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Hallo, erst einmal vielen Dank für die Aufnahme
Meine Mutter hat grade eben einen Asthmaanfall geschauspielert. Ich hatte eine Kerze ausgeblasen (sie kann es nicht wegen ihrer Lunge-glaubt sie), sie wedelte mit einer Zeitung den Rauch weg, mein Vater beachtete sie nicht und dann fing sie an einen Anfall vorzutäuschen. Ging auf die Terasse und hustete-kein Luftringen wie bei echten Asthmaanfällen. Nahm dann auch ihr Spray. Nach drei Minuten wars vorbei.
Um etwas weiter auszuholen, quasi die Vorgeschichte:
Sie ist Hausfrau und ist für uns zwei Kinder zuhause geblieben. Schon vor vielen Jahren hat sie ein Zwangsverhalten entwickelt. Sie kann ihre Hände nicht still halten. Sie müssen immer was zu tun haben. Früher hat sie sie einfach nur bewegt und ist mit den Fingern an den anderen lang gefahren (schwer zu beschreiben), seit einigen Jahren wurde es aber schlimmer. Für mich persönlich kaum auszuhalten und deswegen auch extrem schwer es vor anderen Leute auszusprechen. Es treibt mich echt in den Wahnsinn, sodass ich keine Zeit mit ihr verbringen kann...Und zwar hat sie über ein paar Tage Pickel über die sie immer wieder mit den Fingern fährt. Im Sekundentakt. Meist sind es aber auch Gewohnheitsstellen. D.h. da ist kein Pickel aber sie fährt immer wieder über diese Stelle xy. Speziell eine am Kinn und macht dabei eine grässliche Grimasse. Wenn sie wirklich einen Pickel (es ist keiner, die Haut ist gereizt) hat, dann ist diese Stelle aktuell. Für mich eine so schlimme Handlung, dasss ich schnell aufesse um aufzustehen bevor sie fertig ist. Als Kind habe ich immer unter dem Wohnzimmertisch Fernseher geguckt während der Rest der Familie auf dem Sofa saß. Spielen wir Karten halte ich es maximal eine Stunde aus, dann gehe ich in mein Zimmer und weine vor Ekel und Verzweiflung. Drauf angesprochen hatte ich sie schon früher. Da habe ich Ärger bekommen. Das hab ich dann auch nicht wieder gemacht.
Zu diesem Zwangsverhalten ist jetzt auch noch eine Hypochondrie gekommen-so weit ich das beurteilen kann.
Sie entstand, so vermute ich, vor ein paar Jahren nach einer Zeh-Op. Da hat sie viel Aufmerksamkeit für bekommen. Vor ca. 2 Jahren hat sie eine Wespe gestochen und der Arm schwoll etwas an. Sie ging zum Arzt und erzählte später, dass sie eine Wespen-Allergie hätte. Auch mich hat öfter mal eine gestochen. Beim ersten Mal schwoll der Arm ums doppelte an und bei den nächsten Malen war nichts mehr. Daher weiß ich, dass man das nicht so eng sehen sollte. Vom Arzt bekam sie zwei Medikamente in Flüssigform, die sie im Notfall schlucken soll und einen Pen in dem irgendwas ist, was gespritzt werden muss. Den Beutel mit den Medikamenten schleppt sie Schritt für Schritt überall hin. Dann hat sie wirklich eine gestochen und obwohl sie die beiden flüssigen Medikamente ganz austrinken sollte und den Pen zu Ende spritzen sollte, machte sie alles nur zur Hälfte (aus Angst vor einer Überreaktion, da ja nichts ist?!). Da ja die Wespen-Allergie nur über den Sommer auslebbar ist, hat sie angefangen andere Allergien zu erfinden.
Angefangen hat es mit Weißmehl (isst aber weiße Brötchen wenn kein dunkles mehr da ist), Äpfel (isst den Rotkohl meiner Oma, der zu 50% aus Äpfeln besteht) geendet ist es, nach verschiedenen anderen Sachen (spezielle Lebensmittel von speziellen Firmen), bei Farbstoffen und Geschmacksstoffen (um das ganze auszuweiten anscheinend). Sie achtet darauf alles ohne zu kaufen und kauft z.b. Bio. ABER sie isst die Sachen, die sie gerne isst und die diese Stoffe enthalten trotzdem. Das neuste ist die Rauch-Allergie. Wenn mein Vater ein Zigarillo raucht und offensichtlich, wie eben, schon auch bei einer Kerze.
Sie erzählt jedem davon und klagt jedem ihr Leid. Geht zu Verabredungen zum Essen um einen trockenen Salat zu essen, nur um ihr Leid zu demonstrieren. Kauft sogar Apfel-Cidre um dann zu sagen Ach den darf ich ja gar nicht trinken! Trink du ihn. Ich habe Epilepsie und darf keinen Alk. trinken. Wie mein Vater das ganze sieht weiß ich nicht. Er bestellt für sie Gewürze und Brot im Internet und sie freut das natürlich. Sie kündigt die Anfälle sogar vorher an. An Weihnachten gab es Raglette und sie legte sich Gampas auf den Stein-sagte da aber gleich: Mal sehen was passiert wenn ich die esse. Warten wir mal 20min. Sie hat alle aufgegessen (sie isst sie gerne) und nach ca. einer halben Stunde fing sie an leise rumzuhusten. Ich wusste was kam und bin mit meiner Tante aus dem Zimmer. Da die Zuschauerzahl gesunken war hat sie dann auch keinen Anfall vorgetäuscht.
Tja, kurz gefasst: Sie schauspielert und fast jeder weiß das, spielt aber das Spiel mit. Dass sie nichts hat ist bereits bewiesen. Sie hat sämtliche Allergietests gemacht-öfter. Erzählt aber jedem, dass sie dies und jenes nicht darf.
Ich traue mich nicht sie darauf anzusprechen. Auch nicht mein Vater. Mich beschäftigt das und es nervt mich unheimlich. Aber ich kann sie verstehen im Punkt Anerkennung und Aufmerksamkeit.

