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Hallo allerseits,

bin schon länger stiller Mitleser und will auf diesem Wege meinen bisherigen, noch recht kurzen, Leidensweg mit euch teilen.

Ich hatte meine erste Panikattacke am 25. Dezember 2023 abends, direkt nach dem Joggen.
Dachte ich habe einen Herzinfarkt und sterbe (mit Anfang 30, kein Alk., gesunde Ernährung, regelmäßiger Sport, kein Rauchen/keine Dro.) - schrecklichste Erfahrung meines Lebens.
Notarzt und Krankenwagen gerufen - 3 Tage ins KH - nichts gefunden; Diagnose: Panikattacke.
Seitdem ist nichts mehr wie es war. Hatte im Nachgang noch etliche Besuche bei Ärzten (Internist, Augenarzt, Neurologe, HNO-Arzt) - alles ohne Befund. Ich war immer der Meinung meinen Körper gut zu kennen und ich beharrte auf einen physiologischen Befund - nur gibt es den bis jetzt noch nicht. Gegenteiliges ist der Fall, bin kerngesund (körperlich).

Dann auf Anraten meines Onkels (Allgemeinmediziner) Psychotherapie. Anfang März habe ich einen Psychiater aufgesucht und mit medikamentöser Behandlung angefangen (Escitalopram 5mg/10mg/20mg; Trittico retard 50mg, 0,25 - 0,5mg Alprazolam im Notfall). Anfangs Besserung eingetreten, aktuell ist meine Lage recht durchwachsen. Ein paar Tage gut, ein paar Tage schlecht.
Diagnose beim Psychiater: Angststörung/Herzphobie

Konnte 2 1/2 Monate keinen Sport mehr ausüben (davor jede Woche 3 - 4mal), da ich Angst habe ich mute meinem Körper zuviel zu und kippe um. Zu Beginn hatte ich Angst einzuschlafen, weil ich der festen Überzeugung war mein Herz wird aufhören zu schlagen. Die Angst fixierte sich anfangs immer auf den Brust/Herzbereich, dann Kopf (nach Auftreten von Kopfschmerzen/Schwindel) und dann je nachdem welches Körperteil sich gerade bemerkbar machte.

Symptome die mich seit der Panikattacke begleiten
- Schwindel, Benommenheit
- Gefühl etwas Schlimmes passiert
- Kribbeln/Taubheitsgefühle im Gesicht/Arm
- Stechen im Brustbereich
- Druck im Brustbereich
- gelegentlich Kopfschmerzen (hatte ich früher NIE!)
- Gefühl der Kurzatmigkeit
- Müdigkeit
- Muskelstechen

Wäre ich nicht privatversichert, hätten mich die letzten paar Monate ein Vermögen gekostet. Zu der ganzen Behandlung hab ich mir dann peace of mind Produkte wie KardiaMobile, Pulsoximeter, Blutdruckgerät, etliche homoöpathische Mittel gekauft. Des Weiteren Besuch beim Energetiker etc - an jedem Strohhalm hab ich mich festgehalten. Anxious Truth und Psychast Podcast durchgehört, 5 oder 6 Bücher zum Thema gelesen (uA Claire Weeks etc). Ich verstehe die physiologische Komponente und mir ist bewusst dass viele meiner Symptome von der Angst ausgelöst werden. Noch dazu bin ich ein pragmatischer Mensch und brauche auf meine Fragen eine wissenschaftlich belegte Antwort. Sobald irgendwo ein stechen, ziehen, Schmerz, Schwindel etc. auftritt, werf ich die Rationalität über Bord und die Angst übermannt mich.

Hätte mir jemand vor einem halben Jahr erzählt, dass ich aktuell meinen Körper in Frage stelle und jegliches Symptom als mein Todesurteil auslege (speziell mein Herz - ich war immer stolz auf meinen niedrigen Ruhepuls etc.) - ich hätte es nicht für möglich gehalten.

Gibt es hier Personen mit ähnlichen Erfahrungen?

Meine Psychotherapeutin hat mich neulich gefragt, was wäre wenn ich eines morgens aufwache und alles wäre weg? Wie würde ich mich fühlen? Meine Antwort: frei!

Danke für's Lesen.

Schöne Grüße aus Österreich

11.05.2024 19:50 • 09.07.2024 x 19 #1


244 Antworten ↓


Hallo und Willkommen @FrancesTheMute!

