Zitat von Immaculatus: Heideggers Sein zum Tode lag mir die ganze Zeit schon auf der Zunge. Und der Faktor Zeit selber ist ja für den Bereich der seelisch Erkrankten noch von viel größerer Bedeutung ,als für andere Gruppen. Und ja, Haha diese Epikur Nummer, lächerlich. Wenn zur Sache geht Schätzchen dann nutzt Dir diese Art Logik gar nichts mehr.
Kannst Du formulieren. was es für Dich konkret heißt, dass es zur Sache geht? Was ist der Unterschied zu dem logischen Spiel, das ja durchaus stimmt?
Zitat von Immaculatus: Ich, als großer Hosensch.r, bitte da lieber Gott um die Gnade, mich mit in sein Reich zu nehmen. Das hat noch etwas von Sinn gegen Verzweiflung und Nihilismus. Ein Frage der Liebe, die das Leben trägt auch über den Tod hinaus. Klar ist heute kaum noch zu verkaufen, weil man heut ja so klug und aufgeklärt in den Tod schauen muss.
Angststörungen sind durchaus ein Geschenk - als ich sie hatte, sah ich das in der Situation auch anders, auch als Albtraum - weil sie Dir zeigen, auf was es ankommt. Bei mir ist auch die Liebe das, was geblieben ist, ein Gefühl, eine zärtliche Empfindung, die irgendwie auch mit Dankbarkeit verbunden ist.
Du ergibst Dich ja auch, vertraust Dich Gott an und möchtest, dass er Dir gnädig ist und in seiner Gnade Dein Leben wieder so macht, wie es vorher war. Aber das ist der Weg, der Dich zur Angst hingeführt hat. Wenn Du nun sagst, dass das ja eher medizinisch-biologische Fehlfunktionen sind und viele Ursachen hat, ja, kann man machen, aber zugleich polemisierst Du ja auch gegen diese Einstellung.
Biologisch ist alles ganz einfach, darum sind diese Ideen so beliebt. Alles eine Frage des Nutzens, nur klammert der Naturalismus Antworten auf die Fragen nach Sinn, Wert und Liebe aus, er kennt nur funktionale Abläufe. Auch das muss man dann glauben, dass es sehr erwachsen ist, sich diese vermeintlichen Kinderfragen oder religiösen Fragen nicht mehr zu stellen.
Du erlebst aber gerade, dass diese Verdrängung Grenzen hat und jeder Mensch mit Angststörung steht in etwa vor denselben Fragen. Die Glaubensgemeinschaft der Naturalisten hat auch ihre Antworten: falsches Lernen, das kann man auch wieder umlernen, die neuen Bahnungen werden immer dicker, aus Trampelpfaden werden Autobahnen und dann ist hirnanatomisch alles wieder tacko, wenn man es schafft so oberflächlich zu bleiben und nicht tiefer einsteigt, denn auch der Biologismus kennt seine Schicksalsecken, Behauptungen der Unkorrigierbarkeit.
Du pendelst zwischen beiden Weltbildern, was nicht schlimm ist. Du musst Dich auch nicht entscheiden, viele Menschen sind so sozialisiert, wie Du, wir haben mehr oder weniger große religiöse Reste in den Knochen und mehr noch, die Antworten des Naturalismus, reflektieren aber heute erst, dass seine erklärende Kraft versiegt. Das war vor 200 Jahren ganz anders.
Zitat von Immaculatus: Überhaupt kann man auch die These aufstellen dass man den Zustand einer Kultur/ Zivilisation auch genau daran erkennt wie sie mit Tod und Vergänglichkeit umgeht.
Und es wurde ja auch schon vielfach getan. Wir sind da eher unreif, aber der Eurozentrismus lässt uns etwas chauvinistisch in andere Teile der Welt blicken und will uns Glauben machen, dass wir doch alles in allem sehr viel weiter sind. Das dreht sich gerade, bei den etwas reflektierteren.
Zitat von Immaculatus: Man schau sich Friedhöfe des 19 Jahrhunderts an und die heutigen anonymen Gräberfelder ,oder auch die Urnenhochtürme. Gropiusstadt für Asche. Praktisch wiedervendbar, wenn die Liegezeit der Vorgängerasche abgelaufen ist Einmla wässrig durchwischen der nächste bitte.
Ja, der Funktionalismus, vielleicht die größte unreflektierte Seuche, weil das zentrale Dogma des Naturalismus. Nutzen, statt Sinn.
Nur, in Dir und mir sitzt eben auch ein Naturalist, wir sind voll davon und wir können dieses Weltbild auch nicht auslöschen, wir können auch nicht unbedingt den Schritt zurück machen, in ein religiöses Weltbild, aber wir können reflektieren, dass beides Weltbilder sind, nicht unbedingt Wahrheiten.
Diese Weltbilder haben im besten Fall eine Folgerichtigkeit oder Kohärenz, die uns trägt, weil eine innere Struktur wichtig ist, die wird bei Angststörungen durcheinandergewirbelt.