Liebes Forum,
seit längere Zeit und insbesondere akut in den letzten paar Wochen quälen mich Fragen, auf die ich bisher keine finale Antwort finde. Ich fühle mich gefangen im Gedankenkarussell und bin einfach auf der Suche nach Klarheit. Klarheit darüber was ich will, was gut für mich ist und was der richtige Weg in dieser Situation ist.
Meine Partnerin und ich sind seit rund 10 Jahren zusammen. Im Grunde sind wir im Alltag ein gutes Team. Ich bin jetzt 40, sie 37. Wir haben unser gemeinsames Leben im Griff, stehen finanziell auf sicheren Beinen, haben ein kleines gemeinsames Häuschen und zwei wunderbare Main Coons, die wohl für uns so ne Art Kinderersatz sind. Kinder wollten und wollen wir beide tatsächlich nie. Dennoch gibt es schon seit lang immer wieder Streit über die selben Themen. Die Unzufriedenheit, ich denke auch auf beiden Seiten, ist immer mehr gewachsen. Bereits vor drei Jahren führte das zu einem heftigen Knall, welcher fast zur Trennung geführt hätte. Wir waren uns aber einig, dass wir all das was wir uns aufgebaut haben nicht einfach aufgeben wollen. So richtig mit den Themen auseinandergesetzt haben wir uns dennoch nicht, wohl einfach weiter gemacht und gehofft dass sich alles von selbst erledigt.
Ich spürte in den letzten Monaten von Tag zu Tag mehr, dass ich immer unzufriedener wurde. Leider steht mir in solchen Situationen dann schnell meine hohe Harmoniebedürftigkeit im Weg, was dazu führt, dass ich meine Bedürfnisse viel zu selten und nicht offen genug kommuniziere. Sie im Gegenzug ist ein relativ impulsiver Mensch, was raus muss muss raus. Zumindest oberflächlich, denn über das zu reden was gerade wirklich in ihrem Inneren abgeht, fällt ihr auch oft schwer. Es entläd sich dann einfach die Wut über die Symptome. Bei mir hat das dann oft eher wieder dazu geführt, mich zurückzunehmen, der Harmonie wegen. Ich hab irgendwie das Gefühl gehabt irgendwann, mich selbst total zu verlieren, und nur noch zu funktionieren.
Ende November kam dann ziemlich viel zusammen. Mein Chef knallte mir unvermittelt die Kündigung zum Ende des Jahres inkl. sofortiger Freistellung auf den Tisch, was mich ziemlich aus den Socken gehauen hat. Ich war natürlich die Tage darauf nicht sonderlich gut drauf, was zu Streitereien geführt hat, weil ich nicht so funktioniert habe, wie sie es sich von mir erhofft hat. Mit meiner Leidensfähigkeit am Ende, hab ich ihr dann doch endlich , geballt und natürlich viel zu spät all meine Themen auf den Tisch geworfen, die mich in der Beziehung belasten. Es ist nicht so, als hätte ich all diese Themen nicht bereits mehrfach doch schon mal angesprochen, aber wohl nie so offen und direkt wie jetzt. Die darauffolgenden endlosen Diskussionen waren so emotional aufgeladen, dass wir nur noch aneinander vorbei diskutiert haben. Dies führte dazu, dass die Trennung groß im Raum stand. Ich würde ja sowieso gerade nur völlig abdrehen, weil ich mit der Kündigung nicht klar käme.
Wir haben darauf hin in getrennten Zimmern geschlafen und sind uns im Alltag quasi komplett aus dem Weg gegangen. Ich war viel unterwegs, hab Freunde getroffen die ich lang nicht mehr getroffen habe, stumpf gesagt, meine gewonnene räumliche Freiheit genutzt. Natürlich fühlte sich das alles nicht schön an. Trotzdem tat es mir irgendwie gut. So viel Zeit und Fokus für mich zu haben.
Eines Abends fand ich einen sehr emotionalen Brief auf meinem Bett. In dem sie schrieb wie sehr sie die Beziehung will, dass sie mich vermisst, was sie sich von mir wünscht und auch sie beschrieb auch Einsicht zu den Themen, die ich angesprochen hatte.
Ich beschloss ihr ebenfalls einen Brief zu schreiben. Mein Brief fiel allerdings etwas rationaler aus als Ihrer. Ganz bewusst, weil es mir wichtig war alle Themen zu adressieren und nicht wieder an dem Punkt zu Enden, an dem man einfach weiter macht und hofft dass es sich von alleine bessert.