Wohl keiner von uns hätte gedacht, überhaupt jemals von einer Angststörung und deren ganzen Begleitsymptomen gepackt zu werden. Noch heute, 10 Jahre später, bin ich manchmal fast sprachlos, zu was unser Geist und Körper in der Lage sind, um uns aufmerksam werden zu lassen. Ich habe tiefe Täler durchwandert und konnte Vieles über mich selbst lernen. Ich hätte trotzdem gerne verzichtet.

Du schreibst, dass Deine Symptome durch die Angst ausgelöst werden. Das stimmt. Wäre es aber nicht viel wichtiger, Dir die Frage zu stellen, was Deine Angst auslöst?

Wir halten uns gerne an klinisch belegten Fakten fest, wollen auf Alles eine rationale Antwort. Alles schön im Raster halten und daran festklammern. Leider funktioniert das Leben aber nicht so einfach und wehe, das Raster kommt ins Wackeln, dann fangen wir an zu straucheln. Vielleicht liegt genau darin aber die Chance zu wachsen und das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden zu lernen?

Vertraue Deinem Körper. Er weiß, was er tut und warum er so und nicht anders reagiert. Ängste werden meistens über einen längeren bzw. sehr langen Zeitraum kompensiert, bis das Fass überläuft. Diese Ängste müssen Dir gar nicht mal bewusst sein, begebe Dich auf Spurensuche.

Du möchtest morgens also aufwachen, alles wäre weg und Du wärest endlich frei? Mein erster Impulsgedanke hierzu wäre: Kann ich gut verstehen! Und der darauf folgende Gedanke ist: Schade - Du hättest viel über Dich lernen können.

Liebe Grüße, Perle

A


Wie eine Panikattacke mein Leben veränderte

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@FrancesTheMute Hallo und Willkommen du hast ja schon alle Hebel in Bewegung gesetzt und alles dafür getan dass es dir besser geht. Die frage konntest du einen Auslöser finden vielleicht in der Kindheit oder aktuellen Situation der deine Angst Störung ausgelöst hat?

Guten Morgen,

vielen Dank für eure Antworten!

Grundsätzlich meine ich die Frage Warum Panikattacke, recht schnell geklärt zu haben. Letztes Jahr trafen sehr viele einschneidende Lebensereignisse, neue verantwortungsvolle Jobposition, Studium, privater Stress etc. aufeinander. Retrospektive gab es viele Warnsignale, welche ich gekonnt ignoriert habe. Nach dieser Reflektion war zumindest die Panikattacke für mich erklärbar - auch wenn ich zu Beginn mit der Diagnose nichts anfangen konnte.

Zu kämpfen habe ich tatsächlich immer noch mit der Akzeptanz der Situation. Es macht mich teilweise regelrecht wütend, dass ich mein Leben der Krankheit angepasst habe und ich mich in gewissen Situationen aktiv beschneide, nur um dieses Sicherheitsgefühl zu erlangen - welches ja in Wahrheit lediglich eine Illusion ist.
Des weiteren, und das beschäftigt mich immens, bleibt der Vertrauensverlust gegenüber meinem eigenen Körper. Vor der Attacke war ich von meiner Gesundheit sehr überzeugt, war regelrecht stolz auf meinen Ruhepuls, selten beim Arzt, wenig - keine Beschwerden. In den letzten 5 Monaten hatte ich nie dieses Gefühl der Leichtigkeit bzw. Gesundheit. Im Unterbewusstsein hat sich der Gedanke Irgendwas stimmt mit mir nicht manifestiert und ich werde ihn nicht los. Deshalb belaste ich mich und meinen Körper in einem geringen Ausmaß. Oft wache ich auf und erlebe die Situation als surreal, als ob alles nur ein böser Traum wäre.

Warum ich plötzlich diese Angst habe, etwas stimmt mit mir nicht bzw. ich jedes Symptom als Todesurteil deute - wahrscheinlich spielt hier viel die Geburt meines Kindes mit. Sie nicht aufwachsen zu sehen, nicht für sie da zu sein. Möglicherweise spielt hier auch der Umstand meiner Kindheit mit, welche grundsätzlich schön, aber durch die Trennung meiner Eltern auch nicht einfach war.

