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Hallo,

eigentlich ein Problem, dass sich nicht nur auf die soziale Phobie beschränkt, aber in meinem Fall die Ursache für die Mehrheit meiner Probleme sein dürfte.

Wenn ich z.B. an einer Veranstaltung teilnehmen wollte, wo man zwangsläufig mit Leuten in Kontakt kommt/kommen kann, wie z.B. Vereine, Unisport, Seminare, Gruppentreffen, whatever, dann hab ich immer das Gefühl, als ob ich an einem Punkt vorher die Kontrolle abgeben und die Situation selbst im worst-case irgendwie durchstehen muss. Das macht mir dann immer eine solche Angst, dass ich den Schritt nie schaffe, auch wenn ich mittlerweile weiß, dass es zu 95% wunderbar klappt. Die Angst vor dem winzigen Restrisiko reicht.
Ich hab dann z.B. nicht mehr das geringste Problem, sobald ich in Begleitung mit jemandem zu so was hingehe, denn dann hab ich auch im schlimmsten Fall immer eine Fluchtmöglichkeit (die ich aber so gut wie nie brauche). Meistens muss ich mich auch nur ein oder wenige Male überwinden, bis die Angst vor diesem ultimativen Schritt ganz weg ist.

Aktuell traue ich mich nicht mehr zu meinen Unisportkursen hin, die dieses Semester angefangen haben, weil ich wieder niemanden dort kenne und ganz alleine bin. Ich habe das Gefühl, dass es für mich kein Zurück mehr ab dem Moment gibt, in dem ich den Platz betrete und damit implizit ein unumkehrbares Statement abgebe, was ich da will und wozu ich da bin. Danach muss ich dann aktiv sein und Anschluss finden, egal was passiert. Und ich bekomme dann eben sehr schnell Zweifel, dass ich das vielleicht nicht hinkriege, weil mich die Situation irgendwie überfordert und die Blamage dann immer größer wird, weil ich wahrscheinlich immer seltsamer rüberkomme. Besonders wenn dann noch so kleine Unberechenbarkeiten passieren, wie dass ich niemanden sehe, der zu meinem Kurs gehören könnte, und dann nicht weiß, ob ich da alleine warten soll und solche Sachen.

Gibts da irgendwelche Tricks, um sich in solchen Situationen zu überwinden, außer sich Mut anzutrinken?

26.04.2013 20:50 • 05.05.2013 #1


6 Antworten ↓


HeikoEN
Für mich klingt das so klassisch nach einem ursächlichen und dahinterstehendem Problem.

Und wie immer ebenso die klassische Frage nach der Kindheit?

Wie war das dort? Vielleicht eine gewisse Überbehütung durch die Mutter? Oder eher das Gegenteil?

Das was Du so beschreibst, könnte man mit vielen Konfrontationen/Übungen usw. versuchen zu lösen, was es aber schlussendlich nicht tut, denn so wie Du das schon selber beschreibst, stellt sich die Frage, was das für eine Angst ist, die da hochkommt und was das für ein Gefühl ist, welches da heisst Kontrollverlust und nicht mehr selbstbestimmt handeln zu können.

Wie schon angedeutet, kann man meiner Erfahrung nach, verhaltenstherapeutisch höchstens eine Symptomverbesserung erzielen, aber keine Lösung.

03.05.2013 13:48 • #2


A


Wie Kontrollverlust überwinden?

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S
Ich hab mir auch schon lange Gedanken darüber gemacht, wie all diese sozialen Probleme entstanden sind, zumal mein Therapeut auch erklärt hat, dass das i.d.R. immer wenige traumatische Auslöser hat, aber so was kann ich meiner Vergangenheit beim besten Willen nicht finden.

Ja, moderate Überbehütung mütterlicherseits kommt schon hin. Meine Eltern haben mich sehr jung bekommen, waren noch mitten im Studium, allerdings kam meine erste Schwester schon 2,5 Jahre später und der Aufmerksamkeitsfokus war erst mal weg (bin allerdings auch nicht vernachlässigt worden). Im weiteren Verlauf war mein Vater dann nicht sehr beliebt bei uns Kindern, weils seinerseits größtenteils nur Verbote und Ärger gegeben hat. Zwar konnte er auch lieb und aufopfernd, aber eben nicht wirklich oft. So waren wir dann schon alles Mama-Kinder, ja, und weil meine Eltern auch viel zu tun hatten, war ich auch ziemlich oft bei Großeltern, hab mich da allerdings auch sehr wohl gefühlt.
Darüber hinaus waren meine Eltern immer bemüht, mir das Tor zur Welt aufzustoßen und ich bin als Kind (freiwillig) durch alle möglichen Kurse, Vereine und Musikschulen geflogen. Das wundert mich eigentlich am meisten. Auf andere Kinder zuzugehen ist mir zwar schon so schwer gefallen, seitdem ich denken kann und es waren eigentlich immer die anderen, die auf mich zugekommen sind, aber dass ich es dadurch nicht irgendwann mal gelernt hab oder sich sonst irgendeine Verbesserung eingestellt hätte, ist eigentlich wirklich strange.

