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Hallo,
2001 in meiner Ausbildung zum Bauzeichner (arbeiten am PC) gings los: Während einer Mittagspause in einem 5-köpfigen Raum konnte ich meine Armbewegung vom Joghurt zum Mund nicht mehr vollenden. Mein Arm war total verkrampft (vielleicht nur vom ständigen Klicken mit der PC-Maus, vielleicht aber aus Angst ans Telefon drangehen zu müssen und nicht wissen was ich antworten soll). Bin dann zum Chef gegangen, hab’ ihm die Lage erklärt und bin nach Hause gegangen. Seitdem hatte ich mehr oder weniger Angst, vor anderen Leuten zu trinken und zu essen (rechter Arm immer verkrampft und/oder zittrig). In der schlimmsten Phase ging es (vielleicht 1-2 Wochen lang) sogar so weit, dass ich beim Mittagessen mit meinen ELTERN in gewohnter Umgabung zu Hause Probleme hatte. Das hat mich ziemlich fertig gemacht, da ich den Auslösegrund nicht kannte. Ich habe mir dann ausgemalt, ich könne nie wieder in der Zukunft ohne Essensprobleme leben. Die Ausbildung habe ich übrigens abgebrochen.

Danach habe ich dann Zivildienst in einem Büro geleistet. Ich bin mit dem anderen Zivi in die FH-Mensa gegangen und ich hatte dort das Problem beim Essen, dass ich mehr oder weniger nur Sachen essen konnte, die möglichst fest waren. d.h. Fleisch, Pommes etc., keine „leichten“ Sachen wie Reis, Nudeln, Gemüse. Bei Essen wie Reis habe ich immer kleinere Happen auf die Gabel geladen. Sobald der „Essenspartner“ selbst fertig war, wurde es mir schnell unwohl und habe den Rest Essen (egal ob Fleisch oder was „Schwieriges“) liegengelassen und vorgetäuscht, ich sei satt. Prinzipiell hatte ich immer Probleme, wenn ich mit bekannten Personen wie Arbeitskollegen, meinen Halbschwestern zusammen an einem Tisch saß. Aber z.B. in der Mensa mit fremden Menschen hatte ich gar keine Probleme, außer es saß jemand mir gegenüber. Da war ich dann auch wieder verkrampfter.

2001 oder 02 bin ich zum Psychiater geschickt worden, der meinte, ich hätte eine Soziale Phobie und der mir Amineurin verschrieben hat. Das Zeugs war gut, ich konnte fast problemlos wieder essen und trinken. Trinken ist bis heute wieder überall in jeder Situation möglich.

In meiner (abgeschlossenen) Ausbildung zum Großhandelskaufmann bekam ich wieder mehr Probleme. Habe mich zum Mittagessen in einen freien Raum zurückgezogen. Dort habe ich gelernt, die Telfonangst zu überwinden und wurde sicherer. Im Anschluss war ich 2004 kurz arbeitslos. Von 2004-2005 hatte ich 1 Jahr lang Kopfschmerzen (jeden Tag). Es ging von heute auf morgen wieder weg.

2005/06 habe ich Psychotherapie gemacht. Da ich zu dieser Zeit Amineurin genommen habe, hatte ich praktisch keine Probleme. Der Therapeuten hat mit mir darüber gesprochen, wie ich Freunde und eine Freundin bekommen könnte. Seine Ansichten waren allerdings so extrem, dass ich mich mit ihm zeitweise gestritten habe. Dabei kam allerdings mein Selbstbewusstsein zu Tage

Von 2004 bis 2008 war ich (anfangs stundenweise, später ganztägig) wieder dort, wo ich meinen Zivildienst gemacht hatte. Für mich war das eigentlich nur eine Notlösung, ich habe fast immer nach einer anderen Stelle gesucht. Beim gemeinsamen Essen mit ca. 8 (älteren) Frauen ging es dort so einigermaßen. Feste Sachen gingen, aber Reis, Suppen etc. habe ich da gehasst!
Als mir 2008 angeboten wurde, 8 Std. pro Tag dort zu arbeiten, bin ich schnell krank geworden: Augenflimmern, Bindehautentzündung, Nasennebenhöhlenentzündung. Später habe ich mich dazu entschieden, Elektrotechnik zu studieren.

Was im Studium und danach passierte, dazu komme ich noch im II. Teil.

Angst vor Menschen habe ich eigentlich keine. Bis 2005 habe ich es z.B. geschafft, 2 verschiedene fremde Frauen in meinem Alter anzusprechen, die mir allerdings einen Korb gegeben haben, da sie schon einen Freund hatten. In öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn macht mir die soziale Umgebung überhaupt nichts aus.

