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Dieser Thread soll Menschen zu Wort kommen lassen, die sich mit ihren eigenen Zwängen bzw. Zwangsgedanken soweit beschäftigt haben, dass sie nicht mehr darunter leiden.

Wesentlich sollen von Geheilten ihre Einsichten geschildert werden. Also letzten Endes Antworten auf zwei Fragen:

1. Wie und warum entwickelte ich den Zwang/die Zwangsgedanken?
2. Wie und warum kam ich davon los?

Und da ich der Überzeugung bin, dass man aus jedem Problem einen Benefit für sein weiteres Leben ziehen kann, schließt sich vielleicht noch eine dritte Antwort auf folgende Frage an:

3. Was lerne ich aus den Antworten auf die Fragen 1. und 2.?

Betroffene, die sich (noch) mit Zwängen und Zwangsgedanken rumschlagen, sind ebenfalls willkommen. Jedoch sollten sie sich bereits in der Phase der Selbstreflektion befinden. D. h. - sie stellen sich bereits die Fragen 1. und 2. und sind quasi bereits in Eigentherapie.

Insbesondere bei Zwängen (und in vielen Fällen auch bei Ängsten und Hypochondrie) bin ich davon überzeugt, dass man selbst der beste Therapeut ist, wenn es darum geht, wirklich nachhaltig und medikamentenfrei davon loszukommen.

Zur Einstimmung einer meiner (selbst erkannten ) Lösungs(an)sätze:

Hör endlich damit auf!

Heute 08:00 • 12.10.2025 x 8 #1


5 Antworten ↓


Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen. Ich habe von ganz früher Kindheit,
Ängste und später gesellten sich Panikattacken dazu.

Zwangsgedanken hatte ich nicht, dafür die Ängste. Damals dachte ich, ich hätte eine schwere Krankheit
und suchte danach, um endlich befreit zu werden.

Einige Therapien hinter mir, aber so richtig fruchtete nichts wirklich. Ich weiß aber Heute, das meine Mama
mir die Ängste übertragen hat, aber was macht das mit mir? Nichts in dem Sinne, ich kam auch nicht viel weiter.

Heute weiß ich das es meine Gedanken sind, die mir Angst machen. Das was ich denke, das bin ich.
Habe das alles fast ohne Tabletten überstanden, nur einmal hatte ich ein halbes Jahr welche genommen.

Die Gedanken, die ich denke, machen meine Angst aus, oder eben nicht.

A


Zwänge verstehen und heilen

x 3


Ich brauchte ziemlich lange um zu verstehen, weshalb ich Zwangsgedanken ein-bildete, die dann letztlich zu Zwangshandlungen führten. Diese Frage nach dem Warum stellte sich mir seinerzeit gar nicht. Ich war ja - vermeintlich - gefangen in dem Zwangs(gedanken)kreislauf.

Es ist auch logisch: Wer Zwänge entwickelt, will sich ihnen (unterbewusst) unterwerfen! Wenn man allerdings drinsteckt, fühlt es sich überhaupt nicht nach Wollen an...wer will schon Skla. der Gedanken und Handlungen sein? Und trotzdem - und das ist m. E. der entscheidende Schritt zum Verständnis - hat dieses Ausgeliefertsein auch seine Vorteile. Um diesen augenscheinlichen Widerspruch akzeptieren zu können, sollte man sich vor Augen führen, dass man selbst Zwänge entwickelt. Man tut dies (anfangs!) stets freiwillig. Und was man freiwillig tut, will man auch. Und man will etwas, weil...

Ich kann für mich behaupten, dass in meinem Fall jegliches Wollen im Zusammenhang mit Zwangsgedanken eine Absicht verfolgte. Und zwar sprichwörtlich Ab-Sicht...ich wollte von etwas absehen. Da ich mich auch seit einigen Jahren mit meinen Süchten und Suchterkrankungen generell beschäftige, bin ich inzwischen davon überzeugt, dass die Ursache von Zwängen, Süchten (und letzten Endes auch generalisierten Ängsten) eine Tendenz zur Abwehr gegenüber relevanten Lebensthemen ist.

