Pfeil rechts
19

J
Hallo zusammen,

da ich ebenfalls seit ca. 2 Jahren mit Panikattacken zu tun habe, gebe ich nun auch mal meinen Senf zu diesem Thema dazu.
Ich hatte meine erste PA im alter von 17, was ich aber damals nicht deuten konnte. Diese wiederholte sich danach nochmal einen Tag später, kam aber nie
wieder, bis ich dann 21 wurde. Ich hatte viel getrunken an dem Abend, auch sonst war ich dem Alk. ziemlich verfallen. Hatte gerade eine Abfuhr von einer
Frau bekommen, mein neuer Job nach dem Abitur war nicht dass was ich mir erhofft hatte. Bin nachts aufgewacht, mir war schwindelig, ich hatte einen etwas
erhöhten Puls. Und DA begann mein eigentlicher Leidensweg, denn statt mir zu sagen Du bist halt betrunken, das wird wieder, so wie sonst auch immer
erinnerte ich mich an meinen Chef, der vor einigen Wochen einen Herzinfarkt erlitten hatte. Mit meinem Laienhaften Wissen über das menschliche Herz wusste
ich natürlich nicht, dass sich vor einem Herzinfarkt diverse Vorsymptome einstellen, ich dachte einfach nur das ist bestimmt auch ein Herzinfarkt.
DIESE STELLE muss man sich besonders merken, denn hier beginnt die Sorte Mensch, zu der wir gehören, Gedanken zu spinnen, die nicht im Entferntesten der
Realität entsprechen. Herzinfarkt mit 22? Von einer halben Flasche Wein am Vorabend? Obwohl man 3 mal die Woche sport macht, kein Übergewicht hat und
Nichtraucher ist? Und fast jeden Abend 2-3 Gläser Wein trinkt, und das seit 2 Jahren? Aber nein, Menschen wie wir sagen uns Das ist das Ende, wir müssen
sterben!. Und da habe ich den entscheidenden Fehler gemacht, und habe mich in das Krankenhaus begeben. EKG, Röntgen, Bluttests, 2 Tage Stationäre Aufnahme
mit Verdacht auf Herzinfarkt. Ich bin mir sicher, hätte ich damals gewusst was ich heute weiß, ich wäre einfach wieder eingeschlafen.
Nun ist es ja so, dass man nach so einem Erlebnis, dass sich fest im Kopf verankert hat, beginnt, sich mit Krankheiten im Allgemeinen auseinanderzusetzen,
besonders wenn man wie ich in einem großen Krankenhaus tätig ist und Menschen mit Krankheiten aller Art jeden Tag sieht. Herzkranke, Krebskranke, Psychisch
Kranke.. Die Liste kann man ewig fortführen. Ein weiter Grund dass ich begann, mir Krankheiten einzureden. Herzkrankheiten waren an oberster Stelle, dicht
gefolgt von Gehirntumoren und drohenden Schlaganfällen.

STOP!

