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timoleona
Liebe Forengemeinde,
Ich habe derzeit das Gefühl, in meinem Leben mehr oder weniger auf der Stelle zu treten und festzustecken und weiß nicht, wo ich anfangen soll, etwas zu verändern.
Ich bin seit 3 Jahren in Therapie, derzeit seit ca. 1,5 Jahren Gesprächstherapie, und die Veränderungen gehen mir viel zu langsam, ich habe zwar Erkenntnisse über mich selbst aber es fällt mir total schwer, irgendetwas im Alltag umzusetzen.
Laut meiner Therapeutin sei ich ein sehr sensibler, offener und freundlicher Mensch, äußerst friedfertig und sehr verständnisvoll.
Dabei fällt es mir total schwer, Forderungen zu stellen. Auf Druck reagiere ich schnell mit starker Vergesslichkeit und Verwirrung.
Ich bin in verschiedenen Bereichen in meinem Leben sehr unglücklich:
Beruf: Ich arbeite seit fast einem Jahr als Lehrerin an einer Grundschule, aber nur 50%. Wie vielen jungen Lehrern fällt es mir schwer mich durchzusetzen, und ich bin bei der Arbeit in der Klasse eigentlich oft sehr unglücklich. Die Kinder können phasenweise so zugewandt und charmant sein wie sie wollen, bei mir ist dieses erfreute, fürsorgliche Gefühl, dass ich einmal im Umgang mit Kindern hatte, nicht mehr da. Ich gehe an kaum einem Tag in die Schule, ohne etwas vergessen zu haben. Ich habe große innere Wiederstände gegen die Unterrichtsvorbereitung, was den Kraftakt noch größer macht und meine Unorganisiertheit verschlimmert. Ich weine viel im Zusammenhang mit der Unterrichtsvorbereitung. Ich arbeite unter viel innerem Druck. Meine Therapeutin sagte mir mal während meines Referendariats, ich komme ihr vor wie ein pazifistischer König, der in den Krieg zieht. So komme ich mir auch vor.. und ich mag nicht mehr immer in den Krieg ziehen. Gleichzeitig bestärkt sie mich, im Beruf zu bleiben. Ich bin verwirrt, weil ich nicht weiß, was ich machen soll..
Wohnsituation: Ich bin vor 5 Jahren zusammen mit Freunden in eine WG gezogen, die gut funktioniert hat. Inzwischen sind meine beiden Freunde weitergezogen (wir sind immer noch gut befreundet) und die zwei neuen Mitbewohner habe ich über Anzeigen kennengelernt. Meine derzeitige Mitbewohnerin hat vor 2 Jahren schonmal hier gewohnt und ist nach einem Auslandsaufenthalt zurück. Sie ist ein sehr fröhlicher und sozialer Mensch, sie hat regelmäßig viele Freunde zu Besuch. Sie ist mir gegenüber zugewandt, fragt wie es mir geht und versucht, zu meiner Arbeitssituation was Konstruktives zu sagen. Es freut mich einerseits, dass sie eine positive Stimmung in die WG bringt. Andererseits fühle ich mich regelmäßig von ihr „überrollt“. Sie und ihre Freunde sind laut, sie lässt Müll herumstehen. Ihr Besuch raucht in ihrem Zimmer, obwohl sie mir gegenüber versichert hat, berücksichtigen zu wollen, dass wir eine Nichtraucher-WG sind (sie selbst ist Raucherin). Wir hatten mehrere Abende zusammen, an denen wir gemeinsam Wein getrunken haben, auch ihren. Heute nimmt sie nun einfach eine Flasche von mir und leert sie gemeinsam mit ihren Freunden. Habe das Gefühl, sie kratzt die ganze Zeit an Grenzen. Lasse ich mich verarschen, sollte ich die Gelegenheit nutzen und an ihr lernen, mich durchzusetzen, sollte ich mir alleine eine Wohnung suchen?
Ich fühle mich trotz vorhandener Kontakte derzeit sehr einsam. Würde mir eine Beziehung wünschen aber kann mich kaum für andere Menschen öffnen, da ich mir entweder keine Beziehung vorstellen kann oder mich schnell angegriffen fühle.

