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N
Ich (weiblich, 32) sitze gerade einmal wieder wie gelähmt am Tisch.
Dieses Gefühl kenne ich nur zu gut, denn ich habe eine generalisierte Angststörung. Diagnostiziert ist sie seit einigen Wochen - ich habe sie aber wohl schon seit früher Kindheit. Bereits im Alter von vielleicht 10 Jahren (genau weiß ich das nicht mehr) war ich wochenlang wie paralysiert, weil ich nicht verstehen konnte, wie alle Menschen um mich herum so glücklich sein konnten, obwohl man doch weiß, dass alle irgendwann sterben müssen und keiner weiß, was danach passiert. Meine Eltern konnten mir nicht helfen, die sagten nur, ich solle doch in meinem jungen Alter nicht über sowas nachdenken.
Irgendwann hatte ich diese Phase überwunden, aber lähmende Ängste hatte ich immer - nur die Auslöser änderten sich. War es gerade nicht die Angst vor dem Tod, war es die Angst vor dem Scheitern von Beziehungen, die Angst vor beruflichem Scheitern, die Angst vor Krankheiten, die Angst vor finanziellen Nöten, die Angst vor dem Krieg, die Angst, von anderen nicht gemocht zu werden, die Angst (bzw. das subjektiv angenommene Wissen), einfach nicht gut genug zu sein, nicht wertvoll zu sein, alles falsch zu machen. Auslöser konnten schon immer minimale Kleinigkeiten sein - ein komischer Blick eines Kollegen (Findet er mich unfähig? Oh Gott, was denken hier alle über mich?) - oder globale Katastrophenszenarien - die Angst vor einem atomaren Weltkrieg zum Beispiel. Egal, was der Auslöser ist, die Ängste nehmen immer ein unkontrollierbares Maß an und kontrollieren mich bis zur völligen Lähmung.
Inzwischen habe ich zwei Kinder und die Angst um die beiden lähmt mich. Im Moment lähmt mich die Vorstellung einer drohenden Klimakatastrophe und die Befürchtung, dass meine Kinder kein gutes Leben auf dieser Erde mehr führen werden können. Absurderweise lähmt mich diese Angst so sehr, dass ich mich nicht so gut um meine Kinder kümmern kann, wie ich möchte - die Angst, dass es meinen Kindern nicht gut geht, führt also dazu, dass es meinen Kindern nicht gut geht. Aber die Erkenntnis, dass das paradox ist, hilft mir leider auch nicht, die Angst zu bewältigen.
Seit ein paar Wochen bin ich nun in psychiatrischer Behandlung und hatte ein paar Sitzungen, allerdings habe ich das Gefühl, dass auch der Psychiater mir nicht helfen kann. Im Wesentlichen besteht seine Strategie wohl darin, mich reden zu lassen und zuzuhören oder hier und da mal nachzuhaken, aber ich weiß nicht, wie das helfen soll. Ich werde natürlich weiter hingehen, der Mann ist immerhin ein Profi, er wird schon wissen, was er tut und natürlich kann ich nicht erwarten, dass die Probleme nach 3,4 Sitzungen wie weggeblasen sind - aber im Moment habe ich einfach das Gefühl, das meine Situation total ausweglos ist.
Ich glaube, der Grund dafür ist, dass meine Ängste ja eine realitische Basis haben: Dass es den Klimawandel gibt und dass er bedrohlich ist, ist ja nunmal eine Tatsache, die kann niemand wegdiskutieren. Dass die Welt brutal und ungerecht ist, auch nicht. Kann man denn nicht nur dann glücklich und angstfrei sein, wenn man total ignorant ist? Diese Frage stelle ich mir ständig.
Sorry für mein wirres Geschreibsel, irgendwie brach es gerade so aus mir raus. Und danke fürs Zuhören. Und vielleicht hat ja jemand den einen oder anderen Denkanstoß, wie ich hier weitermachen soll ...

16.02.2014 14:52 • 21.02.2014 #1


9 Antworten ↓


Gargamel
Hi nachtsturm,


keine Sorge der Klimawandel wird uns in Deutschland nich umbringen es gab Klimaperioden in der Weltgeschichte die viel wärmer waren und die Erde
völlig eisfrei war zu diesen Zeiten gab es die höchste Artenvielfalt überhaupt.
Den Eindruck das alles schlechter wird haben viele Menschen was nicht unbedingt
der Realität entspricht. Versuche doch das positive zu sehen und nicht das negative.
Wenn du denkst es gibt zu viele blaue Autos dann wirst du natürlich nur darauf achten
und den Eindruck haben das es tatsächlich zu viele sind weil du dich nur auf blaue Autos konzentrierst.

