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Iownmyfear
Hallo zusammen,

ich bin selber seit Jahren Hypochonder und habe noch keinen Weg gefunden, damit einigermaßen zu leben bzw. das auch nur im Ansatz erfolgreich zu überwinden.

Hat das von euch jemand hinbekommen? Was heut euch dabei am meisten geholfen, was waren die entscheidenen Gamechanger?

Danke viele Grüße!

03.11.2022 17:23 • 06.11.2022 #1


9 Antworten ↓


C
Bei mir gab es nicht den einen Tag oder Trick oder Punkt, sondern es wurde immer weniger.
Einer der Gamechanger war vielleicht, dass ich die Rechthaberei hinter meiner Hypochondrie recht klar erkannte, allerdings war das alleine auch nicht der ausschlaggebende Punkt. Es gibt diesen Grabstein auf dem steht: I told you I was sick, der trifft es. Alle die mich vermeintlich beruhigen wollten, würden sich geirrt haben ... aber was für ein absurder Preis.

Alles was so unter Ich-Stärke zusammengefasst wird ist super gegen Hypochondrie. Immer mehr echtes Interesse an anderen, an der Welt. Kann man aber nicht anknipsen und auch nicht spielen und ich weiß, wie es ist, aus Qual immer um sich zu kreisen.

Ein Punkt war, dass ich irgendwann, durch Zufall bekann im Krankenhaus zu arbeiten, als Quereinsteiger in der Krankenpflege. Klar, es gibt diese Rituale des gesunden Lebens, die die meisten beruhigen. Wenn man dann schwerste Krankheiten sieht, was als Springer dauernd der Fall ist, weil man eben überall ist, kann man sich immer noch sagen, der oder die hätten bestimmt ungesund gelebt, aber irgendwann kam der Tag, an dem ich wieder mal jemanden sah, bei dem ich es nicht auf den Lebenswandel schieben konnte.
Ich weiß nicht, vielleicht hätte ich durchdrehen können, aber als mir bewusst wurde, dass es keinen wirklichen Schutz gibt (gesundes Leben hat natürlich dennoch einen Sinn), hat mich das ungeheuer entspannt.

Therapie und Meditation waren weitere Meilensteine und dann wieder und immer mehr Zutrauen zum eigenen Körper, auch durch körperliche Belastung.

03.11.2022 19:38 • x 2 #2


A


Wer hat Hypochondrie überwunden? Eure Gamechanger

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Iownmyfear
@Cbrastreifen Vielen Dank! Mit dem Thema Rechthaberei hast du voll ins Schwarze getroffen, das kenne ich auch von mir selber sehr gut. Hat in meinen Augen auch schon fast etwas Narzisstisches an sich, weil sich mit diesem Thema ja erst einmal alles um einen selbst dreht, als gäbe es nichts anderes mehr in diesem Universum. Ich-Stärke aufzubauen und den Selbstwert zu stärken gehören auch sicherlich dazu. Ich wünsche, ich könnte auch zu dieser Erkenntnis bzw. Erfahrung durchbrechen, dass es letztlich keine Garantie oder irgendeinen Schutz gibt. Davon bin ich leider noch weit entfernt.

05.11.2022 12:51 • #3


C
Zitat von Iownmyfear:
Mit dem Thema Rechthaberei hast du voll ins Schwarze getroffen, das kenne ich auch von mir selber sehr gut. Hat in meinen Augen auch schon fast etwas Narzisstisches an sich, weil sich mit diesem Thema ja erst einmal alles um einen selbst dreht, als gäbe es nichts anderes mehr in diesem Universum

Ja, das ist so und das ist auch der Ansatzpunkt:

Zitat von Iownmyfear:
Ich-Stärke aufzubauen und den Selbstwert zu stärken gehören auch sicherlich dazu.

Und zwar in einer realistiaschen Weise. Der Narzissmus ist unreralistisch, man fühlt sich wie der König und dann bricht alles zusammen und man ist der ärmste Mensch der Welt. Wenn man das erkennt, super. Sich dafür Vorwürfe zu machen bringt einen nicht weiter, aber sich in Situationen zu begeben, in denen man ein Feedback erhält, das einem hilft sich selber realistischer einzuschätzen schon.