Mein Fokus liegt aktuell darauf, meinem Körper wieder mehr zu vertrauen und nicht bei jedem unangenehmen Gefühl in Katastrophendenken zu verfallen.

Danke für's Lesen.

Liebe Grüße

Zitat von FrancesTheMute:
Konnte 2 1/2 Monate keinen Sport mehr ausüben (davor jede Woche 3 - 4mal), da ich Angst habe ich mute meinem Körper zuviel zu und kippe um.

Aber genau das müsstest du tun. Sport ist immer ein entscheidender Teil der Behandlung in psychosomatischen Kliniken. Beim Sport werden Stresshormone abgebaut, die Panikattacken verursachen, und Serotonin gebildet, das für das psychische Wohlbefinden verantwortlich sind. Umkippen tut man, wenn der Blutdruck im Keller ist und das ist er beim Sport genau nicht. Wenn ärztlich ausgeschlossen wurde, dass dein Herz nicht in Ordnung ist, spricht absolut nichts gegen Sport.
Zitat von FrancesTheMute:
Gibt es hier Personen mit ähnlichen Erfahrungen?

Schau dich doch mal im Forum um. Die meisten haben solche Erfahrungen, teilweise schon seit Jahren. Soweit ich verstanddn habe, hattest du nur diese eine Attacke bisher. Viele hier haben mehrmals täglich welche.

Hallo @FrancesTheMute

Vielen Dank für Deine Geschichte.

Zitat:
Ich war immer der Meinung meinen Körper gut zu kennen und ich beharrte auf einen physiologischen Befund - nur gibt es den bis jetzt noch nicht. Gegenteiliges ist der Fall, bin kerngesund (körperlich).


Das klingt als hättest Du wie ich diese starken Zweifel, dass dem wirklich so sein könnte.

Denn obwohl es kerngesund bei mir nicht ganz trifft (seit 3 Monaten eine Gastritis, vmtl. als Folge der emotionalen Belastung) deute ich seit Anfang des Jahres, nach einer Serie von Panikattacken und Besuchen der Notfallambulanz, viele, wenn auch nicht alle körperliche Veränderungen als lebensbedrohliche Krankheitssymptome.

Zitat:
Sobald irgendwo ein stechen, ziehen, Schmerz, Schwindel etc. auftritt, werf ich die Rationalität über Bord und die Angst übermannt mich.


Dito.

Wie mir meine Psychologin dazu sagte: Ihr Wunsch körperliche Missempfindungen wissenschaftlich zu rationalisieren ist verständlich, weil sie ein wissenschaftlicher Mensch sind, aber was, wenn ich ihnen sage, dass ihnen die Antwort, warum sie diese Angst empfinden, rational nicht zugänglich ist?

Ich musste lange überlegen und könnte diverse Ängste benennen, aber eben auch nur die Ängste (Krankheitsängste, Hypochondrie, Kontrollverlust, fehlendes Sicherheitsgefühl, Angst mein Leben mit 39 noch gar nicht richtig gelebt zu haben, usw usf) und nicht was genau die emotionale Ursache dafür ist.

Warum hat sich meine Wahrnehmung, obwohl ich schon vorher um diesen, im Grunde nihilistischen Umstand wusste, auf diese Erkenntnisse verschoben, dass nichts im Leben wirklich sicher und von Bestand ist? Weil ich ein gesundheitliches Problem (Initial mit meinem Zahn) hatte? Seit wann stirbt man von Zahnschmerzen?

Etwas zu wissen und etwas zu fühlen, sind zwei paar Schuhe.

Ich kann es bis heute nicht wirklich benennen.

Zitat:
Im Unterbewusstsein hat sich der Gedanke Irgendwas stimmt mit mir nicht manifestiert und ich werde ihn nicht los. Deshalb belaste ich mich und meinen Körper in einem geringen Ausmaß. Oft wache ich auf und erlebe die Situation als surreal, als ob alles nur ein böser Traum wäre.


Kann es möglich sein, dass sich neben Deiner Angst/Panikstörung eine somatisierte Depression versteckt, die Dir selbst vielleicht gar nicht bewusst ist?

Die Katastrophisierung ist so ein typisches Merkmal einer Depression, die auch gerne mit Angst/Panikstörungen zusammengeht, um einen emotionalen Affekt, der verdrängt wird physiologisch spürbar zu machen.

