selbsterfahrung. Ich habe mich nie wieder verliebt danach, habe mich in Lernen und Arbeit und auch Parties gestürzt. Manchmal gefielen mir Männer, aber dann war ich zu wenig selbstbewußt, um Interesse zu signalisieren. Ich habe mich auch wenig weiblich gefühlt. Auf mich stand fast nie jemand und wenn, dann oft nicht um meiner selbst willen. Ich hatte auch Angst vor Sex bzw. nicht gut genug zu sein. Irgendwie habe ich mich dann mit meinem Single-Leben eingerichtet und mir vieles über meine Freundschaften geholt. Damit habe ich fast keine Probleme und ich bin auch sonst erfolgreich, habe Hobbies, bin einigermaßen attraktiv und keine einsame Eigenbrötlerin .

Seit zwei Jahren befasse ich mich nun mehr mit dem Thema Beziehung, in dem ich mich zunächst in Freundschaften mehr öffne, mich selbst mehr annehme, mehr Konflikte eingehe und aushalte und ich mache Online-Dating. Es gab einen Freund, mit dem ich sehr engen Freizeit-Kontakt hatte und der sich dann in mich verliebt hatte. Es stimmte eigentlich sehr vieles, nur dass er mich körperlich und sexuell überhaupt nicht angezogen hat. Er hat mich sehr umworben und wollte eine Entscheidung von mir hören. Ich habe zwanghaft alle Vor- und Nachteile gewälzt. Es war wirklich sehr ermüdend und quälend. Ich greife dann immer auf Horoskope und Tarot-Karten zurück, suche dort zwanghaft und wie irre nach einem Hinweis, welche Richtung ich einschlagen soll: Ja vs. Nein, Traumprinz vs. realer Typ, große Liebe vs. Zweckbeziehung, Kopf vs. Bauch ....... ?
Ich hatte immer ein ungutes Gefühl bzgl. seiner Körperlichkeit, habe aber dann doch eine Nacht mit ihm verbracht, die mein ungutes Gefühl bestätigt hat und ich habe danach klar Nein gesagt. Er meinte dann, ich würde sofort bei Problemen weg laufen (er hatte in dieser Nacht Probleme, die ich schon vermutet hatte). Ich bin aber fest bei meiner Entscheidung geblieben. Diesen Mann muss ich vorab erwähnen, da er bei meiner neuen aktuellen Unsicherheit eine Rolle spielt.

Davor gab es noch eine kurze, eher sexuelle Affaire über das Online-Dating. Hier habe ich sehr schnell die Angst und Enge gefühlt, die viele hier beschreiben. Wir hatten sehr unterschiedliche Wert- und Lebensvorstellungen und mein Bauchgefühl war da wohl richtig. Hätte ich mehr Zeit gegeben, hätte ich das wohl irgendwann rausgefunden, das wir in grundsätzlichen Dingen nicht zusammen passen. Der Sex hat mir aber gut gefallen und ich hätte mir so eine Mischung aus dem Freund von oben und ihm gewünscht. Trotzdem gab es da auch einmal On-Off und großes Grübeln, immer das Gefühl, dass ich mir den Prinzen backen will, den es nicht gibt, dass ich es mit ihm vielleicht länger versuchen müsste, gegen die Angst und Zweifel ankämpfen und einfach weiter machen, mehr das Positive sehen etc, das, was viele hier auch schreiben, um in der Beziehung bleiben zu können.

Vor zwei Monaten habe ich erneut jemand über das Online-Dating kennengelernt. Alles klang vielversprechend, ähnliche Interessen, ja sogar ähnlicher Job, viele für mich attraktive Vorlieben, tolles Aussehen. Wir trafen uns und für ihn war gleich klar, dass ich die Richtige sei. Bäng, er war voll verliebt.

