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Perle
Hallo zusammen,

derzeit befinde ich mich in einer psychosomatischen Tagesklinik. Habe an anderer Stelle dieses Forums bereits von mir erzählt. Ich bin jetzt 46 Jahre alt.

Im Rahmen der Therapie wurde mir gesagt, dass meine Angst- und Panikstörung in Wirklichkeit eine über Jahre / Jahrzehnte unterdrückte Wut ist, die bereits im Kindesalter begann. Ich bin das dritte und jüngste Kind eines Alk. Vaters und einer frustrierten, launischen Mutter. Ich bin aufgrund dieser Situation traurig, gehemmt und isoliert aufgewachsen und habe meine Gefühle und Bedürfnisse immer zurück gehalten. Ich konnte immer schlecht Verbindungen zu Menschen aufbauen und wenn, dann meist nur oberflächlich. Diese Freundschaften hielten eigentlich nie (bis auf eine Freundin), da ich wohl nach außen hin emotionslos um nicht zu sagen langweilig erschien, in Wahrheit aber immer nur in mir selber gefangen war und meine Persönlichkeit nicht nach außen darstellen konnte.

Mir fehlte von Kindesbeinen an emotionale Wärme (auch körperlich) und ich konnte praktisch nie Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen, weder freundschaftlich noch eine Beziehung zu einem Mann eingehen. Ich hatte vor 17 Jahren meine letzte und einzige Beziehung.

Über die ganzen Jahren hat sich so viel Wut in mir angestaut. Wut auf meine Eltern, Wut auf mich, Wut auf andere. Ein Ereignis mit meinem Arbeitgeber im Frühjahr d. J., das von großer Enttäuschung und geprägt war, gab mir dann sozusagen den Rest und meine jahrelange innere Erkrankung brach in Form der Angststörung mit PA und starker somatischer Störung auf.

Was mich an der ganzen Sache verunsichert ist, dass ich scheinbar jegliches Gefühlsbewusstsein verloren habe. In der Tagesklinik werden wir immer gefragt: Welches Gefühl haben Sie gerade? Und ich kann darauf immer nicht antworten, weil ich mich innerlich wie tot fühle und darüber hinaus nichts spüre. Manchmal weine ich und das dann auch recht heftig. Fragt mich aber ein Therapeut, warum ich weine, so weiß ich darauf keine Antwort.

Man hat mir dort gesagt: Lassen Sie ihre Wut heraus - erst dann werden Ihre starken Ängste zurückgehen und irgendwann beendet sein. Solange Ihre Seele stumm bleibt, so lange wird Ihr Körper das Sprechen in Form von Herzrasen, Atemnot und Schwindel übernehmen!

Ich würde gerne sprechen - aber ich fühle die Wut nicht. Und deshalb kann ich sie auch nicht herauslassen. Was soll ich also tun? Was meint Ihr dazu und kennt Ihr auch aus Eurer Therapie die Aussage, dass Angst in Wirklichkeit Wut ist?

LG, Martina

22.11.2014 16:43 • 15.01.2015 #1


24 Antworten ↓


K
Zitat:
Und ich kann darauf immer nicht antworten, weil ich mich innerlich wie tot fühle und darüber hinaus nichts spüre
Manchmal weine ich und das dann auch recht heftig. Fragt mich aber ein Therapeut, warum ich weine, so weiß ich darauf keine Antwort.

Das ist typisch für eine Depression.

Zitat:
Was meint Ihr dazu und kennt Ihr auch aus Eurer Therapie die Aussage, dass Angst in Wirklichkeit Wut ist?

Die Psychologen müssen sich ja irgendetwas aus den Fingern saugen.
Das ist ihr Job sich irgendetwas logisch klingendes auszudenken.

Ob es aber so ist, ist ein ganz anderer Schuh.

Wenn du aber das Gefühl hast, dass dem nicht so ist, dann würde ich das auch sagen.

Zum Beispiel:
Nette Idee, netter Ansatz, hilft mir aber nicht weiter, daher höchstwahrscheinlich falsch und nicht zutreffend.

22.11.2014 17:18 • #2


A


Ist Angst in Wirklichkeit Wut?

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Owleander
Angst = Wut habe ich auch noch nicht gehört.

Was ich gehört habe und was mir auch logisch erscheint: Aggression (Wut) ist das Gegenteil von Depression.

Wenn die Psychologen also der Meinung sind, dass du Wut hast oder zumindest haben solltest, du die aber gar nicht fühlst, würde ich auch mal fragen ob sie nicht mal schauen könnten, ob da nicht eine Depression sein könnte.
Falls du unter Depressionen leidest und man diese in den Griff bekäme, dann wäre es auch möglich die Wut zu fühlen - oder überhaupt etwas zu fühlen.