Wieso gerade diese Krankheiten? Wieso nicht Angst vor einem Beinbruch? Oder vor einer Grippe? Es ist NICHT in erster Linie die Schwere der Krankheit, es ist
viel mehr die Tatsache, dass man NICHTS gegen meine vorher genannten Krankheiten tun kann!! Das ist doch das Problem! Überlegt mal, was ist denn wenn ihr
einen schweren Schlaganfall bekommt und umkippt? Oder einen Herzinfarkt, der unmittelbar zum Tode führt? Ein gebrochenes Bein tut mit Sicherheit länger weh,
denn nach einem Herzinfarkt kippt man um und ist tot. Man muss sich keine Sorgen um Schmerzen oder langwierige Behandlungen machen, man ist tot. Darauf
läufts doch hinaus. Wenn ein Herzinfarkt NIE zum Tod sondern nur sagen wir mal zu einer stationären Behandlung führen würde, KEINER VON UNS HÄTTE SO GROßE
ANGST DAVOR und wir würden den Herzinfarkt von unserer Liste der am meißten gefürchtetsten Krankheiten streichen.
Dass ich in den nächsten 6 Monaten nach etlichen Panikattacken in Flugzeugen, in entfernten Städten und auf der Arbeit eine Agoraphobie entwickelt hatte,
dürfte hier wohl keinen mehr wundern. Trotzdem machte ich meine Arbeit weiter und das kriegte ich nach einer gewissen Zeit wieder vernünftig auf die Reihe.
Meine Odyssee der Krankheiten ging weiter. Ich hatte, nach etlichen Untersuchungen schwarz auf weiß, dass ich weder eine Herzkrankheit, noch eine andere
Physische Krankheit hatte. Dann kam ein neues Problem hinzu, die Angst vor Krankheiten, die DAMALS MEINER MEINUNG NACH nicht mit Sicherheit ausgeschlossen
werden konnten. Meine neue Angstkrankheit hieß
SCHIZOPHRENIE
Monatelang diese Angst, verrückt zu werden, die Kontrolle zu verlieren, durchzudrehen, mein Leben nicht mehr in den Griff zu bekommen. Jedes Geräusch musste
ich überprüfen. Klingelt das Telefon? Oder bin ich schon verrückt und ich bilde es mir nur ein? An nichts anderes konnte ich mehr denken.
Na, fällt euch was auf? Der letzte Satz? Plötzlich hatte ich keine Angst mehr vor Herzkrankheiten, Tumoren, Schlaganfällen. Und das Wichtigste: Ich verlor
zwischenzeitlich etwas die Angst vor Panikattacken, weil ich so sehr mit Geisteskrankheiten befasst war, dass ich plötzlich 1200 km weit fliegen konnte. Was
also war geschehen?
Ich hatte meine Angst vor Krankheiten, die UNMITTELBAR zum Tode führen, verloren. Dafür aber hatte ich Angst, verrückt zu werden. Da ich aber wusste, dass
man nicht innerhalb kurzer Zeit den Verstand verlieren kann, ging ich das Risiko ein, auch mal weiter wegzufahren/fliegen, wenn auch nicht alleine. Mitte
letzten Jahres war es dann der Nahe Osten, Paris, diverse Städte in Deutschland. Natürlich bekam ich trotzdem PAs, aber nur noch seehr selten.
Nun hatte ich meinen alten Aktionsradius wieder, aber trotzdem hatte ich immer wieder diese Ängste. Alleine in meiner Wohnung, wenn meine Mutter wieder mal
im Ausland war. Was ist, wenn was passiert? Was ist, wenn ich in der Wohnung umkippe? Sowas kam immer wieder. Aber sobald meine Mutter wieder da war, ging
das sofort weg. Sie wohnt zwar einige Kilometer weit weg, aber diese Sicherheit, dass man ja bei einem Notfall immernoch jemanden hätte, ließ meine Angst auf
ein Minimum schwinden. Nun ging ich, nach fast 2 Jahren Leidensweg, endlich zu einem Psychotherapeuten. Ixh schilderte ihm meine Angst vor Schizophrenie und
erzählte ihm meine Geschichte. Was mich anfangs wunderte, aber im Nachhinein aber auch sehr aufbaute, war dass er auf meine Angst vor Schizophrenie einfach
sagte Ich brauche Sie nicht auf diese Krankheit zu untersuchen. Die haben Sie nicht, sowas merkt man nach einem längeren Gespräch. Ich war erleichtert.
Ach ja, Ich hatte bis dahin, ca. 1,5 Jahre, eine Medikament genommen, Insidon, 2 Tabletten am Tag, die mir aber nicht viel brachten. Hatte es
zwischenzeitlich abgesetzt (für 3 Monate) und wieder genommen, merkte aber keine Verbesserung. Nach diesem Termin setzte ich sie endgültig ab, und es war die
Beste entscheidung die ich gemacht hatte. Medikamente sind in meinen Augen Gefühlsunterdrücker. Die Gedanken sind dieselben, nur die Gefühle sind abgeflacht.
Vielleicht mögen Sie dem einen oder anderen geholfen haben, aber bei mir haben Sie nur die Probleme verdrängt, und das eigentlich mit sehr geringem Erfolg.
Nun machte ich ein Resümee:
Ich bildete mir also Herzkrankheiten ein, die ich nicht hatte.
Ich bildete mir also drohende Schlaganfälle ein, die ich nicht hatte.
Ich bildete mir also Tumore ein, die ich nicht hatte.
Ich bildete mir also Geisteskrankheiten ein, die ich nicht hatte.
Nun war ich also der GESUNDESTE MENSCH auf der Welt. Ich konnte überall hinfliegen, fahren oder gehen. Aber nun kommen wir zu dem Problem, dass alle von euch
sicher auch kennen, sozusagen den KERN unserer Krankheit der Agoraphobie/Hypochondrie etc, den Grund, wieso bei vielen Konfrontationsübungen nicht den
gewünschten Erfolg bringen.
WER GARANTIERT MIR DENN, DASS ES MORGEN AUCH SO IST?
Ich kann mich heute also in ein Flugzeug setzen, kriege Angst, evtl. eine PA an Bord bei 6 Stunden Flug und lande dann. Ich lebe, alles ist okay, ich bin nicht tot, nicht verrükt. Aber wie ist es wenn ich morgen zurückfliege? Vielleicht werde ich dann ja sterben? Heute kann ich an der Aldi Kasse anstehen, wenn
ich auch Angst habe umzukippen. Aber wer garantiert mir, dass es morgen auch so ist?
Und nun kommt die Antwort, die keiner hören will von uns. Wir weichen diese Antwort aus mit lächerlichen Meidungstaktiken, mit vermeintlichen Sicherheiten
oder mir Pillen im Portmonnaie:
KEINER GARANTIERT UNS DAS. JAAAA! Vielleicht stehen wir morgen mal wieder beim Einkaufen an der Kasse, haben Angst umzukippen und bekommen eine PA. Und ja,
vielleicht kippen wir auch um, weil wir gerade dann einen Hirninfarkt bekommen. Oder wir drehen im Stau durch, statt wie immer mit schweißnassen Händen am
Lenkrad zitternd die nächste Ausfahrt zu erwarten. Vielleicht drehen wir durch, steigen aus und fangen an zu schreien. Oder wir fahren in eine fremde Stadt und kippen inmitten des Marktplatzes um, weil wir einen Herzanfall erleiden. Das alles KANN passieren. Ganz genau. Wir sind so sehr auf der Suche nach Sicherheiten, weil wir nicht glauben mit der Situation fertig zu werden. Zugegebenermaßen ist die Chance dass eines der Ereignisse eintritt, sehr gering.
ABer natürlich kann es passieren, genauso wie es passiert dass man morgens im World Trade Center seinen Kaffee genießt und plötzlich ein Flugzeug in das Gebäude stürzt. Oder dass man an der Kasse steht, Angst hat umzukippen und plötzlich von einem maskierten Unbekannten erschossen wird, der die Kasse plündern
will. Die Welt ist ein verrückter Ort und man weiß einfach nicht, was passieren wird. Vielleicht werde ich in 10 Jahren Schizophren, ja vielleicht bilde ich mir dann Dinge ein, oder ich habe einen Hirntumor und kann nicht mehr sprechen oder sehen. Vielleicht kommt es so. Und mit Sicherheit werden wir irgendwann sterben. Ob nun mit 80 an einem Herzanfall oder mit 30 bei einem Verkehrsunfall. Glaubt ihr denn wirklich, ihr könnt alles kontrollieren? Glaubt ihr Im Ernst, durch euer Vermeidungsverhalten etwas positives zu erreichen? Wer jetzt noch mit Ja antwortet, dem wird es schwer fallen meinen nächsten Satz zu
verinnerlichen, mir fiel es genausoschwer. MAN KANN NICHT ALLES KONTROLLIEREN. DAS GEHT NICHT.
ABER MAN KANN SICH SELBST KONTROLLIEREN.
Jeder von uns stand vor größeren Problemen in seinem Leben. Sei es ein guter Schulabschluss, Studium, die Suche nach dem Richtigen Partner, eine lange Reise unternehmen, jemanden aus einer Notsituation retten. Jeder von uns hat Dinge in seinem Leben gemacht, in denen er gefordert war, innerhalb kurzer Zeit wichtige Entscheidungen zu treffen. Und die meißten davon waren richtig. Nicht alle, aber die meißten. Wir handeln nach unseren Prinzipien, Träumen und
Wünschen und werden mit Problemen die uns bevordtehen, immer fertig. Der eine mehr, der andere weniger, aber JEDER hat die Chance, sein Leben zu gestalten
wie er es für richtig hält. Nun aus all diesen Resümees, die jeder von uns ziehen sollte, erkennt man einen Haufen Probleme, mit denen man im Laufe seines
Lebens fertig geworden ist. Denn oftmals sind Angstpatienten erfolgreiche, leistungsorientierte Menschen, die einfach zur Zeit der ersten Panikattacken etwas
überfordert sind. Wir haben seit Jahren Angst vor Weiten Reisen, Krankheiten, Angst vor der Angst, aber trotzdem leben wir, gehen arbeiten, stehen morgens auf, bringen die Kinder zur Schule. Wir können sehr wohl mit einer PA umgehen, ebenso könnten wir damit umgehen, in der Schlange ohnmächtig zu werden etc..
Und zu guter Letzt:
Der Tod gehört zum Leben dazu. Ja vielleicht sterben wir morgen. Vielleicht geht morgen die Welt unter. Aber was können wir dagegen tun? Gar nichts, wir müssen vertrauen und das Leben genießen, denn es kann morgen schon zu Ende sein. Vertrödelt nicht eure Zeit mit Was wäre wenn. Wenn es passiert, werdet ihr damit fertig, was auch immer kommt. Und wenn der Tod eintreten sollte, ist es doch sowieso egal. Das Leben ist zu kurz und vor allem viiiel zu schön, um sich
mit Negativen Gedanken zu beschäftigen. Akzeptiert. Vertraut. Lebt.