Zitat von FrancesTheMute:
ich jedes Symptom als Todesurteil deute

Du hast eigentlich mit Deinem Thema «Leben nach dem Tod – was denkt ihr» eine Tür aufgestossen, dass die Grundsäule Deiner Angst zeigt. Und obwohl Dein Leitspruch «die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung» ist, fürchtest Du diese. So geht es mir auch. Alle, die von dieser Tatsache gepackt, erfasst und gerüttelt werden, müssen wohl oder übel in ihr Wesen eintauchen, um mit neuer Erkenntnis über sich selbst wieder aufzutauchen.

Guten Morgen @FrancesTheMute

deinen Ausführungen nach war dein Leben bis zu Deiner ersten Panikattacke für dich kontrollierbar und du hast gut oder vielleicht auch perfekt im Leben inklusive Studium und Beruf funktioniert. Damit bist du so ziemlich das genaue Gegenteil von mir und wahrscheinlich auch vielen anderen hier im Forum, deren gesundheitlichen Probleme wie z.B. psychische Erkrankungen bis in die Jugend und teilweise sogar bis in die Kindheit zurückgehen.

Ich habe ehrlich gesagt ein zwiespältiges Verhältnis zu Ratschlägen, weil sie oftmals auch etwas Belehrendes an sich haben, aber ich möchte trotzdem einige Anregungen geben. Ob diese Anregungen für dich passen, weiß ich nicht, hoffe aber, dass sie nicht anmaßend sind, denn so sind sie definitiv nicht gemeint.

Nun zu den Anregungen:
Wenn ich in deiner Situation wäre, würde ich meine Arbeitszeit reduzieren um mehr Zeit für das persönliche Leben zu haben. Zeit zur Ruhe zu kommen, Zeit für Frau und Kind und Zeit für sich selbst. Ich würde versuchen auch die privaten Anforderungen auf ein verkraftbares Maß zu reduzieren. Darüber hast du nichts geschrieben, daher ist unklar ob du dich auch im Privatleben von Herausforderungen von der Geburt des eigenen Kindes und die Fürsorge für das Kind abgesehen gestresst fühlst. Für mich wären soziale Kontakte wie Freunde treffen und ähnliches nicht nur etwas angenehmes sondern auch etwas was viel Kraft kostet. Soziale Kontakte sind ein Lebenselixier, aber für mich z.B. nur in Maßen genießbar.

Das Problem sind oftmals auch die Zwänge denen man zunächst einmal nicht so ohne weiteres entkommen kann. Arbeiten und Geld verdienen. Soziale und gesellschaftliche Anforderungen oder sogar Ansprüche denen man sich ausgesetzt fühlt. Ich kann all diese Anforderungen zum größten Teil nicht erfüllen. Ich vermute mal, dass du bisher die Anforderungen gesellschaftlich, beruflich und privat erfüllt hast. Aber dann ist einiges zusammengenommen, das wie du berichtet hast sehr belastend oder zumindest herausfordernd für dich war. Anscheinend haben dein Körper und deine Seele dann die Notbremse gezogen.

Ich hoffe, dass du für dich einen Weg findest um die Notbremse zu lösen und ein für dich gutes Leben einzurichten, so dass die Panikattacke und die darauf folgenden Monate “nur” ein Schuss vor den Bug waren.

@Tintan

Zitat:
Alle, die von dieser Tatsache gepackt, erfasst und gerüttelt werden, müssen wohl oder übel in ihr Wesen eintauchen, um mit neuer Erkenntnis über sich selbst wieder aufzutauchen.


Bei mir hängt es uA mit der Auseinandersetzung mit Nietzsche und Zarathustra zusammen.

Diese Ausdeutung der Lebensphilosophie hat mir in ihrer Radikalität dermaßen rabiat den Boden unter den Füßen weggezogen, dass ich noch wochenlang darüber nachdenken musste wie weit entfernt ich tugendhaft von meiner kindlichen Selbstverwirklichung gelandet bin und wie wenig Zeit/Gelegenheit/Möglichkeit/Kraft ich noch besitze, daran (also an mir selbst) etwas grundlegendes zu ändern, um darüber mein Glück zu finden.

@FrancesTheMute
Noch eine praktische Frage: Würde es dir helfen, wenn du mit jemandem, der von deinem Problem weiß und dem du vollkommen vertraust, gemeinsam Sport machen würdest?