Meine Therapeutin vermutete angesichts meiner anhaltenden Unglücklichkeit mit dem Beruf und den Ängsten, die ich regelmäßig zum Ferienende aufbaue, dass ich mit viel Kraft und Anstrengung eine Fassade hochhalte, hinter der z.T. nichts ist. Aber ich weiß mal wieder nicht, was ich mit dieser Einschätzung von ihr anfangen soll, was nützt mir das im täglichen Leben?
Ich frage mich, ob ich weiter durchhalten und versuchen sollte, an meinem inneren Erleben der Situation und an meinen Beziehungen etwas zu verändern (was ich seit Jahren tue), oder ob ich an meinem äußeren Leben etwas ändern sollte (nach einer beruflichen Veränderung Ausschau halten, umziehen?)
Ich wäre dankbar für Anregungen oder Einschätzungen..
Liebe Grüße, M.

28.10.2014 23:51 • 04.11.2014 #1


17 Antworten ↓


Joji
Hallo timoleona,

vorab einmal, es ist schön, dass du deinen Beruf weiter ausübst, auch wenn du dich dort unwohl fühlst, das zeigt finde ich, dass du trotz dem Druck den du verspürst, sehr stark bist! Respekt!
Nun zu deinem Problem. Kennst du den Film whataman? In dem Film gibt es ein Mädchen, das sinngemäß sagt, auf die Frage, wie sie es schaffe so unbeschwert zu leben Ich gehe eben den Weg der Sonne. Wenn es in einem Weg dunkel wird, wähle ich den anderen.
Ich möchte damit nicht sagen, dass man immer nur weil mal ein Hindernis im Weg liegt, gleich alles hinschmeißen sollte.
Aber wenn du nun schon seit längerem unglücklich bist, denkst du dann nicht auch, du solltest den für dich sonnigsten Weg aussuchen?
Wer dankt es dir später, wenn du dich weiter quälst und nicht glücklich bist, in dem was du tust?
Niemand. Du bist nie jemandem Rechenschaft schuldig, außer vielleicht dir selbst, wenn du das möchtest..

Liebe Grüße,
Joji

28.10.2014 23:58 • #2


A


Unglücklich im Beruf und im Privatleben

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Hotin
Hallo timoleona,
bitte nimm es mir nicht übel, wenn ich direkt meine Meinung sage.
Bevor Du an Deinem Leben oder dem Erleben von Situationen etwas veränderst empfehle ich dir etwas.
Zunächst gehe im Moment langsam mit Veränderungen um. Für erfolgreiche Veränderungen solltest Du
ziemlich sicher sein, wo Du im Leben weiter hin willst.
Nun zum Kern - Es fällt dir schwer, Forderungen zu stellen.
Wer hat Dir das verboten? Oder hat man Dir mal so weh getan, dass Du glaubst das Leben muß friedlicher ablaufen.
Der totale Frieden ist vermutlich nur Theorie.
Wie willst Du zufrieden leben, wenn Du nicht kämpfst, also keine Forderungen stellst.
Lerne Dich zu behaupten - kämpfe und habe keine Angst das Du mal verlieren könntest. Das passiert schon mal,
vielleicht sogar häufiger. Aber keiner verliert immer! Und wer kämpft bekommt Selbstbewußsein.
Welche Menschen schätzt Du? Welche sind Vorbilder für Dich? Ich würde mich
wundern, wenn das Menschen sind, die keine Forderungen stellen.
Könnte Dir noch viel, viel mehr dazu sagen, will Dich aber nicht belehren.

Freut mich, wenn du etwas damit anfangen kannst. Sonst verwirf es.

Viele Grüße
Hotin

29.10.2014 00:43 • x 1 #3


timoleona
Danke für eure tollen und durchdachten Antworten, es ist für mich schon spät daher kriege ich vielleicht nicht mehr alle meine Gedanken aufgeschrieben aber ich wollte euch trotzdem antworten.. Vielleicht später nochmal ausführlicher..
Liebe Joji,
herzlichen Dank für deine anerkennenden Worte, das hat sehr gut getan! Ja, ich bin mir selbst Rechenschaft schuldig, und ich weiß nicht recht wo es hingehen soll, das macht es so schwer..
Hallo Hotin,
danke auch für deine Einschätzung. Insbesondere bzgl. auf Veränderungen! Ich fühle mich nur zwischenzeitlich sehr abgekämpft, und das mit dem Selbstbewusstsein lässt auf sich warten.
Das mit den Vorbildern ist eine sehr interessante Frage! Als Jugendliche war ich fasziniert von Mahatma Gandhi und von gewaltfreiem Widerstand wie z.B. bei Greenpeace. Vielleicht liegt in dieser Richtung ein gangbarer Weg, um sich abzugrenzen und Forderungen zu stellen. Aber ich merke schon wieder dass ich innerlich Druck aufbaue, mich in eine Richtung zu pressen.
Liebe Grüße!