02.01.2009 00:22 • 05.02.2018 x 8 #1


21 Antworten ↓


C
Du siehst die Welt mit gesunden Augen, trotz der PAs, das ist selten. Sehr angenehm zu lesen.

02.01.2009 01:52 • #2


A


Man kann nicht alles kontrollieren.

x 3


C
Hi,
du hast schon Recht mit dem was du schreibst. Ich sehe das genauso. Das Problem ist nur dass mir dieses Wissen während einer Panikattacke nix nützt!
Ich habe eine Umfall-Angst. Besonders in Situationen in denen man nicht einfach flüchten könnte, z. B. beim an der Kasse anstehen oder bei längeren OP´s. Objektiv denk ich mir, hey, warum sollte ich umfallen? Blutdruck, Kreislauf ist ob, genug gegessen, getrunken, wieso sollte es denn passieren? Da ich bisher nie wirklich umgekippt bin steht die Chance das es wirklich mal passiert sehr gering. Das alles WEIß ich, trotzdem dreh ich jedes Mal am Rad und kann mich nicht gegen die Panik wehren.
Wenigstens weiß ich mittlerweile den Grund für die Panik (und diverse andere Probleme). Ungeschehen werd ich das wohl nie machen können, aber vielleicht für die Zukunft ändern
Liebe Grüße
Chiara

02.01.2009 13:35 • x 1 #3


J
Na gut, angenommen du bekommst eine Panikattacke an der Kasse und kippst um. NA UND? Was ist dann? Ohnmacht? Du würdest zu boden sinken, ein paar blaue Flecken abbekommen und kämst nach ein paar Sekunden wieder zu dir. Gleichzeitig aber hast du 20 Menschen um dich herum, die dir aufhelfen, dir Hilfe leisten. Wo liegt das Problem? Jeder hat mal Probleme mit dem Kreislauf, der eine mit 25, der Andere erst mit 80. Aber wie du schon sagst, die Wahrscheinlichkeit, dass dies eintritt, ist EXTREMST gering. Aber du würdest mit SICHERHEIT damit fertig werden, auch wenn du es nicht glaubst. Lass dich doch mal in einem Kaufhaus zu boden sinken, du wirst merken, wie viele Menschen dir helfen würden.

02.01.2009 14:04 • #4


ZZerRburRuSs
Hi

Wenn eine Panikattacke erstmal da ist kann man ja mit der ein oder anderen Strategie etwas gegen diese unternehmen.
Eigentlich sollte man aber viel Energie darauf verwenden das sie gar nicht erst auftritt.
Und das kann man gut zwischen den einzelnen Attacken erledigen

Wenn du schon den Grund für deine Panikattacken weisst ist das ne gute Sache.
Daran wirst du wohl tatsächlich nichts mehr ändern können .
Das ist aber auch gar nicht nötig!

Du kannst deine jetzige Art zu denken und zu handeln ändern .
Und das ist nötig um Angst und Panik wieder normal funktionieren zu lassen.

Da kann man sich prima bei helfen lassen

lg ZZ

02.01.2009 15:15 • #5


J
Das ist in meinen Augen SO nicht richtig. Wieso GEGEN etwas kämpfen, was zu einem gehört? Wieso gegen sich selber kämpfen? Eine Panikattacke ist ein Zustand extremer Gefühlsausbrüche. PAs kamen, bei mir zumindest, auch vor, wenn ich Wut oder Ärger empfand. Ich interpretierte diese Gefühle nur falsch und legte Sie als Angst ab. Schon kam die PA, und das schneller als mir lieb war. Ich konnte manchmal dagegen ankämpfen, manchmal aber auch nicht. Ich hatte hunderte Male gelesen, Angst soll man zulassen, es geht vorbei. Trotzdem saß ich mal 2 Stunden im Flugzeug und zitterte wie Espenlaub. Weil ich gegen mich selbst kämpfte. Die Angst ist ein beschützender Teil von uns, der mit der Zeit zu empfindlich geworden ist und nicht unser Feind!

02.01.2009 16:58 • x 2 #6


ZZerRburRuSs
Genauso sehe ich das auch @Josef.

Nicht kämpfen

Hab ich aber auch nichts von geschrieben .
Das ich gegen das , gegen die Angst kämpfen bin , sieht man leicht an meinen 2 oder 3 vorangegangenen Beiträgen .

Aber nichts dagegen zu unternehmen sie wieder einzunorden ist ja auch nicht hilfreich .

lg ZZ

02.01.2009 19:21 • #7


J
@ ZZerRburRuSs: Dann habe ich deinen Eintrag mißinterpretiert, sorry.