Einfach formuliert: Zwänge, Süchte und Ängste sind meine bevorzugte Antwort auf persönliche Schwierigkeiten.

Insbesondere in jungen Jahren greifen Zwänge bereits bei verhältnismäßig kleinen Problemen. Gerade deshalb sind sie so verführerisch einfach zu etablieren! Wir weben dieses Muster dann ggfs. ein Leben lang.


Und diese Bevorzugung von Zwängen als Reaktion auf Schwierigkeiten hat Methode: Sie nimmt uns aus der Verantwortung. Wir müssen keine Antwort liefern (z. B. in Form von echten Verhaltensänderungen etc.). Wir müssen dies deshalb nicht, weil wir den Zwang/die Angst/die Sucht stattdessen antworten lassen. Und gleichzeitig haben wir das gute Gefühl, dadurch die Kontrolle zu erlangen. Dies deshalb, weil wir bei der Bemühung, die Zwänge zu erfüllen, immer wieder ein Erfolgserlebnis haben.

Die (vermeintliche) Kontrolle über die Zwangsgedanken, die Zwänge etc. wird dadurch suggeriert, indem wir immer wieder mal Herr der Lage werden, also uns kurzfristig der Zwänge/Ängste entledigen. Das z. B. 3-malige Aus- und Einschalten des Lichtschalters stellt sehr gut Fluch und Segen einer Zwangslogik dar: Konflikt-Lösung-Konflikt-Lösung-Konflikt-Lösung.

Wichtig: Die Amplitude erfüllt den Zweck, nicht der Vorgang selbst!

Es geht funktionell also

- nicht um den Inhalt des Zwangsgedankens,
- nicht um die Art der Zwangshandlung,
- nicht um das Objekt der Angst,
- nicht um das Wesen der Krankheit (bei Hypochondrie).

Wir verspüren also jedesmal Linderung, wenn wir dem Zwang soweit folgen, dass Beruhigung eintritt. So banal diese Logik sich z. B. in einem Zwangsgedanken auszudrücken scheint, so simpel - nämlich nur kurzfristig - ist der Erfolg.

Nach und nach verkommt diese Ersatzfunktion zum puren Selbstzweck: der Zwang wird manifest, die Sucht, die Angst übernimmt des Ruder.

Hier fühlen wir uns dann als Opfer, obwohl wir seinerzeit aus freien Stücken (was noch zu erörtern ist!) den Deal eingegangen sind. Der Weg des geringsten Widerstandes wurde zur ausweglosen Sackgasse.

Doch jede Sackgasse hat einen Ausweg - nämlich den Weg zurück zu dem Punkt, an dem wir uns seinerzeit entschlossen haben, effektiv nicht wirklich zu antworten.

Zitat von moo:
Einfach formuliert: Zwänge, Süchte und Ängste sind meine bevorzugte Antwort auf persönliche Schwierigkeiten


Da stimme ich voll und ganz zu. Um das aber wirklich zu verstehen, braucht es genügend Leidensdruck, damit man sich mal ernsthaft und ehrlich mit sich selbst auseinandersetzt. Und das ist kein Zuckerschlecken.

Deswegen schreiben viele hier von Arbeit.

Ich hatte den Durchbruch, als ich mich genau diesem Warum gestellt habe und mir war richtig körperlich übel, als ich hinter meine ganze Fassade geschaut habe. Das ist echt hart, kann ich nur sagen.

Allerdings habe ich auch ewig mit Verdrängen, Aushalten, Leiden und Elend verbracht. Da musste erst eine heftige Depression her, damit ich mich bewegt habe.

Drama kann ich auch richtig gut. Bin darin Meisterin. Jetzt hab ich gelernt, mein Drama besser händeln zu können.

Es geht darum, keine Hilflosigkeit mehr empfinden zu müssen, sondern handeln zu können, oder anders denken, oder, oder, oder.

Man hat deutlich mehr Möglichkeiten als diesen Ängsten hilflos ausgeliefert zu sein, etwas könnte ja......

Ich persönlich meine, dass Angst generell dafür sorgt, dass man am Leben bleiben soll. Und deswegen macht es doch Sinn, mal darüber nachzudenken, ob das jetzige Leben so ok ist, wenn man solche Ängste hat.