29.10.2014 01:29 • #4


M
Hallo timoleona,
du bist seit 3 Jahren in Therapie? Das macht mir Angst, ich habe erst ein paar Stunden hinter mir und hatte die Hoffnung in absehbarer Zeit meine Probleme besser in den Griff zu bekommen.
Deine Wohnsituation ist nicht gut für dich, davon bin ich überzeugt. Was nutzt eine WG wenn man nur nebeneinander herlebt und sogar noch täglich vor Augen geführt bekommt wie beliebt und kontaktfreudig die Mitbewohner sind während man selber im Leid versinkt?

29.10.2014 12:59 • #5


Icefalki
Hallo, ich finde hotin hat recht. Versuche es doch mal im Kleinem. Sagt deiner Mitbewohnerin ganz freundlich was dir nicht gefällt. Schau was dabei rüberkommt und ziehe dann deine Schlüsse daraus. Sei offen, spreche über deine Unsicherheiten und warte einfach ab, was sich dann ändert. Evtl. bei dir oder bei deiner Mitbewohnerin.

Ich weiß, das ist alles schwer, aber vielleicht step by step?

Grüße icefalki

29.10.2014 13:19 • #6


Schlaflose
Hallo timoleona,

deine Geschichte erinnert mich sehr an meine eigene. Ich war auch Lehrerin (allerdings am Gymnasium) und war sehr unglücklich dabei. Ich habe mich 20 jahre damit gequält, wobei sich das bei mir in Form von extremen Schlafstörungen und daraus resultierenden Depressionen geäußert hat. Die Diagnosen, die ich später erhielt waren Soziale Phobie und ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung. In den letzten fünf Jahren im Dienst, hatte ich dann einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen, war mehrfach länger krank geschrieben, habe eine 8-wöchige psychosomatische Reha (ohne Erfolg) gemacht und war dann zuletzt fast ein Jahr krank geschrieben. In der Zeit fing ich wieder eine Therapie an , in der mir mein Therapeut Mut gemacht hat, den Schuldienst aufzugeben. Wenn ich verbeamtet wäre, hätte man mich in der Vorruhestand geschickt, ich bin aber angestellt und die gesetzliche Rentenversicherung ist da nicht so großzügig. Ich hatte dann das Glück, im Bildungsministerium eine Stelle in der Verwaltung zu bekommen. da bin ich jetzt seit drei Jahren und bin glücklich. Ich bin total wütend auf mich, dass ich nicht schon viel früher von der Schule weg bin und mir so viele Jahre meines Lebens verdorben habe.

Was dein Wohnproblem anbelangt, würde ich dir raten, einfach eine eigene Wohnung zu nehmen, wo du von niemandem gestört wirst.

29.10.2014 14:08 • #7


Heller_Wahnsinn
Was Du zu Deiner Wohnsituation (in der WG) beschreibst, wäre für mich der totale Horror. Auch ich hasse es, mich mit Menschen anzulegen, und auch bei mir war es im Beruf immer so, dass es immer wieder Leute gab, die, wie Du so schön beschreibst, an den Grenzen kratzen. Das ist etwas, was mich völlig wahnsinnig an Menschen macht, dass man seine Grenzen so abstecken muss, dass nicht jemand einfach mal auf die Idee kommt, sich völlig normal und entsprechend den guten Sitten zu verhalten. Immer muß man kämpfen, verteidigen, und dann wenn man es tut, dann sind andere einem auch noch böse. Ich fände die Welt so viel einfacher, wenn man nicht ständig in Kampfbereitschaft sein muß, weil andere die eigene Freundlichkeit und den Wunsch nach Harmonie ausnützen. Ich weiß nicht, warum das so ist. Warum es, egal wohin man geht, immer Menschen gibt, die auf Kosten anderer Land gewinnen wollen, Vorteile zu Lasten anderer, die sich auf Kosten anderer profilieren etc pp. Ich habe das so oft erlebt, dass ich davon schon ganz menschenscheu geworden bin.