Aber ich denke eines is evtl aus meinen Beiträgen nicht so rübergekommen wie ich erhofft hatte.
Und zwar das Wichtigste überhaupt meiner Meinung nach. Panikattacken sind KEINE KRANKHEIT.
Es sind übersteigerte Gefühlsreaktionen auf katastrophisierende Gedankengänge und mehr nicht. Ich selbst kenne PAs nur zu gut, aber JEDER MENSCH hat im Laufe
seines Lebens PAs. Nur interpretiert unsere Sorte Mensch (Angstkranke) diese anders. Ich behaupte 90% aller Menschen bekämen eine PA wenn Sie in einem
Aufzug stecken bleiben. Aber wir bekommen auch eine, wenn wir im Aufzug sitzen und dieser normal fährt. Ich bin vor ca 3 Monaten auf den Düsseldorfer Fernsehturm gegangen. Erwartungsangst, Schwitzen, zittern. Ab in den Aufzug, 130m Fahrt aufwärts. Oben angekommen ging es mir gut. Ich war 20 Minuten oben,
kein einziges Zittern mehr. Nun wollte ich wieder runter, ging gelassen auf den Aufzug zu, stieg ein. Plötzlich altbekanntes; Herzrasen, Zittern; Was, wenn der Aufzug stecken bleibt? Was, wenn wir abstürzen? Ich befand mich also gedanklich schon im Horrorszenario, obwohl ich natürlich 2 Minuten später
unversehrt am Fuß des Turms ankam. Nun, wären wir stecken geblieben, hätte jeder von den Mitfahrenden eine PA bekommen, die nach 5-10 Minuten nachlässt, weil
man sich ja doch an die Enge im Fahrstuhl gewöhnt und ggf. über die Gegensprechanlage Hilfe zugesichert bekommt, oder man muntert sich gegenseitig auf.
Natürlich wäre es keine Lustige Kaffeerunde, aber keiner würde ausflippen oder um sich schlagen, WIR ANGSTKRANKEN AUCH NICHT!!
Was ist also der Unterschied? WIR machen uns im Vornherein Gedanken auf drohende Gefahren, weil wir glauben, IN der Situation nicht klar denken/handeln zu
können. Und das ist auch schon die Lösung des Problems. (Selbst)vertrauen. Wer von euch ist denn mal in der Warteschlange umgekippt? Wer hat im Flugzeug rumgeschrien und wild um sich geschlagen? NEIMAND! KEINER! Und DAS wird auch nicht passieren, glaubt mir. Ich habe es schon 100 mal erlebt! 2 Stunden Flugzeug, kurz vor dem Start Panik pur, den ganzen Flug über. Aber bin ich aufgestanden und ausgeflippt? Bin ich umgekippt? Nichts davon ist passiert. Wie
ich in meinem ersten Beitrag geschrieben habe, ist es natürlich möglich ohnmächtig zu werden oder mit 25 einen Herzinfarkt zu bekommen, ABER nicht auf Grund
von unserer Angst!
Ich hatte so oft Paikanfälle, aber irgendwann sagt man sich: Ich kann 300km Autobahn mit Panik oder Ohne fahren, es kommt auf das gleiche raus: Ich komme unversehrt an, weil ich MICH unter Kontrolle habe. Nicht die Staus, die anderen Autofahrer oder das Wetter, aber mich selbst! Mich hatte es gewundert, ich
hatte PAs in Paris, in Berlin, in München.. Und trotzdem bin ich immer unversehrt nach Hause gekommen. IMMER. Aber wieso hatte ich die PAs dann?
Weil ich mir nicht zutraute, wieder zurück nach hause zu kommen. Angststörungen sind IMMER eine Folge von mangelndem Selbstvertrauen, mit Situationen nicht
umgehen zu können, die nicht kontrollierbar sind. Immer. Fixiert euch also nicht auf die Angst, Sie zeigt nur fehlendes Selbstvertrauen auf. Wieso konnte ich
mit 20 noch 1200km Autobahnfahrt durch 3 verschiedene Länder auf mich nehmen und traute mich 2 Jahre später nicht mal mehr zum Bäcker um die Ecke? Weil ich
mein Selbstvertrauen durch das Meiden von Konflikten verlor, weil ich mich nicht traute, meine Meinung gegenüber Menschen zu äussern, die mir wichtig waren.
Weil ich stattdessen jeden Abend meinen Alk. brauchte, um mit der Welt und meiner mir selbst auferlegten Last fertig werden musste, erfolgreich und beliebt zu sein, koste es was es wolle. Weil ich meinen Wert und meine Person von der Beurteilung anderer Abhängig machte, statt meiner eigenen Meinung zu vertrauen. Ich war also nicht krank, ich hatte eben kein Selbstvertrauen mehr. Aber das merkt man nicht direkt, weil man sich zu viel mit der Angst befasst.
Man kann noch so viel Konfrontationstherapie machen.
Eine beliebte Frage die sich mir stellte war: Wenn ich morgen angstfrei wäre, was würde ich tun? Keine Agoraphobie mehr, keine PAs, keine Angst. Was würde
ich an meinem Leben ändern?
ICH WUSSTE ES NICHT.
Statt mich meinen oben erwähnten Problemen zu stellen, versteckte ich mich hinter Schlagworten wie Agoraphobie, Hypochondrie. Aber mein Problem löste ich nicht. Ich konfrontierte mich mit hunderten von Situationen, um meine Agoraphobie zu besiegen. Ich traf mich mit Frauen, um Beziehungen einzugehen, die
ich eigentlich nicht wollte, um mir zu beweisen, dass ich nicht schizophren bin. Ich trieb Sport, um meinen Depressionen zu entfliehen. Das Grundproblem
löste ich allerdings nicht: Mein Selbstvertrauen. Zu wissen, dass die Entscheidungen, die ich treffe, in der momentanen Situation korrekt sind. Meinen Gefühlen und Bewertungen mir selbst zu glauben, statt mich von anderen beurteilen zu lassen. Mich wieder zu akzeptieren, dass ich nicht perfekt bin.
All meine Erfolge, mein neuer Sportwagen, meine schöne Wohnung, imponierten vielen meiner Freunde. Ich dachte, ich brauche diese Anerkennung, um glücklich zu
sein. Ich dachte, Erfolg macht beliebt und verschafft einem ungeahnte Möglichkeiten. Aber welche denn? Will ich das überhaupt? Will ich erfolgreich sein, Krawatte und Anzug tragen, mit dicken Autos protzen und Frauen an der Seite haben, die man nur zur Schau stellen will? Diese Erkenntnis änderte viel. Ich
orientierte mich nicht an meinen Normen und Wertevorstellungen, ich orientiere mich an Wertevorstellungen anderer, um beliebt zu sein.
PAs sind nur die Spitze des Eisbergs. Natürlich habe ich immer noch welche, aber sehr selten und nicht heftig, subjektiv zumindest nicht.
JEDER von euch hat so eine Gechichte auf Lager. Vielleicht nicht genau meine, aber eine, die darauf hinausläuft, dass man den Bezug und das Vertrauen zu sich selbst verliert. Denn mit Vertrauen entsteht keine Angst. Ich werde noch einige Zeit brauchen, um mich wieder mit mir selbst zu identifizieren und nicht mit
den Werten und Vorstellungen anderer, vor allem denen meines Vaters. Aber es ist wichtig, dass auch ihr erkennt: PAs, Agoraphobie etc sind nur ein Schlagwort, hinter denen sich viele verstecken, um sich nicht mit den wahren Problemen des mangelnden Selbstvertrauens auseinandersetzen zu müssen. Ich will niemanden kränken, ich habe es ja selbst erlebt!! Ich wünsche jedem hier im Forum viel Kraft und Gesundheit! Lernt euch zu vertrauen!

02.01.2009 21:40 • x 1 #8


Christina
Zitat von Josef1985:
Ich behaupte 90% aller Menschen bekämen eine PA wenn Sie in einem

Aufzug stecken bleiben. ...

Nun, wären wir stecken geblieben, hätte jeder von den Mitfahrenden eine PA bekommen, die nach 5-10 Minuten nachlässt, weil

man sich ja doch an die Enge im Fahrstuhl gewöhnt und ggf. über die Gegensprechanlage Hilfe zugesichert bekommt, oder man muntert sich gegenseitig auf.
Mir ist das mal passiert, wir sind zu fünft in einem kleinen, engen, klapprigen und wahrscheinlich ein wenig überladenen Fahrstuhl stecken geblieben. Eine von uns litt unter Klaustrophobie, sie fing an zu hyperventilieren. Alle anderen blieben völlig ruhig, und von mir zumindest weiß ich, dass es keine gespielte Ruhe war. Nicht jeder Mensch bekommt im Laufe seines Lebens mal eine Panikattacke. Und erwiesenermaßen reagiert sogar nur eine Minderheit in tatsächlich lebensbedrohlichen Situationen panisch.