Also Warum.... .. . ... .. ?

Zitat von moo:
Betroffene, die sich (noch) mit Zwängen und Zwangsgedanken rumschlagen, sind ebenfalls willkommen. Jedoch sollten sie sich bereits in der Phase der Selbstreflektion befinden. D. h. - sie stellen sich bereits die Fragen 1. und 2. und sind quasi bereits in Eigentherapie.

Ich reihe mich hier mal ein und beantworte die Fragen zum jetzigen Zeitpunkt. Auch einfach deshalb, damit der Thread in meiner Glocke seine Beachtung findet.


Zitat von moo:
1. Wie und warum entwickelte ich den Zwang/die Zwangsgedanken?

Mein momentaner Eindruck ist, dass es sich über sehr viele Jahre entwickelt hat. Es kam ein Gefühl in mir hoch, dass ich in meiner Kindheit (oder sogar als Baby, wegen meiner Thematik sprechen - schweigen) etwas erlebt habe, an dass ich mich nicht mehr erinnere, aber mir etwas wesentliches genommen hat. - Vertrauen.
Also eigentlich wie bei jedem hier.
Meine Mama hat mir mal erzählt, dass ich als Baby in den Brutkasten musste und dass ich aber so lange und fest geschrien hatte, dass die Krankenschwestern aufgegeben haben und meine Mama wieder zu mir durfte (damals war das ja nicht erlaubt).

Ich denke aber, dass die eigentlich Ursache gar nicht sooo wichtig ist (nur für unser Ego), sondern es reicht das Wissen, dass es mit dem heute nichts mehr zu tun hat.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich in meiner Jugend immer gebetet habe, dass ich bitte sterben darf. Aber schon damals habe ich vom Verstand her nie verstanden warum. Meine Gefühle passten nicht zu meinem Außen. Dennoch, irgendwas in mir hat immer lauter geschrien, so dass ich es wohl nicht ausgehalten habe und mich mit Filme, Rätsel, Spiele etc. abgelenkt habe, damit ich mich nicht mehr hören muss oder um mich selbst zu beschwichtigen.

Zur Zeit bin ich dabei mir bewusst für mich Zeit zu nehmen, um mir selbst zuzuhören. (Früher dachte ich, dass ich mir mit Filmen, Spielen... etwas Gutes tue, weil ich das ja wollte. Die Zeit brachte etwas anderes ans Licht.


Zitat von moo:
2. Wie und warum kam ich davon los?

Ich bin noch nicht davon los, aber im Moment habe ich den Eindruck, dass der Druck, es zu tun, nachlässt. Ich brauche es nicht mehr so intensiv. Aber wie gesagt, ich stecke mittendrin und habe noch keine Ahnung wohin dieser Versuch mich diesmal führt. Ich hatte ja schon einiges anderes ausprobiert, wo ich auf Dauer nicht halten konnte. Bin mir aber bewusst, dass ich etwas für die Dauer brauche. Eine Veränderung, mit der ich eben dann auch im Einklang bin und sich für mich nicht als Zwang anfühlt.

Ha ha, so viel wollte ich gar nicht schreiben.

In meinen jungen Jahren hatte der Zwang eine rein rituelle Funktion. Doch heute ist er zu einer fest installierten Persönlichkeit geworden, die aus einem autoritären Umfeld meiner Vergangenheit zusammengebastelt wurde – eine Instanz, die mich kontrolliert. Sie ist aus einer Unsicherheit heraus geboren: dem Bedürfnis, mir ständig auf die Finger zu schauen, damit ich keinen Blödsinn mache.

Doch ihre Macht ist inzwischen so groß geworden, dass der ursprüngliche Zweck längst überschritten ist und in reine Schikane mündet. Ich habe mir ein Biest geschaffen, das aus jenem autoritären Umfeld hervorgegangen ist und mich nun unter dem Vorwand, mir Gutes zu tun, durch das Leben schleift – alles im Dienste des Ideals eines „guten Menschen“. Und natürlich hat auch eine Religion ihre Finger im Spiel, aber das würde jetzt den Rahmen sprengen.




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