29.10.2014 19:10 • #8


timoleona
Danke für eure vielfältigen Antworten!

Hallo Icefalki, hallo Heller (den Rest der Anrede möchte ich nicht mit aufschreiben)
Habe heute morgen meine Mitbewohnerin auf die Situation angesprochen und ihr gesagt, dass ich mich übergangen fühle. Sie sagte, sie dachte es wäre ihre Weinflasche und die Zig. ihres Kumpels eine Zig., die man nicht riecht und sie würde niemals ihren Leuten erlauben, in dem Zimmer zu rauchen. Stimmt, man hat es nicht lange gerochen. Es täte ihr Leid und sie würde eine neue Weinflasche besorgen. Sie macht es nicht mit Absicht, sie ist einfach so – sehr lebendig und manchmal unaufmerksam. Aber wann die neue Weinflasche hier auftaucht weiß ich allerdings nicht. Meine Therapeutin sagte mir mal, man würde ja auch dem anderen eine Chance geben, wenn man sagt was einem nicht passt.
Warum es manchmal so schwer ist mit den anderen Menschen weiß ich auch nicht. Ich kann aber nachvollziehen was du meinst. Vielleicht tut einem das „an den Grenzen kratzen“ besonders weh wenn man sensibel und aus welchen Gründen auch immer verletzlich ist. Und vielleicht machen es die verschiedenen Bedürfnisse auch schwer, miteinander klarzukommen.

Liebe Marta, ich hatte auch einen Wechsel zwischendurch und in der heftigen Zeit des Referendariats hab ich mich eher nur über Wasser gehalten als wirklich etwas verändern zu können. Aber ich hätte mir auch gewünscht dass es schneller geht und frage mich, ob es an meiner Therapeutin liegt oder der Therapieform oder ob es eben einfach so ist dass mein Fall eben viel Zeit braucht.
Ja, tatsächlich habe ich derzeit anscheinend nicht die Kraft für die WG. Oder sie kostet mehr Kraft, als sie gibt . Es ist in meiner Stadt echt nicht leicht, Wohnungen zu finden, das hält mich derzeit auch davon ab, meine gut gelegene, günstige und schöne Altbauwohnung zu verlassen.

Liebe Schlaflose,
Deine Geschichte mit der Arbeit erschreckt mich und tut mir sehr Leid! Um so mehr freut es mich, dass du mit Deiner Arbeit inzwischen zufrieden bist. Was machst du in der Verwaltung? Ich kann mich zum Glück noch ganz gut von der Arbeit distanzieren und kann nachts schlafen, weil ich dann eben den Anspruch an mich absenke. Einige Kollegen haben mir aber erzählt dass sie seit dem Referendariat eigentlich nicht mehr viel schlafen, was ihnen aber auch Zeit zum Nachdenken über die Schüler gebe. Manchmal frage ich mich ob mein ganzer Berufszweig eigentlich entmenschlicht ist. Oder ist es das was wir alle wollen?
Ich weiß einfach nicht ob ich derzeit alles zu schwarz sehe. Vielleicht verbessert sich die Lage ja, wenn ich es schaffe, nicht mehr unter „innerem Hochdruck“ und ständiger Selbstbeschuldigung zu arbeiten, wenn ich kreative Ressourcen wieder zulassen kann, und wenn ich eine Beziehung zu einer Lerngruppe aufbauen kann. Ich befürchte derzeit, auch in keinem anderen Bereich arbeiten zu können, ich traue mir nichts richtig zu und denke eben, ich muss mich immer sehr anstrengen, verstecken, dass ich die Arbeit eigentlich gar nicht kann und eigentlich faul bin.

Liebe Grüße und eine möglichst gute Nacht euch allen!

29.10.2014 23:39 • #9


Heller_Wahnsinn
Zitat:
Meine Therapeutin sagte mir mal, man würde ja auch dem anderen eine Chance geben, wenn man sagt was einem nicht passt.


Das ist ein guter Ansatz.