Zitat von illum:
Diese Ausdeutung der Lebensphilosophie hat mir in ihrer Radikalität dermaßen rabiat den Boden unter den Füßen weggezogen

Ja, man könnte in der Welt verzweifeln und in der Tat bin ich das schon oft. Religion und Wissenschaft (Philosophie) sind teils zu einseitig und begrenzt, um uns eine bleibende Festung geben zu können. Wir alle müssen für uns selbst den Weg finden, der für uns stimmig ist. Am Schluss zählt nur, mit welcher Erkenntnis man über die Schwelle tritt, also mit wieviel Erfahrung, Zuversicht und Frieden wir die Welt wieder verlassen können.

Hey, bin auch 34 - hatte die selbe Erfahrung aber bereits 2011. Seitdem lebe ich damit. Mal gut, mal richtig schlecht. Ich konnte damals aber absolut nichts mehr - nicht mehr arbeiten, geschweige denn das Haus verlassen. Mittlerweile gehe ich normal wieder arbeiten.. wenns mich wieder mal umhaut, dann am Wochenende, so wie an diesem. Wenn du jemanden brauchst, mit dem du schreiben kannst, wenn du ne Panikattacke bekommst, meld dich gern einfach. Mir hat damals immer sehr geholfen. Ansonsten empfehle ich dir Tromcardin complex. Das nehme ich tatsächlich seit 2011 und merke, dass es mir ohne deutlich schlechter geht. Alles Gute für dich!

Das sogenannte “Bauchhirn” oder auch Themen wie die Darm-Hirn-Achse und Forschungsergebnisse im Bereich der neurologischen und psychischen Erkrankungen weisen darauf hin, dass der Darm mehr als “nur” ein Verdauungssystem ist. Die Forschung steht bei diesem Thema noch in den Kinderschuhen, aber einiges deutet darauf, dass der Darm einen Einfluss auf das Gehirn und damit auch auf die Psyche hat. Das ist sehr knapp und vereinfacht zusammengefasst.

Da frage ich mich gerade auch in Hinblick auf dieses Thema hier, ob diejenigen, die aus einem (scheinbar) normalen Leben ohne vorherige psychische oder neurologische Erkrankungen herausgerissen wurden und dann schwer erkrankt sind, ob es außer mental belastenden Ereignissen körperliche Belastungen wie z.B. eine Antibiotikatherapie oder anderes gegeben hat, was das “Bauchhirn” irgendwie aus dem Gleichgewicht gebracht haben könnte.
Ein Beispiel für das, was ich meine:
Meine Mutter musste wegen wiederholter Blasenentzündung zwei Antibiotikatherapien machen und ist danach schwer depressiv geworden. Im Grunde genommen hat sie sich bis heute nicht davon erholt. Der Nachweis, dass die Antibiotika die Ursache für den schweren Depressionsschub waren, ist natürlich nicht möglich. Antibiotika greifen aber schon teilweise ziemlich drastisch ein und können die Darmflora beeinträchtigen.

Ist jemandem etwas ähnliches passiert?

Hallo allerseits,

vielen Dank für eure Beiträge, Ratschläge und euer Feedback.

Um die Sachlage etwas genauer darzustellen, werde ich ein wenig ausholen.

Die erste Panikattacke blieb nicht die Einzige. Darauffolgend habe ich immer wieder Panikattacken erlebt, nur nicht in der Intensität der Ersten. Aber schlimm genug, um zumindest etliche Arztbesuche über mich ergehen zu lassen oder beim Hausarzt vorstellig zu werden. (Nach dem Motto: Aber dieses Mal ist es was ERNSTES!).
Natürlich habe ich immer versucht einen Zusammenhang bei den auslösenden Situationen zu suchen. Dies war jedoch zu kurz gedacht, da hier für mich keine Kausalität zu erkennen war.

Aber wie ging es nachdem Krankenaufenthalt weiter? Nach der Entlassung war ich natürlich völlig durch den Wind. Zuhause angekommen war ich immer noch der festen Überzeugung, dass ich gleich umkippe und sterbe. Dementsprechend phlegmatisch war mein Tagesablauf. Dennoch schaffte ich es zumindest 1h am Tag spazieren zu gehen, obwohl ich geplagt war von Brustschmerzen, Schwindel, Kribbeln in der Brust/Extremitäten etc. Abends lag ich immer auf der Couch und habe Bücher und Podcasts über das Thema Angststörung/Hyperchondrie verschlungen. Ablenken fiel mir schwer, jede Palpitation und jeder Herzschlag den ich gespürt habe, hat mich in Panik versetzt. 2 Wochen nachdem Krankenhaus hatte ich noch einen Termin beim Internisten, zwecks Belastungs EKG - aber natürlich alles passend, kerngesund und fit.