Ich bin mir auch gerade nicht sicher, ob du den Kontrollverlust nicht missverstehst. Ich verliere da nicht vollends die Kontrolle. Ich bin mir sogar relativ sicher, dass man mir in den meisten Fällen so gut wie nichts von meiner Unsicherheit ansieht. Trotzdem hab ich das Gefühl, dass alles klappen muss, sobald ich diese Grenze überschreite. Wenn ich mich zu einem Unisportkurs anmelde und dann mit Ausrüstung auf dem Sportplatz erscheine, kann ich ja nicht einfach mitten drin umdrehen und wieder gehen, wenn mich die Situation doch mal vollends überfordert. Danach muss ich also selbstsicher und aktiv sein und irgendwie Anschluss finden. Das meine ich damit. Ab einem gewissen Punkt gibts kein Zurück mehr und ich muss es ums Verrecken bis zum Ende durchstehen, egal was kommt - das macht mir eben Angst. Und dass soziale Situationen hochdynamisch und absolut unvorhersehbar sind, macht es nicht einfacher.

Lässt sich vielleicht mit einem Klaustrophobiker vergleichen: Dem wird ein Gang durch ne überfüllte Fußgängerzone, wo er jederzeit wieder flüchten kann, auch leichter Fallen als ein Transatlantik-Flug, wo sich - einmal in der Luft - das Tor zur Hölle öffnen kann, ohne dass er dann noch was dagegen tun könnte.

04.05.2013 01:50 • #3


HeikoEN
Zitat von silkySmooth:
Ich hab mir auch schon lange Gedanken darüber gemacht, wie all diese sozialen Probleme entstanden sind, zumal mein Therapeut auch erklärt hat, dass das i.d.R. immer wenige traumatische Auslöser hat, aber so was kann ich meiner Vergangenheit beim besten Willen nicht finden.

Das ist ebenfalls sehr typisch, da die Leute klassisch denken, es muss irgendetwas außergewöhnliches aufgetreten sein, ggf. etwas Schlimmes oder eben etwas, was einen in eine emotionale Notlage zu einem bestimmten Zeitpunkt brachte.

DEM ist nicht so!

Das Gegenteil davon bewirkt exakt dasselbe.

Zitat von silkySmooth:
Ja, moderate Überbehütung mütterlicherseits kommt schon hin. Meine Eltern haben mich sehr jung bekommen, waren noch mitten im Studium, allerdings kam meine erste Schwester schon 2,5 Jahre später und der Aufmerksamkeitsfokus war erst mal weg (bin allerdings auch nicht vernachlässigt worden). Im weiteren Verlauf war mein Vater dann nicht sehr beliebt bei uns Kindern, weils seinerseits größtenteils nur Verbote und Ärger gegeben hat. Zwar konnte er auch lieb und aufopfernd, aber eben nicht wirklich oft. So waren wir dann schon alles Mama-Kinder, ja, und weil meine Eltern auch viel zu tun hatten, war ich auch ziemlich oft bei Großeltern, hab mich da allerdings auch sehr wohl gefühlt.
Darüber hinaus waren meine Eltern immer bemüht, mir das Tor zur Welt aufzustoßen und ich bin als Kind (freiwillig) durch alle möglichen Kurse, Vereine und Musikschulen geflogen. Das wundert mich eigentlich am meisten. Auf andere Kinder zuzugehen ist mir zwar schon so schwer gefallen, seitdem ich denken kann und es waren eigentlich immer die anderen, die auf mich zugekommen sind, aber dass ich es dadurch nicht irgendwann mal gelernt hab oder sich sonst irgendeine Verbesserung eingestellt hätte, ist eigentlich wirklich strange.

Es geht absolut NICHT darum, einen Schuldigen in der eigenen Biographie zu finden.

Denn was würde das genau bringen?

Es geht vielmehr darum, endlich zu dem Punkt zu kommen, an dem man sein eigenes Leben lebt und nicht das der Eltern.

Die Eltern haben alles richtig gemacht. Hätte sie damals es besser gewusst und gekonnt, hätte sie anders gehandelt.