Gleich beim ersten Treffen, bin ich leider mit ihm ins Bett gegangen (denke immer, ich müßte da irgendwelche Erwatungen der Männer erfüllen). Ich habe mich auch ein wenig verliebt, da er mich total umschwärmt und mit Komplimenten und Geschenken überhäuft hat auch mit sehr überschwenglichen E-Mails geschickt hat, gleich seine Termine nach meinen ausgerichtet hat, Pläne geschmiedet hat, mich bei der Familie angekündigt etc.. Das hat mich stutzig gemacht und auch einige Berichte aus seinem Leben, wo deutlich wurde, dass er bei einigen Sachen lieber nicht alles erzählt oder auf seltsame Art verdreht . Er kam mir unreif vor, eher angepasst, nicht im Reinen mit seiner Biografie (er ist älter als 50 Jahre), ein Luftikuss, ein charmanter Schmeichler, der sich einiges schön redet.

Es kam ein ungutes Gefühl, Beklemmung, Ernüchterung, Angst und ich habe Schluss gemacht, habe ihm auch ehrlich gesagt, warum. Naja, und so geht es jetzt seit dem. Es hält für mich immer nur ein paar Tage, wir reden über meine Bedenken und dann geht es kurz gut und nachts kommen wieder meine Ängste, das Grübeln, die Horoskope, so ein komisches Gefühl im Bauch, wie ins Bodenlose zu fallen. Ich spüre dann nichts mehr für ihn und mache Schluss. Dann ist kurz Funkstille und er meldet sich wieder oder auch ich rufe an. Ich sehne mich doch wieder, sehe seine Geschenke, möchte endlich auch nicht mehr alleine sein, denke an unsere schönen Momente und probiere es wieder, da ich bei Problemen nicht weg laufen will (siehe oben). Ich quäle mich sehr, besuche jede nur erdenkliche Horoskop-Seite, habe sogar ein teues Partnerhoroskop bestellt , um zu wissen, was ich tun soll .

Freunden erzähle ich nichts mehr davon, da jeder etwas anderes sagt von Genieß doch einfach die Komplimente und die schöne Zeit. bis Du nimmst ja nur das Gute mit und bist gar nicht verliebt. oder Du hast viel zu hohe Ansprüche. Etwas Wahres ist da auch dran und ich spüre alle Seiten in mir. Wenn seine Zuwendung ausbleibt, gibt es wenig Gefühl bei mir, aber ich denke dann und er auch, dass das einfach meine Beziehungsangst ist oder meine Ansprüche. Wir sprechen übrigens auch über ihn und seine Eigenarten, nicht nur über mich. Auch er hat Dinge geändert, hat mir mehr erzählt von sich, hat zugegeben, dass er Angst habe, mich zu verlieren, dass er meinen Ansprüchen nicht genügen könnte. Er ist sehr verständnisvoll, weiß sehr viel über mich, was ich dann aber plötzlich wieder nicht mag und ihm als Angepassheit und Ich-Schwäche auslege und Schluss mache. Das weiß ich schon, dass mich das an meinen Vater erinnert, dem ich nicht vertrauen konnte.

Wir analysieren sehr viel, diskutieren. Es fehlt an jeglicher Leichtigkeit und allem, was man mit verliebt sein verbindet. Auf keinen Fall ist es so, wie ich es mit der ersten Beziehung erlebt habe. Jetzt habe ich gestern wieder Schluss gemacht, da ich nach dem Sex plötzlich dachte, dass er wie ein kleiner Junge aussieht (Unreife) und das Verliebte so nicht denken und ich Angst bekommen habe. Heute könnte ich schon wieder zurück, zweifle an meiner Entscheidung und denke, dass Gefühle/Zuneigung vielleicht nicht immer gleich sind. Es ist schön mit ihm, aber ich merke, dass ich nicht richtig heiß verliebt bin. Ich vertraue ihm nicht richtig, er sagt, ich hätte so hohe Ansprüche, die keiner erfüllen könne. Irgendwie denke ich, er hat Recht und dann will ich es wieder versuchen und denke, dass die Liebe ja auch mit der Zeit kommen kann und ich mich mit meinen Ängsten konfrontieren muss. Bei ihm habe ich zumindest kein Beklemmungsgefühl und verspüre keine Enge. Vielleicht, weil er mich ja immer wieder nimmt und keine Grenze setzt.