Während dieser Zeit war ich krankgeschrieben bis Ende Jänner. Zum Glück hatte mein Chef Verständnis, da er dieselbe Problematik hatte. Jedenfalls ging es mir nachdem Termin beim Internisten von Tag zu Tag besser und ich versuchte wieder Laufen zu gehen - blöde Idee, hatte wieder eine Panikattacke und war gefühlt wieder bei 0. In diesem Tempo hangelte ich mich von Woche zu Woche, mal besser, mal schlechter. Mit Ende Jänner hab ich wieder angefangen zu arbeiten. Den Ängsten tat diese keinen Abbruch, war immer der Meinung es könnte jeden Moment etwas Schlimmes passieren - meist Herzstillstand oder Herzinfarkt.

Mitte Februar fingen meine Schwindelbeschwerden an, welche dann den Fokus auf meinen Kopf richtete. Direkt Kopf MRT gemacht - natürlich ohne Befund. Dann hatte ich plötzlich Taubheitsgefühle und Kribbeln im Gesicht und linken Arm. Termin beim Neurologen - ohne Befund. Im Anschluss hatte ich Mücken in den Augen und mutmaßte meine Netzhaut geht ab. Sofort zum Augenarzt - gab zwar einen Befund, aber nichts Dramatisches. Der Leidensdruck war Ende Februar so groß, dass ich einen Psychiater aufsuchte. Dieser empfahl mir eine Behandlung mit Escitalopram und Trittico retard, bei Notfällen Alprazolam. Letzteres hat mir schon Anfang Jänner mein Hausarzt verschrieben, welches ich lediglich in Ausnahmesituationen nahm - aus Angst vor der Abhängigkeit.
Mithilfe vom Escitalopram schaffte ich es langsam wieder zurück und ich konnte sogar wieder Sport machen. Zwar immer mit angezogener Handbremse - aber immerhin. Im gesellschaftlichen Konstrukt funktionierte ich auch großteils. Das heißt ich nahm wieder mehr am Familienleben teil und traff mich ebenso mit Freunden. Arbeiten funktionierte bis auf ein paar schlechtere Tage auch recht gut. Nach Vor ca. 3 Wochen hatte ich wieder einen ziemlichen Durchhänger und meine Dosis wurde auf 20mg erhöht. Auch die Einnahme von Alprazolam fand leider immer öfters statt (jedoch immer 0,25mg - in Ausnahmen 0,5mg). Die Benommenheits- und Schwindelgefühle wurden auch immer mehr und sind bis zum heutigen Tag sehr ausgeprägt. Sie versetzen mich nicht in Panik, nerven mich aber.
Nun seit ein paar Tagen durchquere ich wieder eine schlechtere Phase. Jedes körperliche Symptom versetzt mich in Angst und im Prinzip erwarte ich jede Sekunde eine Katastrophe.

Simultan habe ich eine Psychotherapie begonnen. Diese half mir das letzte Jahr zu reflektieren und Auslöser für die Situation festzumachen. Vieles wird wohl auf die Geburt meiner Tochter zurückzuführen sein und die Verantwortung, welcher ich mich dahingehend stellen muss. Ich selbe hatte eine glückliche Kindheit, musste jedoch eine Trennung durchleben. Mein Vater war selten für mich da, vielleicht habe ich Angst dieser Rolle nicht gerecht zu werden. Deshalb auch immer die Katastrophendiagnosen - es gibt nichts rationales, bei mir endet alles mit dem worst case. Daher auch der Ansatz, dass meine Urangst wohl aus dem Angst vor dem Tod entspringt ist durchaus plausibel. Aber nicht weil ich Angst habe nicht mehr zu existieren (zwar ein unangenehmer Gedanke), aber was wird dann aus meiner Familie wenn ich nicht mehr hier bin?
Aufgrund dieser Erfahrung habe ich auch meine Arbeitszeiten reduziert und gewissen Änderungen im Leben veranlasst, welche ich ohne diesen Einschnitt wohl nicht gemacht hätte. Von dem her habe ich diesen Schuss vor dem Bug durchaus verstanden.