Ich schließe mich Kern12 an. Nette Idee, aber scheinbar (noch) nicht der richtige Weg. Ich würde es den Leuten sagen.

22.11.2014 17:51 • #3


M
Ich habe mal gehört, dass es gut wäre um die Wut abzubauen:

in ein Kissen zu schlagen, in den Wald gehen und mal richtig zu schreien, oder mal laufen bis Du nicht mehr kannst. Du brauchst ein Ventil um diese Wut aus Dir rauszulassen. Kampfsport wäre auch eine Möglichkeit.

Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig helfen.

und alles Gute wünsche ich Dir.

LG
Mary

22.11.2014 22:03 • #4


Celestine
Hallo Martina,

ich glaube, dass Angst bei jedem Stellvertreter für was anderes ist. Bei dir ist es die Wut. ich finde es schon sehr beachtlich, dass Du Dir dessen bewusst bist, Du weißt zumindest schonmal dass Du wütend bist und auch worauf. das ist der erste Schritt. und irgendwann wid dieses Wissen dann den Weg in Dein Gefühlsleben finden und Du kannst es auch ausdrücken und raus lassen.
Überlege mal, wie lange dieses Gefühl bei Dir unterdrückt wurde...da kannst Du nicht erwarten, dass es jetzt so schnell sich zeigt. Auch wenn ich sehr gut verstehen kann,dass Dich das belastet...

Lieben Gruß

22.11.2014 22:08 • #5


Perle
Hallo,

ich habe vorhin noch zwei für mich wichtige Schritte getan, nachdem ich für mich selbst akzeptiert habe, dass mein persönliches Thema wohl tatsächlich die Wut ist (mag von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein).

Zum einen habe ich einem Kollegen, der mich mit seinem Verhalten wütend gemacht hat, eine email geschrieben, in der ich ihm mitteilte, dass ich sauer auf ihn bin und auch warum ich das bin! Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich habe ihn nicht in Grund und Boden versenkt aber ganz klar meine Meinung geschrieben und das ich eine Reaktion von ihm erwarte.

Und dann habe ich lange mit meiner Mutter telefoniert, ihr von meinem Wutproblem erzählt und dass es in der Kindheit bereits entstand. Habe ihr von meiner Traurigkeit und Einsamkeit schon im Kleinkindalter berichtet, welche große Angst ich hatte, wenn mein Vater wieder betrunken nach Hause kam und rumbrüllte. Dass ich Spielkameraden nach Hause schickte, damit sie ihn nicht sehen. Eben all diese Dinge. Sie war sehr betroffen, versuchte zu erklären, sich zu rechtfertigen etc. Ich sagte, es ginge hier nicht um Schuldzuweisung, sondern darum, dass ich das Erlebte mal ausspreche, so weh es allen Beteiligten auch tut. Es wäre ein Teil meines Heilungsprozesses und ich bat sie um Hilfe. Sie muss das jetzt erst einmal alles verdauen und das verstehe ich auch.

Ich bin sehr stolz auf mich!

LG, Martina

22.11.2014 23:24 • #6


Celestine
Und das zurecht! Wow, was Du Dich traust! Gratulation!

23.11.2014 00:02 • #7


Perle
Hallo,

vielen Dank Celestine!

Ich habe sehr unruhig geschlafen, da musste wohl vieles von gestern verarbeitet werden!

Bin etwas enttäuscht, da ich gerade recht heftige Symptome habe, Herzrasen, klamm-kalte Hände. In der Klinik wurde mir erklärt, dass die Angstzustände morgens am heftigsten sind, da die Gefühle da sozusagen noch pur sind. Im Laufe des Tages werden sie etwas besser, durch das am Tag erlebte. Sie werden dann sozusagen wieder gedeckelt. Bei mir ist das tatsächlich so. Ich habe immer starke Angst, morgens das Haus zu verlassen, meine Straße zur Bushaltestelle runterzugehen, an der Bushaltestelle zu stehen (bzw. hin und her zu gehen und die Sekunden zu zählen) und dann 30 Min. Bus zu fahren.

Auf dem Rückweg am Nachmittag kann ich um Einiges besser Busfahren und schaffe es manchmal sogar, noch etwas im Einkaufszentrum einzukaufen.

Ich bin manches Mal schon mit dem Taxi morgens zur Tagesklinik gefahren, da ich mich außer Stande fühlte, zu Fuß zu starten. Das kann ich mir auf Dauer finanziell nicht leisten wie Ihr Euch denken könnt. Ich weiß, es ist eine Vermeidungstaktik.