Ich gebe Dir insofern Recht, als auch ich PAs als überschießende Reaktionen auf Katastrophengedanken betrachte. Dennoch ist es sehr unterschiedlich, was man individuell (schon) als Katastrophe betrachtet.
Zitat von Josef1985:
Was ist also der Unterschied? WIR machen uns im Vornherein Gedanken auf drohende Gefahren, weil wir glauben, IN der Situation nicht klar denken/handeln zu

können.
Für mich wären es nicht die drohenden Gefahren. Ich habe zu schlimmsten Angstzeiten die Erfahrung gemacht, dass ich mit real schwierigen Situationen recht souverän umgehen konnte. Und ich bin weder sozialphobisch genug, um Angst vor einer Ohnmacht in der Öffentlichkeit zu haben, noch vertraue ich meinem Körper so wenig, dass ich dauernd mit einer Ohnmacht rechnen würde.

Ich finde es immer ein wenig unglücklich, von sich selbst auf die Allgemeinheit aller Angstkranken zu schließen, zumal wir mitunter unterschiedliche Symptome haben.

Liebe Grüße
Christina

02.01.2009 22:11 • #9


N
Zitat von Josef1985:
PAs, Agoraphobie etc sind nur ein
Schlagwort, hinter denen sich viele verstecken, um sich nicht mit den wahren Problemen des mangelnden Selbstvertrauens auseinandersetzen zu müssen. Ich will niemanden kränken, ich habe es ja selbst erlebt



dein beitrag zeigt, dass es tatsächlich wege raus aus der panikspirale gibt, deiner ist erkenntnis. wie christina richtig anführt, lässt sich das allerdings nicht verallgemeinern; selbstvertrauen ist das was mir am allerwenigsten fehlt. das ändert nix an der tatsache, dass ich in der climax meiner panik von einer brücke springen wollte, damit der mist endlich vorbei ist. ich weiss nicht , wie es dir geht oder erging; ich erinnere das ganze spektrum : von roten und weissen blitzen vor den augen über starken tremor zu sehfeldausfällen, schwindel, gleichgewichtsstörungen, lähmungserscheinungen in mund und arm, kribbeln in den beinen, derealisation, verwandlung von gesichtern in fratzen pp.
für mich persönlich ist als schlüssige erklärung eine veränderung der hirnchemie, der wechselwirkung zwischen serotonin, adrenalin, dopamin übrig geblieben, selbst auf die gefahr hin, dass ich mich damit selbst belüge. ich habe ziemlich früh zu beginn meiner panik ein stressecho machen lassen, und mit steigender dopamingabe auch steigende panik festgestellt, die dann bei höchstdosis wieder abfiel, der blutdruck sank um 20 punkte - das war für mich damals die erkenntnis, ich bin nicht krank sondern mir ist krank....

03.01.2009 11:35 • #10


J
Natürlich lässt sich mein Beispiel nicht auf die ganze Menschheit übertragen. Ich war nie soweit, von einer Brücke
zu springen oder mir was anzutun.
Aber es ist doch so, dass sich hier die meißten Geschichten alle ähneln:
Man sieht einen Bericht im Fernsehen über Herzkrankheiten, schon schlägt das eigene Herz schneller und schon ist
die PA da!
Oder jemand sitzt im Kino, genießt den Film 20 Minuten ohne Probleme und plötzlich fällt ihm ein Hey, das ist ja
ein geschlossener Raum mit vielen Leuten, ich könnte ja umfallen und sterben und wieder beginnt man zu zittern.
All dies läuft darauf hinaus dass man Sicherheiten haben will dass nichts passiert. Darauf zielt z.B. auch die
Konfrontationstherapie ab, man bleibt in der Situation und merkt aha, ich falle ja doch nicht tot um.
Aber 3 Wochen später kann es tatsächlich mal passieren, dass man im Kino umkippt, weil man gerade dann einen
Kreislaufkollaps kriegt oder einen Herzinfarkt. Ebenso kann es passieren dass man aus dem Kino rauskommt, man
schwitzt von der letzten PA und wird auf dem Parkplatz von einem Auto überfahren. Versteht ihr, es gibt keine 100%
tigen Sicherheiten, das ist Selbstbetrug! Ich habe ja angesprochen dass ich mich über Monate mit Schizophrenie
beschäftigt habe, dahinte steckte in erster Linie die Angst vor Kontrollverlust. Ich hatte eigentlich keines der
Symptome und bin in ein paar Monaten raus aus dem Altersgipfel, wo es auch statistisch immer unwahrscheinlicher wird, dass ich daran
erkranke. Ebenso habe ich in meiner Jugend so manches ausprobiert, welches mit hoher Wahrscheinlichkeit die
Krankheit ausgelöst hätte. Aber dennoch könnte mir jemand in der Disko Dro. in mein Getränk mixen und ich würde am
nächsten Tag anfangen Stimmen zu hören. 100%tige Sicherheiten gibt es einfach nicht, darum nützt in meinen Augen
die Konfrontationstherapie nur insofern, dass man sein Vermeidungsverhalten aufgibt. Geheilt ist man damit nur
selten.
Man muss einfach einen Schritt weitergehen, nähmlich: Warum will ich 100%tige Sicherheit?
Weil man denkt, dass man mit der Situation nicht fertig wird! Das ist der Springende Punkt. Angst entsteht ja,
zumindest bei den meißten von uns, wenn wir nicht wissen wie etwas ausgeht. Ist dieses Herzstolpern das Ende?
Werde ich im Kino umkippen? Und eigentlich wäre es wirklich das Beste, einmal im Kino umzufallen. JA! Denn dann
würde man merken, dass es nicht weiter tragisch ist, mal einen Kreislaufkollaps zu kriegen. Natürlich ist es
unangenehm, aber man denkt doch immer, dass es eine Katastrophe wäre. Sowas passiert unglaublich vielen Menschen
mal in ihrem Leben, natürlich überwiegend im hohen Alter. Ich selbst habe in meiner Tätigkeit im Krankenhaus
Menschen kennen gelernt, die wegen eines Kreislaufzusammenbruchs oder eines Herzinfarktes eingeliefert wurden. Es
war eine unangenehme und harte Zeit für Sie, aber die meißten waren nach einigen Wochen wieder wohlauf und haben
wieder gearbeitet. Ich kenne solche Beispiele! Und da kommt der springende Punkt, wir glauben einfach dass wir mit
sowas nicht umgehen könnten. Da liegt meiner Meinung nach in einem hohen Prozentsatz der Fälle der Hase im Pfeffer.
Und meißtens, weil wir kein Selbstvertrauen haben. Wie schon gesagt, ich will hier niemanden Kränken oder seine Leiden
herunterspielen, ich hoffe nur dass meine Erkenntnis vielleicht einigen Leuten hilft, ihren Fokus von der Angst auf
ihre wahren Probleme zu lenken, die ja meißtens hinter dieser ganzen Geschichte stehen.

