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K
Hallo

Ich hatte gestern eine Abtreibung
(7 ssw) und komme momentan nur schwer damit zurecht.
Für mich war von Anfang an klar, dass ich das Kind nicht behalten kann, dazu wäre ich nicht in der Lage gewesen.
Dennoch ist es mir sehr schwer gefallen, mein Gewissen war von Anfang an schlecht, ich weinte viel, machte mir große Vorwürfe. Jetzt ist es nicht besser, ganz im Gegenteil, es ist alles noch schlimmer. Erleichtert? Bin ich überhaupt nicht.

Als ich gestern auf dem Stuhl lag, wäre ich am liebsten wieder aufgesprungen und gegangen, doch diese Chance hatte ich nicht mehr, es war und ist erschreckend, wie es abgelaufen ist, ich habe schon mit Freunden darüber gesprochen, die meine Erzählungen allerdings nicht ernst nehmen, eher denken, dass ich mir all das vor lauter Aufregung bloß eingebildet habe.

Ich kam gerade in der Praxis an, da wurde ich auch schon unfreundlich in die Umkleide gebeten, ich sollte mir das OP-Hemd anziehen.
Danach saß ich auf einer Liege, ein Zugang für die Vollnarkose sollte gelegt werden, die Helferinnen waren alle sehr unfreundlich, lächelten kein einziges Mal, sagten kein nettes Wort, meine Nachfragen wurden häufig sogar völlig ignoriert.
Als ich sagte, dass ich mich für den Zugang hinlegen muss, weil mir dabei schlecht wird, sagte die Helferin sehr unfreundlich und in einem lauten Ton, dass ich mich nicht anstellen soll.
Danach saß ich noch ca 5 Minuten auf dieser Liege, bis der Anästhesist mich abholte, diesen lernte ich zuvor gar nicht kennen, ich hatte zuvor lediglich ein Gespräch mit dem Arzt, der die OP durchführte. Der Anästhesist nannte mir nichtmal seinen Namen, wirkte ebenfalls sehr kalt und unfreundlich auf mich.
Er ging mit mir in den OP, ich war schon total am zittern, weil ich riesige Angst bekam. Dort angekommen standen 5 Helferinnen im Raum, keine davon begrüßte mich oder sagte etwas nettes, keine schenkte mir einen freundlichen Blick, ich sollte mich sofort auf den Gynäkologenstuhl legen, dann ging alles ganz schnell. Mir wurde nicht erklärt, was nun getan wird, ich merkte nur, wie an meinen Armen und Beinen herumgefummelt wurde, wie ich an Armen und Beinen an den Stuhl fixiert wurde. Ich schaute zum Anästhesisten und sah, wie dieser schon längst eine Spritze an meinen Zugang in der Armvene drückte, die Hälfte war schon gespritzt und ich fühlte mich sehr schwer, etwas schwummrig, dabei lag ich gefühlt noch nichtmal in der richtigen Position auf diesem Stuhl, war vor wenigen Sekunden erst in den Raum gekommen.
Ich fing an zu weinen, weil mir das alles zu viel wurde, weil ich überfordert war mit dieser Situation, ich kam mir schrecklich vor, es fühlte sich grausam an, ich empfand keinerlei Vertrauen und hatte nurnoch Panik. Ich wollte noch sagen, dass ich Angst habe und nicht weiß, ob ich gerade das richtige mache, doch dann war ich schon weg. Insgesamt hat es vielleicht 1-2 Minuten vom betreten bis zum einschlafen gedauert. Ich wurde ca 30 Minuten später im Aufwachraum geweckt und alles war vorbei. Ich musste sofort weinen, keiner sagte etwas, ich wurde nicht beachtet, irgendwann wurde ich wortlos vom EKG genommen.

Zwei Stunden später kam der Arzt zu mir, das war das erste Mal, dass ich ihn an diesem Tag sah, er sagte mir, dass die OP gut verlaufen sei und dass ich langsam nach Hause könnte.

Nun sitze ich hier und bin einfach nur traurig, auch noch immer ganz erschrocken darüber, wie es abgelaufen ist, wie kalt und schnell alles durchgeführt wurde, wie am Fließband. Ich hatte schonmal eine Operation, doch da lief alles ganz anders ab, erstmal wurde alles vorbereitet, mir wurde alles genau erklärt, der Anästhesist sagte mir bescheid, als es losging. Ich wurde erstmal an alle Geräte angeschlossen und bekam liebe, beruhigende Worte, das war diesmal überhaupt nicht der Fall. Ich habe mich nicht gut aufgehoben gefühlt, obwohl ich es so sehr gebraucht hätte. Ich weiß, dass es dort keine Psychologen sind, aber dort gab es wenig, eigentlich gar keine Herzlichkeit.
Die einzige Person, die super lieb und nett war, war der Arzt, der die OP durchgeführt hat und dem auch diese Praxis gehört.
Er rief mich auch noch am selben Tag an und fragte, wie es mir gehen würde, das war sehr nett. Aber sein Personal? Einfach nur furchtbar!