LG: Gargamel

16.02.2014 15:05 • x 2 #2


A


Ich möchte mich vorstellen und vielleicht einen Rat

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A
Hallo Nachtsturm,

leider werden, vor allem durch die Medien, Ängste vieler Art gestreut.

Gerade bei den Krankheitsstatistiken. Nehmen wir als Beispiel Grippetote. Jedes Jahr sterben im Durchschnitt 5000 bis 10000 Menschen in Deutschland. Bei 80 Mio Einwohnern (und wir liegen ja darüber) sind das 0,006 bis 0,0125 % der Bevölkerung. Und das kannst Du Dir auch mit Krebstoten (ca. 0,27 % der Bevölkerung) durchrechnen.

Du mußt dringend an Deiner Einstellung dazu arbeiten, sonst machst Du Dich noch total kaputt. Ja, ... und man kann auch Kinder nicht vor allem beschützen. Leider.
Wenn dein Gedankenkarrussell sich dreht, dann sag STOP und denke daran, Du kannst es nicht ändern. Man kann nur sein Bestes zur Vorsorge vor Unfällen tun (z.B. kein Pool bei Kleinkindern oder absichern), aber mehr liegt nicht in Deiner Hand.
Auch eine Klimakatastrophe wirst Du nicht verhindern können, wenn sie käme.

Wie und woran wir sterben werden, weiß keiner. Das wir alle das Zeitliche segnen ist bekannt (und hast Du in Deinem Beitrag auch geschrieben).
Aber bis dahin, solltest Du Dein Leben leben.

Natürlich geht das weniger-Gedanken-machen nicht so schnell. Wenn Du aber daran arbeitest wird es Dir immer mehr gelingen.

19.02.2014 13:07 • x 1 #3


hase87
hey nachtsturm

ich kann dich da sehr gut verstehen.
Ich selbst muss mich auch dazu bringen, wie antonia schon sagte öfter stop zu sagen.
Ich weiß es schreibt sich so leicht auch mir gelingt es nicht so häufig wie ich es gerne hätte.

Deine Ängste vor beruflichem und privatem Versagen kenne ich nur zu gut.

Bist du medikametös eingestellt worden von deinem Psychiater?
oder ist er mehr psychologe als psychiater?

Ich wünsche dir alles alles gute bei der bewältigung von weiteren schweren situationen.

19.02.2014 13:14 • x 1 #4


libellchen
Wenn du erst 3,4 Mal da warst sind das ja vermutlich sowieso nur die ersten 5-6 Sitzungen für die Diagnose, oder hast du die schon hinter dir?

19.02.2014 23:01 • x 1 #5


A
Hallo Nachtsturm,
Danke für deine ausführlichen und zahlreichen Gedanken.
Die Angst vor der Zukunft lässt sich nicht wegdiskutieren aber ist sie wirklich real?
Ist deine eigene Welt wirklich gemein und brutal? Oder ist es nur die Brille durch die du siehst die dich in Angst versetzt?
Kannst du dir vorstellen dieser Welt und dem Leben mehr zu vertrauen? Woher kommt das Misstrauen das in dir herrscht?
Die Angst um deine Kinder ist verständlich. Ich möchte dir sagen dass für sie gesorgt sein wird. Du musst diese Aufgabe nicht alleine tragen.
Versuche wenn du magst darüber nachzudenken wo du deinem Leben und dir selbst Belastung und Spannung nehmen könntest?
Ich freue mich von dir zu hören.