Was meint ihr dazu? Hatte ich damals eine S.P. oder was könnte der Auslöser für das Essensproblem sein?

Grüße

13.11.2014 15:16 • 14.11.2014 #1


3 Antworten ↓


S
Hallo,
Ende 2008 habe ich noch ein Praktikum in einem größeren Unternhemen gemacht, in der Abteilung, die die PCs reparieren, installieren etc. Dort waren verständlicherweise nicht Frauen, sondern nur Herren, mit denen ich zu tun hatte. Dort habe ich mich sofort wohl gefühlt. In der Kantine habe ich mit den anderen zusammen gegessen. Ich habe mich mehr zum Rand hin gesetzt und konnte in diesen 8 Wochen einigermaßen verkrampft-frei essen.

Als ich dann mein Studium in Elektrotechnik begann, bin ich glücklicherweise am 2. Tag in eine 3er-Clique (mich inkl.) reingeraten. Als die Vorlesungen begannen, hatte ich Zeit mich mit gleichaltrigen zu unterhalten und hatte im Gegensatz zu Schulzeiten ein viel besseres soziales Gefühl. Ich hatte mich damals sehr wohl gefühlt.

Aber nach 3 Wochen Vorlesungszeit bin ich dann krank geworden, kam in eine Klinik 4 Wochen lang mit der Diagnose Schizophrene Psychose. Die Psychose ist wohl entstanden, weil ich an der Hochschule gestresst war. Danach habe ich für mein Studium gelernt und bin nach weiteren 4 Wochen wieder in die Psychiatrie eingewiesen worden, da die letzte Diagnose Serotonin-Mangel sich als falsch erwiesen hatte und ich keine Medikamente mehr nehmen sollte. Ich war 8 Wochen in der gleichen Klinik. Während meiner Aufenthalte habe ich mich mit insgesamt 4 Frauen unterhalten bzw. war an ihnen interessiert. Haus-Wechsel innerhalb dieser Klinik sowie das Examen einer Azubine hielten mich zurück, ernstere Schritte wie das Austauschen der Telefonnr. oder dem Ausmachen eines Cafébesuches zu machen. Anschließend war ich noch 3 Wochen in einer Tagesklinik (PS: dort habe ich eine Frau, die MEINE Telfonnr. haben wollte, abblitzen lassen - Selbstbewusstsein lässt grüßen!), bevor ich direkt danach mein Studium erneut anpacken wollte. Ich war auf dem Standpunkt, dass ich nun besser durch Mathematik-Nachhilfe vorbereitet war als anfangs und ich keine weiteren Krankheitssymptome mehr hatte. Olanzapin und Citalopram nahm ich zu dieser Zeit ein.

Ich kam für ein knappes Semester gut zurecht (außer in Physik und gegen Ende Grundlagen der Elektrotechnik=GET). Das Problem war, dass ich an einem Wochentag mittags Pause und nachmittags nochmals für 2 Unterrichtsstd. GET hatte, wo sehr viele (40-60) Personen dran teilnahmen. Es ging schon beim Warten im Flur los, dass ich ein Unwohlsein-Gefühl bekam. Es kam ein paar mal vor, dass ich spätestens nach 15 min. in diesem vollen Raum meine Sachen gepackt habe und heim gegangen bin. Zu diesem Zeitpunkt hat mir mein Psychiater Lorazepam bei Bedarf verordnet, welches dort allerdings nichts half. Es handelt sich um Panikattacken oder ähnlichem. Die Panikattacken haben ab dem zu Hause-Ankommen 1 bis 4 Std. gedauert. Ich habe irgendwann teilweise aufgegeben, indem ich in Fächern wo es nachmittags Probleme gab, nicht mehr besucht habe. Kurz vor den Prüfungen habe ich endgültig Schluss mit dem Studium gemacht.

In den folgenden 1,5 Jahren habe ich weiterhin zu Hause bei meinen Eltern gewohnt und beruflich erst mal gar nichts gemacht. Ich bin meinen (seltenen) Hobby nachgegangen.

2011 habe ich eine Diagnose der Arbeitsmarktfähigkeit gemacht und wir Beteiligten haben festgestellt, dass es am besten für mich wäre, in eine Werkstatt für behinderte Menschen zu gehen.

Gesagt, getan. Noch im gleichen Jahr begann ich dort mit zunächst 5 Stunden täglich, später 4 Std. Nach einem Gruppenwechsel hatte ich zeitweise fast täglich (!) Panikattacken und musste nach 2-3 Std. Arbeitszeit mich heim schicken lassen. Ein weiteres Jahr später hat mir mein Psychiater Venlafaxin statt Citalopram verschrieben, welches eine deutliche Besserung der Panikattacken zeigte.

