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Liebe Foris,

ich weiß nicht weiter. Seit Jahren fühle ich mich sozial so sehr isoliert, hänge oft den ganzen Tag alleine zuhause rum, sehne mich so sehr danach, daran was zu ändern, aber ich pack das einfach nicht.

Ich bin innerlich ziemlich depressiv (merkt man mir nicht besonders an), habe oft Angstzustände, mir gelingt es immer seltener, mich normal zu fühlen, mich selbst über den Tag zu motivieren. Freude an Irgendwas zu haben.

Mein Freundeskreis ist nicht sehr groß, erst kürzlich verstarb meine Freundin. Und es ist schwer, bzw. mir fällt es schwer, in dem Alter noch neue Freunde zu finden.

Seit Jahren zerbreche ich mir den Kopf, wie ich es anstellen könnte, wieder ins Leben zu finden. Aber ich drehe mich im Kreis und fühle mich wie am Ende einer Sackgasse.


Ich erzähl mal der Reihe nach. Meine Eltern steckten mich mit 14 in ein Internat, wo es nur den einen Weg gab, nach dem Abi ein Musiklehrerstudium zu machen. Da ich es zuhause auch kaum aushielt, war mir das auch recht. (Stiefvater machte mir das Leben zur Hölle...)

Ich stand sowohl Abi als auch Studium gut durch, aber ich hatte extreme Angst vor dem Arbeiten und im Berufsleben fehlte es mir dann auch komplett an Selbstbewusstsein und Gelassenheit.

Außerdem hatte ich bereits am Ende des Studiums ein Baby und war mit dem 2. Kind schwanger. Ich bekam krasse Schlafstörungen, magerte bis auf die Knochen ab.
Also insgesamt ein denkbar schwieriger Start ins Berufsleben. Jede Unterrichtsstunde habe ich mich elend gefühlt. Ich gab nach 2 Jahren auf.

Fand dann eine Arbeit als Gruppenleiter für Kultur in einer großen Firma. Das war insgesamt ganz ok. Dann wurde ich mit dem 3. Kind schwanger, die Wende kam, die Firma gab es bald nicht mehr, ich wurde nach 3 Jahren arbeitslos.

Ich bekam dann irgendwann eine halbe Stelle als Instrumentallehrerin an einer Musikschule, was mir damals zwar Spaß machte, aber für mich - mit inneren hohen Ansprüchen an mein Tun- schwierig war, denn ich war ja nur Musiklehrer und kein Instrumentallehrer.

Durch einen Wegzug aufgrund des beruflichen Weges meines Mannes (in ein kleines Dorf) musste ich auch das nach nur 2 Jahren beenden.

Nun war ich im Abseits. Ich half meinem Mann zwar stundenweise in seiner Firma bei der Ablage und Buchhaltung, aber überwiegend war ich dann jahrelang Mutter und Hausfrau.

Die Kinder sind nun schon seit Jahren aus dem Haus und ein Teil in mir weiß, ich geh vor die Hunde, ich müsste mir wirklich was suchen...

- wo ich mich nützlich machen kann
- wo ich meinem Leben ein Ziel/einen Sinn gebe
- wo ich Irgendwo dazugehören kann
- wo ich Struktur finde
- wo ich Freude am Tun haben kann usw...

Doch wenn ich konkret nachdenke, mich z.B. über ein evtl. Ehrenamt oder eine Arbeit informiere, dann wird mir schlecht und ich verspüre nur noch Angst in mir. Trau mir nichts zu, spüre extreme Versagensängste.
Die meisten Ehrenämter sind mit sozialen Kontakten verbunden. Ich müsste auf fremde Menschen zugehen können...

Wenn ich mal soziale Kontakte habe, dann finde ich das zwar teilweise schon auch schön, aber es strengt mich derart an, dass ich schon nach wenigen Stunden froh bin, wenn ich wieder alleine bin.

Mein Instrument fasse ich schon seit Jahren nicht mehr an, hab es weitgehend verlernt, das ist keine Option.

Geht es Jemandem hier ähnlich oder hat Jemand eine Idee, wie ich es schaffen kann, daran was zu ändern?

Liebe Grüße von Lenelene.

11.10.2012 18:07 • 18.10.2012 #1


5 Antworten ↓


felice87
Liebe Lenelene!

Dein Beitrag hat mich sehr berührt und ich denke ich kann dir ein wenig helfen

Ein guter Start ins Leben und starke Grundpfeiler, geschaffen durch die Liebe und die Anerkennung der Eltern und des gesamten Umfeldes, sind enorm wichtig für die Etwicklung. Leider haben viele von uns nicht das Glück einen unbeschwerten ersten Lebensabschnitt zu genießen. Die Realität sieht oft ganz anders aus. So werden wir erwachsen, doch gewachsen sind auch viele Baustellen, viele seelische Wunden, die wir alle noch lange mit uns herumtragen.

