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Hallo,

ich bin nicht erfahren in solchen Foren- aber ich brauche einfach mal einen Rat von jemand Außenstehendem...Denn ich komm zu keinem klaren Gedanken.

Es ist so, am Montag war die Beerdigung meiner Oma. Sie und ich hatten eine wirklich spezielle Bindung- ungewöhnlich eng und liebevoll. Sie hat drei Söhne (worunter natürlich mein Vater), doch ich bin immer die engste Bezugsperson gewesen. Meine Oma und meine Eltern hatten schon immer eine sehr schlechte Beziehung- wo ich mich immer von distanziert habe. Beide Parteien haben mich immer daraus gehalten und vor mir nicht schlecht über den anderen gesprochen. Natürlich bin ich weder heute- noch als Kind damals blind gewesen und habe von diesem schlechten Verhältnis gewusst, aber Details haben mich nie interessiert.
Je älter Oma wurde, desto weniger waren diese schlechten Emotionen gegenüber präsent.
Nun ist sie tot, was mich sowieso in ein Loch gerissen hat. Ich bin gerade in den Abschlussprüfungen und sowieso sehr gestresst. Durch diese Doppelbelastung hab ich seit zwei Wochen Schlafstörungen, Kopfschmerzen etc. etc. also ich bin an einer Grenze, wenn ich auf meinen Körper höre.
Heute bin ich in ihr Haus geganen um mir kleine Andenken mitzunehmen- habe Fotos durchgeschaut etc...Dabei bin ich u.a. auf Tagebücher gestoßen. Ohne lange nachzudenken hab ich irgendeine Seite aufgeschlagen, mir sprangen direkt Namen meiner Eltern an. Daraufhin begann ich zu lesen- was ich vielleicht nie hätte machen dürfen. Jede einzelne Seite beschreibt meine Eltern- vorallem meine Mutter als abgrundtief schlechten Menschen...Ich bin schockiert. Über 10Jahre lange drehen sich die Einträge nur um meine Mutter und das sie eine Lügnerin ist und das es eine Schande ist das mein Vater mit so jemanden verheiratet ist. Die zwei anderen SÖhne (mit denen sie ein gutes verhätnis hatte) werden fast gar nicht erwähnt! Auch von den 4 anderen Enkelkindern kein wort. Immer wieder das sie mich liebt und das es ihr weh tut mich bei solchen Leuten aufwachsen zu sehen....Obsessiv wird alles was meine Mutter getan hat- (oder auch nicht) festgehalten. Fotos von Weihnachtsgeschenken, die meine Eltern gemacht haben mit Datum und Kommentaren wie Ekelhaft- direkt weg geschmissen etc. Meine Oma ist sehr früh Witwe geworden und es stehen Sätze im Tagebuch wie Wünschte ich wäre bei x., er bekommt das ganze Elend nicht mit...Das einzige Thema was neben mir und meinen Eltern erwähnt wird ist ihre Krebserkranung...Zeitweise vergleicht sie sogar die Erkrankung mit meinen Eltern. WÄhrend ich las bin ich zweimal umgekippt, in meinem Leben habe ich noch nicht so etwas schmerzhaftes gelesen! Es klingt als würde ich bei Assozialen aufgewachsen, die sich nicht für mich interessieren...Unfassbar! In aller Deutlichkeit: Ich bin beschützt, geliebt und in einem wunderbaren Elternhaus aufgewachsen...kein bisschen kann ich das beschriebene nachvollziehen. Würden nicht unsere Namen dabei stehen, würde ich denken das ist Material für einen schlechten RTL-Nachmittags-Soap. Ich bin so verletzt, wütend, traurig...ich weiß nicht was noch. Ich weiß nicht was ich fühlen soll. Ich würde so gerne mit Oma darüber sprechen...aber das geht natürlich nicht. Vorallem hab ich den Drang meine eltern vor diesen Texten zu beschützten, ich glaube für meinen Vater würde die Welt zusammen brechen. Niemand sollte so unfassbare Gemeinheiten über sich selbst lesen,oder? Ich habe die Tagebücher mitgenommen und versteckt. Ich weiß nicht ob das richtig ist? SOllte ich mit meinen Eltern darüber sprechen? Mein erster Gedanke ist um alles zu verbrennen.
Mein Partner war dabei, als ich die Bücher gefunden habe. Er ist auch aus allen Wolken gefallen und versteht die Welt nicht mehr. Ich bin so ratlos, bitte sagt mir was ihr tun würdet und wie ich das verarbeiten soll.
DANKE

22.06.2015 01:18 • 22.06.2015 #1


8 Antworten ↓


Ich würde an Deiner Stelle das Geschriebene nur für Dich behalten, denn das kannst Du, glaube ich, alleine
nicht tragen.