Ich weiß nicht, wie ich das Erlebte verarbeiten soll. Ich zweifel auch an meiner Entscheidung, ich weiß nicht, ob ich das richtige getan habe, ich fühle mich schrecklich, ich habe über ein Leben bestimmt, ich habe nicht zugelassen, dass es auf diese Welt kommt.
Leider versteht kaum einer meine Gefühle, alle meinen, dass es meine Entscheidung gewesen sei, dass ich nun selbst Schuld sei und bloß nicht rumjammern soll. Ja, es war meine Entscheidung, das stimmt! Doch trotzdem macht mir das alles sehr zu schaffen, ich fühle mich total alleine und unverstanden, irgendwie ist niemand für mich da, keiner versteht mich, ich bin in Augen anderer die Böse, so kommt es mir vor, so werde ich von allen behandelt. Ich muss irgendwie alleine damit zurecht kommen, ich hätte nicht gedacht, dass nichtmal meine Freunde für mich da sind.

Ist es normal, sich so zu fühlen?
Vielleicht gibt es ja hier Leute, die mich verstehen können?
Ich weiß nicht, ob und wie ich dies verarbeiten kann, im Moment fühlt es sich sehr schwer an, ich bin total fertig und fühle mich kraftlos.

28.07.2022 20:32 • 29.07.2022 x 5 #1


6 Antworten ↓


JniL
Natürlich wirst du hier verstanden! Für uns bist du ja Mensch und kein Fall.
Ich finde es auch sehr problematisch wie in der Medizin mit Menschen umgegangen wird aber das ist die Schuld unseres Gesundheitssystems das auf Profit ausgerichtet ist und nicht auf Menschlichkeit.
Versuche es nicht den Mitarbeitern anzukreiden, die haben einen sehr stressigen Job. Versuche einfach - wie ja auch schon geschrieben - den netten Arzt in den Vordergrund zu stellen.

28.07.2022 21:09 • x 4 #2


A


Abtreibung gehabt, fühle mich schlecht und alleine

x 3


Lina60
Es tut mir sehr leid liebe @Katharina93, was Du aushalten musstest und wie abwertend grausam Du behandelt wurdest.

Auch ist es sehr traurig, dass Deine Freunde Dich nicht verstehen können.

Leichtfertig entschliesst sich niemand potentielles Leben abzutreiben, und Du hattest bestimmt sehr gute Gründe !

Und auf keinen Fall solltest Du damit jetzt alleine bleiben und fertig werden.

Ausser uns hier gibt es noch Notfallärzte und -Psychiater mit denen man telefonieren kann. In der Schweiz gibt es die Dargebotene Hand. Da ist rund um die Uhr ein Gesprächspartner mit offenem Ohr erreichbar. Vielleicht meldet sich noch jemand vom Forum hier, der Dir Anrufe-Tips geben kann. Ich hoffe es.

28.07.2022 21:35 • x 4 #3


D
Es tut mir sehr leid, was du durchmachen musstest und noch musst! Es verurteilt dich niemand, natürlich verstehen wir dich.

Wie es dort gelaufen ist und wie mir dir umgegangen wurde, erschreckt auch mich. Ich kann verstehen, dass es dich erstrecht schockiert haben muss, in solch einer Situation braucht man Halt und Wärme, keine Kälte und Gleichgültigkeit.
Aber weißt du, diese Menschen machen so etwas tagtäglich mit, ich kann mir vorstellen, dass sie sich vielleicht auch selbst schützen müssen, würden sie alles an sich heran lassen, würden sie wahrscheinlich ebenfalls darunter leiden. Sie müssen einen gewissen Abstand zu den Gefühlen haben, das kann sehr abgestumpft und kalt wirken. Deren Job ist nicht einfach, sehr anstrengend, sehr fordernd. Sie werden wissen, wie es in dem Menschen aussieht, der sich für eine Abtreibung entschieden hat.
Da ist es auch sehr schwierig, den richtigen Umgang zu finden. Manche Patienten wollen gar kein Mitleid, viele würden sich vielleicht gar nicht ernst genommen fühlen, wenn sie lachend und fröhlich in empfang genommen werden. Vielleicht sah man dir auch an, dass es dir schlecht geht.
Ich weiß nicht, wie ich mich in diesem Job verhalten würde, ich stelle es mir schwierig vor, für mich wäre es ohnehin nichts, dafür bin ich viel zu sensibel, es würde mich ewig begleiten.

Nehme es ihnen nicht allzu übel und denke schon gar nicht, dass es etwas mit deiner Person zutun gehabt hat!
Vielleicht wollte man dich auch schnell erlösen, indem man die Narkose zügig einsetzte, anstatt ewig lange zu reden und erstmal alles vorzubereiten. Ich hätte in diesem Fall sicher darum gebeten, du wiederum bekamst nur noch mehr Angst und hättest etwas Zeit gebraucht, so unterschiedlich sind die Fälle.

Dennoch sollte natürlich immer Respekt und Höflichkeit herrschen, das war hier wohl nicht gegeben, zumindest das hätte sein müssen.

Es ist schade, dass deine Freunde nicht für sich da sind, das ist natürlich enttäuschend.
Du kannst hier gerne mehr schreiben und uns deine Gefühle mitteilen, ich denke, dass hier viele sind, die dich verstehen und dir gerne zuhören.