Wir haben gelernt, dass wir nur liebenswert sind, wenn wir funktionieren, uns anpassen und auf die Meinungen anderer hören. Das führt oft dazu, dass unser Selbstbild mit all den vielen verschiedenen bunten Seiten, die wir alle am Anfang unseres Lebens haben, auf ein minimum reduziert werden und so langsam ergrauen. Wir versuchen es anderen recht zu machen und leben meistens nur die Seiten aus, die von anderen anerkannt und geschätzt werden.
So unterdrücken wir nach und nach immer mehr unsere lebhafte Persönlichkeit und verlernen unsere Fähigkeiten und unsere Einzigartigen Talente auszuleben.

Wo wir jetzt auch beim eigentlichen Thema sind, weswegen es mir ein großes Anliegen ist, dir zu schreiben

So wie sich das für mich darstellt, möchtest du wieder mehr Farbe in deinem Leben, nur du weißt noch nicht so recht wie du anfangen sollst. Der innere Kritiker hat dich noch fest in der Hand.

Ich denke jetzt ist es wichtig in kleinen Schritten anzufangen. Ganz wichtig ist, dass du dich nicht überforderst.
Ich würde vorschlagen, dass du dir zB. einen Vormittag Zeit nimmst um zu überlegen, was dich interessiert, wo deine Stärken liegen, in welche Richtung du gehen möchtest. Stelle dir diese Fragen ganz in Ruhe und schreib auf was dir dazu einfällt. Das können erstmal nur einige Wörter und Stichpunkte sein. Und auch wenn das erstmal Blatt leer bleibt hast du den ersten Schritt getan, denn allein sich diese Fragen zu stellen bedeutet ja, dass du suchst. Und der Suchende findet -IMMER-. Manchmal dauert es ein wenig aber die Antwort wird kommen, mit Sicherheit! Das ist versprochen.

Ich finde deine Idee in ein Ehrenamt einzutreten wundervoll! ...Ich bin seit drei Monaten auch ehrenamtlich tätig und das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Ich gehe einmal die Woche in ein Krankenhaus und mache Besuchsdienst. Dieser Dienst gibt mir so viel und ich lerne ganz viel über mich selbst. Ich hatte auch sehr viel Angst vor dem Kontakt mit fremden Menschen, da ich sozial ebenfalls nicht besonders bewandert war/bin. Aber das eherenamtliche Umfeld mit all den lieben Menschen, die alle an einem Strang ziehen und mit dem Herzen dabei sind, hat mir sofort jegliche Scheu genommen.

Ich wohne in einer mittelgroßen Stadt (80.000 Einwohner). Auf der Suche nach einem Ehrenamt im Inernet war ich verblüfft, was es hier alles gibt. Wirklich ganz unterschiedliche Bereiche. Google einfach mal

Und wenn was passendes dabei ist, schreib einfach ne mail hin... ganz unverbindlich. Dann werden sie dich einladen um dich kennenzulernen. Bei diesem Gespräch merkst du, ob es das richtige ist. Ob die Menschen dort aufgeschlossen sind und du dich wohl fühlst. Wenn nicht dann suchst du einfach weiter. In jedem Fall: du bist über dein Schatten gesprungen und das wird dir Kraft geben weiterzumachen.

Ich wünsche dir alles alles Gute und drück dir die Daumen!

Deine Felice

16.10.2012 07:01 • #2


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Sackgasse ohne Ausgang oder doch noch eine Chance?

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Liebe Felice,

danke für deine freundliche Antwort und deine Anregungen, wie ich etwas verändern könnte.

Ja, du hast Recht, auch ich habe gelernt, dass ich nur liebenswert bin, wenn ich funktioniere und angepasst bin. Ich habe es total verlernt, zu spüren, was ich wirklich will/brauche, damit es mir gut geht. Nein, ich habe es wahrscheinlich gar nicht gelernt, das trifft es wahrscheinlich noch besser. Schon als Kind fühlte ich mich nicht wahrgenommen und eher abgelehnt.

Ich kann dir da sehr zustimmen, der innere Kritiker hat mich noch immer fest in der Hand.