Allerdings ist meine Erfahrung, dass die Sache mit der Chance eher bei Menschen klappt, die einem gutgesonnen sind, so wie z.B. Deine Mitbewohnerin.
Wann immer ich mich gegenüber anderen Menschen (Kollegen) abgrenzen mußte, wurde negativ darauf reagiert. Egal wie deutlich, egal wie freundlich,
nie kam da die Reaktion: Oh sorry, das war nicht so gemeint, wußte nicht, dass Dich das stört etc pp. Daher bin ich irgendwann zu dem Schluß gekommen,
dass, wenn man überhaupt genötigt ist, Grenzen zu setzen, bereits was im Ungleichgewicht ist, dass die andere Person einen schon irgendwie auf dem
Kieker hat oder einem sonstwie nicht gut gesonnen ist. Grenzüberschreitung aus Gedankenlosigkeit habe ich noch nie erlebt, eher, dass jemand meint,
mit der (also mir) kann man es ja machen, und wenn ich mich dann gewehrt habe, wurde man so richtig sauer. Das habe ich sehr oft im Berufsleben
erfahren, so dass ich mittlerweile Angst habe auswärts arbeiten zu gehen.

30.10.2014 09:05 • #10


M
Zitat von Heller_Wahnsinn:
Daher bin ich irgendwann zu dem Schluß gekommen,
dass, wenn man überhaupt genötigt ist, Grenzen zu setzen, bereits was im Ungleichgewicht ist, dass die andere Person einen schon irgendwie auf dem
Kieker hat oder einem sonstwie nicht gut gesonnen ist. Grenzüberschreitung aus Gedankenlosigkeit habe ich noch nie erlebt, eher, dass jemand meint,
mit der (also mir) kann man es ja machen, und wenn ich mich dann gewehrt habe, wurde man so richtig sauer. Das habe ich sehr oft im Berufsleben
erfahren, so dass ich mittlerweile Angst habe auswärts arbeiten zu gehen.


Ich scheitere in dem Bereich immer wieder. Im Internet findet man unter Mobbing solche Tipps wie Netzwerke bilden oder sich mit Hilfe der Gewerkschaft wehren. Alles gut gemeint wenn man außen vor ist...

30.10.2014 13:05 • #11


Heller_Wahnsinn
Es fällt mir schwer, Grenzen zu setzen, das wirkt auf mich so künstlich, so aufgesetzt, irgendwie fehlt mir da was. Das, was kleine Kinder normalerweise schon im Sandkasten können, muss ich mit dem Verstand machen, und ich glaube, dass ich häufig zu spät, manchmal auch zu früh auf Grenzverletzungen reagiere. Jedenfalls ist das immer nach hinten losgegangen. Es fällt mir schwer, mich angemessen zur Wehr zu setzen und dann möglichst noch so, dass man danach noch normal miteinander auskommt. Ich habe keine Ahnung, wie andere das machen.

30.10.2014 13:25 • #12


Schlaflose
Zitat von timoleona:
Was machst du in der Verwaltung?


Ich bin im Gymnasialreferat und mache verschiedene Dinge. Ich helfe in der Abiturverawaltung mit (hauptsächlich Beauftragungsschreiben tippen), Ministervorlagen schreiben (aufgrund derer A-14 Funktionsstellen besetzt werden), dann bin ich für die Verwaltung der schulischen Latinumsprüfungen zuständig, für die Abiturverwaltung der Waldorfschulen, für die externen Abiturprüfungen, für die Bewerbungen aller Schulformen in den Auslandsschuldienst, für den schulischen Teil der Fachhochschulreife und was noch so an Kleinkram anfällt.



Zitat von timoleona:
Manchmal frage ich mich ob mein ganzer Berufszweig eigentlich entmenschlicht ist. Oder ist es das was wir alle wollen?

Hm, also ich finde, es ist genau das Gegenteil, der Lehrerberuf wird in den letzten immer mehr VERmenschlicht. Das war ja gerade mein Problem. Zu meiner Schulzeit waren Lehrer reine Wissensvermittler. Sie kamen in die Klasse hielten den Unterricht ab und gingen beim Gong wieder raus. Es war weder von den Schülern noch von den Eltern erwünscht, persönliche Beziehungen zueinander zu haben. Genau so wollte ich das auch haben. Aber heutzutage ist der Unterricht nur noch unter ferner liefen. Der Lehrer ist Elternersatz, Psychologe, Sozialarbeiter, Entertainer, Reiseleiter, Eheberater für Eltern und vieles mehr, was in den privaten Bereich der Schüler gehört.