Mein Urvertrauen in meinen Körper ist auch hinüber und das macht mir sehr zu schaffen. Ich war immer der Meinung mich gut zu kennen. Und dies wurde mir letztlich zum Verhängnis. Vermeintlich wusste ich immer was mein Körper braucht, jetzt verstehe ich nichts mehr. Ich deute alles völlig falsch.

Ich erdreiste mir zu behaupten ein sehr reflektierter Mensch zu sein. Ebenso habe ich alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit es mir besser geht - vielleich zu viele. Mir ist ebenfalls bewusst dass meine Reise noch keine lange ist, leider Gottes ist Geduld keine Tugend meinerseits.
Meine Perspektive gegenüber Gesundheit/psychischer Gesundheit hat sich völli gewandelt und ich sehe viele Dinge in einem anderen Licht. Ich wünsche diese Erkrankung nicht mal meinem ärgsten Feind und ziehe meinen Hut vor allen Leidensgenossen, welche diese Bürde schon über Jahre hinweg tragen müssen.

Abschließend sei noch gesagt, die Verbindung von Angst und Depression wird ja öfters thematisiert. Und ich verstehe das total. Es gibt Tage, an denen ich einfach keine Lust mehr habe mit diesen Zuständen leben zu müssen. Ich will einfach wieder der Alte sein, zumindest in diesem Moment - auch wenn das heißen würde, die ein oder andere Erkenntnis wieder zu verlieren.

Wohin und wie lange meine Reise noch dauert kann ich nicht sagen. Es tut aber gut eure Ratschläge, Meinungen und Erfahrungen zu lesen.

In diesem Sinne bedanke ich mich für die Zeit!

Liebe Grüße

Zitat von illum:
Hallo @FrancesTheMute Vielen Dank für Deine Geschichte. Das klingt als hättest Du wie ich diese starken Zweifel, dass dem wirklich so sein könnte. Denn obwohl es kerngesund bei mir nicht ganz trifft (seit 3 Monaten eine Gastritis, vmtl. als Folge der emotionalen Belastung) deute ich seit Anfang des Jahres, nach ...

Danke für den Hinweis mit der somatisierten Depression. In diese Richtung hatte ich nie geforscht, war immer fest davon überzeugt bei mir handelt es sich um eine klassische Angststörung.

@FrancesTheMute

Tut mir sehr leid, dass du Angststörungen/Hypochondrie/Herzphobie entwickelt hast.
Ich kann das gut nachvollziehen, weil ich ähnliche Probleme hatte und teils immer noch habe (neben Depression, welche sehr oft Hand in Hand mit Angststörungen anklopft - wurde hier aber auch schon erwähnt).

Es wurde hier schon viel Gutes geschrieben. Daher nur noch ein paar Dinge, die mir einfallen:

Zitat von FrancesTheMute:
hab ich mir dann peace of mind Produkte wie KardiaMobile, Pulsoximeter, Blutdruckgerät, etliche homoöpathische Mittel gekauft.

Die Überwachungsgeräte halte ich für absolut kontraproduktiv.
Das ist der typische, klassische Hypochonder-Verlauf, nämlich zu denken, man könnte/müsste ständig seinen Körper/Puls/Blutdruck usw. messen/beobachten mit irgendwelchen Geräten. Du verstärkst damit nur noch mehr die Aufmerksamkeit auf deinen Körper. Genau das sollte eben nicht erfolgen. Du solltest eher lernen, nicht mehr so in deinen Körper hineinzuhorchen und jedes Zwicken und jeden Herzstolperer intensiv wahrzunehmen. Ziel ist, loslassen zu können mit Vertrauen in den Körper. Das dauert seine Zeit, aber obige Geräte samt Nutzung dieser verhindern genau das.

Eine Frage noch und auch ein wichtiger Punkt:
Googelst du regelmäßig Symptome und (Herz)Krankheiten im Internet?
Auch das ist so ein typisches Hypochonder-Ding.
Bei mir hat das Googeln meine (Herz)Ängste damals noch massiv verstärkt.
Also auch das bitte unbedingt sein lassen, so schwer es auch ist.