Ich nehme mir schon seit Jahren Zeit, zu überlegen, was ich wollen könnte, was meine Stärken sein könnten, aber leider finde ich in mir wirklich keine Antworten darauf. Mein Blatt Papier bleibt seit Jahren WEISS....
Der Suchende findet immer, schreibst du. Was soll ich tun, wenn dies bei mri einfach nicht klappt? Wenn ich diesen Druck, etwas finden zu müssen, so schmerzhaft spüre, aber einfach nichts aus meinem Inneren kommt?


Ich finde es toll, dass du das mit dem Ehrenamt machst. Magst du mir ein bißchen mehr darüber erzählen? Was genau machst du da? Wie kann ich mir diese Begegnungen konkret vorstellen?
Inwiefern hast du da Kontakte zu den Anderen Ehrenamtlern?

Seit Jahren google ich, welche Ehrenämter es hier gibt. Auch, welche Jobs...
Doch ich wähle ALLES innerlich dann ganz schnell ab, da kommen so schlimme Ängste sofort hoch, wenn ich lese, welche Voraussetzungen man dafür mitbringen sollte.....
Dieses innere Gefühl, niemals gut genug für Irgendwas zu sein, das begleitet mich nun schon mein Leben lang....

Am liebsten wäre es mir, wenn es fürs Erste nicht sooo viel soziale Kontaktflächen sein müssten. Wenn diese erst nach und nach entstehen würden. Vielleicht eine Büroarbeit. Aber sowas gibt es hier nicht. Hatte schon gefragt danach.

Wenn ich mir etwas wünschen könnte.....
dann stelle ich mir vor, dass ich 2-3 Mal pro Woche vormittags/mittags für 3-4 Stunden zu einem Team gehören möchte. Vielleicht was am PC arbeiten, etwas organisieren, etwas vorbereiten. Doch was könnte das bloß sein? Es darf nicht zu viel Extroversion bedeuten.

Naja, ich hoffe, irgendwann doch noch einen Weg zu finden, denn so wie es seit Jahren ist, dieses Grüben auf der Stelle, das macht mich echt depressiv.

Danke dir nochmal. Liebe Grüße.

17.10.2012 09:27 • #3


felice87
Hallo Lenelene!

Ich fang erstmal an ein bisschen was von meinem Ehrenamt zu schreiben. Ich arbeite in einem katholischem Krankenhaus, wie man es eigentlich aus fast jeder größeren Stadt so kennt. Ich bin dort quasi Seelsorgerin, ich gehe von Krankenzimmer zu Krankenzimmer und rede dort mit den Patienten. Manchmal führe ich Gespräche da bekomme ich aus Rührung Tränen in den Augen, manchmal werde ich aber auch gleich wieder weggeschickt, weil kein Bedarf an einem Gespräch besteht. Das ist wirklich sehr unterschiedlich. Es ist in den Krankenhäusern leider so, das die Pfleger und die Ärtzte kaum Zeit haben näher auf einen Patienten einzugehen und ruhige Menschen ganz oft völlig übersehen werden. Alles muss immer schnell schnell gehen... Friss oder strib könnte man fast sagen... Ich höre mir ihre Sorgen an und gehe auf die Menschen ein, damit sie sich nicht so alleine fühlen. Es gibt nämlich dort auch Patienten, die keine Familie oder Freunde haben, die sie besuchen kommen und bei denen sie sich aussprechen können.
Ich habe dort meine eigene Station. Ich bin in der Geriatrie, das ist so eine art Aufbaustation, da kommen die Patienten wieder auf die Beine. Ich kann mir meine Zeit ganz frei einteilen. Manchmal bin ich dort nur eine Stunde, manchmal auch 3-4. Das ist alles völlig freiwillig, ohne Druck, ohne Erwartung, ganz so wie ich es mag und für richtig halte.

Wenn ich dort bin, habe ich auch mit anderen Ehrenamtlichen Kontakt. Ich habe immer eine Vor- und Nachbesprechung (freiwillig) in der ich erzähle was in mir vor geht und wie der Besuchsdienst verlaufen ist, etc.. Manchmal vermittle ich auch meine Sorgenfälle an andere Ehrenamtler weiter, weil sie mehr Aufmerksamkeit brauchen, als nur einmal die Woche.
Ansonsten hatte ich über einen lägeren Zeitraum einen Lehrgang, bei dem ich auch andere Ehrenamtliche kennenlernen durfte.Außerdem haben wir noch andere Treffen, wie Ausstellungen, Seminare oder Feiern (zb Weihnachten), oder auch den Gottesdienst.
Ich bin ein voll integrietes Mitglied geworden und fühle mich in dieser Gemeinschaft pudel wohl. Jedesmal wenn ich dann wieder nach Hause gehe, gehts mir einfach nur gut

Nun zu dir.
So wie ich das vermute, steckt bei dir ein imens großer Leistungsdruck und Versagensangst im Nacken, der/die es dir unheimlich schwer machen, ja es gar unmöglich machen, vorwärts zu kommen, da du immer diesen Druck, diese Angst spürst. Und Druck oder Angst sind ein gaaaaanz konstruktiver Spielverderber! Ich würde dir dahingehend natürlich gern weiterhelfen, aber da fehlt mir die Kompetenz. Auf jeden Fall würde ich dort zuerst ansetzen.