30.10.2014 15:20 • #13


timoleona
Liebe Heller, liebe Marta,
Zitat von Heller_Wahnsinn:
Es fällt mir schwer, Grenzen zu setzen, das wirkt auf mich so künstlich, so aufgesetzt, irgendwie fehlt mir da was. Das, was kleine Kinder normalerweise schon im Sandkasten können, muss ich mit dem Verstand machen, und ich glaube, dass ich häufig zu spät, manchmal auch zu früh auf Grenzverletzungen reagiere. Jedenfalls ist das immer nach hinten losgegangen. Es fällt mir schwer, mich angemessen zur Wehr zu setzen und dann möglichst noch so, dass man danach noch normal miteinander auskommt. Ich habe keine Ahnung, wie andere das machen.


Ja, so ähnlich geht es mir auch oft. Ich hatte vielleicht als Kind wenig Gelegenheit, im Sandkasten mit den anderen zu üben, da ich bis ich 6 Jahre alt war vor allem bei Tageseltern war bei denen es kaum andere Kinder zum Spielen gab. Oft bin ich auch selbst völlig verunsichert wenn ich mich dann abgegrenzt habe oder Forderungen gestellt habe. Im Beruf schalte ich manchmal auf eine Art Autopilot und gebe immer wieder dieselben Antworten, vermutlich ist es sonst für mich einfach nicht zu leisten. Das funktioniert natürlich nicht besonders gut, ich bin dann unzufrieden mit mir selbst und werde noch unflexibler und humorloser.
Geholfen hat es mir bisher manchmal, wenn ich irgendwo (Therapie, Fortbildung) Gefühle der Berechtigung mitnehmen konnte. Dass ich Werte und Erfahrungen habe, die meine Anforderungen an die Schüler berechtigen. In der Uni hatte ich mal 6 psychologische Beratungsstunden in denen mir die Therapeutin das Gefühl gegeben hat, total wichtig zu sein. Danach hatte ich eine Weile gar nicht das Gefühl, es allen Recht machen zu müssen sondern hab auch einfach mal ein Telefongespräch sehr schnell beendet, wenn ich gemerkt habe dass es sich wieder nur um den Gesprächspartner dreht.
Ich hab auch als Schülerin Mobbingerfahrungen gemacht und möchte das nie wieder erleben. Im Referendariat hatte ich einen Mentor, der alles was ich gemacht habe stark abgewertet hat. Vermutlich auch alles auf Grund meiner nicht vorhandenen Abgrenzung, und der Vorstellung, dass es stimmt was mein Mentor sagt, dass ich das alles nicht gut mache. Scheixkerl eigentlich.

Liebe Schlaflose,
na ja ich meinte einfach dass ich es entmenschlicht finde dass es keinen Feierabend gibt. Aber vermutlich spielt da mit rein dass wir viel mehr als Person angesprochen sind. Irgendwo habe ich gelesen dass Lehrer emotional belasteter seien als Ärzte, wie auch immer man das erhebt.
Hatte heute mal wieder einen absoluten Kampfnachmittag. Donnerstag Nachmittags ist bisher immer Kampf. Ich werde einige Konsequenzen ziehen müssen. Ich überlege, morgen in die Schule zu gehen, dabei habe ich eigentlich einen freien Tag. Aber sonst bin ich erst Dienstag wieder in der Klasse, das dauert mir zu lange. Im Moment bin ich aber nach dem mühsamen mich nach den Ferien aus dem Sumpf ziehen in Kampfstimmung und will jetzt den Donnerstagnachmittag geregelt kriegen.
Liebe Grüße!

30.10.2014 21:18 • #14


Menandera
Hallo Schlaflose,

was du über deine Erfahrung mit Lehrern während deiner Schulzeit gemacht hast, stimmt mich sehr traurig.
Ich bin in deinem Alter und habe zum Glück auch Lehrer gehabt, die sehr profesionell ihr Wissen an uns weitergegeben haben UND menschlich dabei waren.( Nicht alle, klar) Was für eine Horrorvorstellung: Rein in die Klasse-Wissen loswerden-Raus aus der Klasse.....Wer Lehrer,Arzt,Krankenschwester,Erzieher werden möchte, sollte Menschen mögen, auch wenn dies manchmal Schwierigkeiten macht.
Lehrer, die auch mal Mensch und nicht nur Wissensvermittler sind, solche Lehrer kommen auch an die Schüler heran, denke ich.Lehrer zu sein ist mehr als Wissen vermitteln- so sehe ich es. Es sind ja Pädagogen.........
Ich arbeite mit Kindern/Eltern und ohne Empathie wäre es nicht möglich- ich wollte das auch nicht. Aber: Abgrenzung ist in solchen Berufen sehr, sehr wichtig. Besonders in den helfenden Berufen, wo es ja auch noch Arbeitszeiten gibt, die eigentlich keiner will.
Leider habe ich mich lange zu wenig abgegrenzt- aber in meiner Therapie lerne ich es jetzt. Dadurch entwickele ich wieder mehr Kraft für meinen Beruf, das finde ich echt super!