Trotzdem haben sie es selber vielleicht in ihrer Kindheit nicht anders erlebt und so setzt sich die Kette weiter fort. So lange, bis einer in den Generationen sie bricht.

Zitat von silkySmooth:
Ich bin mir auch gerade nicht sicher, ob du den Kontrollverlust nicht missverstehst. Ich verliere da nicht vollends die Kontrolle. Ich bin mir sogar relativ sicher, dass man mir in den meisten Fällen so gut wie nichts von meiner Unsicherheit ansieht. Trotzdem hab ich das Gefühl, dass alles klappen muss, sobald ich diese Grenze überschreite.

Ich verstehe das schon sehr gut Keine Sorge. Wäre es dramatischer bei Dir, wäre das Problem ja ggf. schon viel früher und dramatischer aufgetreten.

Und wie Du schon schreibst, ist es ja DEIN Gefühl. Es ist fast IMMER NUR das eigene Gefühl, auch bei Ängsten, Depressionen was auch immer.

Zitat von silkySmooth:
Wenn ich mich zu einem Unisportkurs anmelde und dann mit Ausrüstung auf dem Sportplatz erscheine, kann ich ja nicht einfach mitten drin umdrehen und wieder gehen, wenn mich die Situation doch mal vollends überfordert. Danach muss ich also selbstsicher und aktiv sein und irgendwie Anschluss finden. Das meine ich damit. Ab einem gewissen Punkt gibts kein Zurück mehr und ich muss es ums Verrecken bis zum Ende durchstehen, egal was kommt - das macht mir eben Angst. Und dass soziale Situationen hochdynamisch und absolut unvorhersehbar sind, macht es nicht einfacher.

Wie geschrieben, erkenne ich da ein Muster, was man eben in relativ vielen Büchern über das Thema wiederfindet. Angst vor Kontrolle, Kontrollverlust, dem Punkt des No-Returns usw.

Und wie ich schon schrieb, kann man mit Verhaltenstherapie sicher eine Menge erreichen, aber ursächlich liegt das Problem woanders und das gilt es zu erkennen, herauszufinden und anzugehen mit der geeigneten Therapieform, die meiner Erfahrung nach eben nicht Verhaltenstherapie heisst. Was genau vorliegt, kann man nur im 1 zu 1 Therapeutengespräch klären und auch angehen, ggf. eine Bindungsstörung (siehe Deine Aussage über die Kindheit).

Es muss aber auf jeden Fall eine Therapieform sein, die ausreichend die Gefühle mit in die Therapie integriert und darauf abhebt, was eben die bekannten schulmedizinischen Methoden (z.B. Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Therapie usw.) nicht tun.

04.05.2013 08:48 • #4


S
Zitat von HeikoEN:
DEM ist nicht so!

Das Gegenteil davon bewirkt exakt dasselbe.


Auf den Trichter haben mich ja eigentlich auch erst mein Therapeut bzw. das Material im Internet gebracht. Für mich hat sich das immer wie ein jahrelanger, schleichender Prozess angefühlt.

Zitat von HeikoEN:
Es geht absolut NICHT darum, einen Schuldigen in der eigenen Biographie zu finden.

Denn was würde das genau bringen?

Es geht vielmehr darum, endlich zu dem Punkt zu kommen, an dem man sein eigenes Leben lebt und nicht das der Eltern.

Die Eltern haben alles richtig gemacht. Hätte sie damals es besser gewusst und gekonnt, hätte sie anders gehandelt.

Trotzdem haben sie es selber vielleicht in ihrer Kindheit nicht anders erlebt und so setzt sich die Kette weiter fort. So lange, bis einer in den Generationen sie bricht.


Hab ich auch nicht vor, schon gar nicht mit meinem psychologischen Halbwissen. Dennoch würde mich die Ursache brennend interessieren. Ist ja auch fürs eigene Verständnis ziemlich hilfreich.
Den Punkt, sein eigenes Leben zu leben habe ich (so hoffe ich jedenfalls) innerhalb der letzten Jahre zunehmend erreicht. Es begann mit dem Auszug zum Studienanfang und momentan stehe ich kurz vor dem Berufseinstieg. Ja, ich hatte glaube ich wirklich noch viel länger ne Nabelschnur nach Hause, als ich mir eingestehen wollen würde, aber mittlerweile sollte das deutlich zurückgegangen sein.

Zitat von HeikoEN:
Wie geschrieben, erkenne ich da ein Muster, was man eben in relativ vielen Büchern über das Thema wiederfindet. Angst vor Kontrolle, Kontrollverlust, dem Punkt des No-Returns usw.