28.07.2022 21:45 • x 3 #4


Mondkatze
Zitat von Katharina93:
Ich hatte gestern eine Abtreibung
(7 ssw) und komme momentan nur schwer damit zurecht.

Zitat von Katharina93:
Jetzt ist es nicht besser, ganz im Gegenteil, es ist alles noch schlimmer.


Hallo Katharina,
Du solltest das alles jetzt nicht allein durchstehen. Du bist gerade in einer Krise und brauchst Unterstützung, damit du deine Gedanken ordnen kannst und deine Zweifel oder dein schlechtes Gewissen verarbeitet werden können.

Du kannst dich z.B. an profamilia wenden. Beratung nach Schwangerschaftsabbruch.
profamilia.de
Du kannst dort alles besprechen, deine Zweifel, deine Sorgen und wie du den Abbruch erlebt hast.

Kaleb e.V. gib das mal im Internet ein, bietet auch verschiedene Beratungen an. Bei der Bundesgeschäftsstelle, TEL. 0371-23480138 kannst du nach einer dieser Beratungsmöglichkeiten in deinem Bundesland fragen.
Im dringenden Fall kannst du das 24h - Notruf Telefon: 0800-3699963 anrufen.
Ich kenne selbst Kaleb nicht. Nur mal von jemandem darüber gehört.

Soweit ich weiß, bietet auch die AWO Beratungen an. Kannst da ja auch mal nachfragen.

Es gibt sicher noch andere Hilfsorganisationen, die Beratungsgespräche anbieten. Vielleicht einfach mal im Internet schauen, da kann man ja schon viel erfahren, wer was anbietet.

Viel Glück
Mondkatze

28.07.2022 22:17 • x 2 #5


K
Ich habe kein Verständnis für das Verhalten des Personals. Auf mich wirkt das alles sehr unprofessionell.
Ganz egal, wie fordernd dieser Beruf auch sein mag, man hat nicht unhöflich und gar laut gegenüber dem Patienten zu werden.
Auch finde ich es unmöglich, dass der Anästhesist sich nicht vorgestellt hat, als Anästhesist hat man eine große Verantwortung und es ist wichtig, dem Patienten zu zeigen, dass er in guten Händen ist.
Komisch finde ich, dass du ihn zuvor nicht zu Gesicht bekamst, du sagtest, dass dir gar nicht erklärt wurde, was gemacht wird. Eigentlich hat man auch ein Gespräch mit dem Anästhesisten, der eben alles erklärt, einem sagt, wie es ablaufen wird. Er muss ja auch eventuelle Erkrankungen, Gefahren während der Op, Nebenwirkungen etc zuvor mit dir durchgehen.
Das hattest du alles anscheinend nicht.
Direkt ein Medikament gespritzt zu bekommen, obwohl noch nichtmal alle Vorbereitungen zuende sind, finde ich auch unverantwortlich und nicht normal.
Ich hatte schon 5 Operationen, ebenfalls eine beim Gynäkologen in der Praxis.
Bis ich die Narkose bekam, verging immer etwas Zeit, es dauerte schließlich, bis ich überall vernünftig angestöpselt war, auch wurde mir jedesmal gesagt, dass es langsam los geht, ich wurde getröstet, wenn es nötig war und respektvoll behandelt.
Deine Erzählung wirkt einfach unmenschlich, ich bin schockiert.

Ich würde mich beim Arzt beschweren, auch wenn dieser nett war (wenigstens er!), sollte er wissen, wie sein Personal mit seinen Patienten umgeht. Ich würde definitiv ein Gespräch mit ihm suchen.

28.07.2022 22:24 • x 2 #6


Hoffnungsblick
Zitat von Katharina93:
Ich zweifel auch an meiner Entscheidung, ich weiß nicht, ob ich das richtige getan habe, ich fühle mich schrecklich, ich habe über ein Leben bestimmt, ich habe nicht zugelassen, dass es auf diese Welt kommt.


Das kann ich verstehen. Eine Abtreibung ist nun einmal eine existenzielle Entscheidung über Leben und Tod. Es gab dabei deine Bedürfnisse und die des ungeborenen Kindes. Du bist nicht gefühllos und leidest nun deswegen. Gefühllose Menschen würden dabei vielleicht nicht leiden.
Nun musst du damit leben, so oder so. Du kannst das Ungeborene vielleicht immer in deinem Herzen lieb haben, auch wenn du ihm ein Leben auf der Erde nicht ermöglichen konntest. Du kannst es in deinem Herzen um Verständnis bitten. Das wird euch beiden helfen. Letztlich geht es immer um Liebe.

Wahrscheinlich erfährt man in den Informationen über Abtreibung nichts oder wenig über die Gefühle danach.
Du kannst mit deinem Beitrag hier anderen helfen und ihnen zeigen, dass es eine vielschichtige Entscheidung ist mit nicht nur körperlichen Dimensionen.
Es kann für dein Leben eine Station der inneren Reifung sein.

29.07.2022 08:30 • x 1 #7





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