Das kann Therapie, Arbeit, Sport sein, aber auch der Austausch im Internet. All das fördert im besten Fall die Ich-Stärke, die nicht darin besteht, besonders unabhängig, stark und straight zu sein, sondern im Gegenteil: Man kann andere wirklich ernst nehmen, man ist in der Lage Kritik anzunehmen und man gewinnt die Fähigkeit zur Abhängigkeit, etwas was man bei stärkerer narzisstischer Komponente überhaupt nicht ertragen kann, jemanden zu brauchen.

Zitat von Iownmyfear:
Ich wünsche, ich könnte auch zu dieser Erkenntnis bzw. Erfahrung durchbrechen, dass es letztlich keine Garantie oder irgendeinen Schutz gibt. Davon bin ich leider noch weit entfernt.

Wissen tust Du das jetzt schon, war bei mir ja auch nicht anders, aber man denkt irgendwie immer, die anderen hätten es halt nicht gut genug probiert und dass man selbst doch etwas geschickter ist. Das nährt dann aber wieder diese ungesund narzisstische Seite des Ego, das sich über alle anderen erhebt.

Ist jetzt nichts, was man von jetzt auf gleich abstellen kann, aber man kann es abstellen und diese narzisstische Variante der Hypochondrie wird mit dem Alter eher besser werden, es gibt eine Hypochondrie, die eine starke paranoide Komponente hat, die ist viel härter zu knacken, wenn überhaupt, weil der Feind sozusagen innen ist.

05.11.2022 13:14 • x 2 #4


C
Zitat von Iownmyfear:
Hat in meinen Augen auch schon fast etwas Narzisstisches an sich, weil sich mit diesem Thema ja erst einmal alles um einen selbst dreht, als gäbe es nichts anderes mehr in diesem Universum.

Hast Du irgendeine Affinität zur Spiritualität?
Wenn nicht, kein Problem, wenn doch kann man diese auch sehr gut nutzen, um dieser narzisstischen Seite den Zahn zu ziehen. Das würde ich dann versuchen näher auszuführen, aber wenn das nicht Deine Baustelle ist, ist es überflüssig.

05.11.2022 13:23 • #5


Iownmyfear
@Cbrastreifen Ja, einen Bezug zu Spiritualität ist in jedem Fall vorhanden. Praktiziere seit Jahren Zazen und das ist auf jeden Fall eine ganz entscheidende Kraftquelle für mich.

05.11.2022 13:24 • #6


Iownmyfear
@Cbrastreifen
Zitat von Cbrastreifen:
Das würde ich dann versuchen näher auszuführen, aber wenn das nicht

Das würde mich wirklich sehr interessieren. Denke auch, dass sich die Angst eigentlich bei tief verwurzelter Spiritualität auflösen müsste.

05.11.2022 13:27 • #7


Iownmyfear
@Iownmyfear
Zitat von Iownmyfear:
Davon bin ich leider noch weit entfernt.

Gerade eine weitere Selbsterkenntnis gehabt: Solche Sätze, wie der eben zitierte, sind eben meine negativen Glaubenssätze, mit denen ich mir selbst die Karotte vor die Nase halte, um in die ungünstige Richtung loszumarschieren. Geschickter wäre wohl, davon auszugehen, dass ich schon kurz vorm Ziel bin. Die Angstfreiheit ist nur wenige Schritte entfernt. Memo an mich selber.

05.11.2022 14:03 • #8


C
Zitat von Iownmyfear:
Ja, einen Bezug zu Spiritualität ist in jedem Fall vorhanden. Praktiziere seit Jahren Zazen und das ist auf jeden Fall eine ganz entscheidende Kraftquelle für mich.

Super.

Man fängt ja im Grunde damit an, weil man offen oder insgeheim nach Erleuchtung strebt. Gerade beim Zen ist man da zwar kritisch „Es stinkt nach Erleuchtung“ heißt es ja unter anderem, aber oft fängt man damit an, weil man diese irgendwie doch erreichen/finden/freilegen möchte. Samt all der Projektionen die daran kleben, im besten Fall das Ende aller Probleme.

