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J
Hallo Leute,

bei meiner Angststörung die sich primär auf die Angst vor der Angst bezieht, merke ich wie ich ständig in einem inneren Bewertungssystem bin.
Ständig beobachte ich mich selber (mittlerweile ziemlich automatisch/unterbewusst) und schaue wie sehr mein Angst-/Nervositätslevel ist.
Das führt dazu, dass ich morgen schon mit einer Erwartungsangst aufwache und checke ob ich unruhig werde oder meine Hände schwitzig werden.
Durch diese Erwartungsangst, rufe ich dann leider gerade diese Angst hervor und erkenne/bewerte das als Gefahr. Dadurch entstehen Symptome, die ich wieder als Gefahr bewerte und befinde mich dadurch in dem klassischen Angst-Teufelskreis. Leider leider fällt es mir sehr schwer aus diesem Kreislauf dann wieder rauszukommen und zur inneren Ruhe zu finden, so dass ich mich meistens tagsüber in einer ständigen Anspannung befinde. Gelingt es mir durch gezielte Entspannung (wie z.B. ein Bad nehmen) oder Medikamente die mich runterfahren, weniger Symptome zu verspühren, dann denkt mein inneres Bewertungssystem okay, gerade keine Symptome (wie z.B. Schwitzen) und ich komme tiefer zur Ruhe.

Ich weiß nicht was ich dagegen machen kann. Mein Therapeut hat mit mir versucht eine Konfrontationstherapie zu machen (durch Sport), das hat aber leider nicht funktioniert (hab in dem Moment keine Angst verspührt).

Auslöser für die ganze Problematik waren Panikattacken vor einigen Jahren, die bei bestimmten Schmerzen entstanden sind. Zum Glück hab ich keine Panikattacken mehr, aber die Angst vor der Angst und die ständige Anspannung ist leider geblieben und hat eine Eigendynamik entwickelt, vermutlich weil mein Körper nach wie vor gespeichert hat wie schlecht es mir mit den Panikattacken ging und davor unterbewusst noch Angst hat.

Kennt das jemand oder hat eine ähnliche Problematik/Geschichte?

Wenn ja, was macht ihr dagegen?

Danke!

17.06.2022 14:39 • 17.06.2022 x 1 #1


5 Antworten ↓


rednaxela
Zitat von joe899:
Wenn ja, was macht ihr dagegen?

Die Frage ist ja, was DU dagegen unternimmst.
Von einem Bad bin ich nicht tiefenentspannt.
Da gehört schon mehr dazu.

Allgemein gibt es einiges, was man selbst tun kann.
- Meditation
- PMR
- Ausdauersport wie zB joggen
- Yoga
- lange Spaziergänge
- für ausreichend und gesunden Schlaf sorgen. Das beginnt dann bei Was esse ich, damit es mir nicht schwer im Magen liegt über Welche Abendroutine lege ich mir zu, damit ich entspannt und gut schlafe bis zu wie gestalte ich meine Umgebung, damit ich guten Schlaf finde

Und persönliche Sachen. Mich entspannt zB Gartenarbeit ungemein. Abends das Handy weglegen und ein Buch lesen. Malen nach Zahlen. Mich mit der Katze auf die Couch lümmeln. Aber mir haben in akuten Situationen vor allem das Joggen und die Meditation sehr geholfen, runter zu kommen.

17.06.2022 14:47 • x 2 #2


A


Symptome schlecht, keine Symptome gut? Angst vor der Angst

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Kruemel_68
@joe899 Ich würde an Deiner Stelle daran arbeiten, das komplette vegetative Nervensystem zu entspannen und runterzufahren. Ich erlerne in meiner Körperpsychotherapie Achtsamkeits-, Wahrnehmungs- und Atemübungen, die ich immer weiter verfeinere und damit immer mehr Ruhe ins System bringe. Gerade Atemübungen können Wunder wirken. Achtsamkeit kann in dem Fall auch sehr hilfreich sein, indem ich lerne, meine Gedanken wahrzunehmen, sie aber nicht zu bewerten.

