Hier ist es also: meine Vorstellung, mein Werdegang, mein Untergang. Ich möchte diesen Beitrag nutzen um mich kurz vorzustellen, um mir selbst aufzuzeigen was passiert, autobiografisch. Ich habe keine Erwartung an Antworten, vielleicht erkennt sich jemand wieder, vielleicht kann jemand objektiv die schwere meiner Probleme einschätzen oder mir raten was zu tun ist. Es wird etwas länger da ich ganz vorne anfange.
Ich bin 36, verheiratet, habe 2 wunderbare Töchter, einen guten Job, keine Geldsorgen. Alles super. Fast.
Mein Leben:
Ich bin bei meiner Mutter aufgewachsen. Sie litt unter starken Depressionen und war stark Alk..
Rückblickend wäre ich sicher ein Fall gewesen wo das Jugendamt hätte eingreifen müssen, das ist aber leider nie passiert. Obwohl meine Mutter nüchtern sehr liebevoll war und ich sie sehr geliebt habe hat der Alk. meine ganze Kindheit zerstört. Ich war als Grundschulkind bereits größtenteils auf mich allein gestellt. Nach der Schule war meine Mutter bereits so voll Schnap., dass sie schlief. Die Wohnung war verwahrlost, die Zeit geprägt von wechselnden Geschlechtspartner, Selbstmordversuchen meiner Mutter und täglichen Alk.. Die wenigen Phasen wo sie es schaffte mal ein paar Wochen nicht zu trinken schlug ihr Zwangsverhalten in übersteigertes Putzen um. Es wurde alles klinisch gereinigt. Der Backofen auseinandergeschraubt um ihn zu reinigen, der Toilettentopf abgeschraubt um !darunter! zu putzen. Ich musste woanders schlafen um nichts dreckig zu machen. Nicht selten wurden diese Phasen dann von einem Alk. unterbrochen. Ich stand also als Kind vor der Situation, dass meine Mutter besoffen auf der Couch geschlafen hat und ich tagelang ohne feste WC-Schüssel / Backofen klarkommen musste.
In den wachen Phasen meiner Mutter hörte Sie dann stundenlang so laut Depri-Musik, dass uns vom Vermieter der Strom abgestellt wurde. Es war schon hart.
Das ganze direkte Leid war schon belastend, schlimmer war jedoch fast, dass wir in einem kleinen Dorf von Bessergestellten gewohnt haben. Da meine Mutter oftmals torkelnd den Dorfkiosk besucht hat der unmittelbar an meiner Grundschule der Anlaufpunkt meine Schulfreunde war und es oftmals zu Kontakten kam führte mich damals in eine gewissen soziale Isolation. Ich entwickelte zur Kompensation bereits damals gewisse Verhaltensauffälligkeiten die man heute wohl als ADS zusammenfassen würde. Habe als Kind diverse Selbstmordversuche meiner Mutter miterlebt, habe sie in geschlossenen Einrichtungen besucht ein ständiges Auf und Ab.
Mein Vater hat sich nie richtig für mich interessiert, glücklicherweise hatte ich eine tolle Oma bei der ich viel Zeit verbracht habe, und die sicher auch der Grund ist warum ich ein halbwegs normaler Mensch und kein Junkie oder Asozialer geworden bin.
Mit 16 Jahren hat meine Mutter was mit ihrem Schwager angefangen ist eine Stadt weiter gezogen und hat mich in unserem Dorf in der heruntergekommenen Wohnung sitzen gelassen. Da sie keine Miete/Strom mehr gezahlt wurde die Wohnung geräumt und ein Großteil meiner Besitztümer durch den Vermieter entsorgt. Das was man mit 16 Jahren als nötigste betrachtet (Computer, Anziehsachen) habe ich gerettet und bin dann bei meiner Oma untergekommen. Kurz darauf habe ich meine Frau kennen gelernt, bin zu ihr gezogen und habe mein eigenes Leben selbst in die Hand genommen. Den Kontakt zu meiner Mutter habe ich abgebrochen. Im Laufe der Jahre hat sie sich ab und zu mal bei meinem Vater gemeldet oder Briefe geschrieben. Mal aus irgendwelchen Therapien heraus später sogar aus den Gefängnis weil sie einen ihrer wechselnden Partner mit einem Messer angegriffen hat. Ich habe den Kontakt jedoch nicht erwidert. Einige Jahre später (meine erste Tochter war geboren) hat sie meinen Vater angerufen und erfahren, dass Sie mittlerweile Oma ist, sie hat angefangen zu weinen. Das war das letzte Lebenszeichen von ihr. Wieder Jahre später haben wir durch einen Interneteintrag einer Pfarrgemeinde erfahren, dass sie verstorben ist. Der Sterbezeitpunkt lässt sich mit dem letzten Telefonat vereinbaren. Ich denke sie hat sich damals umgebracht.