Warum die Oma so über Deine Eltern dachte ist jetzt natürlich ein großes Rätsel. Vor allem wenn Du sie als ganz anders erlebt

hattest. Gut finde ich, dass Deine Oma und Deine Eltern Dich nicht in das schlechte Verhältnis hereingezogen haben. Es kann gut sein, dass irgendwann mal etwas zwischen Deiner Oma und Deiner Mutter passiert ist, wovon Du nichts weißt, und weswegen Deine Oma so einen Hass aufgebaut hat. Möglich wäre auch, dass Deine Oma irgendwie eifersüchtig auf Deine Mutter war, dass sie ihr den Sohn weggenommen hat. Z. B. wenn sie früher eine besonders enge Beziehung zu ihm hatte.
Oder es hat ganz einfach die Chemie zwischen ihr und Deiner Mutter nicht gestimmt.
Ich tippe am ehesten auf Eifersucht.
Trotz allem würde ich mich Deinen Eltern anvertrauen, gemeinsam kann man das vielleicht besser klären und auch tragen.
Möglich wäre für Dich auch, dass Du mal mit einer Therapeutin oder einem Seelsorger sprichst.
Bestimmt siehst Du Deine Oma jetzt in einem neuen Licht. Vielleicht kannst Du auch gedanklich mit ihr sprechen, am Grab oder so.
Es wird bestimmt einige Zeit dauern, bis Du das alles verabeiten und irgendwann vielleicht verstehen kannst.
Alles Gute für Dich!

A


Tagebuch der Verstorben hinterlässt wilde Emotionen

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Sorry, der erste Satz sollte lauten:

Ich würde an Deiner Stelle das Geschriebene nicht nur für Dich behalten, denn das kannst Du, glaube ich, alleine
nicht tragen.

Willkommen in der Runde, brina

Es tut mir sehr leid, dass du deine Oma verloren hast.

Dass du die Tagebücher versteckst, finde ich richtig, denn ich nehme an, deine Oma hat sie für sich selbst geschrieben und möchte nicht, dass sie gelesen werden. Du hast sie gefunden und ich an deiner Stelle würde Diskretion wahren. Wenn du den Impuls hast, sie zu verbrennen, ist das vielleicht sogar richtig. Wer möchte schon, dass nach seinem Tod die Tagebücher gelesen werden? Sieh es als das Geheimnis deiner Oma, was nur sie etwas angeht.

Zu Kalinas Beitrag: Wenn du das Gelesene nicht alleine tragen kannst, fände ich besser, mit einer neutralen Person darüber zu sprechen, weil es deiner Oma sicher nicht recht wäre, wenn du deinen Eltern die Tagebücher zeigst.

Liebe Grüße
Adea

Morgen Brina

Was kalina und Adea schreiben ist beides irgendwie richtig, und ich weiß auch nicht direkt was ich dir raten sollte, was ich aber weiß ist das diesen Tagebüchern etwas vorausgegangen ist, eine Art Familiengeheimnis, und ich denke das du das wissen musst um beide Seiten verstehen zu können.

Vielleicht hast du die Möglichkeit es in einem Offenen Gespräch mit deinem Vater oder deiner Mutter zu erfahren, ohne die Tagebücher zu erwähnen.

Guten Morgen, Brina,

Puh, das ist hart.

Als erstes würde ich es mal als die Dinge betrachten, die deine Oma empfunden hat. Die haben wahrscheinlich gar nichts mit dir oder deinen Eltern zu tun.
Sie ist früh verwitwet, hat evtl. als Kind noch den Krieg und die Zeit danach erlebt. Sie hat sich Luft verschafft, indem sie es aufgeschrieben hat.

Familiengeheimnis hin oder her. Sie hat dich geliebt und deine Eltern dich auch. Dir ging es doch gut in diesem unterschwelligen Konflikt. Behalte deine Oma vielleicht einfach so in Erinnerung.

Nach dem ersten Schock kommt die Trauer und irgendwann ist es möglich, ohne Tränen an die geliebte Person zurückzudenken. Ich denke, dass dann auch der Zeitpunkt da wäre, das Tagebuch mit deinen Eltern zu besprechen.
Ich denke nicht, dass es für die Trauerbewältigung gut ist. Denn die Wut, die aus den Büchern resultiert, verzögert das Ganze.

Wie gesagt, die Gedanken und Gefühle deiner Oma hatten mit Dir und deinen Eltern nicht viel zu tun. Es waren ihre! Du hast es anders erlebt und deine Oma auch als liebevolle Frau in Erinnerung.