Ich muss allerdings auch dazu sagen, dass das ein langer, steiniger Weg ist, bei dem man einen langen Atem braucht. Diese Dinge müssen regelmäßig (möglichst täglich) geübt werden. Wenn ich nur alle Nase lange mal ein bisschen atme, funktioniert das natürlich nicht

Ich finde es wichtig, dass man dadurch aktiv Tools entwickelt, um sich einzufangen und runterzufahren - im Gegensatz zu passiven Methoden (wie z.B. Medikamente oder sich von jemand anderen eine Mass. geben zu lassen). Es ist immer besser, der aktive Gestalter seines Weges zu sein.

17.06.2022 14:53 • x 1 #3


J
Danke für Eure Antworten.
Ja es ist sehr individuell was einen entspannt. Mir hilft ein warmes Bad meistens recht gut, Sport hingegen hilft mir eher weniger, hab das Gefühl, ich bin mehr gestresst, davon wie davor.

Meditation finde ich an sich gut, das Problem ist nur, dass ich etwas verwirrt über die Techniken bin. Zum Beispiel sagt der Meditationstrainer (in meiner App), dass ich mich auf den Atem konzentrieren soll und sobald ich bemerke, dass meine Gedanke oder Gefühle abgeschweift sind, dass ich diese benenne, als z.B: Okay, Gedanke, negativ, Okay, Gefühl, neutral und dann zurück zur Atmung komme. Aber sollte ich in der Meditation nicht gerade Gefühle und Gedanken immer als neutral bewerten? Aber vielleicht geht das auch gar nicht, weil man automatisch immer irgendwie bewertet und so seine Gedanken und Gefühle dadurch beobachtet und dann hoffentlich weiterziehen lässt. Versteht ihr was ich meine? Wie meditiert ihr?

@Kruemel_68 wie läuft so eine Körperpsychotherapie ab? Sind das Heilpraktiker oder Psychologen, die das machen? Ich glaube solche eine Therapie wäre auch das Richtige für mich...

Mein Verhaltenstherapeut, ist halt der Meinung, dass ich mich meinen Ängsten stellen soll und diese durchleben soll (durch Exposition), was aber wie gesagt nicht geklappt hat, weil ich keine Panikattacken mehr bekomme, sondern nur inneren Stress.

17.06.2022 15:16 • #4


rednaxela
Zitat von joe899:
Wie meditiert ihr?

Ich schmeiß ein Youtubevideo von Madi Morisson an.
Die Stimme finde ich sehr beruhigend und nicht zu aufdringlich.

17.06.2022 15:29 • #5


Kruemel_68
Zitat von joe899:
Wie meditiert ihr?

Ich meditiere nicht im eigentlichen Sinne, sondern mache Atem- und Wahrnehmungsübungen. Ich versuch mal, das aufzuschreiben:

Ich setze mich aufs Sofa und kuschel mich unter meine Kuscheldecke (ich kann das am Besten im Sitzen). Dann versuche ich, mir ein ´Wohlfühlgefühl zu vergegenwärtigen (das braucht Übung). Bei mir ist es so, dass es dann irgendwie im Körper brummt, deshalb nenne ich es mein Brummgefühl. Dann lege ich eine Hand auf mein Herz und eine auf meinen Bauch. Ich steuere dann bewusst meinen Atem und atme gleich lang ein und aus, wobei ich darauf achte, dass sich Brust und Bauch ungefähr gleich weit vorwölben. Wenn ich im Atemrythmus drin bin, stelle ich mir bei jedem Einatmen vor, dass der Atem mein Herz umfließt und streichelt. Beim Ausatmen ebenso. Zwischen den Atemzügen vergegenwärtige ich mir das Brummgefühl. Wenn ich merke, dass die Gedanken abschweifen, sage ich mir Das ist jetzt nicht dran, geh mal zurück zu Deinem Atem. Nach ein paar Minuten bin ich dann fokussiert, der Geist ist zur Ruhe gekommen, Puls, Herzschlag und Atem gleichen sich an und werden ganz ruhig. Zum Schluss genieße ich noch ein paar Minuten die Ruhe in meinen Gedanken und tauche dann ganz langsam wieder aus der Übung auf. Das Ganze nennt sich auch Kohärente Herzatmung).