Zwänge
Mein Leben lief ungehindert weiter. Vor der Geburt meiner Tochter war eigentlich alles in Ordnung, ich bemerkte jedoch dass ich ähnliches Zwangsverhalten beim Putzen entwickelte wie damals meine Mutter. Es schlichen sich Zwangsverhalten und Kontrollzwänge ein. Ich musste stundenlang den Tisch abputzen, 2 Rollen Zewa pro Tag verbauchen. Dinge immer wieder anheben um darunter nochmal abzuwischen. Ich war und bin ein ziemlicher Computerfreak / Zocker. Ich schraubte jeden Tag meinen Computer auf um zu schauen ob alles in Ordnung ist, da ich befürchtete irgendwelche Minibauteile könnten von der Platine abgebrochen sein. Hörte ich ein Knacken in der Wohnung dachte ich Oh nein etwas ist in meinem PC abgebrochen. Ich schraubte ihn wieder auf um alles mit der Taschenlampe zu kontrollieren. Insbesondere Elektronik hob ich hoch um sie zu schütteln / zu drehen weil ich hören wollte ob dort Bauteile lose seien.
Schon ziemlich freakig aber nicht so belastend, dass es für mich und meine Frau nicht zu ertragen gewesen sei.
2004 ist meine geliebte Oma an Krebs verstorben, nein jämmerlich zu Grund gegangen. Im Alter von 66 Jahren. Sicherlich auch ein Schlüsselmoment für mich.
2011 wurde meine erste Tochter geboren. Der Putzzwang war schnell Geschichte. Es gab nun wichtigeres im Leben. Stundenlang Fingerabdrücke von Tischen zu wischen bei einem kleinen Baby was alles vollsabbert war dann nicht mehr drin. Der Putz / Kontrollzwang verschwand fast vollständig. Es schlug in etwas viel schlimmeres um, in etwas was mir fast meine Lebenskraft und -freude rauben sollte;
Meine Krebsangst
Seit 2011 leide ich unter einer massiven Krebsangst. Ich sehe den Grund sicherlich in der Geburt meiner Tochter. Ich besitze nun etwas so wunderbares, das erste Mal etwas wirklich lebenswertes, das schürt meine Angst zu sterben / Leid über mich und die Familie zu bringen.
Es folgten zahlreiche Krebsbefürchtungen vereinzelt auch andere Krankheiten, wobei ich sagen muss, dass mich normale Krankheiten nur insofern ängstigen wie es auch rational normal ist. Bei Krebs ist die Angst aus dem Ruder gelaufen. Ich denke seit 10 Jahren jeden Tag an Krebs. Morgens beim aufwachen, Abends beim einschlafen. Auf Konzerten, auf Feiern. Ich denken Wie kann ich hier sitzen und lachen, wo ich doch wahrscheinlich einen Tumor habe Es ist nur schwer auszuhalten.
Komprimiert hier meine bisherigen Krebse sowie Behandlungen:
Hautkrebs (13x), Sarkom im Bein, Nagelmelanom, Prostatakrebs(2), Hodenkrebs(2x), Leukämie, Lymphdrüsenkrebs, Nebenhodenkrebs(15x), Darmkrebs(2x), Speicheldrüsenkrebs(3), Tumor Kieferhöhle, Tumor Gaumen, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Hirntumor, Tumor hinter dem Auge, Aderhautmelanom, Tumor Haarfolikel, Ziliakörpermelanom (Auge), Diverse weitere, spezielle Hauttumorarten, Noduläre Melanome, weisse Hautkrebse, Fibrosarkome, Blasenkrebs, Knochenkrebs, Hepatitis (2x), Tumor in Niere. Tumor Oberarm (war ein gutartiger Tumor, ein Pseudosarkom)
Wenn ich so überlege fehlt eigentlich nur die Lunge, dann hätte ich alles durch.
