Zitat von Sinnsucher: Es gibt nichts, was ich los haben muss von den Dingen. Die Dinge loszuwerden ist eigentlich nur Vermeidung, denn eigentlich muss ich auf das schauen, was in mir passiert.
Ein bedeutender Einsichtsschritt!
Zitat von Sinnsucher: Nicht die Dinge neben mir sind das Problem, sondern es geht um etwas anderes. Es geht um etwas erlebtes, was ich nicht in meinem Leben haben will. Ich will die Zeit zurückdrehen. Zurück zu der Zeit, wo das alles nicht war. Will das alles vergessen und zurück in meine alte Welt.
Richtig! Doch, wie oben schon festgestellt, kann weder die Zeit zurückgedreht, noch mein damaliges Ich-und-Welt-Erleben wiederhergestellt werden.
Zitat von Sinnsucher: Und da ist mir aufgefallen, dass es zweierlei Wut sind: 1) Die Tatsache, was damals passiert ist. Ich war machtlos, es sind Dinge passiert, worauf ich keinen Einfluss mehr hatte. Ganz schlimm. Ich hatte keine Kontrolle mehr über die Situation. Und 2) Die Tatsache, dass ich heute so drunter leide und mir so vieles um mich rum so belastet. D.h. ich muss auch noch mit den Folgen leben.
Deine Fähigkeit, diese Wut sowie deren Richtung zu betrachten, ist viel wert. Wir können also zwei Merkmale aus diesen beiden Kategorien extrahieren:
1. Kontrollverlust (damals)
2. Kontrollverlust (heute).
Was sich für Außenstehende vielleicht wie eine Farce liest, ist aber in unserem Fall bedeutsam: der tiefere und somit letztlich
einzig relevante Aspekt um den es geht, ist der
Kontrollverlust. Der Faktor Zeit (damals und heute) ist unerheblich. Und damit sind wir wieder beim Thema:
Zitat von moo: Ergo: Obwohl die Existenzangst gerne auf die Objektfurcht umgeleitet wird, besteht zwischen den beiden lediglich eine strukturelle Verbindung.
Und diese strukturelle Verbindung ist? Die
Angst vor Kontrollverlust und die erwächst naturgemäß aus unserem Ich-Dünkel. Falls Du den oben verlinkten Exkurs aufmerksam durchgegangen bist, dürfte das hoffentlich halbwegs einleuchten. Aus meiner bisherigen persönlichen Erfahrung gibt es
keine andere Möglichkeit, der Existenzangst (und somit dem Kontrollzwang)
endgültig beizukommen, als genau diese Bedingung zu verstehen - und zwar
existenziell zu verstehen!
Wenn dieser Anspruch zu hoch erscheint oder Dir einfach zu unerfreulich anmutet, musst Du Dich halt irgendwie in Liga 2 (s. o.) arrangieren und mit der Existenzangst Waffenstillstand vereinbaren. Aber das funktioniert ebenfalls
niemals über die Objektfurcht.
Zitat von Sinnsucher: Ich weiß nicht, was ich mit dieser Wut machen soll. Ich habe schon gelernt, dass Wut häufig aus Ohnmacht heraus entsteht. Und ich denke, das ist es auch: Es ist die eigene Machtlosigkeit von damals. Das Gefühl die Kontrolle zu verlieren.
Genau - Machtlosigkeit/Kontrollverlust. Bei dem einen kommt dann Wut auf, bei dem anderen Trauer oder eben - Furcht. Ich persönlich bin eher der Furcht-Typ, d. h. Wut ist mir relativ fern, Trauer schon näher, Furcht ziemlich nah. Die Gründe für diese Charakterunterschiede zu finden, scheint mir eher müßig, aber vielleicht ist auch das eine Betrachtung wert?
Dass es jedoch zu diesen sekundären Emotionen kommt, liegt aber m. E. daran, dass die Existenzangst und ihre Umstände nicht verstanden werden.
Zitat von Sinnsucher: Dazu kommt das Ego: Die andere Person hat so viel Macht über mich gehabt und ich möchte dieses Machtverhältnis gerade rücken.
Was im Grunde
wieder nur den Kontrollverlust adressiert...
Zitat von Sinnsucher: Aber auch da fange ich an zu akzeptieren, dass das damals nun eben so war und ich werde es nie mehr ändern können.
Gut!