Seitdem ich das Studium abgebrochen hatte, habe ich nie wieder irgendwelche Symptome gezeigt, die auf eine Psychose zurückzuführen sind, bis auf die Panikattacken natürlich. Meine Panikattacken entstehen meist durch zuviel Unruhe (laut oder viel Bewegung der Dinge um mich herum) oder andere Auslöser, bei denen das Gehirn mit vielen Dingen gleichzeitig konfrontiert wird. Was hilft bei Panikattacken? Zu Hause hinlegen, wo ich weder Hören noch Sehen muss. Mittlerweile dauern diese Attacken oft nur eine halbe Stunde in heimischen Gefilden. Auf der Arbeit kommt es fast nicht mehr vor, dass ich früher heim muss.

Seit ein paar Wochen haben wir eine Neue in unserer Gruppe, die zumindest vom Unterhalten her auch an mir interessiert war. Sie hat mich gefragt, ob ich eine eigene Wohnung hätte. Dass ich noch bei meinen Eltern wohne und nächstes Jahr ausziehen will, habe ich ihr gesagt. Seit kurzem ist sie eher verschlossen und ich weiß nicht, ob ich sie auf ein Date einladen bzw. ihre Telefonnummer geben lassen soll oder sie erst mal in Ruhe kennenlernen sollte.

Warum ich hier immer wieder von Frauen schreibe:
Als Sozial-Phobiker hat man ja eher Ansprechängste und insbesondere beim anderen Geschlecht. Ich nenne hier ausschließlich Frauen, die etwas jünger sind als ich. Prinzipiell möchte ich eine Freundin haben, allerdings weiß ich nicht, was ich mit ihr machen sollte: Kino, Filme länger als 45 Minuten, aktive Unterhaltungen länger als 1 Stunde und viele nachmittäglichen Unternehmungen sind einfach wegen der Panikattacken nicht drin. Meine Mutter meint, es wäre besser ohne eine Freundin für mich.

Wenn ich mich „zuviel“ mit einer Frau unterhalte oder eher persönliche Fragen stelle, verkrampft sich oft mein Nacken und mein Kopf. Wenn ich bspw. eine Attacke habe und auf dem Nachhauseweg bin, können sich diese später noch verstärken (d.h. im Bett liege ich länger bis es besser wird), wenn ich Paare, Kleinkinder/Babys oder Frauen (die mir gefallen) sehe.

Ich meine, mit Freundin wäre es schon besser, da man dann z.B. jemanden hat, mit dem man über alles reden kann. Allerdings habe ich Angst vor einer engeren Beziehung, da ich keine Erfahrungen damit habe.

Wie soll ich nun weiter vorgehen?!

Grüße

13.11.2014 18:47 • #2


A


Soziale Phobie(?) und Psychose - Teil I

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S
Ich möchte noch was ergänzen:
In der Tagesklinik 2009 hat mir der Psychologe gesagt, ich hätte keine Soziale Phobie, da man ganz normal mit mir reden könnte.

Wie ich eben auf dieser Homepage gelesen habe, trifft eigentlich KEIN SYMPTOM zu meinen Panikattacken. Ich schwitze, zittere nicht und habe auch kein Kopfweh oder Atemnot.

Lasst es mich so beschreiben:
Irgendwann bringt irgendeine Unruhe oder etwas Außergewöhnliches (oder Seltenes) das Fass zum überlaufen. Eine Reizüberflutung, meiner Meinung nach. Ich fühle mich unwohl und kann mich (überwiegend auf der Arbeit) nicht mehr konzentrieren. Ist dieser Status einmal ein paar Momente erreicht, bekomme ich Angstgedanken, z.B. hoffentlich ist dieser fremde Mann dort drüben kein Terrorist oder Hoffentlich spricht mich keiner länger an (da ich so neben mir stehe, nicht mehr so klar denken und antworten kann). Es würde mir einfach zuviel werden.

Vielleicht hat einer von euch ähnliches durchlebt? Wahrscheinlich kommt die Angst von der Psychose-Erkrankung.

14.11.2014 16:53 • #3


Schlaflose
Zitat von stef 81s:
In der Tagesklinik 2009 hat mir der Psychologe gesagt, ich hätte keine Soziale Phobie, da man ganz normal mit mir reden könnte.


Was ist das denn für eine unsinnige Behauptung? Mit mir kann man auch ganz normal reden und ich habe eine soziale Phobie. Ich kann nicht vor Publikum oder in größerer Gesellschaft reden, aber mit Einzelpersonen habe ich kein Problem damit, wenn ich angesprochen werde. Was mir sehr schwer fällt ist auf Leute zuzugehen und mit Fremden Smalltalk zu halten.

14.11.2014 18:37 • #4





Dr. Reinhard Pichler