03.01.2009 12:45 • x 2 #11


ZZerRburRuSs
Hiho

@Josef
Im Ganzen und grob gesehen sind deine Ausführungen alle richtig.
(Nichts gegen deine Ausführungen, man kann es ja immer nur pauschal sehen weil jeder anders lebt und andere Erfahrungen hat)

Deine Texte sind immer recht ausführlich über die Symptome und was passieren könnte und am Rande erwähnst du immer eine (deine) Lösungsmöglichkeit.
(auch alles richtig)

Kannst du mal be/schreiben wie du auf die Idee deiner Lösung gekommen bist und was alles nötig ist und war um diese dann auch umzusetzen und zu verinnerlichen , zu festigen ?

lg ZZ

03.01.2009 13:47 • #12


J
Meine Lösung? Nein, es ist keine Lösung für Panikattacken im Allgemeinen. Ich werde im Laufe meines Lebens mit
Sicherheit die eine oder andere Panikattacke bekommen, weil ich einfach ein aktiveres Nervensystem als normale
Menschen. Ich werde mit Sicherheit in meinem Leben Hochs und Tiefs haben, daher ist der Wunsch, nie wieder eine PA
zu bekommen utopisch und unrealistisch. Aber davor habe ich keine Angst. Die meißten von uns fürchten nicht die
Panikattacke an sich, sondern eher die Symptome davon und ihre Folgen (Herzinfarkt, Hirnblutung). Als ich über mein
Leben nachdachte, sind mir zig Situationen aufgefallen, wo ich ausgerastet bin. Ob als Kind vor dem PC oder als
ich meine Squashschläger gegen die Wand gedonnert habe. Ich war immer leicht reizbar, seit frühster Jugend. Bei
diesen Wutanfällen hatte ich auch Herzrasen, Schwindel. Aber ich ordnete diese richtig ein = Wut. Würde ich
heute nicht wissen, dass Menschen Krankheiten haben könnten und dass man sterben müsste, ich hätte mit Sicherheit
keine Panikattacken. Aber durch meine Tätigkeit im Krankenhaus und den Herzinfarkt meines Vorgesetzten habe ich ein
anderes Bild von Krankheiten bekommen. Man schreibt nun Symptome, die ich oben erwähnt hatte, nicht mehr Gefühlen
wie Wut, Trauer, Ärger zu, sondern Krankheiten. Angst entsteht. Nun bin ich auch jemand, der
1.) Alles unter Kontrolle haben will
2.) sehr neugierig ist und alles wissen will.
Ich beschäftigte mich also mit Krankheiten, da ich meine Gefühle nicht mehr richtig deutete und das Angstkarusell
begann sich immer schneller zu drehen.
Man sagt ja oft, dass es nicht von Bedeutung ist, woher die Angst kommt. Ich finde aber dass die Entstehung der
Angst wichtig ist, um sich selbst zu verstehen.
Was mir sehr half, waren 2 Dinge:
In meiner Tätigkeit im Krankenhaus sind mir Menschen begegnet, die die schlimmsten Krankheiten hatten. Krebs mit
24, Hirnblutung nach einem Unfall mit 15 und seeehr viel mehr Schicksale. Ich dachte immer, mir gehts so schlecht,
ich habe dreimal die Woche eine PA, das ist so schrecklich, ich werde bald sterben.. Und dann sah ich diese
Menschen. Die Mutter, die ihre 24 Jährige Tochter zur Chemotherapie begleitete, die keine Haare mehr hatte und
voller Scham eine Mütze trug. Den Schizophrenkranken 20 Jährigen, der seinen Job und seine Zukunft verlor, weil er
mit der Welt nicht mehr zurecht kam. Die 40 Jährige Mutter, die einen Suizidversuch hinter sich hatte, weil Sie im
Leben keinen Sinn mehr sah. Vor all diesen Dingen hatte ich Angst, sie könnten mir zustossen. Aber ich war nicht
krebskrank. Ich war auch nicht geisteskrank, hatte viele Freunde und liebte die Welt, in der ich lebte. Das, was
mir da begegnete, das war nicht ICH. Das waren andere Schicksale. Vielleicht gehöre ich in 10 Jahren auch zu einem
der Menschen, denen es schlecht geht. Aberjetzt nicht.
Der Zweite, und vielleicht der interessanteste Aspekt war, dass ich trotz meiner Krankheit immer noch das machen
konnte, was ich eigentlich für unmöglich hielt. Ich war auf feiern in entfernten Großstädten eingeladen, ging zu
Fortbildungen, die weit weg waren, setzte mich für 2 Stunden auf den Zahnarztstuhl. Ich stand in der Anfangszeit
Höllenqualen durch, 2 Stunden Zahnarzt, man kann nicht weglaufen, der Bohrer läuft, ich mein Herz trommelt wie
wild. Oder ich fliege gerade einen 2 Stunden Flug mit einem Freund, der über meine PAs nicht bescheid weiß. 100
Menschen an Bord, ich schwitze, zittere und dreh bald durch. Doch nichts passierte. In all der Zeit, egal wie
schlecht es mir ging, egal wie viel Angst ich hatte, es passierte einfach nichts. Ich konnte also objektiv immer
noch das gleiche tun wie vor den PAs, es war nur subjektiv schwerer. Ich habe mich sehr selten vor Dingen gedrückt
und es ging mir sehr häufig so, als würde ich gleich tot umfallen. Nun fing ich an umzudenken; Wenn ich also eine
Flugreise mit PAs und ohne PAs überstehen konnte, ohne tot umzufallen: Welchen Einfluss habe ich also auf den vor
mir so gefürchteten Tod? Keinen! Gar keinen. Es ist Unsinn zu glauben , man könne den Tod verhindern. Wenn man das
einmal verinnerlicht hat, so wird das Leben automatisch 70% leichter. Jeder von uns wird sterben und ja,
wahrscheinlich sogar an den Krankheiten, die wir befürchten (Herz/Hirninfarkt/Krebs), da das nunmal mit die
häufigsten Todesursachen sind. Aber wir könnnen nichts dagegen tun. Und mal angenommen, ihr bekommt einen
Herzinfarkt und bekommt gleichzeitig eine PA, weil es kurz vor dem Aus steht. Hilft uns das? Beschützt uns eine PA
vor einem Infarkt? Mit Sicherheit nicht. Ich musste also lernen zu akzeptieren, dass ich (fast) keinerlei Einfluss
auf Krankheiten/Unfälle habe. Ich habe immer noch teilweise Angstsymptome auf weiten Reisen oder auch mal in ein
paar wenigen anderen Situationen. Aber mein Leben ist nach den oben stehenden Erkentnissen wesentlich einfacher und
lebenswerter geworden! Ich hoffe, dass der ein oder Andere davon auch profitieren kann!

edit: Nochmal etwas zur Umsetzung dieser Erkentnisse, weil ZZerRburRuSs danach gefragt hat. Heute morgen saß ich in einem Friseursalon, setzte mich ans Waschbecken und bekam die Haare gewaschen. nach 2 Minuten waschen stellte ich fest: Wenn dir jetzt was passiert, dann kannst du nicht wegrennen. All die Menschen um dich rum würden denken, du willst weglaufen ohne zu bezahlen. Ausserdem hast du nasse Haare, wie würde das aussehen? Mein Herz schlug schneller. Gleichzeitig dachte ich aber: Wenn ich tatsächlich ne PA bekomme, kann ich der Friseurin ja sagen, dass mir schlecht ist, sie wird mir MIT SICHERHEIT helfen. Ich wurde ruhiger. Schließlich dachte ich noch Na ja, und wenn du doch hier zusammenklappen solltest, was EXTREMST unwahrscheinlich ist, dann isses doch sowieso egal, dann passiert es eben, dadurch geht die Welt nicht unter. Dieser Monolog ereignete sich innerhalb von ca. einer Minute, die restlichen 15 Minuten dachte ich über meine neu entstehende Frisur nach.