Was soll ich tun? Ignorieren? Mitmachen? Doch drauf ansprechen? Wenn ja: Wie?
Und so banal es auch klingt: Kann ich ihr das irgendwie abkonditionieren?

Ich bin wirklich verzweifelt...Ich weiß, dass sie die Allergien etc. vorspielt um Aufmerksamkeit zu bekommen. Als Hausfrau, beide Kinder groß und nur ein ehrenamtlicher Job in der Bücherei- wo soll die Anerkennung herkommen, die die meisten von uns im Job bekommen? Offensichtlich versucht sie es so. Ignoriert man es wird sie sauer.

Für das Zwangsverhalten gelten die selben Fragen...Für mich persönlich ist das schlimmer. Ich möchte später mit meinen Kindern zu meinen Eltern fahren können und einen schönen Tag mit ihnen verbringen. Mit dem Zwangsverhalten unvorstellbar. Es ist mir peinlich vor anderen Leuten. Es ist eklig. Das macht mich wirklich echt fertig. Nach zwei Stunden mit ihr bin ich dem Nervenzusammenbruch nah. Dabei ist sie doch meine Mutter und ihre Nähe damit unertragbar.

Ich freue mich auf Antworten, Erfahrungsberichte und Tipps So kann es doch nicht weiter gehen...Wo soll das noch hinführen?
Liebe Grüße, Olar

08.02.2014 00:02 • 08.02.2014 #1


3 Antworten ↓


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Ich muss eben noch schnell dazu sagen, dass ich die Angst vor Krankheiten ernst nehme! Da ich Epilepsie habe (vor einem Jahr ein großer Anfall), weiß ich zu gut wie es ist Angst vor etwas zu haben. Bevor man den Anfall bekommt, spürt man ihn. Nennt sich Aura. Ich habe dieses Gefühl teils über einige Stunden in Situationen in denen viele Menschen um mich sind. Aus Angst ich bekomme einen Anfall und alle sehen es. Tatsächlich hat man das Gefühl, wenn man einen Anfall bekommt, aber nur über ein paar Sekunden und dann geht es schon los. Wenn ich es mir einbilde habe ich auch die körperlichen Begleiterscheinungen, die es bei einer echten Aura gibt: Das Gefühl des Abhebens, Schwindel, Hitze, Schwitzen. Ich will damit sagen, dass ich die Angst vor Krankheiten nicht verspotten möchte mit meinem Beitrag. Bei meiner Mutter denke ich aber, dass sie bewusst schauspielert-überwiegend. Bitte versteht meinen Beitrag nicht falsch.

08.02.2014 00:13 • #2


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Mutter bildet sich Allergien und Asthmaanfälle ein

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@Olar,
irgendwie scheinst du ein seltsames Verhältnis zu deiner Mutter zu haben,
denn wenn ich deine Zeilen durchlese,merke ich eher Ekel deiner Mutter
gegnüber als Besorgnis,oder gar Mitgefühl.

Deine Mutter scheint eine Art psychische Störung zu haben und auch
Zwangshandlungen,die sich immer mehr ausweiten.
Warum spricht denn in Eurer Familie Niemand das Thema mal an?
Ist denn bei Euch sowas ein Tabu-Thema oder wie soll ich das verstehen,
wenn Ihr da nicht mal Tacheless redet,wird es doch immer schlimmer werden.

Ich denke,es wäre schon mal ein großer Schritt,wenn du dich zusammen
mit deinem Vater und deiner Mutter an einen Tisch setzen würdet
um das Thema zur Sprache zu bringen,
wie sich die Sache dann entwickelt ist abzuwarten.
Entweder lässt sich deine Mutter helfen,oder sie zieht sich erstmal zurück,
denn auch Sie wird es verarbeiten müssen,
dass mal Klartext gesprochen wurde.
Aber ich finde Ihr solltet Sie bei all den nächsten Schritten unterstützen
und für Sie da sein!