Zitat von joe899:
wie läuft so eine Körperpsychotherapie ab? Sind das Heilpraktiker oder Psychologen, die das machen? Ich glaube solche eine Therapie wäre auch das Richtige für mich...

Generell ist es so, dass eine Körperpsychotherapie nicht von den Gesetzlichen KK übernommen werden, Du musst es selbst zahlen. Manchmal gibt es auch kassenzugelassene Therapeuten, die eine Zusatzausbildung darin haben, die können dann natürlich über die Kasse abrechnen. Ergo bieten diese Therapieform i.d.R. nur Heilpraktiker für Psychotherapie an. Das ist ein weites Feld und und da tummeln sich auch einige schwarze Schafe.

Es ist daher wichtig, am Anfang genau nachzufragen, welche Ausbildung und welche Berufserfahrung der Therapeut hat. Es gibt auch die Deutsche Gesellschaft für Körperpsychotherapie, die hat einige Therapeuten auf Ihrer Seite, da kann man nach PLZ suchen. Ansonsten: Bauchgefühl einschalten und ausprobieren.

Ich kam damals bei meiner Verhaltenstherapie nicht weiter, und die Therapeutin hat mir meinen jetzigen Therapeuten empfohlen. Sie hatte mit ihm in einer BfA-Rehaklinik zusammengearbeitet. Er hat insgesamt über 10 Jahre in verschiedenen Kliniken gearbeitet - daher war mein Vertrauen von Anfang an ziemlich groß.

Generell läuft eine Körperpsychotherapie nicht viel anders ab als andere Therapien - es gibt viele Gesprächsanteile, es gibt tiefenpsychologische Anteile, es gibt verhaltenstherapeutische Anteile. Zusätzlich wird aber immer der Aspekt der Wahrnehmung, des Atmens und der Achtsamkeit mit dazu genommen. Es wird also nicht nur z.B. über eine Situation gesprochen, sondern der Therapeut hakt immer wieder über den Körper ein (Wie fühlt sich das jetzt an? Wo fühlen sie das?). In manchen Stunden machen wir nur Körperarbeit - z.B. beim Erlernen der kohärenten Herzatmung, wie ich sie oben beschrieben habe. Das Üben wir dann zusammen. Man darf in dieser Therapieform keine Scheu vor Berührungen haben - der Therapeut muss einen öfter mal berühren, um bestimmte Dinge zu verdeutlichen, z.B. wo man hin atmen soll.

Mein Therapeut hat zusätzlich noch jahrelang Kampfsport gemacht, und er lässt einige (theoretische) Grundlagen aus dem Kung-Fu mit einfließen (z.B. wie ich meine Stand-Punkt im eigentlichen und übertragenen Sinne halten kann). Letztens waren wir im Chi Gong unterwegs, da ging es darum, das Chi (die Lebensenergie) zwischen den Handflächen zu spüren und wie zu einem kleinen Energieball zu formen (die Übung hat mich aus den Latschen gehauen, ich war hinterher so energiegeladen, dass ich am liebsten Bäume gefällt hätte).

Durch die Arbeit mit dem Körper habe ich wieder Kontakt zu mir selber bekommen und kann mich wieder spüren. Dadurch ist auch der Umgang mit Emotionen wieder möglich. Und ich habe dadurch gelernt, meinem Körper wieder zu vertrauen und ihn nicht mehr als Maschine und Feind anzusehen. Er weiß viel besser als der Verstand, was er tut. Leider wird er zu oft durch den Verstand gedeckelt. Ich habe Techniken gelernt, um mein vegetatives Nervensystem zu beruhigen und dadurch die Grundlage geschaffen, dass ich mich dann mit den eigentlichen Therapiethemen beschäftigen kann.

Uff, langer Text... ich denke, dass war es erst mal. Wenn Du noch Fragen hast - immer her damit.

17.06.2022 16:14 • x 1 #6






Dr. Christina Wiesemann