So, und nun kommt ein wichtiger Absatz:
Zitat von Sinnsucher: D.h. in Summe ist es so denke ich: Die Situation damals hat mir enorme Angst gemacht. Dieser Kontrollverlust, diese Dinge, die passiert sind ohne dass ich noch etwas tun konnte... daraus ist eine solche Existenzangst entstanden.
Ich würde eher sagen, dass die Existenzangst (die ja jedes menschliche Wesen idR hat) durch dieses Erlebnis
aktiv und aufgrund Deiner Beschäftigung damit erst sichtbar geworden ist. Es war schon immer zugegen, aber taucht nun auf an die Oberfläche. Oder, um wieder mal die Wurzelmetapher zu bemühen: Was man gut vergräbt, schlägt Wurzeln und drängt -
dadurch gestärkt - irgendwann ans Licht.
Zitat von Sinnsucher: Auch meine Vorstellung meines eigenen Egos, was ich kontrollieren kann, wurde angegriffen. Auf einmal war ich nicht mehr stark, die Dinge sind einfach passiert. Ich will nun diesen Zustand der Sicherheit wieder herstellen. Ich sehne mich anscheinend innerlich extrem stark nach meiner damaligen Illusion der Sicherheit und dem Bild von mir zurück. Wo ich stark war, wo ich nicht in die Situation kam, wo man mit mir machen konnte, was man will.
(Fettdruck von mir). Richtig,
Du sehnst Dich nach einer Illusion. Egal, ob diese Illusion aus der Vergangenheit stammt oder aus zukünftigen Luftschlössern. Wenn man ganz genau hinschaut,
sehnt sich eigentlich eine Illusion nach einer anderen Illusion. Das ist der höhere Loop, von dem ich eingangs sprach.
Zitat von Sinnsucher: Aber die Sicherheit gibt es nicht und ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Ich muss endlich akzeptieren, dass das so passiert ist.
Lass vielleicht noch den Zeitfaktor und das Geschehnis raus:
Akzeptiere Unsicherheit, solange das Ego (die Ich-Illusion) regiert! =
Existenzangst.
Zitat von Sinnsucher: Aber ich sehne mich danach zurück, weshalb ich alles, was damit zusammenhängt irgendwie los haben will. Das ist die Objektfurcht.
Korrekt! Die vollzogene Umleitung der Existenzangst (1. Liga) in die Objektfurcht (2. Liga).
Dass in der 2. Liga in Bezug auf die 1. Liga nichts zu holen ist, haben wir nun verstanden. Um nun nicht immer wieder denselben Fehler zu machen und dadurch regelmäßig wieder in die 2. Liga abzusteigen, versuche, Dich mit folgender Hypothese anzufreunden:
In der 1. Liga spielt nur eine einzige Mannschaft.Und das meine ich ganz ohne jede Pathetik oder Mystik. Alles, absolut alles geht vom Geist aus,
ist Geist...Subjekt und Objekt sind nicht voneinander getrennt, sind
Nicht-zwei. Eine Hand mit einer Ober- und einer Unterseite. Oben und Unten sind jedoch ebenfalls nur Konstrukte.
Alles ist genau so.
Es tut mir leid, dass sich das wohl wieder ziemlich philosophisch anhört. Aber wenn Du das einmal sehr unmittelbar erkannt hast, dann fallen sämtliche ideologischen Gedankengebäude in sich zusammen. Der, der sich nach Freiheit sehnt, erkennt, dass niemals Gefangenheit existiert hat. Lass Sicherheit und Unsicherheit los - was bleibt? Das Ego bildet sich sprichwörtlich aus Dualität.
Zitat von Sinnsucher: Manchmal denke ich mir, dass das eine ganz tolle und wichtige Zeit ist, weil das wohlbehütete Ich in mir nun lernt, dass eben nichts sicher ist. Das ist vielleicht ein mühsames Lernen, aber der Weg lohnt sich hoffentlich.
Ja, das sehe ich auch so.
Und noch mal unter der Lupe:
Zitat von Sinnsucher: weil das wohlbehütete Ich in mir nun lernt, dass eben nichts sicher ist
= die Illusion wird sich ihres Wesens bewusst. Tatsächlich ist das möglich, aber es tut erst mal ordentlich weh... Und die wenigsten unter uns wagen sich an diese Wurzel - verständlich, menschlich aber letztlich verhängnisvoll im wahrsten Sinne des Wortes.