08.02.2014 10:10 • x 1 #3


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@MitSouKo63 ,
Ja,deine Vermutung mit dem seltsamen Verhältnis könnte gut stimmen. Und ja, ich ekel mich vor ihr. Es fällt mir so schwer das zuzugeben, ich liebe sie und sie ist meine Mutter (bin adoptiert-vielleicht habe ich von Natur aus etwas mehr Distanz zu ihr als mein Bruder, der ihr leibliches Kind ist) aber unser Verhältnis ist sonst eigentlich gut. Sie merkt das auch nicht wirklich. Denkt es wäre meine Macke wenn andere mein Essen anfassen oder aus meinem Glas trinken o.ä. Dabei geht es mir nur darum, dass sie es nicht macht. Durch das Zwangsverhalten mit dem Kratzen etc. ekel ich mich davor Bakterien von ihren Wunden an meiner Haut zu haben und mag es nicht wenn sie mich anfässt (an Kleidung ok). Aber das alles merkt sie nicht und denkt es ist meine Macke.
Ja, das Zwangsverhalten wurde über die Jahre immer schlimmer. Die Fingernägel sehen schon komisch aus und sie hat auch keine Nagelhaut, bzw schneidet sie immer weg. Schrecklich...Die eingebildeten Allergien und vorgetäuschten Asthmaanfälle werden auch immer schlimmer. Ich verstehe sie, wie oben erwähnt, auf jeden Fall. Wir Kinder sind groß, mein Vater ist den Tag über weg. Sie hat wahrscheinlich das Gefühl nicht mehr gebraucht zu werden und keiner erkennt ihr Arbeit zuhause an. Ich kann es wirklich echt verstehen. Sage ihr auch immer, dass ich es anerkenne. Jedoch muss ich sagen, dass auch das nervt. Ich meine andere Leute gehen acht Stunden arbeiten, vorallem haben viele auch eine körperlich anstrengende Arbeit. Wir wohnen in einem Einfamilienhaus und die obere Etage, in der mein Bruder und ich wohnen, putze ich ganz allein, wasche auch meine Wäsche allein. Sie ist nur für Essen kochen, Wäsche der anderen und putzen der unteren Etage zuständig. Beschwert sich immer über die ganze Arbeit. Und dabei schläft sie meist bis 9 Uhr aus und ihr Arbeitstag endet gegen 15-16 Uhr. Dann sitzt sie auf dem Sofa und trinkt Cappuccino. Es fehlt mir schwer dafür die Anerkennung zu zeigen, die sie gerne hätte.
Als Kind hatte ich sie schonmal auf ihr Zwangsverhalten (damals waren es nur die Finger) angesprochen und dafür ordentlich Ärger bekommen. Das hat mich Sensibelchen sehr getroffen, weil es mich damals schon sehr belastet hat. Ich habe Angst wenn ich sie darauf anspreche, sie sauer wird, sich zurück zieht und unsere Verhältnis möglicherweise noch distanzierter wird. Aber trotzdem: das wäre wohl die schlauste Lösung von allem.
Mein Bruder stört ihr Zwangsverhalten nicht so sehr. Er weiß wie sehr ich darunter leide, ist da aber anders als ich und hat trotzdem immer die Nähe zu ihr gesucht. Mein Vater scheint es auch nicht großartig zu stören. Als ihr Mann würde es ihm sicherlich leichter fallen sie drauf anzusprechen und er sitzt ja auch jeden Abend neben ihr auf der Couch über Stunden. Das würde ich nicht aushalten aber ihm scheints nichts auszumachen. Das Einbilden der Allergien etc. stört mich und meinen Bruder gleich. Meist ignorieren wir es und gehen nicht auf solche Gespräche ein. Ich glaube aber, dass es das noch schlimmer macht, da wir ja nicht drauf anspringen. Meinen Vater kann ich hier sehr schwer einschätzen. Ich habe aber wirklich das Gefühl, dass er das alles ernst nimmt und ihr glaubt. Er bestellt ja auch Lebensmittel im Internet für sie und guckt mit ihr Reportagen über Lebensmittelskandale und kommentiert auch immer fleißig was die Industrie so alles schlimmes anstellt. Er unterstützt ihr Verhalten. Vielleicht fing es auch damit an.
Ich habe mir überlegt vielleicht zuerst mit meinem Vater zu reden. Ich habe wirklich Angst, dass eine Konfrontation mit ihr in die falsche Richtung geht. Er denkt in manchen Sachen eher in meine Richtung, vorallem in psychologischen. Trotzdem bin ich in solchen Sachen anders als meine Familie und viel emphatischer.
Danke für deine Antwort- du hast Recht, anders geht es nicht. Und wenn sie so weitermacht könnte ich mir vorstellen, dass Freunde und Bekannte sich von ihr abwenden weil sie nur ein Thema kennt und immer eine Extrawurst braucht. Vielleicht die Vorstufe sozialen Abstiegs. Zumal sie ihr Zwangsverhalten auch vor anderen auslebt. Auch hier kann ich nicht sagen, in wie weit es andere Menschen stört.
Liebe Grüße

08.02.2014 14:28 • #4





Dr. Matthias Nagel