Ich kann dir das Buch Kriegskinder empfehlen, falls deine Oma aus dieser Generation war. Dann verstehst du sie posthum. Die Verfolgungsängste, die Schuldgefühle, etc. Alles Zeichen der Entbehrungen und Erlebnisse, die sie als Kind hatte und die sie geprägt haben bis zum Schluss.

Ganz viel Kraft wünsche ich dir.
Anschana

Hallo Brina, Tagebücher sind total intim.
Wer ein Tagebuch schreibt, tut das für sich.

D.h. Man kann ungefiltert seine Emotionen reinschreiben. Man könnte schreiben, ich hasse meinen Vater und einen totenkopf rein malen und an Mord denken. Und das auch noch aufschreiben. Und dann wird das von den Eltern gefunden und gelesen. Toll. Das war bei Mir der Fall. Damals war ich 13 Jahre alt.

Ich glaube, das haben sie mir nicht verziehen, was aber eine andere Sache ist.

Fakt ist, ein Tagebuch ist intim. Ist eine Möglichkeit, die grauslichsten Dinge reinschreiben zu können, da es ja niemand lesen wird. Nenn es Stuhlgang der Seele.

Eine Möglichkeit mit Frustration, Neid, Angst, Gefühlschaos, usw. Umgehen zu können.

Du hast die geheimen und niederträchtigen Gedanken deiner Oma gelesen, die sie in dieser Weise aber nie öffentlich, geschweige denn, dir gegenüber mitgeteilt hat.

Es war ihre Art, mit ihren Gefühlen umzugehen. Und dann überlege dir echt, wer hat nicht schon schreckliche Gedanken gewälzt, die aber nie ausgeführt wurden.

Negatives Geschriebenes zu lesen ist viel, viel schrecklicher als negative Gedanken zu haben.

Und jetzt hast du es gelesen. Ich würde sie verbrennen, denn deine Oma würde sich fürchterlich fühlen, dich so verletzt zu haben.

Das war nie ihre Absicht, und das hat sie im wahren Leben auch nie gemacht.

Tu ihr den Gefallen und achte auf ihre Würde. Diese Zeilen waren für niemanden bestimmt.

Sie waren nur für Sie da, ihre Art, mit ihren Gefühlen umzugehen. Ihre Art, mit ihren Problemen klar zu kommen.

Und jeder hat das Recht, Gedanken zu haben. Und niemand ist perfekt.

Sie hat dich geliebt. Das zählt. Erweise ihr die Liebe und lass ihre Gedanken auch verschwinden, aus deinem Kopf, aus dieser Welt.

ich würde es mal vorsichtig ansprechen, evtl. ist da wirklich etwas vorgefallen was dir deine Oma und Mutter verheimlichen will. Könnte glaub ich selbst mit der Ungewissheit und den offenen Fragen nicht leben.

Vieles was hier geschrieben finde ich richtig, auch was Icefalki über die Intimität von Tagebüchern schreibt, und dass man
da manchmal einfach nur Frust oder Wut oder Enttäuschung abladen will und die Worte nicht von anderen gelesen werden sollten. (Deswegen würde ich die Worte im Tagebuch auch nicht auf die Goldwaage legen.)

Aber, da frage ich mich schon, warum die Oma die Tagebücher nicht selbst bereits vernichtet hat, es musste ihr ja klar sein, dass sie später gefunden werden.

Aber ganz unabhängig davon: jetzt hast Du sie gelesen und sie stürzen Dich in ein Gefühlschaos, und das, wo Du jetzt schon mit dem Tod und Verlust einer geliebten Person zu kämpfen hast.
Ich finde es nicht richtig, wenn Du diese Geheimnis des Tagebuches jetzt ganz alleine mit Dir herumtragen musst, vor allem auch deswegen, weil Du ja am allerwenigsten daran beteiligt bist (an den Zwistigkeiten).

Ich würde an Deiner Stelle Deinen Eltern einfach sagen, dass Du die Bücher gefunden hast und leider darin gelesen hast und Dich das Gelesene belastet. Du musst doch nicht ins Detail gehen. Vielleicht haben Deine Eltern gar kein Interesse am Inhalt der Tagebücher. Das sollten sie aber selbst entscheiden.
Einfach verbrennen würde ich sie nicht, denn schließlich gehören sie zum Nachlass und der gehört ja allen Kindern. Jeder kann selbst entscheiden, ob er daran Interesse hat oder nicht.

Abgesehen davon ist es jetzt vielleicht auch der richtige Zeitpunkt darüber zu reden, warum das Verhältnis zwischen Deinen Eltern und der Oma so angespannt war.




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