Manchmal denke ich, dass meine Angst einfach mein Bauchgefühl ist, dass ich beachten sollte und der Richtige kommt schon noch und dann gibt es kein komisches Gefühl mehr. Egal, wie es ausgeht, ich habe wenigstens wieder etwas gewagt. Auf jeden Fall kann ich sagen, dass die Fähigkeit, jetzt überhaupt für Beziehung offen zu sein, etwas mit meinem besseren Selbstwertgefühl zu tun hat und damit einhergehend der Fähigkeit, sich zu öffnen und so mehr Intimität und Nähe erleben zu können, mehr zu sich stehen zu können. Ich glaube, es fehlt mir aufgrund der mangelnden Erfahrung noch an Vertrauen und Hoffnung/Glaube, mit Schwierigkeiten in Beziehungen umgehen zu können. Außerdem spüre ich noch ein riesiges Bedürfnis an Bestätigung als Frau und eine leichte Kränkbarkeit diesbezüglich.

Ich habe heute einges über Ambivalenzen gelesen, die ständige Waage, die nicht eindeutig zu einer Seite kippen will. Dabei kam mir folgender Spruch unter:


Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.
Vaclav Havel

03.02.2015 01:01 • 03.02.2015 #1


2 Antworten ↓


C
Hi Alexi,

ich kenne das...es ist ein Spießrutenlauf..aber man entkommt ihm.
Ich habe auch immer irgendwo Hinweise, Zeichen ect. gesucht.....im Unterbewusstsein war immer der Gedanke: Es kommt noch was besseres.....folglich rannte ich von einer Situation in die nächste...immer auf der Suche, was mich an diesem Mann stört ..und bekanntlich ist es ja so...wer suchet, der findet...ich habe immer auf mein Bauchgefühl gehört und lag auch immer richtig....es sollte bis dato nicht der Mann sein....
Seit knapp 3 Jahren habe ich meinen Freund, mit dem von Anfang an alles anders war....er war so wie ich...Seelenverwandt, ja so könnte man es nennen....klar gibt es Dinge, woran sich jeder stört, aber es ist ein Unterschied zu damals, wo es beim 1.-2. Date schon war.....

Höre auf Dein Gefühl, der Verstand ist in vielen gefühlstechnischen Zuständen unmöglich und hindert Dich an einem unbeschwerten Kennenlernen.

LG

03.02.2015 11:03 • #2


Alexi
Hallo Cyberlady78,

danke für Deine Antwort und herzlichen Glückwunsch zu Deiner tollen Beziehung! Warst Du denn Deiner Meinung nach bindungsängstlich oder hattst Du einfach immer ein gutes Bauchgefühl? Weil hier wird ja beschrieben, dass Bindungsängstliche immer das Haar in der Suppe finden und plötzlich Angst bekommen und dann passt irgendetwas nicht beim Partner. Wie war es bei Deinem aktuellen Partner am Anfang und wie bei den Männern davor? Woran hast Du gemerkt, dass es passt und richtig ist?

Ich denke bei mir, ich habe Läuse und Flöhe gleichzeitig. Ich beuge mich zu schnell den Erwartungen anderer (schneller Sex) und verwickel mich dann in Beziehungen mit eigentlich nicht passenden Männern, aus Angst abgelehnt zu werden. Aber ich kenne auch die typischen Beklemmungsgefühle, Fluchtgedanken, Distanz wollen etc. Der Bauch meldet sich bei beiden Situationen. Bei der ersten ist es das Bauchgefühl, das mich vor nicht passenden Männern warnt, bei der zweiten eine alte Angst, die bei Nähe aufploppt.

Aber ich denk, beides hat eine ähnliche Grundlage, mangelndes Selbstwertgefühl, nicht zu sich und den eigenen Bedürfnissen stehen können.

Gruß von
Alexi

03.02.2015 21:58 • #3





Dr. Reinhard Pichler