Viele Grüße,
Menandera

30.10.2014 23:29 • #15


Schlaflose
Zitat von Menandera:
Hallo Schlaflose,

was du über deine Erfahrung mit Lehrern während deiner Schulzeit gemacht hast, stimmt mich sehr traurig.


Wieso? Ich fand das gut. Ich war sogar in den ersten drei Schuljahren in Rumänien in der Grundschule, da hat die Lehrerin Schülern, die sich gemuckst haben, mit dem Rohrstock eins über die Handfläche gezogen. In der Klasse war immer absolute Ruhe und Disziplin und man konnte konzentriert arbeiten. Später hier am Gymnasium hatten wir hauptsächlich Lehrer der alten Sorte, die streng und distanziert waren. Dann kamen einige Jüngere der 68-Generation dazu, die natürlich anders waren, aber ich mochte das gar nicht. Ich mochte am liebsten Lehrer, die streng waren, viel forderten und vor denen man Angst und Respekt hatte und man sich deswegen besonders anstrengte. Ich war jemand, der in die Schule ging, um so viel wie möglich zu lernen.

Mich abzugrenzen, damit habe ich kein Problem. Im Gegenteil, mein Problem ist, dass ich mich zu viel abgrenze. Ich möchte immer eine große Distanz zu meinen Mitmenschen und will mich nicht mit ihren Problemen abgeben. Ich empfinde auch keine Empathie. Ich kann zwar intellektuell nachvollziehen, dass es jemandem schlecht gehen muss, der z.B. missbraucht wurde oder andere schlimme Sachen erlebt hat, aber ich empfinde nichts dabei, mir tut die Person nicht leid und will mich damit auch nicht auseinandersetzen. Das ist wohl die Folge meiner Sozialen Phobie.

31.10.2014 12:42 • #16


timoleona
Hallo an alle,
ich fühle mich schon wieder so - deprimiert.
Es stimmt schon was marta schreibt, ich bekomme halt durch die WG ständig vor Augen geführt, dass ich eigentlich ziemlich zurückgezogen lebe. Abends habe ich auch oft nicht mehr die Lust, zu reden, mich mit meinen Mitbewohnern auseinanderzusetzen. Ich hab die WG eigentlich auch immer als Ort betrachtet, um sozial zu lernen und um mich zu zwingen, mich nicht zu sehr zu verkriechen. Ich hätte Angst, dass ich mich noch mehr zurückziehe, wenn ich alleine wohne. Aber derzeit ist es mir, auch wenn sich meine Mitbewohnerin Mühe gibt, oft zu viel.
In der Schule macht mir meine sprachliche Gehemmtheit zu schaffen, in Gesprächen mit Kollegen und in Konfliktgesprächen mit den Schülern. Ich weiß oft einfach nicht, was ich sagen soll (auch wenn ich mich natürlich mit Gesprächstechniken auseinandersetze), und Situationen mit Schülern eskalieren durch meine Langsamkeit.
Hinzu kommt, dass ich meine Freizeit schlecht genießen kann, weil ich ein ständiges schlechtes Gewissen habe, noch nicht genug für die Schule getan zu haben. Zugleich ist es ein innerer Kampf, sich an den Schreibtisch zu setzen und was zu tun. Nach einem Tag von 8-15:00 Uhr in der Schule mag ich nicht mehr.. und zugleich sind noch 1000 Sachen zu tun.

Schlaflose, ich habe auch andere und sehr positive Erinnerungen an meine Grundschulzeit. Eigentlich stelle ich mir die Grundschule als einen warmherzigen Ort vor. Das möchte ich eigentlich so auch weitergeben.

04.11.2014 20:42 • #17

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timoleona
PS. Hat jemand Tipps bzgl. Gehemmtheit / sprachlicher Unsicherheit?

04.11.2014 21:17 • #18


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