Ihr Hauptthema mir gegenüber ist hauptsächlich der Wunsch nach mehr Wertschätzung. Mehr Wertschätzung durch mehr Aufmerksamkeit, mehr Unterstützung im Alltag, weil sie immer wieder betont wie anstrengend ihr Job im Schichtdienst ist.
Ich hab für meinen Teil drei Themen ausgemacht. 1. Respektvoller Umgang miteinander, da sie in impulsiven Situationen sehr grenzüberschreitend sein kann und unsere Streitkultur einfach nicht so ist, wie ich mir das wünschen würde. Das sind Themen, wo mir die Stichworte emotionale Manipulation oder auch Schuldumkehr in den Sinn kommen. Ich hab ne Weile gar Streittagebuch geführt, weil sie mir ständig die Worte im Mund verdreht hat und ich mir beweisen musste, ob ich Spinne oder nicht 2. Mehr Freiheit zur persönlichen Entfaltung, Raum und Zeit für eigene Interessen und Freunde. Manchmal glaube ich, für sie gibt es nur noch ein WIR und kaum Raum für die individuellen ICHs. 3. Nähe. Körperlich, aber umso mehr emotional. Seit langem fühlte sich das alles für mich “nur” noch nach WG Leben an, als sei man einfach gute Freunde die zusammen wohnen. Sex gab es kaum noch. Ich hab aber insbesondere in meinem Brief addressiert, dass es mir gar nicht um Quantität geht. Sondern um das Gefühl dabei, als Partner wirklich gesehen zu werden. Das es vereinfach gesagt nicht darum geht, “rangelassen” zu werden, sondern es ja darum geht, dass beide Seiten Spaß daran haben. Und ich ganz sicher keinen Spaß daran haben kann, wenn ich merke, dass sie total gehemmt ist. Und wir eben an all dem Arbeiten müssen.
Die Reaktion auf meinen Brief, der rational aber ganz sicher nicht staub trocken geschrieben war, schockiert mich bis heute noch ein bisschen. Das wäre das schlimmste was ich ihr hätte schreiben können. Ihr Brief sei ja so emotional gewesen und ich würde ihr sowas abgestumpftes hinwerfen. Ich solle besser nicht mehr schreiben, denn das könne ich nicht. Dennoch konnten wir wenige Tage später über alle Themen, ihre und meine, offener und ruhiger sprechen. Sie betonte erneut, dass sie uns nicht aufgeben will. Wir uns uns so viel aufgebaut haben gemeinsam und man das nicht einfach wegwerfen sollte. Und die Chance habe ich uns dann auch einige Tage weiter gegeben. Wir haben die Betten wieder zusammengestellt, ich bemühe mich sehr, ihr die Aufmerksamkeit zu schenken die sie sich wünscht, ihr Arbeit abzunehmen wo ich kann. Ebenso merke ich, dass sie sich auch bemüht. Sie bemüht sich mir mehr Raum zu geben, sich im Streit zusammen zu reißen. Sogar im letzten Punkt - wo mir eigentlich klar war, dass das Thema Nähe ganz viel Zeit und Arbeit braucht, hat sie reagiert. Auf einmal wurde sie vor einigen Tagen aktiv, war wie ausgewechselt. So ausgewechselt, dass sich das schon fast iritierend anfühlte, weil es einer 180 Grad-Drehung glich.
Dennoch blieb in mir viele Frage bestehen… ob sie meine Seite wirklich ernst nimmt, ob sie weiterhin denkt, ich würde durch die Kündigung quer drehen und schon wieder zur Vernunft kommen? Ob ich wirklich noch so fühle wie ich sollte, oder das nur noch Gewohnheit und Freundschaft ist? Ob wir einfach zu unterschiedliche Ansichten haben inzwischen? Ob ich einfach nur Angst vor dem Neuanfang habe, weil so viel mit Haus, den Tieren, Familie und geteilten Freundeskreis auf dem Spiel steht? Ob sie vielleicht gar recht hat und mich das Chaos gerade überfordert?
Ich weiß einfach gerade nicht wie ich hier die nötige Klarheit für mich erlangen soll, darüber, was richtig ist. Kämpfen oder gehen?
Vielen Dank fürs lesen - und vielleicht gibt es ja Erfahrungswerte von jemandem dazu, der dieses Gedankenkarrussel bereits hinter sich hat?
BlackSkies
Heute 13:40 • • 29.12.2025
#1