03.01.2009 19:41 • x 2 #13


A
Hallo Josef1985,
ich habe mit grosser Interesse dein Vortrag, sogar merhmals, gelesen. Der Inhalt hat sehr positive Wirkung auf mich gemacht. Der Beitrag zieht massiv ein. Er ist für mich ein grosser Milestone um zu verstehen, dass man nie die 100-prozentige Sicherheit haben kann, dass das Risiko, egal was man tut, wird immer das sein.
Seit kurzem bin ich auch der Mitglied in diesem Portal. Bin eingestigen mit einem ganz besonderem Problem, das auch mit dem Thema Kontrolle zu tun hat. Ich würde mich sehr freuen wenn Du mein Beitrag liest und sagst Deine Meinung dazu. Vielleicht kannst Du auch paar Lösungsvorschläge geben. Der Titel meines Beitrages lautet: Angst vor der Infektion durch den Partner.
Besten Dank im Voraus.

17.08.2014 09:37 • #14


J
Hallo Adek,

durch eine Email Benachrichtigung bin ich auf diese Seite zurückgeleitet worden, wo ich mal vor ca. 5 Jahren was zum Thema Angststörungen geschrieben habe.

Ich habe deinen Beitrag Angst vor Infektion durch den Partner gelesen und sehe einige Parallelen.

Du hast im Gegensatz zu mir damals (2009) vor einer ganz anderen Krankheit Angst als ich, doch ich denke die Kernangst des Ausgeliefertseins und 100% Sicherheit haben wollens ist dieselbe.

Wir beide wollen uns offensichtlich so verhalten, dass uns keine Krankheit ereilen kann, gegen die wir machtlos sind. Ob ich damals mit Herzinfarkt / Schlaganfall, oder du mit deiner Angst vor HIV.

Im Grunde ist es dasselbe Problem, wir wollen die Sicherheit, dass wenn wir uns nach dem Schema X verhalten, wir immer gesund bleiben werden und niemals ernsthaft erkranken.

Hier mal ein Beispiel. Seit 2009 ging es bei mir mal bergauf, mal bergab. Ich hatte immer mal wieder PAs, die jedoch immer schnell an mir vorüberzogen. Sei es auf einer mehrtägigen Geschäftsreise in die Tschechei (Hilfe, ich kann die Sprache nicht, wenn ich hier ohnmächtig werde, kann mir niemand helfen) oder beim Geschäftsterminen in Frankfurt im Aufzug auf dem Weg in den 18. Stock (Hilfe, ich könnte steckenbleiben und einen Herzinfarkt erleiden, es würde mich niemand retten können).

Nie ist etwas passiert, trotzdem könnte es morgen soweit sein dass ich mit dem Flugzeug abstürze oder überfahren werde. Aber willst du es genau wissen? Nach ca. 2-3 weiteren Jahren war ich es leid. Leid über all das nachzudenken, wie ich Gefahr abwenden kann, in dem ich versuchte, z.B. den Aufzug zu meiden. Ich hatte es satt, immer die gleichen Gedankengänge zu haben, die mir niemals eine zufriedenstellende Antwort der 100 % tigen Sicherheit lieferten.

Eines Tages dann, ich war im Winter auf dem Weg zur Arbeit auf der Landstrasse, kam ich ins rutschen und bin fast auf die Gegenfahrbahn geraten, wo gerade ein Bus entgegen kam. Ich habe den Wagen noch abgefangen, aber irgendwie, auf eine merkwürdige Art und Weise, erschien mir diese Situation total komisch.

Ich denke seit Jahren drüber nach, wie ich einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer Schizophrenie entgehen kann. Dann passe ich eine Sekunde nicht auf, und knalle mit voller Wucht und einem Alter von damals etwa 25 Jahren, kerngesund gegen einen Bus und sterbe. Ist es nicht auf eine tragischen Art witzig, dass man über Jahre versucht, Situationen aus dem Weg zu gehen die gefährlich sein könnten und dann von einem Bus überfahren wird?

Ziemlich genau seit dem beschäftige ich mich mit den Fragen, was ich eigentlich mit meinem Leben anfangen will. Ich meine nicht die Frage, was ich am Wochenende machen will oder was ich zu Abend esse, sondern, was erfüllt mich? Welche Menschen will ich um mich haben? Diese Gedanken um 100% tige Sicherheit sind so unnütz und utopisch, dass es im Nachhinein lächerlich ist drüber nachzudenken.

Lebe einfach. Ersetze deine Gedanken mit der Angst vor Infektionen durch andere. Villeicht steckst du dich morgen mit Keimen im Supermarkt an. Vielleicht fällst du morgen von der Leiter und bist tot. Aber frage dich: Wenn es so wäre, hättest du nicht lieber am Vorabend was mit deinen besten Freunden unternommen? Vergiss Sicherheiten. Wenn du Sicherheit willst, kauf dir ein Auto mit Airbags oder geh nicht Bergsteigen. Aber mehr kannst du nicht tun, eine Gefahr wird es immer geben.

Ich habe mir vor einiger Zeit das Buch Dieser Mensch war ich gekauft. Dort werden 100 Menschen interviewt, die im Sterben liegen und Ihr Leben reflektieren. Manche sind erst 30, manche schon 90. So ist das Leben, so abgedroschen es auch klingt, aber mach was aus der Zeit die du noch hast, ob 5 Jahre oder 50 Jahre.

Gib der Zeit mehr Leben, und nicht dem Leben mehr Zeit!