An sich wollte ich jetzt mal los zur Tanke, Zeitung etc. kaufen. Aber im Moment traue ich mich nicht. Ich werde es evtl. heute Mittag tun und vorher ein wenig die Straße auf und ab gehen, um mich einzugewöhnen. Ich hätte niemals gedacht, dass mich mal eine Angsterkrankung erwischen könnte (wer denkt das schon von sich). Das kann wirklich kein Mensch nachvollziehen, der noch nie in so einer Situation war.

LG, Martina

23.11.2014 10:43 • #8


Celestine
Guten Morgen Martina,

bei mir ist es genau umgekehrt. Abends und nachts suchen mich meine Ängste heim, meine Dämonen, wie ich sie manchmall nenne. Und in fast allen Fällen verschwinden sie wieder, wenn es hell wird, der Tag da ist. Jenachdem wie heftig die Nacht war, fühle ich mich dann natürlich total k.o., wie nach einem Marathon...

Du schaffst das bestimmt heute noch raus zu gehen! Ich finde es klasse, dass Du Dich immer wieder traust. Das klappt natürlich nicht immer, das ist klar.
Ich habe da mal eine nette Postkarte gesehen mit dem Spruch Wenn Du hinfällst, stehe wieder auf, richte Deine Krone und gehe weiter!

23.11.2014 11:12 • #9


Owleander
Wow!

Na da hast du wirklich Mut bewiesen, dass du deiner Mutter all das mitgeteilt hast. Hut ab!
Ich wünsche dir sehr, dass es dir bald besser geht

Und die Tanke schaffst du im Laufe des Tages auch noch, ganz bestimmt!

23.11.2014 11:20 • #10


Perle
Hallo Celestine,

haha, ja den Spruch kenne ich auch - gibt es sogar als Fußmatte!

Ich schreibe jeden Tag Tagebuch und auf dem Einband steht drauf: Ich schmeiß alles hin und werd Prinzessin!

Ob es wohl auf der Welt eine Prinzessin mit Angststörung gibt? Naja, die würde sich dann von ihrem Chauffeur fahren lassen und ihre Zofe zur Tanke schicken!

23.11.2014 11:23 • #11


K
@hamburg.meine.perle

Berichte bitte, ob diese Aktionen wirklich deinen Heilungsverlauf förderlich sind /waren

Wirst du ja in einigen Wochen sehen können

23.11.2014 11:25 • #12


Perle
Hallo Kern12,

klar, mache ich gerne!

LG, Martina

23.11.2014 11:29 • #13


Celestine
Zitat von hamburg.meine.perle:
Hallo Celestine,
Ob es wohl auf der Welt eine Prinzessin mit Angststörung gibt? Naja, die würde sich dann von ihrem Chauffeur fahren lassen und ihre Zofe zur Tanke schicken!


23.11.2014 12:41 • #14


F
Mir wurde das aus unterschiedlichen Richtungen auch gesagt.
Das vor der Angst die Wut war.
Das aus dieser Wut Angst entsteht.
Und die Wut entsteht aus Verletzung und Hilflosigkeit.
Für mich ist das einerseits abstrakt aber andererseits logisch, wenn ich mir meine Kindheit angucke und vor allem, wie viele Jahre ich ein Pulverfass war, bevor meine Angststörung ausbrach...

Da ist in jedem Fall was dran!

23.11.2014 17:00 • #15


Perle
Hallo Flocke,

ich habe beim Googeln auch einige Beiträge gefunden, die darauf hindeuten, dass in vielen Fällen ein Zusammenhang besteht zwischen Wut und Angst. Die Angst deckt die Wut praktisch wie mit einer Decke zu, man kann sie nicht sehen und (wie in meinem Fall) nicht spüren.

Aber ich habe mich ja gestern auf den Weg gemacht, die Wut bloß zu legen und ein wenig konnte ich sie dann tatsächlich wahrnehmen. Ich werde Euch in einigen Tagen oder Wochen sicher mehr darüber berichten können, stehen in dieser Sache ja noch ganz am Anfang.

Heute am späten Mittag habe ich es tatsächlich geschafft, doch noch zur Tanke zu gehen. Der Hinweg war soweit ok, der Rückweg weniger. Ich musste sehr lange an einer Ampel warten, was mich zurzeit generell nervös macht und als ich meine Straße hochging merkte ich schon, dass meiner Atmung flacher und schneller wird und ich sie kaum noch kontrollieren kann. Habe dann schon meine Plastiktüte herausgeholt, um notfalls darein zu atmen. Wechselte dann die Straßenseite, da ich weiter hinten Menschen stehen sah. Je näher ich den Menschen kam, desto besser wurde meine Atmung wieder. Menschen bedeuten für mich Sicherheit; sie können mir in der Not beistehen.