Irgendwie eines der narzisstischsten Projekte, die man überhaupt beginnen kann. Beim Zen durch die Einfachheit recht gut geerdet, aber auch daraus kann man einen Besonderheitsanspruch ableiten. Wer Spiritualität wirklich ernst nimmt – und wer Zazen länger als 3 Monate durchhält, meint es ernst – und auch die Möglichkeit der Erleuchtung ernst nimmt, statt sich an der Stelle in falscher Bescheidenheit zu üben … dass man durchaus schon schöne Fortschritte gemacht hat (wobei das im Zen mitunter auch schon kritisch gesehen wird), aber natürlich weiß, dass man nicht erleuchtet ist und dann kommen die Aufzählungen: man ist noch so ängstlich und muss doch komplett angstfrei sein, hier, da und dort stimmt auch etwas nicht, wenn man ganz ehrlich ist. Aber damit ist man in einer sehr merkwürdigen und selbstwidersprüchlichen Position: Man spricht sich selber die Erleuchtung ab, in der Begründung, warum man es nicht ist, nimmt man aber in Anspruch bestens über genau diese Erleuchtung Bescheid zu wissen.

Dabei ist, wenn man die Mehrzahl der Stimmen derer, die man für halbwegs kompetent halten darf mal anschaut, aber etwas anderes: Es geht darum im anderen die Buddha-Natur zu erkennen. Nicht Demut zu spielen, nicht super achtsam oder natürlich, so auffallend ganz und gar normal und spontan daherzukommen, das sind die Egofallen, in die man wohl notgedrungen tappt.

Wenn Erleuchtung nichts ist, was man erreichen kann (was sich aus der buddhistischen Weltsicht zwingend ergibt), dann ist die nicht so schwer zu haben und man muss noch mal neu drüber nachdenken. Man ist es dann wirklich schon, kann das natürlich drehen und sagen, es sei so einfach, dass man nicht drauf kommt und damit dann doch wieder sehr elitär. Man übt sich dann häufig in Einfachheit und irgendwie tut sich doch nichts.

Eine Variante von „Es gibt nichts zu erreichen“ ist aber „Ich brauche nichts zu erwarten“. Auch nicht, dass mit einem Mal die Ängste weg gehen. Die können durchaus weg gehen, aber nicht, wenn und indem ich drauf warte. Erleuchtung ist die Identifikation mit dem Wandel, kein starrer Zustand und Wandel heißt eben, es geht auf und ab, manchmal bis zu den Ängsten, zu Krankheit und Armut. Es kommt irgendwann die wichtige Frage auf, was ich denn dann eigentlich wirklich davon habe und die Antwort kennt jeder spirituell Suchende: Nichts. Aber das hat immer noch so einen verklärten Touch. Ja ja, nichts, aber irgendwie ändert das oft alles und darauf spekuliert man dann doch.

Und dann kommt die Frage wieder hoch, wozu man den „Quatsch“ nun eigentlich wirklich macht, wenn man tatsächlich nichts davon hat. Man kann erleuchtet sein und dennoch psychisch oder körperlich krank, verarmt oder einsam, das ist nicht der Notausgang aus der Welt für alle Fälle. Wenn man hört, alles sei bereits in Ordnung, hat man vielleicht das Gefühl: Nein, ist es nicht, verdammt noch mal. Das Ich findet gute Gründe, warum es demnächst tot sein könnte, aber das kann man ja anschauen und ein wenig strampeln lassen, gerade in der Meditation. Nicht als Trick, aber man kann immer wieder erleben, dass man bei genau diesem Atemzug für einen Moment frei von Angst ist. Die kommt dann zurück und sagt: Ja, jetzt bist Du sicher, aber morgen oder gleich schon ... Der Kampf bringt nichts, aber immer wieder die radikale Gegenwart zu erleben, in der nichts fehlt, ist möglich.

05.11.2022 14:12 • x 1 #9


marialola
Ich hatte Dir ja schon in dem anderen Thread berichtet, wie ich es gemacht habe.
Ich war irgendwann von der eigenen Angst und den ständigen Arztbesuchen um mich beruhigen zu lassen derart genervt, dass ich mir gesagt habe, ok mist drauf, jetzt stirbst du eben. Wie du richtig sagtest, totale Akzeptanz. Für mich gab es keinen anderen Weg.
Ich kann natürlich nicht die Hand ins Feuer legen, dass der „Dämon Krankheitsangst“ mich nicht irgendwann wieder holt. Ich hoffe nicht, denn das ist die Hölle.

06.11.2022 12:59 • x 2 #10


A


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