17.08.2014 20:12 • x 3 #15


K
Hallo Josef1985,

Ich habe mir ebenfalls aufmerksam deinen Beitrag durchgelesen und Sprichwörtlich zu Herzen genommen. Ich leide seit einem halben Jahr an so ziemlich der selben Angst, die Angst davor die Kontrolle zu verlieren, anders gesagt, die Angst die Kontrolle über meine Gesundheit zu verlieren. Vor einem halben Jahr hatte ich meine erste PA. Ich war an einem herrlichen, unbesorgten Sommerabend auf dem Heimweg und war auch schon gar nicht mehr weit von zu Hause entfernt. Wichtig ist hier aber auch zu erwähnen, das ich bis zu dem Abend regelmäßig an Wochenenden nach getaner Arbeit, mir hier und da auch einen *beep* gegönnt hatte, so auch an diesem Abend. Hatte nie Probleme damit gehabt, nur an diesem Abend überkam mich plötzlich eine Art Schwindelgefühl und aus Reflex legte ich meine Hand auf die linke Seite meiner Brust und spürte wie schnell mein Herz raste. Das war das erste mal das ich das so registriert hatte und fragte mich was denn los sei. Ein Gedanke jagte den nächsten und ehe ich mich versah, fand ich mich auf einer Mauer sitzend und zitternd wieder und versuchte mich zu beruhigen. Du bist einfach zu schnell gegangen, das wird es sicher sein, krieg den endlich wieder ein, es ist noch nie jemand an Canna. gestorben und das wirst du jetzt sicher auch nicht, aber das Gefühl der Angst stieg immer weiter an, auch durch das THC in meinem Blut noch einmal zusätzlich verstärkt. Ebenfalls kam mir der Gedanke ich könne einen Schlaganfall erleiden, da mein Herz so stark klopfte, das ich es im Hals spüren konnte, meine Halsschlagader pulsierte richtig und ich bekam einen kalten Schweißausbruch. Schließlich raffte ich mich auf und schaffte es zu Hause anzukommen. Nachdem wir meinen Puls gemessen hatten und der auf einen Herzschlag von 158 Schläge die Minute kam, rief sie sofort den Krankenwagen an, da wir beide mit der Situation nicht umgehen konnten. Ich wurde auch mitgenommen, aber nachdem man im Krankenhaus erfahren hatte, das ich Canna. geraucht hatte, wurde ich nicht mehr weiter Ernst genommen und nicht mehr groß untersucht. Man ließ mich liegen und wartete bis ich irgendwann einschlief. Hört sich so jetzt gar nicht der Rede Wert an, aber seitdem habe ich jeden Tag aufs neue Angst, es könnte wieder passieren, mein Herz könnte wieder ausrasten. Bei der kleinsten Anstrengung beginnt mein Herz zu rasen und ich bekomme es wieder mit der Angst zu tun. Ich steigerte mich vor allem in diese Angst hinein, nachdem ich ein Langzeit EKG hab machen lassen und mich einer Echokardiographie unterzogen hatte und der Kardiologe mir sagte das alles in bester Ordnung sei. Aber ich spürte dennoch immer Stechen im Herzen, manchmal fühlte sich die gesamte Linke Brust an, als hätte mein Herz einen Muskelkater. Habe den Genuss von Canna. gänzlich eingestellt, seitdem ich eben im KH war und dennoch, scheint irgendetwas nicht zu stimmen, dachte ich zu mindest immer. Meine Angst ging soweit das ich mich nicht mal mehr zur Arbeit gewagt habe und meinen Job verlor, des weiteren verspannte sich irgendwann meine Rückenmuskulatur, was an dem ganzen Stress lag den ich mir machte, sagte zumindest mein Arzt. Er sagte Psychischer Stress würde von unseren Schultern getragen werden und irgendwann wäre die Belastung einfach zu groß Ich fing an im Internet zu recherchieren, denn alle Ärzte schienen mich ja nicht Ernst zu nehmen, ich musste eine Lösung finden mir selbst zu helfen. Aber anstatt mir zu helfen habe ich alles nur schlimmer gemacht, hatte irgendwann mir über Krankheiten einen Kopf zu machen an die ich im Alltag zuvor noch nie gedacht hatte. MS oder Darmkrebs zum Beispiel. Ich steigerte mich immer weiter rein, ging mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate vor die Tür und wenn, dann nur wenn es wirklich von Nöten war. Habe mich aus meinem Sozialen Umfeld zurückgezogen, Bekannte und Freunde schienen mich auch nicht Ernst zu nehmen, da sie das selbe wie die Ärzte sagten Du selbst machst dich mit deinem Stress krank, du selbst bist derjenige der sich zu viele Gedanken macht... und so weiter und so fort. Weil ich alles andere als ein Freund von Medikamenten bin, griff ich auf Naturheilkunde zurück. Ich nahm also jeden Tag bevor ich ins Bett ging Lioran Kapseln mit dem Wirkstoff der Passionsblume ein. Das half mir erst einmal, ich denke es wirkte wie eine Art Placebo auf mich. Auch schränkte ich den Konsum von Zig. ein, woran ich früher nicht mal im Traum hätte nachgedacht, änderte meinen Lebensstil, lebte gesünder. Es schien Bergauf zu gehen, aber vor einem Monat kam es dann wieder. Ich war einkaufen und trug den Einkauf Heim als plötzlich mein Herz aus heiterem Himmel wieder anfing zu rasen. Die Angst war wieder da und ich machte mich wieder selbst fertig. Habe aber vor einem Monat aus purem Zufall diese Seite hier im Netz entdeckt und deinen Beitrag gefunden den du im Jahre 2009 verfasst hast und nun komme ich darauf zu sprechen, warum ich mich heute entschlossen habe mich hier anzumelden und dir meinen Dank auszusprechen! Denn ich habe mir deinen Beitrag beinahe jeden zweiten Tag immer und immer wieder durchgelesen und ich denke genau darüber nach was du hier geschrieben hast und... seitdem geht es mir wieder deutlich besser, irgendwie, als wenn mir eben ein Stein vom Herzen gefallen ist. Die Angst ist zwar immer noch hier und da, aber sie ist ein natürlicher Bestandteil unseres Lebens und nicht verkehrt, nein ganz und gar nicht. Du hast vollkommen recht, wenn etwas kommt, dann kommt es! Mann kann es nicht aufhalten oder verhindern. Vorbeugen vielleicht, ja, aber nicht verhindern oder ausschließen. Du hast irgendwie genau die Worte gefunden, nach denen ich gesucht habe, etwas das einem Metaphorisch in den Ar. tritt und sagt Jammern hilft dir auch nicht weiter, lebe so lange du kannst und halt dich nicht mit etwas auf, woran du sowieso nichts ändern kannst! Ich kann wirklich nur meinen Dank aussprechen Dein Beitrag hat mir enorm geholfen. Herzlichen Dank!

03.02.2015 15:23 • #16


A
Push. Toller Beitrag, danke.

13.07.2017 20:47 • #17

Sponsor-Mitgliedschaft

Robinson
Zusammengefasst:
Die Kugel die DICH trifft, hörst du nicht.
Und wenn sie dich trifft kannst du es eh nicht verhindern.
Gelungener Beitrag von @Josef1985 !

14.07.2017 07:43 • #18


koenig
Ganz wichtig hier wieder einmal und vor allem für mich so entscheidend: KONTROLLE!

Es ist so. Das Leben ist in vielen Dingen wenig kontrollierbar. Aber das anzunehmen und die Kontrolle abzugeben, das ist soooo schwierig!

14.07.2017 08:09 • #19


A
Gibt es darüber vielleicht Selbsthilfe Bücher, was Kontrolle ablegen angeht?

14.07.2017 13:40 • #20


A


x 4


Pfeil rechts




Dr. Hans Morschitzky