Liebe Grüße
Andreas

21.02.2014 03:37 • x 1 #6


N
Vielen dank für die Denkanstöße und den Zuspruch.
Also, theoretisch weiß ich, dass ich mit meiner Angst für mich und andere mehr Schaden als Nutzen anrichte, und ich eigentlich STOP sagen müsste. Sagen (bzw. denken) kann ich es auch, das ist der Angst nur leider egal. Sie kommt (bleibt) trotzdem. Ich habe das Gefühl, um keine Angst mehr zu haben, müsste ich mich selbst belügen, und so tun, als gäbe es z.B. keine globale Erwärmung und keine Kriege. Es gibt sie aber! Wie Andreas sagt, man kann es nicht wegdiskutieren.
Aber nein, meine Welt an sich (meine Familie, mein Arbeitsplatz) ist nicht brutal und grausam. Alles andere als das! Das trägt aber nur zur Angst bei: Ich habe das Gefühl, in einer Seifenblase zu leben, die irgendwann platzen MUSS.
Andreas, du hast gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mir selbst und dem Leben mehr zu vertrauen - ich würde sagen, ich wünsche es mir mehr als alles andere, das zu können. Aber dass es tatsächlich möglich ist, ist für mich schwer vorstellbar. Ich wäre unglaublich gerne religiös, ich glaube, dass würde mein Problem praktisch auf einen Schlag lösen - dann gäbe es sozusagen eine höhere Instanz, der ich vertrauen könnte (das ist ja irgendwo auch der Sinn der Religion). Nur leider bin ich nicht religös. Ich glaube einfach nicht an Gott. Auch hier habe ich das Gefühl, wenn ich das zu tun versuchen würde, würde ich mich selbst belügen.
Andreas, als du geschrieben hast, für deine Kinder wird gesorgt sein, kamen mir echt die Tränen. Genau das ist das wonach ich mich so sehr sehne - jemand, der mir sagt: Es ist alles gut. Nur leider ist das letztlich unmöglich - keiner kann einem letztlich Sicherheit in dieser Welt geben. Das macht mir Angst.

Ach ja, ich nehme keine Medikamente. Aber ja, ihr habt Recht - die ersten 5-6 Sitzungen dienen ja wohl der Anamnese.

21.02.2014 14:30 • #7


Gargamel
Zitat:
Ich wäre unglaublich gerne religiös, ich glaube, dass würde mein Problem praktisch auf einen Schlag lösen



Hi nachtsturm,

Religion und der damit verbundene Glaube an eine höhere Macht kann für einige
Menschen Erleichterung bringen. Es bedeutet aber auch Verantwortung abzugeben
und den leichten Weg zu wählen. Viele Gläubige haben das Problem das sie sich oft fragen ob sie nach dem Tod vielleicht bestraft werden und leben nicht so angstfei wie du denkst. Das Universum ist sinnleer nicht sinnlos es ist an uns Menschen einen Sinn
zu schaffen und diese Verantwortung sollte nicht an höhere Mächte abgegeben werden.

Zitat:
Ich habe das Gefühl, in einer Seifenblase zu leben, die irgendwann platzen MUSS.


Das Gefühl einer feindseligen Umwelt die urplötzlich über einen hereinbrechen kann haben sehr viele Menschen.
Der technische Fortschritt und die immer komplexer werdende Welt geben vielen
Menschen das Gefühl nicht mehr schritthalten zu können.
Vor 1000 Jahren wäre es einem Menschen vielleicht noch möglich gewesen das gesamte Wissen innerhalb seiner Gesellschaft zu erfassen. Heute sind selbst Spezialisten auf ihrem Wissensgebiet manchmal überfordert.


LG: Gargamel

21.02.2014 15:04 • #8


libellchen
Zitat von nachtsturm:
Sagen (bzw. denken) kann ich es auch, das ist der Angst nur leider egal. Sie kommt (bleibt) trotzdem. Ich habe das Gefühl, um keine Angst mehr zu haben, müsste ich mich selbst belügen, und so tun, als gäbe es z.B. keine globale Erwärmung und keine Kriege. Es gibt sie aber! Wie Andreas sagt, man kann es nicht wegdiskutieren.


Aber du kannst lernen, damit umzugehen.
Dafür ist eine Verhaltenstherapie ja da.

Natürlich wirst du auch mal Rückschläge erleben.
Für mich ist es ein auf und ab, aber ich genieße die Zeiten, wenn es mir gut geht.
Mit Unterstützung von Familie/Freunden ist es einfacher und mit professioneller Hilfe wirst du immer ein paar Schritte vorwärts gehen.

Wir haben einfach nicht richtig gelernt oder verlernt, vernünftig mit Ängsten und Sorgen umzugehen. Deshalb soll die Verhaltenstherapie dabei helfen, damit richtig umzugehen.

21.02.2014 19:02 • #9


A
Hallo nachtsturm,

warum hast du das Gefühl dass deine Seifenblase platzt? Ich denke mehr Glaube und Vertrauen würden dir gut tun.
Vielleicht kannst du Schritt für Schritt anfangen mehr Vertrauen zu fassen? Vielleicht möchtest du ab und zu in die
Kirche gehen?
Die letzte Sicherheit in dieser Welt kann einem Gott geben. Es gibt auch Bücher wo man Schritt für Schritt postives Denken
wieder lernen kann. Ich wünsch dir alles Gute.

Liebe Grüße
Andreas

21.02.2014 22:57 • #10


A


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