Das ist quasi die erste riesige, (wenn nicht die riesigste überhaupt) Baustelle vor deiner Hauseingangstür... Aber da kannst du auf jeden Fall dran bauen, so dass du erstmal wieder auf die Sraße kannst, denn, warst du erstmal draußen, dann kannst du die Dinge besorgen, die du zum Fertigbauen benötigst (hoffe das ist jetzt nicht zu abstrakt^^)

Was mir sehr geholfen hat, waren Vorträge und Videos bei Youtube... Da gibt es viele gute Sachen, die wirklich helfen können die eigene Perspektive mal in Frage zu stellen und seinen Blickwinkel neu zu fokussieren. ...z.B. Robert Betz (). Schau dir das mal an.

Achja, in vielen Krankenhäusern gibt es Bibliotheken, die auch von Ehrenamtlichen gemanaged werden. Wäre sowas nicht was für dich?

Alles Liebe, Felice

17.10.2012 18:03 • #4


felice87
Zitat von felice87:
Und Druck oder Angst sind ein gaaaaanz konstruktiver Spielverderber!

...nicht konstruktiv, ...destruktiv natürlich^^

17.10.2012 18:19 • #5


L
Liebe Felice,

vielen lieben Dank, dass du mir so viel über deine ehrenamtliche Arbeit schreibst.
Das liest sich ja eigentlich ziemlich entspannt, wie du dein Tun beschreibst. Aber irgendwie hätte ich Angst, dass ich nicht gut in Kontakt komme mit den Patienten, dass das Gespräch nicht so richtig zum Fließen kommt. (Weil ich es nicht gut kann, denke ich) Ich stelle mir vor, da ist ein Patient, dem es auch etwas schwerer fällt, sich zu öffnen, und dann sitze ich dort und bin selbst unsicher und gehemmt. Dann versuche ich, irgendwas zu sagen, aber es wird sich gestellt/mechanisch/seltsam anhören und mich noch unsicherer machen. Weil, ich emfinde es bei mir oft so, dass ich dann nur mit meinen Ängsten zu kämpfen habe und dadurch nicht locker und wirklich aus dem Herzen heraus (mit Gefühlen z.B.) reagieren kann.
In meinen Therapiestunden komme ich z.B. nie an meine Gefühle heran. Ich geh zwar gern hin und mag meine Therapeutin, aber ich fühle mich oft blockiert und irgendwie oberflächlich. Kann mich schwer wirklich zeigen.

Wenn du also schreibst, wie sehr dich manches Gespräch rührt, so befürchte ich, dass ich genau DAS meinem Gegenüber vlt. nicht genug geben könnte. Dieses authentische Mitfühlen und Mitschwingen.
Weil ich oft in meinen Blockaden/Ängsten usw. drin hänge.

Aber es gibt auch hier in meiner Stadt Grüne Damen, die dieses Ehrenamt tun. Vielleicht schau ich es mir ja mal an und vielleicht kommt dann auch der Mut dazu.
Und dein Lehrgang hat dir da sicher auch geholfen, dir Wissen und auch Mut gegeben, dass du dir das nun zutraust.

Ja, liebe Felice, du hast mich gut erkannt...bei mir steckt eine Menge Leistungsdruck und Versagensangst im Nacken.
Danke dir für den link, ich hab mir das Video heute gleich angeschaut. Ich hatte vor Jahren mal eine CD von dem Betz gehört, aber per Video kommt da noch mehr rüber. Ich denke, das hilft mir wirklich gut weiter.

Heute hat mich eine Nachbarin informiert (mit der ich kürzlich gesprochen hatte, dass ich eigentlich ein Ehrenamt suchen würde...) dass es evtl. einen Bürojob für mich geben könnte in einer Kinder- und Jugendeinrichtung. Ich könnte mich dort gern bewerben:)))

Ich fahr demnächst ein paar Tage in den Urlaub. Ich hoffe, von dort komm ich mit neuer Energie und viel Mut zurück und geh das dann an!

Danke dir fürs Lesen und die vielen guten Gedanken und Ideen. LG von Lenelene.

18.10.2012 17:24 • #6





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