Man muss verstehen, wie Hypochonder ticken (sollte in guten Therapien erklärt werden).
Hypochonder gieren nach Kontrolle ihres Körpers/Körperfunktionen und wollen fast zwanghaft sozusagen die Herrschaft über ihre Körperfunktionen erhalten und so verhindern, dass etwas Schlimmes passiert. Deshalb versuchen sie, durch Googeln und auch Aneignen von sehr viel medizinischem Fachwissen kombiniert mit Überwachungsgeräten (Smartwatch, Blutdruckmessgerät usw) sozusagen Herr über ihren Körper/ihre Gesundheit zu werden. Sie erreichen durch diesen Drang nach Kontrolle aber genau das Gegenteil dessen, was ihre Ängste bessern sollte, weil sich das gesamte Leben und die Aufmerksamkeit nur noch um den eigenen Körper und dessen Reaktionen dreht.

Also:
Versuchen, zu verinnerlichen, dass das Vertrauen in deinen gesunden Körper (du bist von Ärzten zigfach durchgecheckt und damit kerngesund!) nur zurück kommt durch Loslassen und Aufgeben der Kontrolle! Das ist unfassbar schwer am Anfang, wird aber mit der Zeit werden mit guter Therapie und etwas Disziplin.

Ich wünsch Dir viel Kraft dafür!

Zitat von SteveRogers:
@FrancesTheMute Tut mir sehr leid, dass du Angststörungen/Hypochondrie/Herzphobie entwickelt hast. Ich kann das gut nachvollziehen, weil ich ähnliche Probleme hatte und teils immer noch habe (neben Depression, welche sehr oft Hand in Hand mit Angststörungen anklopft - wurde hier aber auch schon erwähnt). Es wurde ...


Vielen Dank für deine Ratschläge.
Ich stimme dir zu, diese Geräte sind mehr Fluch als Segen. Versuche sie auch wenig - gar nicht zu verwenden.
Das Googlen der Symptome habe ich ebenfalls eingestellt, weil ich weiß dass das zu nix führt und nur kontraproduktiv ist.
Bin mir auch darüber im Klaren, dass dieser Kontrollzwang ein Teil der Misere ist. Die 100 prozentige Sicherheit dass alles in Ordnung ist, gibt es so oder so nicht. Vor meiner Panikattacke war mir das auch egal, aber diese Extremsituation und die feste Überzeugung dass ich sterbe, hat irgendwas in mir verändert. Und damit kämpfe ich tag-täglich. Mal mehr, mal weniger.
Sponsor-Mitgliedschaft

Vielleicht noch ein kleines Update:
Habe heute meinem Psychiater geschrieben dass die letzten paar Tage recht durchwachsen waren.
Daraufhin hat er mir schon einen stationaären Aufenthalt in der Psychiatrie vorgeschlagen, sollten wir es nicht in den Griff bekommen. Nächste Woche habe ich einen Termin um ggf. die Medikation umzustellen.

Aktuell:
20mg Escitalopram am Morgen
100mg Trittico retard an Abend
1x Lasea
Alprazolam bei Bedarf

Gegen einen stationären Aufenthalt spreche ich mich absolut aus. Ich funktioniere ja grundsätzlich. Denke das muss die letzte Instanz sein, falls der Leidensdruck zu groß wird und sich die Beschwerden über einen längeren Zeitraum ziehen.

Danke für's Lesen.

@FrancesTheMute

Klinikaufenthalte sind für mich auch nur dann eine Option, wenn ich “reif” dafür bin, es mir also richtig schlecht geht.

@all
Bisher bin ich noch keinen Ärzten begegnet die für dieses Thema offen waren. Dabei wäre es höchstwahrscheinlich ein Riesenschritt nach vorne, wenn das bei den “Praktikern” in der “Psychiatriebranche” mehr Beachtung finden würde.
https://www.spektrum.de/news/eine-psych...rm/1532597

Zitat von Chris_ohne_BBBB:
@FrancesTheMute Klinikaufenthalte sind für mich auch nur dann eine Option, wenn ich “reif” dafür bin, es mir also richtig schlecht geht. @all ...

Ich halte das für plausibel. Habe in Netz schon einige Ansätze gefunden, bei denen über die Umstellung der Ernährung tatsächlich eine Verbesserung bei Patienten zu beobachten ist

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Mira Weyer
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