2017 war ich wegen Hirntumor / Hepatitisverdacht bei einem Internisten. Dieser verschrieb mir Opipramol, welches ich seitdem nehme. Leider nur unregelmäßig. Trotz der kleinen Dosierung haut mich das Medikament sehr raus, ich bin dann immer sehr müde.
Die Befürchtungen werden alle von diversen Selbstuntersuchungen, täglichen Vergleichsfotografien und Googlerecherchen begleitet. Ich lese wissenschaftliche Arbeiten, studiere Behandlungswege. Fotografiere am Tag teilweise hunderte Male meine Augen / Muttermale. Lege Verlaufsfotostrecken an. Das nimmt an schlimmen Tagen 1-2 Stunden pro Tag in Anspruch.
Die Befürchtungen brachten natürlich auch dutzende Arztbesuche und Untersuchungen mit sich. Ich hatte einen Knubbel am Nebenhoden ca 6mm gross. Ich war beim 15! Ärzten deshalb. Jeder hatte eine andere Diagnose, alle waren aber einig es sei harmlos. Irgendwann fand ich einen Arzt der aufgrund der daraus resultierenden psychischen Belastung einer OP zustimmte. Ich entschied mich für eine Hodenfreilegung und Biospie unter Teilnarkose (PDA).
Ein Fleck auf der Sklera im Auge machte mich auch sehr wahnsinnig, war bei mehr als 10 Ärzten und sogar in der Uniklinik weil ich einen Tumor befürchtete.
Weiter gab es 2 Darmspiegelungen, 2 Hepatitis Tests, Ultraschall, Blutuntersuchungen, 13 entfernte Muttermale, eine Gaumen OP, Arm OP, Ultraschall, MRT, Blutuntersuchungen. ich könnte stundenlang weiter machen.
Aktuell ist es wieder das Auge sowie die Angst vor einem Tumor im Hirn oder hinter dem Auge. Meine Pupillen sind unterschiedlich gross (Anisokorie), Druckgefühl hinter dem Auge, episodenweise laufe ich tagelang mit dem Gefühl des betrunkenseins rum (Benommenheitsschwindel, hatte ich auch 2017 schon mal für 2-3Monate).
Vor 2 Wochen war ich zum Schädel MRT. Alles ok, kein Tumor, auch nicht hinter dem Auge. Der Benommenheitsschwindel ist nach einigen Tagen HWS Übungen verschwunden, Überweisung zum Orthopäden. Die leicht unterschiedlichen Pupillen wohl angeboren. Auch auf alten Fotos scheinbar leicht zu erkennen.
Grund aufzuatmen? Nein. Ich sitze hier und sortiere Papiere. Ich stolpere über einen alten Arztbericht aus der Augenklinik zur Untersuchung auf einen Tumor im linken Auge. Ich lese den Bericht: Rechtes Auge (also nichtmals das Auge bei dem ich eine Krankheit befürchte) weist eine Pigmentablagerung auf dem Augenhintergrund auf. Der Bericht ist von 2016. 4 Jahre alt. Ich habe diese Stelle 4 Jahre nicht kontrollieren lassen. Vielleicht ist es ein Aderhautmelanom und ist in den 4 Jahren gewachsen. Ich bin wieder drin. Werde nächste Woche einen Augenarzttermin machen und bis zu dem Termin das schlimmste befürchte.
Bis dahin laufe ich wieder (wie fast immer) wie ein totgeweihter Zombie rum. Unfähig sein Glück, den Moment, die Kinder zu genießen. Aufgefressen von Sorgen.
Sollte der Arzt trotz meiner Befürchtungen- feststellen, dass es sich um kein Aderhautmelanom handelt werde ich innerhalb von 1-2 Tagen was neues finden. Ich halte immer 2-3 Dinge vor von denen jeweils das Prominenteste die Angst beherrscht. Unweigerlich kommt es dann zu einer Situation die mich triggert. Ein Post auf Instagram, ein Schicksalsschlag im Bekanntenkreis, ein Beitrag im TV.
Der Grund der Angst ist, dass ich so sehr an dem Leben hänge, bewirkt dass ich das Leben garnicht mehr leben kann.
Ich wünsche euch einen schönen Sonntag!
16.02.2020 09:56 • • 19.02.2020 x 5 #1