Und wie ich schon schrieb, kann man mit Verhaltenstherapie sicher eine Menge erreichen, aber ursächlich liegt das Problem woanders und das gilt es zu erkennen, herauszufinden und anzugehen mit der geeigneten Therapieform, die meiner Erfahrung nach eben nicht Verhaltenstherapie heisst. Was genau vorliegt, kann man nur im 1 zu 1 Therapeutengespräch klären und auch angehen, ggf. eine Bindungsstörung (siehe Deine Aussage über die Kindheit).

Es muss aber auf jeden Fall eine Therapieform sein, die ausreichend die Gefühle mit in die Therapie integriert und darauf abhebt, was eben die bekannten schulmedizinischen Methoden (z.B. Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Therapie usw.) nicht tun.


Ich bin momentan noch in Einzelsitzungen an der psychosozialen Beratungsstelle meiner Uni. Eine richtige Therapie anzufangen hat momentan noch keinen Sinn, solange nicht klar ist, wo ich meinen Job antrete. Dennoch hat mein Therapeut eine eigene Praxis und macht im Rahmen der Sitzungen jetzt eine kognitive VT mit mir. Er hat auch gesagt, alle anderen Therapieformen gegen soziale Ängste werden zunehmend um verhaltenstherapeutische Elemente aufgestockt, weil sie die vielversprechendsten Heilungs/Verbesserungschancen hat. Diese Sitzungen werde ich jetzt auch noch bis zum Ende durchziehen.
Sollte ich mir danach noch eine richtige Therapie suchen, kann ich dieses potentiell unterliegende Problem in der Erstberatung ja mal ansprechen, damit ich nicht wieder in einer VT lande (je nachdem wie erfolgreich die jetzige VT ist?!)

04.05.2013 11:06 • #5


HeikoEN
Na, das klingt doch alles gut.

Meine Meinung ist, dass alles was man tut, sowieso nur der Selbsterkenntnis dient. Und die geht halt immer so weit, wo man gerade steht mit seinem Wissen und seinen individuellen Möglichkeiten etwas zuzulassen.

Mit dem eigenen Leben meinte ich weniger das, was sozusagen sichtbar ist, sondern eher das, was man, ob man wollte oder nicht, von seinen Eltern übernommen hat

Glaubensätze, Einstellungen und Verhaltens- und Denkweisen. Es geht nicht darum, sie abzustellen oder über Board zu werfen, jedoch darum, sie auf den Prüfstand zu stellen, ob sie wirklich noch zu einem selber gehören.

Eben Selbsterkenntnis

Der Therapeut ob Fachmann oder nicht, ist nur der Krückstock dazu, da der Weg ja selber beschritten werden muss.

Von daher gilt es, dieses auch stetig selber zu prüfen, also ob das, was man gerade tut, auch wirklich sinnvoll ist, hilft usw., egal ob das Kind Verhaltenstherapie oder wie auch immer heißt.

04.05.2013 14:48 • #6


S
Ach so. Nun, meine Selbsterkenntnis bzw. die ganze Theorie, die ich über meine Lage habe, ist meinen Gefühlen und meinem Verhalten um Lichtjahre voraus. Das ist also das eigentliche Problem an der ganzen Sache. Mein Therapeut hat mir auch schon erklärt, dass das ganz normal ist, dass die Gefühle hinterherhinken, aber die praktische Umsetzung scheitert dann einfach zu oft.
Deshalb hatte und hab ich auch noch solche Zweifel, ob mir eine Therapie denn wirklich helfen kann. Im Prinzip könnte ich mich ja fast selbst therapieren. Ich weiß genau, was ich warum falsch mache und was ich anders machen müsste, aber in der Praxis klappts einfach viel zu selten. Und den Schritt kann mir leider niemand abnehmen.

Es liegt aber eben häufig daran, dass ich mir soziale Situationen nicht nach Belieben und Schwierigkeitsgrad zusammenstellen kann. So ist es dann meistens so, dass sie mir entweder viel zu leicht oder viel zu schwer sind, eben immer dann, sobald dieser Sprung da ist und ich aus Eigeninitiative auf andere Leute zugehen muss. Und der Schritt ist ja unteilbar, ich kann mir das nicht leichter machen, sondern muss es irgendwann mal auf einmal schaffen.

Aber wie ich oben schon beschrieben habe: Ich hab keine Ahnung, wo ich diese Kontaktscheu übernommen habe und und ich weiß auch, dass sie, zumindest in dem Ausmaß, blödsinnig ist und dramatische längerfristige Folgen hat. Trotzdem ist es so gut wie unmöglich, diese ganzen Instinkte und Gefühle auszublenden, die einem im entscheidenden Moment genau das Gegenteil eintrichtern.

05.05.2013 11:37 • #7





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