Mein Herz raste dennoch und mit weichen Beinen kam ich zuhause an. Habe die Tasche mit den Einkäufen abgestellt und bin noch einige Schritte draußen gegangen, um mich auszutesten.

Ich habe es geschafft, auch wenn´s schwierig war und daran orientiere ich mich und lobe mich dafür!

LG, Martina

23.11.2014 17:45 • #16


G
Genau auf diesen Erfolg sollst du bauen, Steinchen für Steinchen.....super gemacht!

LG

Gerd

23.11.2014 17:48 • x 1 #17

Sponsor-Mitgliedschaft

Celestine
Hallo Martina,

siehste ich wusste,dass Du es schaffst! Einmal Schulterklopfen!

Der Zusammenhang Wut und Angst hat mich doch sehr nachdenklich gemacht. Vielleicht sollte man besser sagen: Wut-Angststörung. Denn Angst an sich ist ja ein natürliches und lebenswichtiges Gefühl.

Was macht ihr in der Therapie, damit die Wut raus kann, dmit Du Dich traust?

Ich weiß ja nicht, ob Du darüber reden magst. Es interessiert mich deswegen, weil unterdrückte Wut auch grad Thema in meiner Therapie ist. Und ich spüre nichts, außer einer Blockade...

23.11.2014 18:00 • x 1 #18


Perle
Danke, liebe Celestine!

Tja, wie machen wir das in der Therapie? Eine schwierige Frage, denn in der Tagesklinik ist es so, dass zwar die Therapeuten in der Einzel- und Gruppentherapie immer wieder einen Bogen zu dem Thema schlagen aber Dich überwinden musst Du ganz alleine. Die Tagesklinik ist Hilfe zur Selbsthilfe, dass ist das Prinzip dort. Du bist nur teilweise in einem geschützten Rahmen, der fällt weg in dem Moment, wo Du wieder mit Dir alleine bist. Dann musst Du draußen weiter üben, Dir Zeit nur für Dich selbst nehmen und in Dich hineinspüren. Du sollst Dich nicht mit irgendwelchen Aktivitäten zuschütten, Dir nicht dauernd Bekannte nach Hause einladen, denn das alles lenkt vom Wesentlichen!

Ich persönlich musste ja zuallererst das Sprechen erstmal wieder lernen, denn ich war regelrecht verstummt. Ich kann das inzwischen wieder recht gut aber mein Problem ist, dass ganz viele Erfahrungen, Bilder aus meiner Kindheit verschüttet sind und ich immer nur Fragmente sehe. Je mehr ich dann aber den Therapeuten und auch der Gruppe erzähle, desto besser wird die Erinnerung und desto mehr Schmerz und Tränen kommen hoch.

Wir machen zudem Körperwahrnehmung und die Tanz- und Bewegungstherapie. Da wird auch ganz viel und zwischen den Übungen immer wieder gesprochen. Es geht darum, die blinden Flecke in uns aufzudecken. Manchmal reichen dazu kleine Bewegungen, die erstmal albern erscheinen mögen, jedoch ihre Wirkung extrem zeigen können. Ich hatte dort bereits zwei Nervenzusammenbrüche mit einem Meer von Tränen verbunden. Ich kann Dir das genaue Prinzip nicht erklären aber es wirkt. Durch bestimmte aktivere Bewegungen kommst Du dann auch Deiner Wut näher!

LG, Martina

23.11.2014 18:18 • #19


Black-Sheep
Zitat von hamburg.meine.perle:
Ich würde gerne sprechen - aber ich fühle die Wut nicht. Und deshalb kann ich sie auch nicht herauslassen. Was soll ich also tun? Was meint Ihr dazu und kennt Ihr auch aus Eurer Therapie die Aussage, dass Angst in Wirklichkeit Wut ist?


Ich denke das Wut auch eins meiner Themen ist, irgendwie bin ich ein wandelnder Kompromiss, nett und lieb zu jedem, Everybody's Darling aber gespürt habe ich Wut nie, genauso wenig wie Aggression, fand ich immer merkwürdig

Bis vor 10 Jahren, also zwei Jahre vor dem beginn von diesem ganzen Mist, hatte ich für mich auch immer eine Möglichkeit, das zu kompensieren, vielleicht war ich deshalb nie wütend oder aggressiv, auch jetzt kann ich keine Wut spüren, dafür fingen die anderen Probleme an.

Für mich hört es sich logisch an, was dein Therapeut sagt, aber wie du siehst sind die Meinungen dazu unterschiedlich, und die Wahrheit darüber kann dir keiner sagen, kein Mensch kennt dich so gut wie du dich, die Wahrheit liegt in dir, du musst sie allein herausfinden, andere Menschen können dir nur Denkanstöße geben, aber keiner kann dir sagen wer du bist.

23.11.2014 19:32 • #20


A


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